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02.08.2002 · IWW-Abrufnummer 020329

Finanzgericht Nürnberg: Urteil vom 20.11.2001 – I 76/2001

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Nürnberg
Az.: I 76/2001

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

wegen
Einkommensteuer 1995

hat der I. Senat des Finanzgerichts Nürnberg unter Mitwirkung

aufgrund mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 20.11.2001 für Recht erkannt:

1. Der Einkommensteuerbescheid 1995 vom 16.04.1998 wird unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 21.02.2001 dahin geändert, dass die Einkommensteuer auf 2.669 DM festgesetzt wird.
2. Das Finanzamt hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Tatbestand

Streitig ist, ob die Zahlung einer Abfindung an den Arbeitnehmer-Ehegatten anlässlich der Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu Betriebsausgaben führt.

Der 1920 geborene Kläger war als Handelsvertreter (Industrievertretungen) gewerblich tätig. Seine 1939 geborene Ehefrau, die Klägerin, war bei ihm seit 07.04.1966 aufgrund eines steuerlich anerkannten Arbeitsverhältnisses (Aufgabenbereich: Geschäftskorrespondenz, Telefonate, Besuchsberichte, Führung der Terminkartei, Buchhaltung, Ermittlung von Bedarfsträgern zur Förderung des Absatzes, Ausstellung und Versand von Werbeschreiben sowie alle anfallenden Büroarbeiten) beschäftigt. Als monatlich zu zahlendes Bruttogehalt war im Jahre 1966 ein Betrag von 660 DM vereinbart worden. Am 31.03.1995 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis zum 30.06.1995 fristlos mit der Begründung, dass die von ihm vertretene Firma, die in O ansässig X AG, ihm wegen seines schlechten gesundheitlichen Zustandes die Kündigung des Vertrages nahegelegt habe. Im Kündigungsschreiben verpflichtete sich der Kläger in Anbetracht der 30-jährigen Betriebszugehörigkeit der Ehefrau eine Entschädigung in Höhe von 36.000 DM zu zahlen. Am 28.06.1999 kann zwischen der Firma X AG sowie den Klägern ein Handelsvertretungsübernahmevertrag zustande. Danach übertrug der Kläger mit Zustimmung der Firma X AG seine Rechte und Pflichten auf seine Ehefrau. Der Kläger schied zum 30.06.1995 aus dem bestehenden Handelsvertretervertragsverhältnis aus und erhielt von der Firma X AG eine Ausgleichszahlung in Höhe von 75.000 DM. Seine Ehefrau übernahm die Handelsvertretung zum 01.07.1995 zu den zwischen der Firma X AG und dem Kläger bestehenden Bedingungen. Für die Übernahme der Handelsvertretung hatte die Klägerin an die Firma X AG eine Summe von 75.000 DM zu zahlen, die ihr bis zum Ablauf des Vertrages zinslos gestundet wurde und die gegen eine zukünftige Ausgleichsforderung der Klägerin aus § 89 b HGB aufgerechnet werden sollte. Ein durch eine Ausgleichsforderung nicht gedeckter Betrag sollte am Tag der Beendigung des Vertrages zur Zahlung fällig sein. Die Abtretung des Ausgleichsanspruchs wurde ausgeschlossen. Der Kläger verpflichtet sich, seine Ehefrau unentgeltlich bei der Durchführung der Werksvertretung zu beraten und sie insbesondere bei den Kunden einzuführen.

Im Anschluss an eine betriebsnahe Veranlagung erkannte das Finanzamt die Abfindungszahlung nicht als Betriebsausgabe an, weil sie einem Fremdvergleich nicht standhalte, insbesondere ohne vertragliche Verpflichtung gewährt worden sei und außerdem die Ehefrau übergangslos in den Handelsvertretervertrag eingetreten sei (unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung ergangener Einkommensteuerbescheid 1995 vom 16.04.1998).

Nach erfolglos durchgeführtem Einspruchsverfahren haben die Kläger Klage erhoben und wie folgt begründet: Im Regelfall sähen weder tarifvertragliche noch einzelvertragliche Vereinbarungen vor, dass bei einer Betriebsaufgabe der Arbeitgeber verpflichtet sei, dem Arbeitnehmer eine Abfindung zu bezahlen. In der Praxis würden derartige Abfindungen bei Großbetrieben im Rahmen eines Sozialplans in zeitlichem Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe vereinbart. Bei Kleinunternehmen werde dies direkt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geregelt. Keiner der in der Praxis verwendeten Formarbeitsverträge sehe eine Vereinbarung über eine Abfindung im Betriebsaufgabefall vor.

Die Tatsache, das die Ehefrau die Handelsvertretung des Klägers übernommen habe, ändere nichts daran, dass sie ihren Arbeitsplatz und damit die soziale Sicherheit eines Beschäftigungsverhältnisses verloren habe. Die Dauer der Betriebszugehörigkeit (mehr als 30 Jahre) und das Alter der Arbeitnehmerin (knapp 56 Jahre) legten eine betrieblich veranlasste Zahlungsverpflichtung nahe und rechtfertigte für sich gesehen die Zahlung einer Abfindung allein aus sozialen Erwägungen. Der verlorene sichere Arbeitsplatz einerseits und die durch Eigeninitiative der Ehefrau erworbene Handelsvertretung andererseits seien zwei voneinander völlig getrennt zu beurteilende Sachverhalte. Dafür spreche auch die Tatsache, dass die Ehefrau für die Übernahme der mit allen unternehmerischen Risiken behafteten Handelsvertretung 75.000 DM (wenn auch nicht sofort) zu bezahlen gehabt habe. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wäre unter gleichen Verhältnissen auch einem fremden Arbeitnehmer zum Zeichen der Treue und Anerkennung eine Abfindung bezahlt worden.

Die Kläger haben beantragt, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 21.02.2001 den Einkommensteuerbescheid 1995 vom 16.04.1998 dahin zu ändern, dass die bezahlte Abfindung in Höhe von 36.000 DM als Betriebsausgabe den gewerblichen Gewinn mindert.

Das Finanzamt hat Klageabweisung beantragt.

Es hat dargelegt, dass bei Würdigung aller im Streitfall vorliegenden Umstände von einer eindeutigen betrieblichen Veranlassung der Abfindung nicht ausgegangen werden könne. Dagegen spreche zunächst das Fehlen einer Verpflichtung zur Zahlung einer Abfindung, des weiteren die Tatsache, dass die Klägerin die Handelsvertretung vom Kläger übernommen habe. Es sei nicht entscheidend, dass die Klägerin einen Gewerbebetrieb begonnen habe, sondern dass sie den ihres Ehemannes weiterführe. Die Entgeltlichkeit des Erwerbs komme die behauptete Relevanz nicht zu, da die Anschaffungskosten im Gewerbebetrieb der Klägerin im Wege der Abschreibung zu Betriebsausgaben führten und zudem der Kläger eben diesen Betrag als Abfindung nach § 89 b HGB erhalten habe. Eine getrennte Betrachtung von Abfindung und Übernahme der Handelsvertretung sei daher nicht möglich. Folglich sei die Klägerin durch die Kündigung nicht zwangsweise aus dem Erwerbsleben ausgeschieden, sondern sie habe sich eine neue Erwerbsquelle geschaffen. Demgemäß seien auch die vorgebrachten sozialen Gründe nicht von solchem Gewicht, dass sie eine andere Würdigung des Streitfalls erlaubten.

