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06.07.2005 · IWW-Abrufnummer 051750

Finanzgericht Köln: Urteil vom 24.02.2005 – 10 K 5429/00

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Köln

10. Senat

Urteil

10 K 5429/00

Tenor:

Der Haftungsbescheid vom 28. Juli 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. August 200C wird mit der Maßgabe geändert, dass der Haftungsbetrag nach den Beträgen berechnet wird, die sich ergeben hätten, wenn die Löhne pflichtgemäß nur gekürzt ausgezahlt worden wären.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger zu 3/4 und dem Beklagten zu 1/4 auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit dieser nicht zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte den Kläger zu Recht für rückständige Lohnsteuer und Nebenabgaben von Arbeitnehmern der Firma A GmbH in Haftung genommen hat.

Der Kläger war u.a. in den Monaten Januar bis April 1999 alleiniger Geschäftsführer der Firma A x & Partner GmbH. Er war zudem Gesellschafter der GmbH, nach seinen Angaben zu 25%, nach Auffassung des Beklagten zu 49%. Über das Vermögen der GmbH wurde am 1.7.1999 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Die GmbH reichte für die Monate Januar bis April beim Beklagten Lohnsteueranmeldungen ein, welche abzuführende Lohnsteuern und Nebenabgaben auswiesen. Die angemeldeten Lohnsteuern und Nebenabgaben wurden jedoch nicht an den Beklagten abgeführt. Aus diesem Grund nahm der Beklagte den Kläger für folgende rückständige Lohnsteuern und Nebenabgaben Januar bis April 1999, die sich aus den Anmeldungen ergaben, in Haftung:

Zeitraum Lohnsteuer KiSt e.v KiSt rk. SolZ Säumniszuschlag zur LSt Säumniszuschlag zum SolZ
DM DM DM DM DM DM
01/99 13.367,37 324,29 622,66 759,71 474,82 35,00
02/99 14.826,95 324,29 622,66 761,12 592,01 28,00
03/99 16.196,78 324,29 684,76 836,45 483,00 24,00
04/99 13.546,77 309,16 441,89 681,55 135,00 6,00 130,00
57.937,87 1.282,03 2.371,97 3.038,83 1.684,83 93,00 130,00

Haftungssumme: 66.538,53 DM

Die Haftungssumme wurde dabei ausgehend von den ausgezahlten Nettolöhnen berechnet.

Die Lohnsteueranmeldungen wurden vom Insolvenzverwalter berichtigt und sog. "0-Erklärungen" abgegeben.
Der Kläger legte gegen den Haftungsbescheid vom 28. Juli 1999 rechtzeitig Einspruch ein. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus:

Die GmbH habe letztmals für Januar 1999 am 26. Januar 1999 die Nettogehälter in der sicheren Erwartung ausgezahlt, dass spätestens am 30. Januar und erst recht am Fälligkeitstag 10. Februar 1999 die Mittel zur Begleichung vorhanden seien. Aus der beigefügten Liste der offenen Posten per 26. Januar 1999 ergebe sich die Grundlage für diese Erwartung. Er weise insbesondere auf die letzten drei Posten der Liste hin, nämlich zweimal B-AG und einmal D, somit namhafte Kunden, bei denen man mit dem Eingang der Forderungen fest gerechnet habe.

Für die Lohnzahlungszeiträume Februar und März 1999 seien seitens der GmbH überhaupt keine Löhne gezahlt worden. Weder Netto noch Brutto. Er habe vielmehr persönlich aus eigenen Mitteln die Nettolöhne von einem Konto bei der xxx gezahlt. Hierzu hat der Kläger mit Schreiben vom 6. Dezember 1999 Aufstellungen über die in den Monaten Februar und März 1999 per Scheck gezahlten Löhne nebst Auszügen seines privaten Kontos vorgelegt. Danach wurden die Schecks auf die einzelnen Mitarbeiter ausgestellt und diese haben die Schecks unmittelbar bei der Sparkasse eingelöst.
Der Beklagte hob in der Einspruchsentscheidung vom 4. August 2000 die Inhaftungnahme des Klägers für den Monat April 1999 auf und setzte die Haftungssumme auf 51.288,16 DM herab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus:

Ausweislich der vorgelegten offenen Posten-Liste seien bei der GmbH Zahlungseingänge nur sehr schleppend erfolgt. Bei Forderungen von insgesamt 1.114.884,- DM in der Zeit von Juni 1996 bis Januar 1999 seien nur 365.691,- DM beglichen worden. Hohe Forderungen aus 1997 hätten noch ausgestanden.

