Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

03.03.2005 · IWW-Abrufnummer 050626

Urteil vom 19.04.1999 – 1A.4/1999

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


«AZA 0»
1A.4/1999/luc

I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
**********************************

19. April 1999

Es wirken mit: Bundesrichter Aemisegger, Präsident der
I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Féraud, Jacot-
Guillarmod, Catenazzi, Favre und Gerichtsschreiber Sigg.

---------

In Sachen

E.T.________ und I.T.________, Beschwerdeführer, vertreten
durch Rechtsanwalt Dr. Jörg Schwarz, Zinggentorstrasse 4,
Postfach, Luzern 10,

gegen

Bezirksamt R h e i n f e l d e n,
Staatsanwaltschaft des Kantons A a r g a u,
Obergericht (Beschwerdekammer in Strafsachen) des Kantons
A a r g a u,

betreffend
internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Deutschland
B 0108153,

hat sich ergeben:

A.- Die Staatsanwaltschaft Freiburg i. Br., Zweigstelle
Lörrach, reichte am 18. September 1997 beim Bundesamt für
Polizeiwesen ein Rechtshilfeersuchen ein, mit welchem sie um
Mitteilung von Kontoverbindungen, Herausgabe von Bankunter-
lagen und Einvernahme von Zeugen bat in einem Ermittlungs-
verfahren gegen die Beschuldigten E.T.________ und
I.T.________ wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung.
Das Ersuchen enthält folgende Darstellung des Sachverhalts:

I.T.________ betreibt eine musiktherapeutische
Praxis und ist als Musikerin tätig, während E.T.________
Musiker und freischaffender Musikwissenschaftler ist. Beide
Beschuldigten ermitteln ihre Gewinne aus diesen Tätigkeiten
durch sogenannte Einnahmen-Überschussrechnungen. Zur Täu-
schung des Finanzamtes über die wahre Höhe ihrer Gewinne
haben die Beschuldigten für die Jahre 1990-1994 mit ihren
Steuererklärungen falsche Einnahmen-Überschussrechnungen
eingereicht. Die darin jeweils ausgewiesenen Gewinne sind
nach bisherigen Feststellungen um jährlich mehrere zehntau-
send deutsche Mark niedriger als die tatsächlich erzielten.
So enthalten die Einnahmen-Überschussrechnungen eine Viel-
zahl von Einnahmen aus musiktherapeutischer Tätigkeit, aus
Konzerten und aus Tantiemen für musikwissenschaftliche
Arbeiten nicht. Die Beschuldigten haben ausserdem bei einer
im März 1995 durchgeführten Aussenprüfung für die Jahre
1990-1992 dem Prüfer des Finanzamtes Lörrach diese inhalt-
lich unrichtigen Einnahmen-Überschussrechnungen mit den
zugrunde liegenden Aufzeichnungen vorgelegt. Dadurch haben
sie den Prüfer über die wahren Einnahmen aus den vorgenann-
ten selbständigen Tätigkeiten getäuscht.

Am 17. Februar 1998 reichte die Staatsanwaltschaft
Freiburg i. Br. eine Ergänzung zu ihrem Rechtshilfeersuchen
ein, in welcher sie auf das Urteil des Bundesgerichts vom
14. Februar 1997 i.S. F., Geschäftsnummer 1A.412/1996, ver-
weist, dessen Sachverhalt nach ihrer Auffassung mit dem im
vorliegenden Fall zu beurteilenden Sachverhalt in den
wesentlichen Punkten übereinstimmt. Am 8. April 1998 sandte
die Staatsanwaltschaft Freiburg i. Br. weitere Unterlagen
zum Rechtshilfeersuchen.

B.- Das Bundesamt für Polizeiwesen bestimmte am
17. März 1998 den Kanton Aargau als Leitkanton. Am
9. September 1998 erliess das Bezirksamt Rheinfelden die
Schlussverfügung, in welcher dem Rechtshilfeersuchen im
Sinne der Erwägungen entsprochen und die Herausgabe eines
Antrags zur Kontoeröffnung und von Kontoauszügen an die
deutschen Behörden angeordnet wurde.

C.- Gegen diese Verfügung erhoben E.T.________ und
I.T.________ Beschwerde. Die Beschwerdekammer in Strafsachen
des Obergerichts des Kantons Aargau wies die Beschwerde mit
Entscheid vom 9. November 1998 ab.

D.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 7. Januar
1999 stellen E.T.________ und I.T.________ folgende Anträge:

"1. Der Entscheid des Obergerichts des Kantons
Aargau (Beschwerdekammer in Strafsachen) vom
9. November 1998 i.S. E.T.________ und
I.T.________ gegen die Verfügung des Bezirks-
amtes Rheinfelden vom 9. September 1998 sei
aufzuheben.

2. Dem Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft
Freiburg i. Br., Zweigstelle Lörrach, vom

18.9.1997, 17.2.1998 und 8.4.1998 sei nicht zu
entsprechen.

3. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge zulasten
des Beschwerdegegners bzw. des Kantons Aargau."

Das Bezirksamt Rheinfelden und das Bundesamt für
Polizeiwesen verzichten auf Vernehmlassung. Das Obergericht
schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau liess sich nicht
vernehmen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.- a) Das vorliegende Rechtsmittel richtet sich gegen
eine Schlussverfügung in einem Rechtshilfeverfahren. Der in
dieser Sache ergangene kantonal letztinstanzliche Entscheid
des Obergerichts kann mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde
angefochten werden (Art. 25 Abs. 1 und Art. 80f Abs. 1 des
Bundesgesetzes über internationale Rechtshilfe in Strafsa-
chen vom 20. März 1981 [IRSG; SR 351.1]).

b) Die Beschwerdeführer sind als Inhaber des von
den umstrittenen Rechtshilfemassnahmen betroffenen Solidar-
kontos zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert
(BGE 122 II 130 E. 2b S. 132 f.; 121 II 459 E. 2b und c
S. 461 f.; 118 Ib 442 E. 2b und c S. 446 f.).

2.- Nach Art. 2 lit. a des hier massgeblichen Europäi-
schen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom
20. April 1959 (EUeR; SR 0.351.1) kann die Rechtshilfe ver-
weigert werden, wenn sich das Ersuchen auf strafbare Hand-
lungen bezieht, die vom ersuchten Staat als Fiskaldelikte

angesehen werden. Art. 3 Abs. 3 IRSG sieht vor, dass Rechts-
hilfebegehren abzulehnen sind, wenn Gegenstand des Verfah-
rens eine Tat bildet, die auf eine Verkürzung fiskalischer
Abgaben gerichtet ist. Jedoch kann einem Ersuchen um Rechts-
hilfe nach dem dritten Teil des Gesetzes entsprochen werden,
wenn das Verfahren einen Abgabebetrug betrifft. Nach der
Rechtsprechung besteht im letzteren Fall eine Pflicht zur
Rechtshilfeleistung, wenn die übrigen Voraussetzungen dafür
erfüllt sind (BGE 117 Ib 53 E. 3 S. 64; 115 Ib 68 E. 3c
S. 82; 111 Ib 242 E. 4c S. 248). Das Obergericht hat die dem
Rechtshilfeersuchen zugrunde liegenden Tatsachen als Abgabe-
betrug im Sinne von Art. 3 Abs. 3 IRSG qualifiziert. Da es
auch die übrigen Voraussetzungen zur Gewährung der Rechts-
hilfe als erfüllt ansah, hat es die vom Bezirksamt angeord-
neten Rechtshilfemassnahmen geschützt. Die Beschwerdeführer
machen hauptsächlich geltend, im angefochtenen Entscheid sei
ein Abgabebetrug zu Unrecht bejaht worden.