Die Klägerin haben auf Anforderung des Gerichts den Handelsvertretungsübernahmevertrag, den Ehegatten-Arbeitsvertrag und das Kündigungsschreiben vorgelegt. In der mündlichen Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger angegeben, dass das Bruttogehalt der Klägerin im Jahre 1994 20.800 DM betragen hatte.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Zu den Betriebsausgaben können auch Abfindungen gehören, die der Unternehmer seinem Arbeitnehmer-Ehegatten im Rahmen eines steuerrechtlich anerkannten Arbeitsverhältnisses aus betrieblichen Gründen zuwendet. Dabei trägt der Arbeitgeber-Ehegatte grundsätzlich die objektive Beweislast (Feststellungslast) dafür, dass die Minderung seines Betriebsvermögens durch Aufwendungen für den Arbeitnehmer-Ehegatten als betrieblich veranlasst anzusehen ist. Für Abfindungen im Rahmen eines solchen Arbeitsverhältnisses sind zur Beurteilung der betrieblichen Veranlassung unter verständiger Würdigung aller Umstände des Einzelfalls die Grundsätze heranzuziehen, welche die Rechtsprechung im Zusammenhang mit der steuerlichen Anerkennung von Rückstellungen für Pensionszusagen an nahe Angehörige und für die Anerkennung von Direktversicherungsleistungen als Betriebsausgaben entwickelt hat (vgl. BFH-Urteile vom 18. Dezember 1984 VIII R 95/84, BStBl II 1985, 327, und vom 25. Januar 1989 I R 89/84, BFH/NV 1989, 577). Eine Abfindung in diesem Sinne ist eine Entschädigung, durch die der Arbeitnehmer eine einmalige Zahlung oder laufende Bezüge unter Ausschluss weiterer Forderungen als endgültigen Ausgleich für die durch den Verlust seines Arbeitsplatzes entstandenen materiellen und immateriellen Schäden erhält (vgl. von Bornhaupt, Betriebs-Berater, Beilage 7/1980 S. 6). Die Zusage einer Abfindungszahlung an einen Arbeitnehmer-Ehegatten ist steuerrechtlich anzuerkennen, wenn sie dem Grunde und der Höhe nach ausschließlich betrieblich veranlasst ist. Das ist nach den vorgenannten BFH-Urteilen die Abfindungsverpflichtung dem Grunde und der Höhe nach angemessen ist,
- insoweit eine Zahlungsverpflichtung eindeutig vereinbart und ernsthaft gewollt ist,
- ein steuerrechtlich anerkanntes Arbeitsverhältnis besteht,
- die Abfindung im Verhältnis zu den Aktivbezügen nicht unangemessen hoch ist und
- auch familienfremde Arbeitnehmer unter vergleichbaren Verhältnissen eine entsprechende Abfindung erhalten oder mit hoher Wahrscheinlichkeit erhalten würden (betriebsinterner Fremdvergleich).
Im Urteil VIII R 95/84 (a. a. O.) hat der BFH es ausdrücklich abgelehnt, in derartigen Fällen zusätzlich einen betriebsexternen Vergleich (Branchenüblichkeit von Abfindungszahlungen) vorzunehmen, und zwar auch dann, wenn mangels vergleichbarer Arbeitnehmer ein betriebsinterner Vergleich nicht möglich ist. In einem solchen Fall müssen vielmehr andere Gründe feststellbar sein, aus denen sich die betriebliche Veranlassung ergibt. Solche Gründe können z. B. darin bestehen, dass der Arbeitnehmer-Ehegatte besonders herausgehobene Arbeitsleistungen erbracht hat oder dass er eine besondere Vertrauensstellung innehatte.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ergibt, dass die Abfindung betrieblich veranlasst ist. Die Klägerin war für den Gewerbebetrieb aufgrund eines steuerlich anerkannten Arbeitsverhältnisses für den gesamten kaufmännischen Bereich umfassend und verantwortlich tätig, so dass nach über 30 Jahren Tätigkeit sowohl von herausgehobenen Arbeitsleistungen als auch einer besonderen Vertrauensstellung ausgegangen werden kann, die es auch gegenüber einem fremden Arbeitnehmer nahe legen würden, zum Ausgleich sozialer Nachteile infolge des Verlusts eines sicheren Arbeitsplatzes im Alter von 56 Jahren eine Abfindung zu zahlen. Eine solche Anerkennung der Situation des Arbeitnehmers bei Kündigung ist zwar ? soweit wie im Streitfall bei einem einzigen Beschäftigten das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar ist ? rechtlich nicht durchsetzbar, die steuerliche Anerkennung der Abziehbarkeit von Abfindungen bei Beendigung eines Dienstverhältnisses setzt aber keine Rechtspflicht zur Zahlung (z. B. aufgrund Tarifvertrags etc.) voraus (vgl. BFH-Urteil VIII R 95/84, a. a. O., unter Ziff. 4 c dd); es genügt vielmehr, dass die Verpflichtung vom Arbeitgeber erst im Zusammenhang mit der Kündigung übernommen wird. Die für die Zahlung einer Abfindung typische Ausgangslange entfällt im Streitfall auch nicht deshalb, weil die Klägerin aufgrund der Vereinbarung mit der Fa. X die Übernahme der Handelsvertretung erreichen konnte. Diese gewerbliche Tätigkeit wird der Klägerin zwar durch ihre langjährige Angestelltentätigkeit und die hierbei erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen erleichtert, dennoch kann dies nicht mit einer Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit gleichgesetzt werden. Entscheidend ist, dass sich diese Kenntnisse nicht mehr in einem abhängigen sicheren Dienstverhältnis fortsetzen, sondern in einem von ihrem eigenen von ihrem eigenen unternehmerischen Geschick und der wirtschaftlichen Lage der Branche abhängigen Gewerbebetrieb. Wegen dieses fundamentalen Unterschieds muss davon ausgegangen werden, dass die Abfindung auch einem familienfremden Arbeitnehmer, der den Betrieb des Arbeitgebers übernommen hätte, gezahlt worden wäre. Dies gilt jedenfalls, wenn Anlass dafür wie hier nicht der Wunsch des Arbeitnehmers ist, selbständig tätig zu werden, sondern eine Kündigung, die auf dem betrieblichen Grund der Aufgabe der Handelsvertretung infolge hohen Alters (75 Jahre) und schlechter Gesundheit beruht. Dass im Streitfall keine privaten Motive sondern wirtschaftliche Überlegungen des Gebens und Nehmens die Vereinbarungen bestimmt haben, zeigt sich auch daran, dass die Klägerin wenn auch hinausgeschoben auf den Zeitpunkt der Geltendmachung eines späteren eigenen Ausgleichsanspruchs der Fa. X gegenüber ein Entgelt in Höhe der Ausgleichszahlung an den Kläger übernommen hat und dies in Form des Ausschlusses der Abtretbarkeit des Ausgleichsanspruchs gesichert worden ist. Die steuerliche Wirkung dieses zu Anschaffungskosten führenden Entgelts ist für die Würdigung der zivilrechtlichen Vereinbarungen ohne Bedeutung.

