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08.10.2004 · IWW-Abrufnummer 042624

Oberlandesgericht Düsseldorf: Urteil vom 27.09.2004 – 1 U 102/04

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Oberlandesgericht Düsseldorf
1. Zivilsenat

Urteil
Aktenzeichen: I-1 U 102/04

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 14. April 2004 verkündete

Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen den Beklagten zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

a. I.

Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht der Klage überwiegend stattgegeben.

Die Beklagten schulden dem Kläger aus dem Verkehrsunfall vom 30. Mai 2003 auf der Straße "I. G." in Erkelenz den Ersatz von 80 % des dem Kläger in der Höhe unstreitig entstandenen Schadens. Über den von der Beklagten zu 2. vorprozessual geleisteten Betrag hinaus steht dem Kläger mithin noch ein Zahlungsanspruch in Höhe von 4.191,76 EUR zu.

Die vom Landgericht gefundene Haftungsquote begegnet keinen Bedenken. Nach Ansicht des Senats liegt der Haftungsanteil der Beklagten jedenfalls bei mindestens 80 %. Für eine ergänzende Beweisaufnahme, namentlich die Vernehmung des Zeugen Richter, sieht der Senat dagegen keine Veranlassung.

1. Im Ansatz zutreffend ist das Landgericht von einer grundsätzlichen Haftung der Parteien ausgegangen, denn der Unfall ist weder durch höhere Gewalt (§ 7 Abs. 2 StVG) verursacht worden, noch konnten sich die beiden Fahrzeugführer gern. § 18 Abs. 1 StVG entlasten. Ebenso lässt sich nicht feststellen, dass der Unfall für einen der beteiligten Fahrzeugführer unabwendbar gewesen ist im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG.

Bei der gem. § 17 Abs. 1 StVG gebotenen Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge fällt neben der Betriebsgefahr der Fahrzeuge, die beide Parteien trifft, zu Lasten der Beklagten entscheidend das unfallursächliche Fehlverhalten des Beklagten zu 1. ins Gewicht.

2. Den Beklagten zu 1. trifft ein unfallursächlicher Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO i.V.m. § 9 Abs. 1 StVO. Gegen ihn spricht bereits der Beweis des ersten Anscheins.

2.1 Gem. § 9 Abs. 5 StVO hat derjenige, der von der Fahrbahn in ein Grundstück abbiegt, dies nur mit größtmöglicher Sorgfalt zu tun und sich so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist, notfalls muss er sich einweisen lassen.

Kollidiert derjenige, der - wie hier unstreitig der Beklagte zu 1. - von der Fahrbahn über die Gegenfahrbahn nach links in ein Grundstück abbiegt, mit einem Fahrzeug des durchgehenden, fließenden Verkehrs - hier mit dem PKW des Klägers, so spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine schuldhafte Unfallverursachung des Abbiegenden (vgl. der Senat 1 U 235/02, Urteil vom 13.10.2002; 1 U 27/01, Urteil vom 01.10.2001).

2.2 Diesen Anscheinsbeweis vermochten die Beklagten nicht zu erschüttern.

Zwar haben sie behauptet, die Kollision sei darauf zurück zu führen, dass der Kläger trotz unklarer Verkehrssituation die Fahrzeugkolonne überholt habe und zudem mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei. Ob ein solches Verhalten des Klägers überhaupt geeignet wäre, einen atypischen Geschehensablauf zu begründen, der den zu Lasten des Beklagten zu 1. streitenden Anscheinsbeweis erschütterte, kann hier offen bleiben.

Nach Auffassung des Senats lässt sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nämlich bereits weder feststellen, dass der Kläger mit überhöhter, unangepasster Geschwindigkeit (§ 3 Abs. 1 StVO) gefahren ist, noch dass er bei unklarer Verkehrslage überholt hat (§ 5 Abs. 3 Satz 1 StVO).

2.3 Zu Recht hat das Landgericht zunächst einen unfallursächlichen Geschwindigkeitsverstoß des Klägers verneint. Nach Ansicht des Senats bleibt aufgrund der widersprüchlichen und nur unkonkreten Angaben der vom Landgericht angehörten Fahrzeugführer und der vernommenen Zeugen M. sowie S. schon offen, mit welcher Geschwindigkeit der Kläger bei seinem Überholvorgang konkret gefahren ist.

2.4 Ferner vermag auch der Senat nicht festzustellen, dass der Kläger bei unklarer Verkehrslage überholt hat. Vielmehr bleibt vorliegend nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme bereits offen, ob eine solche für den Kläger überhaupt vorgelegen hat.

Unklar ist eine Verkehrslage nur dann, wenn nach den Umständen mit einem gefahrlosen Überholen nicht gerechnet werden kann (dazu Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Auf!., § 5 StVO, Rdnr. 34).

Maßgebend ist, ob der Kläger als Überholender damit rechnen musste, dass sein linksseitiges Überholen der am rechten Fahrbahnrand haltenden Fahrzeuge gefährlich sein würde, insbesondere, dass das Fahrzeug des Beklagten zu 1. möglicherweise nach links ausscheren würde. Dies vermochten die Beklagten aber jedenfalls nicht nachzuweisen.

Nach dem insoweit von den Beklagten nicht in Abrede gestellten Vortrag des Klägers ist davon auszugehen, dass der Beklagte zu 1. mit seinem Fahrzeug einige Zeit am rechten Fahrbahnrand gehalten hat, bevor er nach links in die Einfahrt abbog. Dies hat im Übrigen auch die als Zeugin vernommene Ehefrau des Beklagten zu 1., die Zeugin M., bestätigt, die als Beifahrerin im Auto des Beklagten zu 1. saß und anschaulich geschildert hat, sie hätten auf der rechten Seite am Bürgersteig gewartet, bis die Einfahrt frei geworden und das dort befindliche Auto weggefahren gewesen sei. Ebenfalls unstreitig befanden sich zwischen den unfallbeteiligten Fahrzeugen hinter dem Fahrzeug des Beklagten zu 1. ebenfalls stehend - zwei bis drei weitere Fahrzeuge.

Zwar hätte sich die Verkehrssituation für den Kläger möglicherweise dann unklar dargestellt, wenn der Beklagte zu 1. wie von den Beklagten behauptet - seinen Abbiegevorgang nach links bereits durch Setzen des linken Fahrtrichtungsanzeigers angekündigt gehabt und der Kläger dies gesehen hätte.

Selbst unterstellt, der Beklagte zu 1. hätte vor Einleitung seines Abbiegevorganges rechtzeitig links geblinkt, so lässt sich hier aber bereits nicht feststellen, ob dieses linksseitige Blinken für den Kläger aus seiner Position überhaupt erkennbar war und von diesem hätte wahrgenommen werden können. Unstreitig befanden sich zwischen den Fahrzeugen der Parteien zwei bis drei weitere Fahrzeuge, deren genaue Position ungeklärt ist.

Aus diesem Grunde sah der Senat auch keine Veranlassung zu einer Vernehmung des Fahrers des unmittelbar hinter dem Beklagten zu 1. befindlichen Fahrzeuges, des Zeugen R.

Auch dann, wenn dieser Zeuge bestätigen würde, dass der Beklagte zu 1. den linken Blinker bereits einige Zeit vor dem Einleiten seines Abbiegevorganges gesetzt gehabt hätte, so bliebe gleichwohl offen, ob dies für den Kläger auch sichtbar gewesen wäre.

3. Vor diesem Hintergrund lässt sich ebenfalls kein unfallursächliches Mitverschulden des Klägers wegen unangepasster Geschwindigkeit sowie wegen Verstoßes gegen § 5 Abs. 3 Satz 1 StVO feststellen.

Dahin gestellt bleiben kann, ob dem Kläger ein Verstoß gegen die allgemeinen Pflichten des § 1 StVO zur Last fällt. Selbst einen solchen Sorgfaltsverstoß unterstellt, wäre dieser jedenfalls nicht geeignet, einen Geschehensablauf zu begründen, der den zu Lasten des Beklagten zu 1. streitenden Anscheinsbeweis erschütterte. Das dem Beklagten zu 1. zur Last fallende Fehlverhalten nach § 9 Abs. 5 StVO LV.m. § 9 Abs. 1 StVO wiegt unter Berücksichtigung der die Beklagten zudem treffenden Betriebsgefahr jedenfalls so schwer, dass die vom Landgericht gefundene Haftungsquote nach Ansicht des Senats selbst dann noch angemessen ist, wenn zu Gunsten der Beklagten auf Seiten des Klägers nicht nur die Betriebsgefahr seines Fahrzeuges, sondern zudem ein unfallursächlicher Sorgfaltsverstoß nach § 1 StVO angenommen würde.

4. Unter Berücksichtigung der Haftungsquote von 80 % zu 20 % zu Lasten der Beklagten steht dem Kläger unter Bezugnahme auf die vom Landgericht erfolgte, von keiner der Parteien angegriffene Schadensberechnung noch ein Zahlungsanspruch in Höhe von 4.191,78 EUR zu.

5. Zinsen stehen dem Kläger im erkannten Umfange gern. §§ 849, 246 BGB sowie §§ 291, 288 BGB zu.

a. II

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10,713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug beläuft sich auf 2.675,57 EUR. Die Beschwer der Beklagten liegt unter 20.000,-- EUR.

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