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01.06.2005 · IWW-Abrufnummer 051439

Finanzgericht Berlin: Urteil vom 22.02.2005 – 7 K 4312/01

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Berlin
Az.: 7 K 4312/01

Freigegeben ab: 20.04.2005

URTEIL

Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit XXX

w e g e n Lohnsteuer 1998 und 1999, Solidaritätszuschlags zur Lohnsteuer 1998 und 1999 und Aufhebung des Vorbehalts der Lohnsteueranmeldungen für den Zeitraum 01.07.1998-31.12.1999

hat das Finanzgericht Berlin, 7. Senat, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2005 in der Besetzung mit


dem Vorsitzenden Richter am Finanzgericht Käwert,
den Richtern am Finanzgericht Dr. Herbert und Röhricht
s o w i e den ehrenamtlichen Richtern Werk und Wojtko

für R e c h t erkannt:

Der Bescheid über die Festsetzung von Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag vom 18. Dezember 2000 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 9. August 2001 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 77 660,00 ? festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin ist ein Tochterunternehmen der A-GmbH, vormals A-AG. Gegenstand der Unternehmensgruppe ist der Einzelhandel mit Lebensmitteln. In den gemeinsam genutzten Ladengeschäften vertreibt die Klägerin Fleisch- und Wurstwaren, die X-GmbH Backwaren und die Mutter der beiden Gesellschaften, die A-GmbH ein umfassendes Sortiment der übrigen Lebensmittel.

Anlässlich von Lohnsteuer-Außenprüfungen bei allen drei Gesellschaften stellte der Außenprüfer fest, dass auch die Klägerin aufgrund von Betriebsvereinbarungen Kleidungsstücke angeschafft und sie ihren Mitarbeitern kostenlos überlassen hatte. Zum Teil sah er sie als typische Berufskleidung an, zum Teil nicht, weil sie weder als Arbeitsschutzkleidung auf die jeweils ausgeübte Berufstätigkeit besonders zugeschnitten waren, noch nach einer uniform-artigen Beschaffenheit oder durch dauerhaft angebrachte Kennzeichen ? durch ein Firmenemblem ? objektiv eine berufliche Funktion erfüllten. Da diese Kleidungsstücke auch im Privatleben getragen werden könnten, gehörten sie nach § 12 Einkommensteuergesetz EStG zur privaten Lebensführung und seien grundsätzlich steuerpflichtiger Arbeitslohn. Der Ersatz von Aufwendungen für bürgerliche Kleidung gehöre auch dann zum steuerpflichtigen Arbeitslohn, wenn feststehe, dass die Kleidung ausschließlich bei der Berufsausübung benutzt werde.

Für den Bereich der Klägerin stellte der Außenprüfer in seinem dem Prüfungszeitraum 1. Juli 1998 bis 31. Dezember 1999 umfassenden Bericht (Auftragsnummer xxxxxx) fest, dass die Klägerin für die Fleischer neben berufstypischer Berufskleidung, die Fleischerjacken für die Mitarbeiter in den Fleischabteilungen und am Grill, jeweils sechs weiße Hemden oder Blusen ohne Firmenemblem angeschafft hatte. Die Ausgaben hierfür hatten im Jahre 1998 10 535,65 DM und 1999 292 886,20 DM betragen. Dies führte zu Nachforderungen im Jahre 1998 an Lohnsteuer in Höhe von 3 287,00 DM und Solidaritätszuschlag in Höhe von 180,78 DM, im Jahre 1999 an Lohnsteuer in Höhe von 147 321,00 DM und 8 102,65 DM Solidaritätszuschlag.

Der Beklagte folgte den Prüfungsfeststellungen und setzte in dem Bescheid über die Festsetzung von Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag vom 18. Dezember 2000 die Nachforderung entsprechend fest.

Der von der Klägerin gegen diesen Bescheid eingelegte Einspruch blieb erfolglos.

Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter, die Überlassung der Kleidung als nichtlohnsteuerpflichtig zu behandeln.

Die von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegebene Begründung ist nicht speziell auf deren Belange zugeschnitten. Vielmehr hat die Prozessbevollmächtigte ihre Einsprüche und auch ihre Klagen bei allen drei Gesellschaften mit einer identischen Begründung versehen. Soweit dies auf die Belange der Klägerin zutreffen kann, wird mit den zur Verfügung gestellten Hemden und Blusen beabsichtigt, ein einheitliches Erscheinungsbild der Mitarbeiter gegenüber der Öffentlichkeit (Kunden, Lieferanten, sonstigen Geschäftspartnern) zu gewährleisten. Die Mitarbeiter sollten während ihrer Arbeitsverrichtung keine bunt zusammen-gewürfelte Kleidung tragen, insbesondere keinen bunten Mustermix und keine mit Tierhaaren von Haustieren behaftete Kleidung. Es war vielmehr aus hygienischen Gründen beabsichtigt, die Mitarbeiter mit einer Kleidung auszustatten, die die Hygieneanforderungen beim Umfang mit nicht verpackten Fleisch- und Wurstwaren in jedem Falle erfüllten; zudem sollte der Umstand, dass die Mitarbeiter in hygienisch einwandfreier sauberer Kleidung auftraten, auf jeden Fall der Kundschaft ?ins Auge springen?.

Dabei seien die Hemden und Blusen im Schnitt, Material und in Reinigungseigenschaften auf ihre besondere Eignung als Arbeitskleidung ausgesucht worden. Es handele sich dabei nicht um exklusive und teure Stoffe, wie es die jeweiligen Anschaffungskosten zeigten. Die Mitarbeiter seien aufgrund von Betriebsvereinbarungen verpflichtet, die ihnen überlassene Kleidung in einem ordentlichen und sauberen Zustand während der Arbeitszeit zu tragen.

Sollte das Gericht der Rechtsauffassung des Beklagten folgen, dass die Überlassung der Kleidungsstücke lohnsteuerpflichtig sei, so nehme die Klägerin mit der Überlassung die Vorschrift des § 8 Abs. 3 EStG (so genannter Belegschaftsrabatt) für sich in Anspruch. Im vor-liegenden Falle würde ein hypothetischer geldwerter Vorteil aus Gestellung der Kleidung den Rabattfreibetrag von 2 400,00 DM je begünstigten Mitarbeiter je Kalenderjahr deutlich unterschreiten. Aufgrund dieses Umstandes käme es zu keiner lohnsteuerlichen Belastung.

Die Terminsvertreterin der Prozessbevollmächtigten hat in der mündlichen Verhandlung auf den besonderen Schnitt der Hemden und Blusen verwiesen, von denen jeweils ein Exemplar dem Gericht zur Ansicht überlassen worden war. Die Blusen und Hemden seien besonders geschnitten, sie seien im Schulterbereich und unter den Ärmeln extra weit, um ein unbehindertes Arbeiten zu ermöglichen. Dieser besondere Schnitt schließe es praktisch aus, dass die Hemden und Blusen auch im privaten Rahmen zu verwenden seien.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid über die Festsetzung von Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag vom 18. Dezember 2000 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 9. August 2001 aufzuheben.


Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an der Rechtsauffassung fest, dass die Überlassung der streitbefangenen Kleidungsstücke steuerpflichtigen Arbeitslohn darstelle. Schon der Umstand, dass die entsprechenden Mitarbeiter nicht verpflichtet seien, sich die nach Auffassung des Arbeitgebers erforderlichen Kleidungsstücke auf eigene Kosten zu beschaffen, stelle einen geldwerten Vorteil dar. Hinzukomme, dass die Kleidungsstücke mangels besonderer Kennzeichnung doch privat getragen werden könnten. Der weite Schnitt im Schulterbereich stehe dem nicht entgegen.

Dem Gericht haben je ein Band die Klägerin betreffende Lohnsteuer-Prüfungsberichte, Prüfungsunterlagen und Lohnsteuerakten vorgelegen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin wird durch den angefochtenen Lohnsteuerbescheid in ihren Rechten verletzt. Ihre Inanspruchnahme würde voraussetzen, dass ihren Arbeitsnehmern durch das Überlassen der Hemden und Blusen lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn zugeflossen ist. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit neben Gehältern, Löhnen, Gratifikationen, Tantiemen auch andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im ... privaten Dienst. Mithin liegt Arbeitslohn vor, wenn dem Arbeitnehmer Geld oder geldeswerte Vorteile für eine Beschäftigung im privaten Dienst zugeflossen sind (vgl. Bundesfinanzhof ?BFH , Urteil vom 17. Dezember 1982, VI R 75/79, Entscheidungen des BFH BFHE- 137, 13, Bundessteuerblatt BStBl II 1983, 39).

Dies ist nicht der Fall. Die Arbeitnehmer der Klägerin haben die Hemden und Blusen nicht als geldeswerte Güter im Sinne von § 8 Abs. 2 EStG als ? teilweises ? Entgelt (Gegenleistung) für ihre Tätigkeit überlassen bekommen. Die Überlassung der Kleidungsstücke und ihr Tragen während der Arbeit durch die Arbeitnehmer der Klägerin lag vielmehr im ganz über-wiegenden Interesse der Klägerin. Die Klägerin hat für das Gericht überzeugend dargestellt, dass sie mit der Überlassung der Kleidung zum einen hygienische Absichten verfolgte und dass sie zugleich mit dem adretten und sauberen Erscheinungsbild ihrer Mitarbeiter in den Fleischabteilungen und im Grillbereich die Kundschaft positiv anzusprechen beabsichtigte. Gemessen an diesen Absichten ist der Wert der jeweiligen Ausstattung auch so bemessen, dass sie die ausschließlich betriebliche Veranlassung der Aufwendungen nicht infrage stellt. Weder waren die Hemden und Blusen bei einem Stückpreis von 34,00 DM bzw. 27,00 DM netto besonders exklusiv und teuer, noch geht die jeweils zur Verfügung gestellte Anzahl gleichartiger Stücke über das hinaus, was für eine Arbeit, bei der ein höheres Verschmutzungsrisiko besteht, erforderlich ist, dies insbesondere dann, wenn man berücksichtigt, dass ein Teil der Kräfte in einem 1-Personen-Haushalt leben dürfte, in denen die Waschmaschine nicht täglich läuft.

An dieser Rechtsauffassung, dass es sich um Kleidungsstücke handelt, die den Mitarbeitern aus den betrieblichen Interessen der Arbeitgeberin quasi aufgedrängt worden sind, ändert auch der Umstand nichts, dass die Hemden und Blusen auch privat getragen werden könnten. Dabei ist nach Auffassung des Senats zu berücksichtigen, dass schon allein der Schnitt der Hemden und Blusen einer nachhaltigen privaten Verwendung entgegen stehen dürfte. Der Schnitt der Hemden und Blusen macht es unwahrscheinlich, dass sie etwa bei einem abendlichen Theaterbesuch getragen werden könnten. Darüber hinaus erscheint es zusätzlich unwahrscheinlich, dass jemand die Kleidung, die er tags über zu tragen verpflichtet ist, auch bei einem Freizeitvergnügen bevorzugt.

Angesichts der von der Klägerin aufgeführten betrieblichen Beweggründe und der Art des Wertes der Kleidungsstücke sieht das Gericht in ihrer Überlassung keine Zuwendung von geldwerten Vorteilen. Dabei berücksichtigt das Gericht auch, dass nur im Streitfall die Klägerin die Steuern übernommen hat. Im Regelfall hätten die Arbeitnehmer die Steuern zu tragen, ohne dass sie über die Mitwirkung des Betriebsrats beim Abschluss der Betriebsvereinbarung hinaus auf die Qualität und die Zahl der ihnen jeweils überlassenen Stücke und damit auch ihre steuerliche Belastung Einfluss nehmen könnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung FGO .

Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 139 Abs. 3 Satz 3, 151, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10 und 711 Zivilprozessordnung ZPO .

Den Streitwert hat das Gericht gemäß den §§ 13, 25 Gerichtskostengesetz GKG a. F. fest-gesetzt (§ 72 GKG).

Das Gericht hat die Revision zugelassen, um eine höchstrichterliche Klärung zu der Frage herbeizuführen, ob die Überlassung von Kleidungsstücken, die keine ausgesprochene Arbeitsschutzkleidung darstellen, durch den Arbeitgeber stets zu einem geldwerten Vorteil führt, wenn die entsprechenden Kleidungsstücke nicht dauerhaft mit einem Firmenemblem gekennzeichnet sind (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision zu.

Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof schriftlich einzulegen. Die Revisionsschrift muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Eine Abschrift oder Ausfertigung des Urteils soll ihr beigefügt werden. Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. Die Begründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten und seine Aufhebung beantragt wird. Sie muss ferner die bestimmte Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich eine Rechtsverletzung durch das Urteil ergibt; soweit Verfahrensmängel gerügt werden, muss sie auch die Tatsachen angeben, aus denen sich der Mangel ergibt.

Bei der Einlegung und Begründung der Revision sowie in dem weiteren Verfahren vor dem Bundesfinanzhof muss sich jeder Beteiligte durch einen Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugte Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Satz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie durch Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen.

Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift:
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RechtsgebietEStGVorschriften§ 3 Nr. 3 EStG

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