Für die Monate Februar und März 1999 habe der Kläger die Löhne von seinem privaten Konto gezahlt. Mit dieser Zahlung habe er eine Verbindlichkeit der GmbH erfüllt. Aufgrund der vorgenommenen Zahlungen habe er einen Rückforderungsanspruch gegen die GmbH. Hieraus folge, dass er die Mittel für die Lohnzahlung der GmbH darlehensweise überlassen habe. Er habe somit mit eigenen Mitteln als Geschäftsführer der GmbH die Lohnverbindlichkeiten beglichen.

Mit der Klage trägt der Kläger vor:

Er habe mit dem Eingang der per 26. Januar 1999 offenen Posten fest gerechnet. Insbesondere habe es sich um zwei potente Kunden, nämlich die B-AG und D, gehandelt.

Hinsichtlich der Monate Februar und März 1999 könne er nicht in Haftung genommen werden, da die Arbeitgeberin überhaupt keine Lohnzahlungen vorgenommen habe. Vielmehr habe er aus eigenem Vermögen unmittelbar die Lohnzahlungen an die Arbeitnehmer vorgenommen. Eine darlehensweise Hingabe des Betrages an die GmbH als Arbeitnehmerin liege nicht vor.

Der Kläger beantragt,

den Haftungsbescheid vom 28. Juli 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. August 2000 aufzuheben, soweit er für die Monate Februar und März 1999 in Haftung genommen wurde.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Anfechtungsklage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Der Beklagte hat den Kläger zwar dem Grunde nach zu Recht für die rückständigen Lohnsteuern und Nebenabgaben der Monate Februar und März 1999 in Haftung genommen. Soweit er die Haftungssumme jedoch ausgehend von den ausgezahlten Löhnen berechnet hat, ist der Haftungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung rechtswidrig und verletzt den Kläger deshalb in seinen Rechten, vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -.

Nach § 34 Abs. 1 der Abgabenordnung 1977 - AO - in Verbindung mit § 35 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG - hat der Geschäftsführer einer GmbH u.a. die Pflichten zu erfüllen, die der GmbH als Arbeitgeberin beim Lohnsteuerabzug obliegen. Hierzu gehört insbesondere die auf § 38 Abs. 3 und § 41 a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG - beruhende Pflicht, bei jeder Lohnzahlung die Lohnsteuer für die Arbeitnehmer einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen. Werden Ansprüche aus einem Steuerschuldverhältnis der GmbH in Folge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der dem Geschäftsführer auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt, haftet der Geschäftsführer insoweit persönlich, § 69 AO. An die Frage des Verschuldens bei der Haftung wegen nichtabgeführter Lohnsteuer sind besonders strenge Maßstäbe anzulegen, weil der Arbeitgeber die Lohnsteuer nur treuhänderisch für den Arbeitnehmer und den Steuerfiskus einbehält und die Beträge deshalb nicht sach- und zweckwidrig für sich selbst oder im Interesse des Betriebes verwenden darf. Kommt der Arbeitgeber dieser Abführungspflicht nicht nach, stellt dies im Regelfall ohne weiteres eine grob schuldhafte Pflichtverletzung dar.

Nach Auffassung des erkennenden Senats greift die zuvor beschriebene Haftung des GmbH-Geschäftsführers, der die Löhne aus eigenen, privaten Mitteln zahlt, zumindest auch dann ein, wenn er zugleich Gesellschafter ist (ausdrücklich offen gelassen vom Bundesfinanzhof-BFH- im Urteil vom 17. November 1992 VII R 13/92, Bundesteuerblatt-BStBI- II 1993,471,472; unklar BFH-Urteil vom 21. Oktober 1986 VII R 144/83, BFH/NV 1987, 286, ob die GmbH über eigene Mittel verfügte). Auch in diesem Fall handelt es sich um Mittel, die der GmbH zur Lohnzahlung zur Verfügung stehen. Auf die Höhe der Beteiligung kommt es nicht an.

Ein Gesellschafter kann "seiner" GmbH Geldmittel entweder auf schuldrechtlicher Grundlage (dann handelt es sich um ein Darlehen) oder auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage (dann handelt es sich um eine Einlage) zur Verfügung stellen. In beiden Fällen handelt es sich eigene Mittel der GmbH.

