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10.05.2004 · IWW-Abrufnummer 041210

Oberlandesgericht Oldenburg: Urteil vom 16.01.2004 – 6 U 155/03

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Oberlandesgericht Oldenburg

6 U 155/03
5 O 2252/02 LG Oldenburg

Verkündet am 16.01.2004

Urteil

In dem Rechtsstreit XXX

hat der 6 Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 19. Dezember 2003 durch die Richter am Oberlandesgericht ... und ... sowie die Richterin am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das am 30. Juni 2003 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels geändert und wie folgt neu gefasst:

1. Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 2.114,53 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Oktober 2001 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, an die Klägerin für die Dauer einer ordnungsgemäßen Reparatur eine angemessene Nutzungsausfallentschädigung zu zahlen, wenn die Klägerin eine ordnungsgemäße Reparatur des Fahrzeugs nachweist.

3. Im übrigen werden Klage und Hilfswiderklage abgewiesen.

Die Kosten erster Instanz haben die Klägerin zu 10 % und das beklagte Land zu 90 % zu tragen; die Kosten des Berufungsrechtszuges wird dem beklagten Land auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
I.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

II.
Die Berufung ist zulässig, in der Sache hat sie jedoch nur geringfügig Erfolg.

Das beklagte Land ist der Klägerin dem Grunde nach zur Zahlung vollen Schadensersatzes verpflichtet.

Das Landgericht hat aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme festgestellt, dass der Unfall allein von dem Zeugen K... verursacht worden ist. An diese Feststellung ist der Senat nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, weil konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit der getroffenen Feststellungen begründen, nicht ersichtlich sind und auch mit der Berufung nicht aufgezeigt werden. Auch wenn das angefochtene Urteil nicht immer ganz klar gefasst ist, ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe doch eindeutig, dass das Landgericht das Ergebnis der Beweisaufnahme dahin gewürdigt hat, dass der Zeuge K... den Unfall verschuldet hat, weil er beim Zurücksetzen nicht die notwendige Sorgfalt beachtet hatte. Ein Verschulden der Klägerin hat das Landgericht demgegenüber nicht festgestellt. Die der Klägerin evtl. zuzurechnende Betriebsgefahr hat es gegenüber dem groben Verschulden des Zeugen K... im Rahmen der Abwägung nach § 17 StVG zurücktreten lassen. Die Beweiswürdigung und die Ausführungen zur Abwägung der verschiedenen Verursachungsbeiträge sind nicht zu beanstanden. Schon aus dem unstreitigen Sachverhalt ergibt sich ein grober Verkehrsverstoß des Zeugen K... . Gemäß § 9 Abs. 5 StVO muss sich der Fahrzeugführer beim Rückwärtsfahren so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Diese Vorschrift erfordert also größtmögliche Vorsicht. Diese hat der Zeuge K..., der das Fahrzeug der Klägerin nicht gesehen haben will, ersichtlich außer Acht gelassen und damit einen groben Verkehrsverstoß begangen. Auf der anderen Seite läßt sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein schuldhaftes Verhalten der Klägerin nicht feststellen. Dabei kann dahinstehen, ob das Fahrzeug der Klägerin tatsächlich stand oder ob sie versucht hat, langsam an dem Einsatzfahrzeug vorbei zu fahren. Ebenfalls kann dahinstehen, ob sie gehupt hat und ob ggfs. rechtzeitig hätte hupen können. Denn weder das Vorbeifahren noch das unterlassene Hupen stellt in dieser Situation ein schuldhaftes Fehlverhalten dar. Und selbst wenn man hier ein schuldhaftes Verhalten annehmen wollte, würde es sich allenfalls um ein leichtes Verschulden handeln, welches im Rahmen der nach § 17 StVG bzw. § 254 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Abwägung der verschiedenen Verursachungsbeiträge hinter dem groben Verschulden des Zeugen K... zurücktreten würde. Nach alledem ist das Landgericht völlig zutreffend von einer vollen Haftung des beklagten Landes ausgegangen.

Die Klägerin ist nicht gehindert, auf Gutachtenbasis abzurechnen; und zwar auch dann, wenn die Reparatur gar nicht durchgeführt worden ist (vgl. nur Palandt-Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 249 Rdn. 14 m.w.N.). Allerdings liegt bei dem Fahrzeug der Klägerin sog. wirtschaftlicher Totalschaden vor, d.h. die Reparaturkosten übersteigen den Wiederbeschaffungswert. Gleichwohl kann der Geschädigte Ersatz der Reparaturkosten verlangen, wenn diese nicht höher sind als 130 % des Wiederbeschaffungswertes (sog. "Integritätszuschlag", vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 249 Rdn. 27). Das setzt aber voraus, dass das Fahrzeug auch tatsächlich repariert wird, weshalb der Integritätszuschlag erst nach Durchführung der Reparatur verlangt werden kann. Nur ausnahmsweise kann der Integritätszuschlag auf Gutachtenbasis auch schon vor Durchführung der Reparatur verlangt werden, wenn der Geschädigte die Reparatur wegen fehlender Eigenmittel zurückgestellt hat (vgl. OLG München, NJW-RR 1999, 909; Palandt-Heinrichs, a.a.O., Rdn. 27). Diese Voraussetzungen hat das Landgericht ohne Rechtsfehler angenommen. Dem steht entgegen der Auffassung des beklagten Landes nicht entgegen, dass seit dem Unfall mittlerweile mehr 2 Jahre vergangen sind. Zum einen ist das beklagte Land durch § 767 ZPO ausreichend geschützt, wenn die Klägerin eine Reparatur später doch nicht durchführen sollte (so zutreffend auch OLG München, a.a.O.). Zum anderen ist der vom beklagten Land angeführte Zeitablauf seit dem Unfall darauf zurückzuführen, dass sich das beklagte Land trotz der klaren Sachlage bislang weigert, den Schaden der Klägerin voll zu regulieren und diese dadurch in die Lage zu versetzen, die Reparatur endlich durchführen zu lassen.

Das beklagte Land ist nach Ausführung der Reparatur auch zur Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung verpflichtet. Entgegen der mit der Berufung geäußerten Auffassung steht dem nicht entgegen, dass die Klägerin die Reparatur bislang nicht hat durchführen lassen. Insoweit kann die obigen Ausführungen zum Integritätszuschlag verwiesen werden. Der Feststellungsantrag ist deshalb dem Grunde nach begründet. Allerdings ist die zugesprochene Nutzungsausfallentschädigung von 30,- EUR pro Tag geringfügig zu hoch. In den Tabellen von Sanden/Danner, nunmehr fortgeführt von Küppersbusch (aktuelle Version, NJW 2002, Beilage zu Heft 10), wird das Fahrzeug der Klägerin unter Berücksichtigung des Alters von mehr als 10 Jahren (hier Erstzulassung 03/91) in Gruppe A mit einem Tagessatz von 27,- EUR eingestuft. Da andererseits der Zeitpunkt der Reparatur noch nicht feststeht und sich (theoretisch) bei weiterer Verzögerung im Hinblick auf das Alter des Fahrzeugs eine Reduzierung des Tagessatzes ergeben könnte, hat der Senat davon abgesehen, den Tagessatz bereits jetzt auf 27,- EUR festzulegen.

Ohne Erfolg wendet sich das beklagte Land gegen die Zinsforderung. Es unterliegt keinem Zweifel, dass sich das beklagte Land spätestens mit dem Schreiben vom 15.10.2001 (Bl. 104 ff d.A.), in dem eine volle Schadensersatzpflicht verneint und eine Regulierung von mehr als 1/3 abgelehnt wurde, in Verzug befindet. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht davon ausgegangen ist, dass das Schreiben der Klägerin einen Tag später, also am 16.10.2001 zugegangen ist.

Da das beklagte Land nach alledem voll haftet, ist der mit Hilfsaufrechnung und Hilfswiderklage geltend gemachte eigene Schadensersatzanspruch unbegründet.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 713, 543 Abs. 2 Satz 1, 544 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO.

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