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08.04.2005 · IWW-Abrufnummer 050922

Oberlandesgericht Karlsruhe: Urteil vom 21.10.2004 – 19 U 120/03

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Geschäftsnummer: 19 U 120/03
2 O 377/02 Landgericht Offenburg
Verkündet am 21. Oktober 2004

Oberlandesgericht Karlsruhe
19. Zivilsenat in Freiburg

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit XXX

wegen Versicherungsleistung

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 30. September 2004 unter Mitwirkung von XXX

für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Offenburg vom 27.05.2003 abgeändert und die Widerklage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Lebensversicherung verbunden mit einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BUZ), letztere zu Bedingungen entsprechend den BB-BUZ 90 (Landgericht Offenburg 2 O 362/94 - AS 99). Am 23.09.1993 hatte sie bei einem Verkehrsunfall erhebliche Verletzungen erlitten, in deren Folge sie die Beklagte wegen Berufsunfähigkeit auf Versicherungsleistung in Anspruch nahm. Durch Urteil des Landgerichts Offenburg vom 03.05.1995 (a.a.O. - AS 143) wurde die Beklagte u.a. zur Zahlung einer monatlichen Rente von 802,90 DM verurteilt, ihre hiergegen gerichtete Berufung blieb ohne Erfolg (OLG Karlsruhe 14 U 119/95). In dem Verfahren war unter den Parteien lediglich die Zumutbarkeit eines Verweisungsberufs im Streit. Im Februar 1997 hat die Beklagte gestützt auf die Tatsache, dass die Klägerin erfolgreich eine Umschulung absolviert hat, der Klägerin die Einstellung der Rentenleistung mitgeteilt und sich anschließend im Wege der Vollstreckungsgegenklage mit dieser Begründung gegen die Zwangsvollstreckung aus dem rechtskräftigen Urteil gewandt. Das Landgericht (2 O 176/97) hat die Klage abgewiesen, die hiergegen gerichtete Berufung blieb wiederum erfolglos (14 U 227/97). Mit Schreiben vom 13.03.2002 (I 53) hat die Beklagte gestützt auf ein im Nachprüfungsverfahren gem. § 7 BB-BUZ eingeholtes ärztliches Gut-achten (GA Prof. Dr. H. - I 57) mit der Begründung, dass die Klägerin den ursprünglich von ihr ausgeübten Beruf wieder vollschichtig ausüben könne, Einstellung der Leistungen zum 01.05.2002 mitgeteilt. Hieraufhin hat die Klägerin die vorliegende Klage auf Feststellung des Fortbestands der Leistungspflicht erhoben und eine weiterhin bestehende bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit geltend gemacht. Die Beklagte war der Klage entgegengetreten und hat im Wege der Widerklage erneut die Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Offenburg vom 03.05.1995 begehrt wegen Wegfalls der Berufsunfähigkeit, woraufhin die Parteien die Feststellungsklage der Klägerin übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Gestützt auf die Ausführungen des vom Landgericht zu Rate gezogenen Sachverständigen Dr. J. in dessen schriftlichen Gutachten (I 263) sowie bei seiner Anhörung (I 327) stellte sich die Klägerin auf den Standpunkt, dass die Beklagte mit ihrem Vorbringen, sie - die Klägerin - sei wieder berufsfähig, jedenfalls präkludiert sei, da diesen Ausführungen zufolge davon auszugehen sei, dass eine bedingungsgemäße Berufunfähigkeit bereits seit Herbst 1996 nicht mehr vorgelegen habe. Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsächlichen Feststellungen sowie der weiteren Einzelheiten zum erstinstanzlichen Parteivorbringen verwiesen wird, hat das Landgericht der Widerklage entsprochen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Abweisung der Widerklage weiter, wobei sie die vom Landgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht an-greift, sondern eine fehlerhafte Anwendung der Präklusionsvorschriften des § 767 ZPO rügt. Unter erneuter Berufung auf die Ausführungen des Sachverständigen, wonach sie bereits seit Herbst 1996 wieder berufsfähig gewesen sein soll, macht sie geltend, dass die Beklagte diesen Umstand, wenn nicht bereits im ursprünglichen Prozess, so doch im Verfahren über die vorangegangene Vollstreckungsabwehrklage hätte vorbringen müssen.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung, die sie aus Rechtsgründen für unbegründet erachtet, zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat war.

Der Senat hat Beweis erhoben durch erneute Anhörung des Sachverständigen Dr. J. . Auf die Sitzungsniederschrift des Senats vom 30.09.2004 wird insoweit verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet.

Gegen ihre Verurteilung zu künftigen Rentenzahlungen steht der Beklagten grundsätzlich der Weg der Vollstreckungsabwehrklage nach Maßgabe des § 767 ZPO offen, um ihr Leistungsverweigerungsrecht wegen nachträglichen Wegfalls der Berufsunfähigkeit und damit Wegfall ihrer Leistungspflicht aus dem Versicherungsverhältnis durchzusetzen (BGH VersR 1987, 808 S. 809; Voit/ Knappmann in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl., § 7 BUZ Rdn. 10). Die mit der Widerklage erhobene Vollstreckungsabwehrklage der Beklagten erweist sich indessen entgegen dem Landgericht als unbegründet.

1.) § 767 Abs. 3 ZPO steht der Widerklage entgegen der Ansicht der Klägerin nicht entgegen. Zwar war die Beklagte hiernach gehalten, mit der vorangegangenen Vollstreckungsgegenklage alle Einwendungen geltend zu machen, die zur Zeit der Erhebung der Klage geltend zu machen sie imstande war. Den nunmehr erhobenen Einwand des Wegfalls der Leistungsverpflichtung geltend zu machen, war die Beklagte in dem vorangegangenen Verfahren indessen nicht imstande; denn der Wegfall der Berufsunfähigkeit führt nicht unmittelbar zum Wegfall der Rentenzahlungsverpflichtung. Nach § 7 Abs. 4 S. 1 BB-BUZ hat der Wegfall der Berufsunfähigkeit lediglich zur Folge, dass der Versicherer seine Leistungen einstellen kann. Voraussetzung für die Leistungsverweigerung ist allerdings, dass er dem Anspruchsberechtigten unter Hinweis auf seine Rechte aus § 6 BB-BUZ die Leistungseinstellung vorab mitteilt. Der Zugang einer entsprechenden förmlichen Mitteilung ist Voraussetzung für eine Beendigung der Leistungspflicht nach Maßgabe des § 7 Abs. 4 BB-BUZ, d.h. frühestens nach Ablauf eines Monats nach Absendung der Mitteilung (s. BGH a.a.O.; BGH NJW 1993, 1532 S. 1534; OLG München VersR 1997, 95 S. 96; Voit/Knappmann, a.a.O. Rdn. 10). Im Zuge des von ihr im Jahre 2002 durchgeführten Nachprüfungsverfahrens gem. § 7 Abs. 1, 2 BB-BUZ hat die Beklagte der Klägerin unter dem 13.03.2002 in rechtsgestaltender Weise (s. BGH VersR 1987, 808) wirksam die Leistungseinstellung mitgeteilt. Erst ab diesem Zeitpunkt war die Beklagte mithin imstande, ihr Leistungsverweigerungsrecht wegen Wegfalls der Berufsunfähigkeit der Klägerin geltend zu machen. Entgegen der Ansicht der Klägerin war die Beklagte nicht etwa gehalten, vor Erhebung ihrer auf die von der Klägerin durchgeführte Umschulung gestützten Klage oder im Verlaufe jenes Prozesses von ihrer Berechtigung zur Nachprüfung des Gesundheitszustands der Klägerin und ihrer Fähigkeit, ihren ursprünglichen Beruf wieder ausüben zu können, Gebrauch zu machen.

2.) Der Widerklage steht hingegen, wie mit der Berufung zu Recht geltend gemacht wird, § 767 Abs. 2 ZPO entgegen, wonach Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, mit der Vollstreckungsabwehrklage zulässigerweise nur vorgebracht werden können, wenn die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung, in denen Einwendungen nach der Zivilprozessordnung spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind. Mit ihrem Einwand einer vollständigen Wiederherstellung der Berufsfähigkeit der Klägerin ist die Beklagte hiernach aber ausgeschlossen; denn aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass bereits im Herbst 1996 bzw. vor Schluss der mündlichen Verhandlung über die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Offenburg vom 03.05.1995, d.h. am 04.10.1996, die Voraussetzungen für eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit bei der Klägerin nicht mehr gegeben waren, was in jenem Verfahren aber noch hätte geltend gemacht werden können und müssen.

Dem Sachverständigen Dr. J. zufolge ist aufgrund der Tatsache, dass die Verletzungen der Klägerin im Sprunggelenksbereich knöchern verheilt sind und damit auch die Gefahr einer sich entwickelnden Arthrose nicht gegeben war, davon auszugehen, dass dieser Zustand bereits am 04.10.1996 bestand. Da den ärztlichen Unterlagen nichts entnommen werden könne, was auf einen ungewöhnlichen Heilungsverlauf schließen lasse, gehe er, so der Sachverständige, davon aus, dass die Klägerin drei Monate nach der Operation im Jahre 1993 beide Füße wieder belasten konnte. Nach der Metallentfernung im Oktober 1994 seien in den zur Verfügung stehenden ärztlichen Unterlagen keine Komplikationen beschrieben, und im Regelfall könnten drei Monate nach der Metallentfernung beide Beine wieder voll belastet werden. Dafür, dass dies bei der Klägerin nicht der Fall war, ergaben sich für den Sachverständigen keine Anhaltspunkte. Zudem sei es außerordentlich unwahrscheinlich, dass sich nach Entfernen der Metallplatten noch zwei Jahre lang Beschwerden einstellen, die eine Berufsunfähigkeit begründen könnten. Dass dies ausnahmsweise bei der Klägerin gleichwohl der Fall hätte sein können, so bei Vorliegen einer Osteonekrose oder einer suedecksche Erkrankung, dafür vermochte der Sachverständige in den ärztlichen Unterlagen keine Hinweise zu finden, was aber bei der Schwere der genannten Erkrankungen von den behandelnden Ärzten fest-gestellt und folglich auch festgehalten worden wäre. Zumal der behandelnde Arzt Dr. Z. unter dem 31.03.1994 (Anlg.-Heft B 3 zu 2 O 362/94) der Klägerin ab dem 01.04.1994 eine Beendigung der Arbeitsunfähigkeit und die Möglichkeit einer täglichen Belastung von 1 - 2 Stunden bescheinigt hat, sei, so der Sachverständige, auf einen komplikationslosen Heilungsverlauf zu schließen und seiner Ansicht nach davon auszugehen, dass bereits eine deutliche Zeit vor dem 04.10.1996 eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nicht mehr gegeben war. Diesen nachvollziehbaren und auch überzeugenden Ausführungen, den von Seiten der Beklagten nichts ent-gegengesetzt worden ist, folgt der Senat, zumal es keine Anhalte gibt, deren Richtigkeit in Zweifel zu ziehen.

Darauf, dass die Beklagte zum damaligen Zeitpunkt keine Kenntnis davon hatte, dass eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nicht mehr gegeben war, kommt es für den Einwendungsausschluss nach § 767 Abs. 2 ZPO nicht an (vgl. Zöller/Herget, ZPO 24. Aufl., § 767 Rdn. 14; Voit/Knappmann, a.a.O. § 7 Rdn. 5, 13). Zwar war Grundlage der damaligen Entscheidung über die Leistungspflicht der Beklagten die unter den Parteien unstreitige Tatsache, dass die Klägerin verletzungsbedingt berufsunfähig ist. Mit dem Einwand, dass dies tatsächlich nicht der Fall, die Klägerin vielmehr bereits vor dem 04.10.1996 (wieder) berufsfähig war und das Urteil sich somit im Nachhinein als unrichtig erweist, ist die Beklagte gleichwohl ausgeschlossen; denn die Vollstreckungsabwehrklage dient ebenso wenig wie die Abänderungsklage nach § 323 ZPO der Beseitigung von Fehlern der Erstentscheidung (vgl. etwa BGH NJW-RR 1992, 1091 S. 1092). Wenngleich die Beklagte sich nicht darauf beruft, vermag die nunmehr festgestellte Unrichtigkeit der Erstentscheidung an der rechtskräftigen Verurteilung der Beklagten zur Erbringung von Versicherungsleistungen wegen einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit nichts zu ändern. Die Vollstreckungsgegenklage hat aber auch deshalb keinen Erfolg, weil nach § 7 BB-BUZ der Wegfall der Leistungsverpflichtung eine Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse des Versicherungsnehmers zur Voraussetzung hat (vgl. BGH VersR 1887, 808; OLG Oldenburg NVersZ 2002, 117 S. 118; OLG Karlsruhe VersR 1990, 962). Eine Gesundheitsänderung gegenüber dem Ausgangsverfahren ist jedoch bei der Klägerin nicht eingetreten, denn bereits im Zeitpunkt der rechtskräftigen Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten mit Urteil des 14. Senats vom 18.10.1996 hat zur Überzeugung des Senats eine unfallverletzungsbedingte Berufsunfähigkeit nicht mehr vorgelegen. Dass die Beklagte aufgrund der damals vorliegenden ärztlichen Berichte (s. Anl.-Heft zu 2 O 362/94) von einer andauernden Berufsunfähigkeit der Klägerin ausging und diese unstreitig stellte, ist für die Frage des Eintritts einer Veränderung des Gesundheitszustands i.S.d. § 7 BB-BUZ ohne Belang, auf den damaligen Kenntnisstand der Beklagten oder eine geänderte Einschätzung der Berufsunfähigkeit kommt es nach dieser Bestimmung in den Versicherungsbedingungen nicht an (s. Voit/Knappmann, a.a.O. § 7 Rdn. 5, 13; OLG Karlsruhe VersR 1990, 961 S. 962; OLG Köln VersR 1989, 1034). Etwas anderes hätte allenfalls dann zu geltend, wenn der Klägerin ein arglistiges Verhalten im Ausgangverfahren anzulasten wäre. Dafür ist indessen nichts dargetan und auch nichts ersichtlich.

3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr.10, 713 ZPO. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen hierfür (§ 543 Abs. 2 ZPO) war die Revision nicht zuzulassen.

RechtsgebietBB-BUZ 90Vorschriften§ 7 Abs. 4 S. 1 BB-BUZ § 6 BB-BUZ

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