Einen dritten Weg, wie ein Gesellschafter seiner Gesellschaft Mittel zur Verfügung stellen kann, gibt es - zumindest mit steuerlicher Relevanz - nicht. Zwar kann nach § 267 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches -BGB- auch ein Dritter die Leistung des Schuldners, sogar ohne dessen Einwilligung, bewirken. Der Rückgriff des Dritten gegen den Schuldner richtet sich dann nach seinem Rechtsverhältnis zum Schuldner. Dieses kann aber nur ein Darlehensverhältnis oder eine Einlage sein.

Dass der Kläger die Geldmittel nicht der GmbH überlassen, sondern unmittelbar die Löhne von seinem privaten Konto gezahlt hat, ist unerheblich. Er hat damit eine Verbindlichkeit der GmbH, die als Arbeitgeberin zur Lohnzahlung verpflichtet war, getilgt. Die unmittelbare Auszahlung der Löhne an die Arbeitnehmer stellt lediglich eine Abkürzung des Zahlungsweges dar.

Der Kläger hat auch grob schuldhaft gehandelt, als er die vollen Nettolöhne ausbezahlte und diese nicht um die darauf entfallende Lohnsteuer und Nebenabgaben kürzte. Zwar hatte das Finanzgericht Düsseldorf 1991 eine Haftung des Geschäftsführers verneint, wenn er aus eigenen Mitteln die Löhne zahlte. Hierbei handelte es sich jedoch um eine Einzelfallentscheidung, die ohne Bestätigung durch höchstrichterliche Rechtsprechung blieb. An die Frage des Verschuldens sind aus den oben genannten Gründen strenge Maßstäbe anzulegen. Dem Kläger waren die Pflichten als GmbH-Geschäftsführer bekannt, wie die Lohnsteueranmeldungen zeigen. Ihm musste auch bewusst sein, dass er diese Pflichten nicht dadurch unterlaufen konnte, dass er die Löhne von seinem eigenen Konto zahlte. Denn es machte erkennbar wirtschaftlich keinen Unterschied, ob er das Geld zunächst auf ein Konto der GmbH einzahlte und sodann von diesem Konto die Löhne zahlte oder die Löhne unmittelbar an die Arbeitnehmer zahlte. In beiden Fällen war ihm klar, dass er eine Verbindlichkeit der GmbH tilgte.

Der Beklagte hat jedoch die Höhe der Haftung falsch berechnet.

Die Haftung beschränkt sich dem Umfang nach auf den Betrag, der infolge der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung nicht entrichtet worden ist (BFH-Urteil vom 1. August 2000 VII R 110/99, BStBI II 2001, 271, 272). Für die Lohnsteuerhaftung bedeutet dies nach dem vorgenannten BFH-Urteil: Falls die zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung der vollen Löhne einschließlich des Steueranteils nicht ausreichen, darf der Geschäftsführer die Löhne nur gekürzt auszahlen und muss aus den übrig gebliebenen Mitteln die darauf entfallende Lohnsteuer zuzüglich Nebenabgaben an das Finanzamt abführen.

Im Streitfall verfügte die GmbH unstreitig über keine eigenen Mittel mehr. Der Kläger hätte deshalb die ausgezahlten Nettolöhne als Bruttolohn behandeln und hiervon die Lohnsteuer zzgl. Nebenabgaben einbehalten und abführen müssen. Nur in dieser geringeren Höhe ist ein Schaden entstanden, für den der Kläger haftet. Er war nicht verpflichtet, der GmbH neben den Nettolöhnen die hierauf entfallenden Steuerbeträge zusätzlich zur Verfügung zu stellen.

Der Senat überträgt die Neuberechnung der Haftungssumme gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 FGO, 708 Nr. 10 analog, 711 der Zivilprozessordnung. Der Senat hat bei der Kostenentscheidung berücksichtigt, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung sein Klagebegehren um ca. 30% eingeschränkt hat.

Der Senat lässt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision zu. Die Frage, ob ein GmbH-Geschäftsführer für Lohnsteuern haftet, wenn er die Löhne aus eigenen Mitteln zahlt, ist von grundsätzlicher Bedeutung.

RechtsgebietEinkommensteuerVorschriften§ 38 Abs. 3, § 41a Abs. 1 EStG

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