Die Abfindung kann schließlich trotz des der Klägerin gezahlten geringen Jahresgehalts von ca. 21.000 DM als nach Grund und Höhe betrieblich veranlasst angesehen werden. Zwar hat der Vertreter des Finanzamts in der mündlichen Verhandlung zu Recht darauf hingewiesen, dass die Annahme einer besonders qualifizierten Tätigkeit des Arbeitnehmers grundsätzlich die Zahlung eines entsprechenden Gehalts voraussetzt (vgl. Urteil des BFH vom 08.12.1988 IV R 60-61/87, StRK EStG 1975 § 6a R. 9). Jedoch lassen sich nach Überzeugung des Senats im Streitfall die herausgehobenen Arbeitsleistungen bzw. die besondere Vertrauensstellung schon daran erkennen, dass es der Arbeitnehmer-Ehegattin gelungen ist, mit der Fa. X die Übernahme der Handelsvertretung des Arbeitgeber-Ehegatten zu unveränderten Bedingungen zu vereinbaren. Der Höhe nach bewegt sich die Abfindung noch in angemessenem Rahmen, wenn man berücksichtigt, dass nach einer Erhebung über Abfindungen im Bereich des Landesarbeitsgerichts Nürnberg die Arbeitsgerichte als Abfindungsformel 0,5 bis 1,0 Monatsgehalt (im Streitfall ca. 1.700 DM) pro Beschäftigungsjahr (im Streitfall 30 Jahre) anwenden (vgl. Hümmerich, Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht ? NZA ? 1999, 342, 349).

Die Einkommensteuer des Streitjahres ist aufgrund der Minderung der gewerblichen Einkünfte um 36.000 DM somit wie im vorhergehenden, noch unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid vom 18.11.1996 auf 2.669 DM festzusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren auf § 139 Abs. 3 S. 3 FGO.

RechtsgebietEinkommensteuerVorschriften§ 4 Absatz 4 EStG

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