3.- a) Gemäss Art. 24 Abs. 1 der Verordnung über inter-
nationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 24. Februar 1982
(IRSV; SR 351.11) bestimmt sich der Begriff des Abgabe-
betrugs im Sinne von Art. 3 Abs. 3 IRSG nach Art. 14 Abs. 2
des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht vom
22. März 1974 (VStR; SR 313.0). Danach liegt ein Abgabe-
betrug vor, wenn der Täter durch sein arglistiges Verhalten
bewirkt, dass dem Gemeinwesen unrechtmässig und in einem
erheblichen Betrag eine Abgabe, ein Beitrag oder eine andere
Leistung vorenthalten oder dass es sonst am Vermögen geschä-
digt wird. Der damit umschriebene Tatbestand ist weiter als
jener des Steuerbetrugs gemäss Art. 186 des Bundesgesetzes
über die direkte Bundessteuer vom 14. Dezember 1990 (DBG;
SR 642.11), der eine Täuschung der Steuerbehörden durch ge-
fälschte, verfälschte oder inhaltlich unwahre Urkunden wie
Geschäftsbücher, Bilanzen, Erfolgsrechnungen, Lohnausweise
oder andere Bescheinigungen Dritter voraussetzt.

b) Ein Abgabebetrug muss nicht notwendigerweise
durch Verwendung falscher oder gefälschter Urkunden begangen
werden, sondern es sind auch andere Fälle arglistiger Täu-
schung denkbar. Nach der Rechtsprechung sind jedoch immer
besondere Machenschaften, Kniffe oder ganze Lügengebäude
erforderlich, damit eine arglistige Täuschung anzunehmen
ist. Unter Umständen kann allerdings auch blosses Schweigen
arglistig sein, wenn der Täuschende den Getäuschten von
einer möglichen Überprüfung abhält oder voraussieht, dass
dieser mit Rücksicht auf ein besonderes Vertrauensverhältnis
von einer Überprüfung absehen wird (BGE 115 Ib 68 E. 3a/bb
S. 74 ff.; 111 Ib 242 E. 4b S. 247 f.). Ob eine Tat als
Abgabebetrug zu qualifizieren ist, beurteilt sich allein
nach den erwähnten Grundsätzen des schweizerischen Rechts.
Dagegen ist unerheblich, ob das fragliche Verhalten nach dem
Recht des ersuchenden Staates ebenfalls als Abgabebetrug
gilt oder ob es - wie im vorliegenden Fall (vgl. § 370 der
deutschen Abgabenordnung) - als Steuerhinterziehung geahndet
wird (BGE 115 Ib 68 E. 3c S. 81 f.).

c) In der Lehre wird die Auffassung vertreten, un-
abhängig davon, ob die den Steuerbehörden eingereichten un-
richtigen oder unvollständigen Unterlagen Urkunden im Sinne
des Strafrechts seien, sei die Täuschung der Steuerbehörden
dann und nur dann arglistig, wenn die unrichtigen oder un-
vollständigen Unterlagen von Drittpersonen stammen. Verfasse
jedoch der Steuerpflichtige selbst ein unrichtiges Dokument
(z.B. eine Bilanz), das er den Steuerbehörden einreiche, so
sei die Täuschung auch dann nicht arglistig, wenn es sich
beim Dokument um eine Urkunde im Sinne von Art. 110 Ziff. 5
StGB handle. Entscheidend sei allein der Umstand, dass die
Steuerbehörden Unterlagen, die von Drittpersonen stammen, in
der Regel nicht kontrollieren, weshalb der Steuerpflichtige
in diesem Fall voraussehe, dass die Steuerbehörde darin ent-

haltene unrichtige Angaben nicht auf ihren Wahrheitsgehalt
hin überprüfen werde; bei Unterlagen, die der Steuerpflich-
tige selbst hergestellt habe, dürfe der Steuerpflichtige
jedoch selbst dann darauf zählen, dass sie von der Steuer-
behörde kontrolliert werden, wenn es sich dabei um Urkunden
im Sinne des Strafrechts handle (Robert Waldburger, Entraide
administrative et judiciaire internationale en matière fis-
cale, S. 310, in: Les procédures en droit fiscal, Bern 1997,
S. 293-316).

Bei dieser Auffassung bleibt ausser Acht, dass Ur-
kunden, das heisst also Dokumente, die bestimmt und geeignet
sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen
(Art. 110 Ziff. 5 Abs. 1 StGB), gerade wegen ihrer Eignung
und Bestimmung zum Beweis ein höheres Vertrauen entgegenge-
bracht wird als anderen Unterlagen. Die erhöhte Glaubwürdig-
keit von Urkunden fördert die Bereitschaft der Steuerbehör-
den, von Kontrollen abzusehen und Urkunden, die der Steuer-
erklärung beigelegt worden sind, nicht weiter auf ihren
Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. Legt der Steuerpflichtige
seiner Steuererklärung Urkunden im Sinne des Strafrechts
bei, so muss er eher voraussehen, dass die Steuerbehörde die
Urkunden nicht weiter überprüfen werde. Demnach handelt arg-
listig, wer die Steuerbehörden täuscht, indem er seiner
Steuererklärung unrichtige oder unvollständige Unterlagen
beilegt, die nach Art. 110 Ziff. 5 Abs. 1 StGB als Urkunden
gelten. In solchen Fällen liegt regelmässig ein Steuerbetrug
vor. Im Folgenden ist daher zuerst zu prüfen, ob die von den
Beschwerdeführern ihren Steuererklärungen beigelegten un-
vollständigen Einnahmen-Überschussrechnungen Urkunden im
Sinne des schweizerischen Strafrechts sind. Sollte es sich
bei den Einnahmen-Überschussrechnungen um Urkunden handeln,
so haben die Beschwerdeführer, welche unvollständige Ein-
nahmen-Überschussrechnungen eingereicht haben, arglistig
gehandelt. In diesem Fall ist die verlangte Rechtshilfe zu
gewähren. Handelt es sich aber bei den Einnahmen-Überschuss-

rechnungen nicht um Urkunden, so ist zu prüfen, ob das Ver-
halten der Beschwerdeführer aus anderen Gründen als arglis-
tig erscheint.

4.- a) Im schweizerischen Strafrecht gelten als Urkun-
den unter anderem Schriften, die bestimmt und geeignet sind,
eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen
(Art. 110 Ziff. 5 Abs. 1 StGB; BGE 123 IV 132 E. 3; 101 IV
278); die Bestimmung und Eignung zum Beweis kann sich aus
Gesetz oder Verkehrsübung ergeben (vgl. BGE 114 IV 32 E. 2).
Soweit sich die Bestimmung und die Eignung der Einnahmen-
Überschussrechnungen als Beweismittel aus Gesetzesbestimmun-
gen ergeben sollen, sind die deutschen Gesetze massgebend,
weil die umstrittenen Einnahmen-Überschussrechnungen für
eine Steuerveranlagung in Deutschland verwendet wurden. Aus
der Verkehrsübung, bei welcher es sich ebenfalls um dieje-
nige in Deutschland handeln müsste, lässt sich im vorlie-
genden Fall nichts ableiten, da die deutschen Strafverfol-
gungsbehörden im Rechtshilfeersuchen keinerlei Ausführungen
zur Verkehrsübung in Deutschland machen; sie äussern sich
nicht einmal zur Frage, ob die Einnahmen-Überschussrechnun-
gen nach deutschem Strafrecht Urkunden wären.

b) Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 des deutschen Einkommens-
steuergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom
16. April 1997 (EStG; BGBl. I S. 821) können Steuerpflich-
tige, die nicht auf Grund gesetzlicher Vorschriften ver-
pflichtet sind, Bücher zu führen und regelmässig Abschlüsse
zu machen, als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen
über die Betriebsausgaben ansetzen. Bei dieser Bestimmung
handelt es sich um eine "Kann-Vorschrift", das heisst der
Steuerpflichtige, der die Voraussetzung nach § 4 Abs. 3
Satz 1 EStG erfüllt, ist nicht verpflichtet, eine Über-
schussrechnung zu erstellen (Ludwig Schmidt, EStG Einkom-
menssteuergesetz Kommentar, 17. Aufl., München 1998, § 4

Rz 4). Gemäss § 60 Abs. 1 der deutschen Einkommenssteuer-
Durchführungsverordnung (EStDV) sind denn auch nur Steuer-
pflichtige, deren Gewinn nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG er-
mittelt wird, nicht aber solche, deren Gewinn nach § 4
Abs. 3 EStG berechnet wird, gehalten, ihrer Steuererklärung
eine Abschrift der Bilanz beizulegen (Ludwig Schmidt,
a.a.O., § 25 vor Rz. 1). Weder die deutschen Strafverfol-
gungsbehörden noch die kantonalen Rechtshilfebehörden machen
geltend, die Beschwerdeführer seien buchführungspflichtig.
Sie erfüllen deshalb die Voraussetzung von § 4 Abs. 3 Satz 1
EStG: Sie können, müssen aber nicht ihren Gewinn als Über-
schuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ange-
ben. Sie liessen somit die Einnahmen-Überschussrechnungen
freiwillig von ihrer Steuerberaterin erstellen und dem
Finanzamt einreichen.

c) Auch freiwillig verfasste und dem Finanzamt ein-
gereichte Dokumente können indessen zum Beweis einer Tatsa-
che von rechtlicher Bedeutung bestimmt und geeignet sein und
damit unter den Urkundenbegriff des schweizerischen Rechts
fallen. Voraussetzung dafür ist, dass derartige Urkunden im
deutschen Steuerverfahren zum Beweis bestimmt und geeignet
sind.

§ 4 Abs. 3 Satz 1 EStG sieht ausdrücklich vor, dass
Steuerpflichtige, die nicht buchführungspflichtig sind, als
Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Be-
triebsausgaben ansetzen. Die Bestimmung schreibt den Steuer-
pflichtigen, die diese Art der Gewinnberechnung wählen, je-
doch nicht vor, dass sie das Ergebnis ihrer Rechnung mit
einer schriftlichen Einnahmen-Überschussrechnung belegen.
Eine solche Pflicht trifft nach § 60 Abs. 1 EStDV nur dieje-
nigen Steuerpflichtigen, die zur Buchführung verpflichtet
sind. Ist ein Steuerpflichtiger zur Buchführung verpflich-
tet, muss seine Einnahmen-Überschussrechnung genau diejeni-

gen Angaben enthalten, die seine Buchhaltung enthält. In
diesem Fall ist die Einnahmen-Überschussrechnung bestimmt
und geeignet, den Inhalt der Buchhaltung zu beweisen. Weil
eine nach kaufmännischen Grundsätzen geführte Buchhaltung
vollständig sein muss, das heisst, alle Einnahmen und Ausga-
ben des Steuerpflichtigen darin zumindest betragsmässig auf-
geführt sein müssen, ist die Einnahmen-Überschussrechnung
besonders auch dazu bestimmt und geeignet, zu beweisen, dass
der Steuerpflichtige in der massgeblichen Bemessungsperiode
gerade den in der Einnahmen-Überschussrechnung und in der
Steuererklärung aufgeführten Gewinn erreicht hat.

Ist der Steuerpflichtige jedoch nicht zur Buchfüh-
rung verpflichtet und führt er auch nicht freiwillig eine
kaufmännischen Grundsätzen entsprechende Buchhaltung, so
belegt seine Einnahmen-Überschussrechnung nur (aber immer-
hin), aus welchen einzelnen Posten der Steuerpflichtige den
in seiner Steuererklärung genannten Gewinn zusammengerechnet
hat. Wenn der Steuerpflichtige keine kaufmännischen Grund-
sätzen entsprechende, vollständige Buchhaltung geführt hat,
ist bei einer funktionalen Betrachtungsweise die Einnahmen-
Überschussrechnung weder bestimmt noch geeignet, zu bewei-
sen, dass der Steuerpflichtige genau den in der Steuererklä-
rung aufgeführten Gewinn erzielt hat (vgl. BGE 125 IV 17
E. 2). In diesem Fall beweist seine Einnahmen-Überschuss-
rechnung nicht mehr und nicht weniger, als seine Steuerer-
klärung für sich allein beweisen würde, wenn ihr keine Ein-
nahmen-Überschussrechnung beigelegt wäre. Ist der Steuer-
pflichtige nicht zur Buchführung verpflichtet und hat er
auch nicht freiwillig eine kaufmännischen Grundsätzen ent-
sprechende Buchhaltung geführt, so handelt es sich bei
seiner Einnahmen-Überschussrechnung nicht um eine Urkunde im
Sinne von Art. 110 Ziff. 5 Abs. 1 des schweizerischen Straf-
gesetzbuches. Die Einnahmen-Überschussrechnung ist jedoch

immer dann eine Urkunde gemäss Art. 110 Ziff. 5 Abs. 1 StGB,
wenn der Steuerpflichtige zur Buchführung nach kaufmänni-
schen Grundsätzen verpflichtet ist oder wenn er freiwillig
nach kaufmännischen Grundsätzen eine Buchhaltung führt.

d) Die Beschwerdeführer haben gemäss der Darstel-
lung im Rechtshilfeersuchen ihren Steuererklärungen unvoll-
ständige Einnahmen-Überschussrechnungen beigelegt. Sie waren
nicht zur Buchführung verpflichtet und haben keine Buchhal-
tung nach kaufmännischen Grundsätzen geführt. Die Einnahmen-
Überschussrechnungen beweisen deshalb nur, dass die Be-
schwerdeführer den Gewinn, den sie in ihren Steuererklärun-
gen genannt haben, auf Grund der in den Einnahmen-Über-
schussrechnungen aufgeführten einzelnen Rechnungsposten be-
rechnet haben. Sie beweisen jedoch nicht, dass die Beschwer-
deführer keine weiteren Einnahmen entgegengenommen (oder
Ausgaben gemacht) hätten, die in den Einnahmen-Überschuss-
rechnungen nicht aufgeführt und in die Berechnung des Ge-
winns, wie er in den Steuererklärungen ausgewiesen wurde,
nicht einbezogen worden wären. Die von den Beschwerdeführern
ihren Steuererklärungen beigelegten Einnahmen-Überschuss-
rechnungen beweisen bloss, dass die Beschwerdeführer behaup-
ten, den in den Steuererklärungen aufgeführten Gewinn er-
zielt zu haben. Bei den von den Beschwerdeführern einge-
reichten Einnahmen-Überschussrechnungen handelt es sich
somit um keine Urkunden im Sinne von Art. 110 Ziff. 5 StGB.
Die Beschwerdeführer haben insoweit nicht arglistig gehan-
delt, als sie nicht inhaltlich falsche Urkunden den deut-
schen Steuerbehörden eingereicht haben. Auch an dieser Stel-
le sei jedoch darauf hingewiesen, dass das Verhalten der Be-
schwerdeführer ohne weiteres als arglistig beurteilt werden
müsste, wenn sie nach gesetzlicher Vorschrift oder freiwil-
lig eine Buchhaltung nach kaufmännischen Grundsätzen geführt
hätten.

5.- a) Wer seiner Steuererklärung unrichtige oder un-
vollständige Unterlagen beilegt, handelt unter Umständen
auch dann arglistig, wenn es sich bei den Beilagen nicht um
Urkunden im Sinne des Strafrechts handelt. Nach der oben in
Erwägung 3b dargelegten Rechtsprechung sind jedoch immer be-
sondere Machenschaften erforderlich, damit eine arglistige
Täuschung anzunehmen ist. Als besondere Machenschaften
(machinations) gelten Erfindungen und Vorkehrungen sowie das
Ausnützen von Begebenheiten, die allein oder gestützt durch
Lügen oder Kniffe (manoeuvres frauduleuses) geeignet sind,
das Opfer irrezuführen oder es in seinem Irrtum zu bestärken
(vgl. BGE 122 IV 197 E. 3d mit Hinweisen). Selbst blosses
Schweigen kann arglistig sein, wenn der Täuschende den Ge-
täuschten von einer möglichen Überprüfung abhält oder vor-
aussieht, dass dieser mit Rücksicht auf ein besonderes Ver-
trauensverhältnis von einer Überprüfung absehen wird.

b) Liegt dem Rechtshilfeersuchen der Verdacht
zugrunde, der Beschuldigte habe sich eines Abgabebetrugs
schuldig gemacht, so haben sich die schweizerischen Behörden
beim Entscheid über die Frage, ob die Täuschung, welche dem
Beschuldigten vorgeworfen wird, arglistig sei, allein an die
Darstellung des Sachverhalts im Rechtshilfebegehren zu hal-
ten, soweit diese nicht offensichtliche Fehler, Lücken oder
Widersprüche enthält. Einerseits haben sich die schweizeri-
schen Behörden grundsätzlich nicht darüber auszusprechen, ob
die darin angeführten Tatsachen zutreffen oder nicht. Ander-
seits verlangt die Rechtsprechung, dass hinreichende Ver-
dachtsmomente für den im Rechtshilfeersuchen enthaltenen
Sachverhalt bestehen. Damit soll verhindert werden, dass
sich die ersuchende Behörde unter dem Deckmantel eines von
ihr ohne Vorhandensein von Verdachtsmomenten lediglich be-
haupteten Abgabebetrugs Beweise verschafft, die zur Ahndung
anderer Fiskaldelikte dienen sollen, für welche die Schweiz
gemäss Art. 3 Abs. 3 IRSG keine Rechtshilfe gewährt (BGE 116
Ib 96 E. 4c S. 103; 115 Ib 68 E. 3b/bb S. 78). Demnach ist

es Sache der um Rechtshilfe ersuchenden ausländischen Behör-
de, in ihrem Ersuchen die Umstände darzulegen, aus welchen
sich ergeben soll, dass der Beschuldigte arglistig gehandelt
hat.

c) Im vorliegenden Fall enthält das Rechtshilfeer-
suchen keinen Hinweis darauf, dass die Beschwerdeführer be-
sondere Machenschaften angewandt hätten, um das Finanzamt
über die Höhe ihrer Einkünfte zu täuschen. Sie haben sich
vielmehr darauf beschränkt, in den Einnahmen-Überschussrech-
nungen ihre Einkünfte nicht vollständig aufzuführen. Weil
die Beschwerdeführer weder aus gesetzlicher Pflicht noch
freiwillig eine Buchhaltung nach kaufmännischen Grundsätzen
geführt haben und gegenüber dem Finanzamt auch nicht den
Anschein erweckt haben, sie würden eine kaufmännischen
Grundsätzen entsprechende Buchhaltung führen, musste das
Finanzamt von vornherein annehmen, dass möglicherweise nicht
alle Angaben der Beschwerdeführer der Wahrheit entsprechen.
Die Beschwerdeführer haben daher nicht arglistig gehandelt.
Hätten sie die ihnen vorgeworfenen Handlungen oder Unterlas-
sungen in der Schweiz begangen, hätten sie sich zwar der
Steuerhinterziehung nach schweizerischem Recht, nicht aber
des Steuerbetrugs gemäss Art. 14 Abs. 2 VStrR schuldig ge-
macht. Nach Art. 2 lit. a EUeR und Art. 3 Abs. 3 IRSG in
Verbindung mit Art. 24 Abs. 1 IRSV ist deshalb die verlangte
Rechtshilfe nicht zulässig.

6.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist aus diesen
Gründen gutzuheissen und der angefochtene Entscheid ist auf-
zuheben. Nach Art. 114 Abs. 2 OG kann das Bundesgericht
selbst in der Sache entscheiden; das Rechtshilfeersuchen der
deutschen Behörden ist abzuweisen.

Dem unterliegenden Kanton Aargau sind keine Kosten
aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 2 OG). Indessen hat er die Be-
schwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren zu ent-
schädigen (Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheis-
sen. Der angefochtene Entscheid der Beschwerdekammer in
Strafsachen des Obergerichts des Kantons Aargau vom
9. November 1998 wird aufgehoben.

2.- Das Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft
Freiburg i.Br., Zweigstelle Lörrach, vom 18. September 1997,
17. Februar 1998 und 8. April 1998 wird abgewiesen.

3.- Es werden keine Kosten erhoben.

4.- Der Kanton Aargau hat die Beschwerdeführer für das
bundesgerichtliche Verfahren mit insgesamt Fr. 2'000.-- zu
entschädigen.

5.- Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Be-
zirksamt Rheinfelden, der Staatsanwaltschaft und dem Oberge-
richt (Beschwerdekammer in Strafsachen) des Kantons Aargau
sowie dem Bundesamt für Polizeiwesen schriftlich mitgeteilt.
______________

Lausanne, 19. April 1999

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

RechtsgebietInternationale Rechtshilfe in Steuerstrafsachen

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr