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26.11.2004 · IWW-Abrufnummer 043020

Oberlandesgericht Karlsruhe: Beschluss vom 29.10.2004 – 1 Ss 121/04

Eine gerichtliche Einstellung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens nach § 47 Abs.2 OWiG wird immer dann in Betracht zu ziehen sein, wenn eine Ahndung der Tat der ansonsten üblichen Verwaltungspraxis widersprechen würde, denn solche internen Richtlinien und Weisungen sollen gerade die gleichmäßige Behandlung aller Bürger gewährleisten


Oberlandesgericht Karlsruhe

Beschluss vom 29. Oktober 2004 - 1 Ss 121/04 -

Bußgeldsache gegen

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

Beschluss vom 29. Oktober 2004

1. Das Verfahren wird eingestellt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse. Es wird davon abgesehen, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht X. verurteilte des Betroffenen am 26.04.2004 wegen fahrlässigen Abbiegens nach rechts bei rotem Lichtzeichen mit rechts daneben angebrachtem Grünpfeil zu der Geldbuße von Euro 50, weil er am 04.12.2003 in X. an der Kreuzung M-N-Straße/ K-Straße mit seinem Pkw nach rechts abgebogen war, ohne an der Haltelinie der dortigen Kreuzung anzuhalten. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel des Betroffenen, mit welcher er die Sachrüge erhebt und die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts beantragt. Die Generalstaatsanwaltschaft K. ist einer Einstellung des Verfahrens nach § 47 Abs. 2 OWiG entgegengetreten, der Betroffene hat einer solchen zugestimmt.

II.

Der Senat hält eine Ahndung des Verkehrsverstoßes nicht für geboten.

1. Entgegen der Ansicht des Betroffenen liegt ein solcher jedoch vor.

Wie in der Rechtsprechung obergerichtlich geklärt ist - der Senat sieht zur Abweichung hiervon keinen Anlass -, muss ein Verkehrsteilnehmer bei Ampelanlagen mit nicht leuchtendem Grünpfeil entsprechend der Bestimmung des § 37 Abs. 2 Nr. 8 StVO bereits an der Haltelinie sein Fahrzeug zum Stehen bringen, wenn sich an der Kreuzung auch eine Fußgängerfurt befindet und diese - wie hier - in den Schutzbereich der Lichtzeichenanlage mit einbezogen ist (vgl. KG VRS 88, 477 ff. mit w. Nachw. auch zur Entstehungsgeschichte der Norm; VG Berlin NZV 1997, 327 f.; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl. 2003, StVO, § 37 Rn. 53). Das spätere Anhalten des Betroffenen an der sog. Sichtlinie genügte deshalb nicht. Die Generalstaatsanwaltschaft K. hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass gerade dem Schutz von Fußgängern und Fahrradfahrern als oftmals schwächsten und nicht wahrgenommenen Verkehrsteilnehmern besondere Bedeutung zukommt. Aus diesem Grund hat der Fahrzeugführer bei Rotlicht sein Fahrzeug grundsätzlich an der Haltelinie vor der Fußgängerfurt zunächst zum Stehen zu bringen und darf erst - wie sich aus dem Wortlaut der Norm ergibt - nach dem Anhalten weiterfahren und in die Kreuzung einbiegen, wobei er sich so zu verhalten hat, dass eine Behinderung oder Gefährdung anderer ausgeschlossen ist (§ 37 Abs.1 Nr. 8 StVO).

2. Wie gerichtsbekannt, hält die zuständige Ordnungsbehörde der Stadt X. im Rahmen des ihr zustehenden Verfolgungsermessens in vergleichbaren Fällen jedoch eine Ahndung derartiger Verkehrsverstöße dann nicht für veranlasst, wenn ein bloßes Überrollen der Haltelinie oder ein Kolon-nenverkehr vorliegt (Urt. des AG X. vom 18.06.2004, 4 OWi 82 Js 3392/04; Senat 1 Ss 147/04). Eine gerichtliche Einstellung eines Ordnungswidrig-keitenverfahrens nach § 47 Abs.2 OWiG wird jedoch immer dann in Betracht zu ziehen sein, wenn eine Ahndung der Tat der ansonsten üblichen Verwaltungspraxis widersprechen würde, denn solche internen Richtlinien und Weisungen sollen gerade die gleichmäßige Behandlung aller Bürger gewährleisten (vgl. OLG Hamm Zfs 1993, 285; OLG Braun-schweig NStZ 2003, 95 f.; KK-OWiG-Bohnert, 2. Aufl. 2000, § 47 Rn. 106; Göhler, OWiG, 13. Aufl. 2002, § 47 Rn. 9).

Nach den getroffenen gerichtlichen Feststellungen hat der Betroffene vorliegend die Haltelinie aber langsam überfahren und dann sogar an der Sichtlinie angehalten. Entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft K. vermag der Senat aus der unterschiedlichen Wortwahl keinen wesentlichen sachlichen Unterschied abzuleiten, da unter ?langsam fahren? und auch ein bloßes ?überrollen? verstanden werden kann.

Ein Absehen von der Verfolgung - eine bloße Reduzierung der Geldbuße ist im Zulassungsverfahren nicht möglich - erschien auch sachgerecht. Zwar wiegt der Verkehrsverstoß - auch ohne konkrete Feststellung einer Gefähr-dung von Fußgängern - nicht unerheblich. Zu sehen ist jedoch, dass vielen auch sich um verkehrsgerechte Fahrweise bemühenden Verkehrsteil-nehmern die Regelung in § 37 Abs. 2 Nr. 8 StVO nicht bekannt ist und sie im Glauben sind, sich durch ein Anhalten an der Sichtlinie normgerecht zu verhalten. Wohl aus diesem Grund sind bereits an vielen vergleichbaren Kreuzungen mit Grünpfeil entsprechende Hinweisschilder mit Aufdruck: ?Bei Abbiegen nach rechts Stop an der Haltelinie? angebracht worden. Dass eine solche Tafel an der besagten Kreuzung ebenfalls aufgestellt gewesen wäre, ist den getroffenen Feststellungen nicht zu entnehmen. Zwar ergibt sich hieraus kein Hinweis auf sachwidrige Erwägungen der Bußgeldbehörde. Indes ist den Urteilsgründen ebenfalls nicht zu entnehmen, dass es sich bei der Kreuzung um einen besonderen Unfallschwerpunkt handeln würde und deshalb Kontrollmaßnahmen dringend geboten gewesen wären.

III.

Das Verfahren war daher einzustellen. Einer Zustimmung der Generalstaats-anwaltschaft K. (§ 47 Abs. 2 Satz 2 OWiG) oder einer vorherigen Zulassung der Rechtsbeschwerde (OLG Hamm NZV 1998, 514 f.; Göhler, a.a.O., Rn. 41) bedurfte es hierzu nicht.

Wegen der tatbestandlich vorliegenden Ordnungswidrigkeit erschien es hinsichtlich der zu treffenden Kostenentscheidung sachgerecht, von der Aufer-legung der notwendigen Auslagen des Betroffenen auf die Staatskasse abzusehen und diese lediglich mit den Kosten des Verfahrens zu belasten (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 467 Abs. 4 StPO; Göhler, a.a.O., Rn. 43 ff.).

RechtsgebieteOWiG, StVG, StVOVorschriftenOWiG : § 47 Abs. 2 StVG : § 24 StVO : § 37 Abs.2 Nr. 8 StVO

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