Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

29.10.2004 · IWW-Abrufnummer 042631

Finanzgericht Berlin: Urteil vom 22.06.2004 – 7 K 7500/02

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Berlin

Az.: 7 K 7500/02

URTEIL

Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit XXX

w e g e n Einkommensteuer 2000 und ges. Feststellung des verbleib. Verlustabzugs zur Einkommensteuer auf den 31.12.2000

hat das Finanzgericht Berlin, 7. Senat, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Juni 2004 in der Besetzung mit XXX

für R e c h t erkannt:

Das Verfahren wegen Verlustfeststellung 2000 wird eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert beträgt 470,00 Euro.

Tatbestand

Der Kläger ist xxxxxxxxxxxxx.

In seiner Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2000 erklärte er neben seinen Einkünften aus nichtselbsttändiger Arbeit u. a. sonstige Einkünfte in Höhe von ./. 2 604,00 DM, die sich aus Veräußerungsverlusten von Wertpapieren in Höhe von 2 118,48 DM sowie von Werbungskosten in Höhe von 484,04 DM zusammensetzten. Zu den Einzelheiten wird auf Bl. 69 der Einkommensteuerakte verwiesen.

In seiner Veranlagung zur Einkommensteuer 2000 glich der Beklagte diese Verluste nicht mit den positiven Einkünften des Klägers aus, sondern führte die Veranlagung zur Einkommensteuer ohne Berücksichtigung dieses Verlustes durch und setzte die Einkommensteuer auf 5 572,57 ? fest. Daneben erließ er einen Bescheid zum 31. Dezember 2000 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer, in dem er den verbleibenden Verlustvortrag nach § 10 d Abs. 4 Einkommensteuergesetz EStG für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften auf 2 604,00 DM feststellte.

Der Kläger legte gegen beide Bescheide Einsprüche ein, die er jedoch zunächst nicht begründete. Der Beklagte erließ daraufhin am 11. November 2002 eine Einspruchsentscheidung, die er am 12. November 2002 zur Post gab und mit der er die Einsprüche zurückwies.

Am 16. Dezember 2002 erhob der Kläger Klage und verwies zur Begründung zunächst auf seine Einspruchsbegründung, die am 13. November 2002 beim Beklagten eingegangen war, und die er in der Folge noch ergänzte.

Nach seiner Rechtsauffassung wird durch die Nichtanerkennung von Verlusten, die im Jahre 2000 angefallen sind, die Gleichmäßigkeit der Besteuerung verletzt. Diese ergäbe sich vor allen Dingen daraus, dass etwaige Gewinne aus Spekulationsgeschäften sofort der Ein-kommensteuer unterworfen würden, während Verluste aus Aktiengeschäften ?irgendwann einmal? mit evtl. möglichen Gewinnen verrechnet werden sollten. Eine Gleichbehandlung dieser Geschäfte würde gebieten, etwaige Spekulationsgewinne nicht im Jahr ihrer Entstehung zu versteuern. Statt dessen sollte es der Gesetzgeber dem Steuerpflichtigen entsprechend einem Umkehrprinzip der geltenden Gesetzeslage demjenigen, der Aktiengewinne erzielt hat, erlauben, Rückstellungen für in Zukunft zu erwartende Aktienverluste zu bilden.

Die gesetzliche Regelung berücksichtige auch nicht in zutreffender Weise die tatsächliche wirtschaftliche Entwicklung. Der Gesetzgeber sei bei der Schaffung des § 10 d Abs. 4 EStG ? gemeint ist wohl § 23 Abs. 3 Sätze 8 und 9 - sicherlich von der Annahme ausgegangen, dass einem schlechten Börsenjahr ein gutes folgen werde. Er habe jedoch nicht vorher gesehen, dass sich die Aktienmärkte seit dem Jahre 2000 in die wertmäßig stärkste und längste Abwärtsperiode seit den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts entwickeln würden. Durch diese Marktentwicklung habe er gut die Hälfte seines Kapitals verloren, d. h., dass er zum Verlustausgleich sein inzwischen geringes Grundkapital wieder verdoppeln müsse. Diese Erwartung sei unrealistisch. Er habe deshalb jedes Vertrauen in die Aktienmärkte verloren und sei seit dem zweiten Halbjahr 2000 kaum noch an der Börse tätig.

In einem Steuersystem, das z. B. weitere Verlustzuweisungsgesellschaften aus Immobilienfonds, Filmfonds, Schiffsbeteiligungsfonds und Flugzeugbeteiligungsfonds für Großverdiener ab 100 000,00 DM Beteiligungsanteile zulasse, sei es steuersystematisch nicht nach-vollziehbar und begründbar, dass Verluste aus Wertpapieren nicht im Jahr ihrer Entstehung abziehbar sein sollen.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger ergänzend ausgeführt, bis zum Jahre 2003 keine Überschüsse erzielt und ab Frühjahr 2003 keine Spekulationsgeschäfte mehr betrieben zu haben.

Er sieht sich auch dadurch verletzt, dass die xxxxxxxxxxx im Veranlagungszeitraum 2003 auf ihren Wertpapierbesitz eine Wertberichtigung von rd. 5,5 Mio. DM habe vornehmen dürfen, während seine Verluste unberücksichtigt blieben.

Die Klage gegen den Verlustfeststellungsbescheid hat er auf eine entsprechende Anregung des Gerichts zurückgenommen.

Der Kläger beantragt,
abweichend von dem Bescheid für 2000 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 15. März 2002 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 12. November 2002 die Einkommensteuer sowie den Solidaritätszuschlag nach einem um 2 604,00 DM geringeren Gesamtbetrag der Einkünfte festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er verweist darauf, dass der angefochtene Bescheid die geltende Rechtslage beachtet, er hält im Übrigen die persönlichen Auffassungen des Klägers für unbeachtlich.

Dem Gericht hat ein Band den Kläger betreffende Einkommensteuersteuerakten des Beklagten vorgelegen.

Entscheidungsgründe

Wegen des Verlustfeststellungsbescheids war das Verfahren nach der Rücknahme der Klage einzustellen.

Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger wird durch den angefochtenen Einkommensteuerbescheid in seinen Rechten nicht verletzt. Zu den sonstigen Einkünften (§ 22 Nr. 2 EStG) gehören auch Einkünfte aus Spekulationsgeschäften im Sinne des § 23 EStG. Spekulationsgeschäfte sind u. a. gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG Veräußerungsgeschäfte von Wertpapieren, bei denen der Zeitraum zwischen ihrer Anschaffung und ihrer Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Gewinn oder Verlust aus Spekulationsgeschäften ist der Unterschied zwischen dem Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungskosten und Werbungskosten andererseits. Verluste dürfen nur bis zur Höhe des Gewinns, den der Steuerpflichtige im gleichen Kalenderjahr aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt hat, ausgeglichen werden; sie dürfen nicht nach § 10 d EStG abgezogen werden. Die Verluste mindern jedoch nach Maßgabe des § 10 d EStG die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in dem unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum oder in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt hat oder erzielt (§ 23 Abs. 3 Sätze 8 und 9 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung).

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid hat diese gesetzlichen Regelungen beachtet und ist deshalb rechtmäßig. Eine Rechtswidrigkeit wäre mithin nur dann zu bejahen, wenn diese vom Beklagten beachteten gesetzlichen Regelungen grundgesetzwidrig wären. Dies ist nach Auffassung des Senats nicht der Fall.

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht -BVerfG- mit Urteil vom 9. März 2004 (2 BvL 17/02, Finanz-Rundschau -FR- 2004, 470) entschieden, dass § 23 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b EStG in der für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 geltenden Neufassung mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz -GG- unvereinbar und nichtig ist, soweit er Veräußerungsgeschäfte bei Wert-papieren betrifft.

Würde die Nichtigkeit auch für das Streitjahr gelten, bliebe der Klage schon aus diesem Grund der Erfolg versagt. Die Ergebnisse von ?privaten?, also im Wesentlichen nicht gewerblichen Spekulationsgeschäften mit Wertpapieren wären einkommensteuerlich irrelevant, und zwar sowohl hinsichtlich erzielter Überschüsse als auch - wie im Streitfall - hinsichtlich erlittener Verluste.

Das BVerfG hat aber die Feststellung der Nichtigkeit in seiner Entscheidung ausdrücklich auf die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 beschränkt und ausdrücklich nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Feststellung der Nichtigkeit des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG auch auf die Veranlagungszeiträume ab 1999 zu erstrecken. Es hat diese Entscheidung zum einen mit der gewandelten einfachgesetzlichen Lage, der Erweiterung zur steuerlichen Berücksichtigung erlittener Verluste (§ 23 Abs. 3 Sätze 8 und 9 EStG) für die Zeit vom Veranlagungszeitraum 1999 an und zum anderen damit begründet, dass wegen der ab Frühjahr 2000 einsetzenden negativen Kursentwicklung an den Kapitalmärkten, un-abhängig von einer verstärkten Kontrolltätigkeit der Finanzverwaltung, für die Zeit ab 1999 nicht notwendig auf ein vergleichbares Vollzugsdefizit geschlossen werden könne wie für die Zeit vor diesem Zeitraum.

Das Gericht schließt sich diesen Bedenken gegen eine über den Veranlagungszeitraum 1998 hinausgehende Verfassungswidrigkeit, der Nachfolgevorschrift, des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, an. Somit besteht für eine Vorlage an das BVerfG gemäß Art. 100 GG keine Veranlassung (BVerfG vom 24. August 2000, 1. Senat 2. Kammer 1 BvL 32/94).

Der Senat sieht nicht nur § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG als verfassungsgemäß an, sondern auch die Möglichkeiten zur steuerlichen Berücksichtigung von erlittenen Verlusten nach der Erweiterung dieser Möglichkeit vom Veranlagungszeitraum 1999 an (§ 23 Abs. 3 Sätze 8 und 9 EStG).

Bis zum Veranlagungszeitraum 1998 war die Verrechnung von Verlusten aus Spekulationsgeschäften nur mit im selben Jahre aus anderen Spekulationsgeschäften erzielten Gewinnen gestattet (§ 23 Abs. 4 Satz 3 EStG). Für den Fall von Einkünften aus Leistungen gemäß § 22 Abs. 3 Nr. 3 EStG galt eine vergleichbare Regelung. Diese ist für den Fall der Vermietung beweglicher Sachen durch das BVerfG (Beschluss vom 30. November 1998, 2 BvR 1818/91, Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfG , -BVerfEE- 99, 88 Deutsches Steuerrecht DStR 1998, 1743) als verfassungswidrig erklärt worden. Dies führte zu einer Änderung des Einkommensteuergesetzes, nach der nunmehr der Ausgleich mit Überschüssen aus Geschäften gleicher Art nicht mehr auf den selben Veranlagungszeitraum beschränkt ist, sondern die Möglichkeit eines Verlustvortrages zum Ausgleich mit Spekulationsgewinnen aus dem vorangegangenen Jahr und den folgenden Jahren eröffnet wird.

Durch diese Verlustausgleichsregelung werden nach Auffassung des Senats die Ausgleichsmöglichkeiten zwar eingeschränkt, da sie sich typisierend nur auf bestimmte Arten von Geschäften beschränken, die Einschränkungen sind jedoch nicht so durchgreifend, dass sie als verfassungsrechtlich bedenklich anzusehen wären (vgl. zu diesem Fragenkomplex auch die zur Rechtslage bis 1998 ergangenen Entscheidungen des Thüringischen Finanzgerichts FG , Urteil vom 13. Dezember 2000 III 1121/00, Entscheidungen der Finanzgerichte EFG 2001, 447, Revision eingelegt, (Aktenzeichen des BFH IX R 13/01; FG Saarland vom 7. Dezember 1999 1 K 41/98, EFG 2000, 314; FG München vom 29. Oktober 1999 8 K 3914/96, EFG 2000, 26 Revision eingelegt, Aktenzeichen des BFH IX R 73/00).

Der Senat schließt sich der in diesen Entscheidungen dargestellten Rechtsauffassung an. Umso mehr ist die Einschränkung der Verlustausgleichsmöglichkeiten nach ihrer Lockerung ab 1999 durch § 23 Abs. 3 Satz 8 und 9 EStG verfassungskonform.

Auch der BFH sieht die Neuregelung nach § 23 Abs. 3 Sätze 8 und 9 EStG als verfassungsgemäß an (Urteil vom 1. Juni 2004 IX R 35/01, nach Verkündung des Urteils des FG veröffentlicht unter www.bundesfinanzhof.de).

Die Möglichkeit auf zu einem Betriebsvermögen gehörenden Wertpapieren Teilwertabschreibungen vorzunehmen (§ 6 Abs. 2 Nr. 1 und 2 EStG), ist durch die unterschiedliche Ermittlung der Einkünfte vorgegeben und führt nicht zum Erfolg der Klage.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung FGO .

Das Gericht hat die Revision zugelassen, weil es der Rechtssache wegen der Vielzahl gleich gelagerter Fälle grundsätzliche Bedeutung beimisst.

Den Streitwert hat das Gericht gemäß den §§ 13, 25 Gerichtskostengesetz GKG festgesetzt.

Rechtsmittelbelehrung XXX

RechtsgebietEStGVorschriften§ 10d, § 23 EStG

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr