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21.09.2012 · IWW-Abrufnummer 122878

Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 03.04.2012 – 6 K 6267/05 B

1. Scheidet ein Kommanditist, dessen Kapitalkonto in der Steuerbilanz der Gesellschaft aufgrund von ausgleichs- oder abzugsfähigen Verlusten negativ geworden ist, aus der Gesellschaft aus, so gilt der Betrag, den der Mitunternehmer nicht ausgleichen muss, als Veräußerungsgewinn i. S. d. § 16 EStG.

2. Ist das Kapitalkonto des Kommanditisten durch Entnahmen negativ geworden, entsteht bei seinem Ausscheiden ein Veräußerungsgewinn nur dann, wenn es sich um rückzahlungspflichtige Entnahmen gehandelt hat und die KG auf die gesellschaftsrechtliche Ausgleichsforderung gegen den ausscheidenden Kommanditisten verzichtet hat.

3. Ein Veräußerungsgewinn des ausscheidenden Kommanditisten entsteht nicht durch den Wegfall seines durch Ausschüttungen aus der Liquidität der Gesellschaft negativ gewordenen Kapitalkontos.


FG Berlin-Brandenburg v. 03.04.2012

6 K 6267 / 05 B

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob auf den Kläger nach seinem Ausscheiden aus der L.-Str. GmbH & Co KG zum 31. Dezember 1999 ein Veräußerungsgewinn entfällt.

Der Kläger war seit 1981 Kommanditist der im Jahr 1980 gegründeten L.-Str. GmbH & Co KG (der Beigeladenen) mit einer Kapitaleinlage von DM 105.000 (einschließlich Agio); Gegenstand des Unternehmens war im Streitjahr 1999 die Verpachtung einer Pflegeeinrichtung auf dem Grundstück L.-Str. … in N.. An der Beigeladenen war eine Vielzahl von Kommanditisten als Kapitalanleger beteiligt.

Nach § 5 Nr. 5 des Gesellschaftsvertrags bestand keine Nachschusspflicht der Gesellschafter. In § 13 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages war vorgesehen, dass das nach Abzug einer Vorwegvergütung zugunsten der Komplementärin verbleibende Geschäftsergebnis auf alle Gesellschafter entsprechend der Höhe ihrer Einlagen verteilt wird. § 14 Nr. 2 enthielt folgende Regelung: „Entnahmen sind außerhalb der Ausschüttungen gemäß § 13 nur zulässig, wenn die Gesellschafterversammlung einen entsprechenden Beschluss mit den Stimmen der persönlich haftenden Gesellschafterin fasst und die Liquiditätslage der Gesellschaft es zulässt. Die persönlich haftende Gesellschafterin kann jedoch einem mehrheitlichen Entnahmebeschluss der Gesellschafterversammlung ihre Zustimmung nur aus wichtigen Gründen verweigern. Entnahmen dürfen nur einheitlich von allen Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Kapitaleinlagen erfolgen.” Eine Regelung hinsichtlich der Rückzahlung ausgezahlter Entnahmen wurde im Gesellschaftsvertrag nicht getroffen. Auf die weiteren Einzelheiten des Gesellschaftsvertrags wird Bezug genommen.

In den Jahren 1981 bis 1990 wurden dem Kläger im Wesentlichen zunächst Verlustanteile und ab 1991 Gewinnanteile zugewiesen. Der auf den Kläger insgesamt entfallende Verlustanteil – nach Verrechnung mit den Gewinnanteilen – betrug DM 75.377,64. Seit 1984 nahm die Beigeladene sog. „Ausschüttungen aus der Liquidität” für alle Kommanditisten vor; die jeweiligen Beträge verbuchte sie als Entnahmen der jeweiligen Anteilseigner auf deren Kapitalkonten. Der auf den Kläger verbuchte Anteil betrug insgesamt DM 77.903,41 (Bl. 32 d.A.). Das Kapitalkonto des Klägers entwickelte sich wie folgt (Beträge in DM):

31.12.1980

105.000,00

1981

./. 9.380,00

(BP-Bericht vom 4. November 1987, Anlage 8.4, BP-A Bd. I)
1982

./. 38.197,37

(BP-Bericht vom 4. November 1987, Anlage 8.4, BP-A Bd. I)
1983

./. 20.466,67

(BP-Bericht vom 4. November 1987, Anlage 8.4, BP-A Bd. I)
31.12.1983

36.955,96

Verlust

./. 26.200,95

(Bl. 77, F-A, Bd. V),
Entnahme

./. 1.810,00

31.12.1984

8.945,01

Verlust

./. 16.348,10

(Bl. 14, F-A, Bd. V – nach BP),
Entnahme

./. 5.500,00

31.12.1985

./. 12.903,09

Verlust

./. 1.521,42

(Bl. 31, F-A, Bd. V – nach BP),
Entnahme

./. 5.500,00

31.12.1986

./. 19.924,51

Verlust

./. 1.225,00

(Bl. 48, F-A, Bd. V – nach BP),
Entnahme

./. 5.500,00

31.12.1987

./. 26.649,51

Verlust

./. 243,11

(Bl. 109, F-A, Bd IV),
Entnahme

./. 5.500,00

31.12.1988

./. 32.392,62

Gewinn

608,44

(Bl. 123, F-A, Bd IV),
Entnahme

5.500,00

31.12.1989

./. 37.284,18

Verlust

./. 1.738,73

(Bl. 138, F-A, Bd IV),
Entnahme

./. 6.000,00

31.12.1990

./. 45.022,91

Gewinn

1.735,78

(Bl. 176, F-A, Bd IV),
Entnahme

./. 6.000,00

31.12.1991

./. 49.287,13

Gewinn

1.498,74

(Bl. 195, F-A, Bd. V),
Entnahme

./. 6.000,00

31.12.1992

./. 53.788,35

Gewinn

2.975,47

(Bl. 93, F-A, Bd. VI),
Entnahme

./. 7.000,00

31.12.1993

./. 57.812,88

Gewinn

3.469,97

(Bl. 255, F-A, Bd. VI),
Entnahme

./. 6.000,00

31.12.1994

./. 60.342,91

Gewinn

3.907,89

(Bl. 64, F-A, Bd. VII),
Entnahme

./. 6.000,00

31.12.1995

./. 62.435,02

Gewinn

7.989,12

(Bl. 136, F-A, Bd. VII),
Entnahme

./. 5.500,00

31.12.1996

./. 59.945,90

Gewinn

8.363,85

(Bl. 54, F-A, Bd. IX),
Entnahme

./. 4.000,00

31.12.1997

./. 55.582, 05

Gewinn

3.202,14

(Bl. 117, F-A, Bd. X)
Entnahme

./. 1.500,00

31.12.1998

./. 53.879,91

Gewinn

6.192,31

(Bl. 182, F-A, Bd. XI).
Entnahme

-


./. 47.687,60


./. 593,41

anrechenbare Kapitalertragsteuer u Soli, insgesamt
31.12.1999

./. 48.281,01.


Der Kläger schied zum 31. Dezember 1999 aus der Beigeladenen aus und erhielt ein Auseinandersetzungsguthaben in Höhe von DM 23.192. Die Beigeladene berechnete den Veräußerungsgewinn auf den Anteil des Klägers zunächst wie folgt (Berechnung in DM):

Kapital des Klägers

100.000
zzgl. Agio

5.000

105.000
abzügl. Kapitalausgleichsposten

./. 80.739,46

24.260,54
zzgl. Gewinn 1999

6.192,31

30.452,85
abzügl. Forderungen an den Kommanditisten

77.903,41
entspricht dem negativen Kapitalkonto zum 31.12.1999

./. 47.450,56
zzgl. Auseinandersetzungsguthaben

28.700,00
Veräußerungsgewinn

76.150,56.

Die Beigeladene reichte die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1999 betreffend die L.-Str. GmbH & Co. KG unter Berücksichtigung des auf den Kläger entfallenden Veräußerungsgewinns von DM 76.150,56 beim Beklagten ein und wurde erklärungsgemäß mit Feststellungsbescheid vom 8. Januar 2001 veranlagt; der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 Abgabenordnung – AO –).

Der Beklagte änderte den Bescheid vom 8. Januar 2001 gemäß § 164 Abs. 2 AO mit Bescheid vom 25. Januar 2001; der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen. Der Beklagte gab diesen Bescheid gemäß § 183 Abs. 2 AO dem Kläger bekannt; dieser legte Einspruch ein wegen der Berechnung des auf ihn entfallenden Veräußerungsgewinns. Der Feststellungsbescheid wurde ein weiteres Mal mit Bescheid vom 6. Mai 2003 geändert. Dieser Änderungsbescheid wurde Gegenstand des Rechtsbehelfsverfahrens. Eine gesonderte Bekanntgabe an den Kläger erfolgte nicht, da dieser von den Änderungen nicht betroffen war. Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos und wurde mit Einspruchsentscheidung vom 16. Juni 2005 zurückgewiesen.

Mit seiner Klage trägt der Kläger vor, ein Veräußerungsgewinn sei ihm nicht zuzurechnen. Denn die Beigeladene habe ihm gegenüber keine Forderungen gehabt, die er auszugleichen verpflichtet gewesen wäre. Hilfsweise bestreite er den Zufluss der Entnahmen in der von der Beigeladenen bezeichneten Höhe.

Der Kläger hat ein Schreiben der Beigeladenen vom 18. August 2005 zu den Akten gereicht. Darin erklärt die Beigeladene gegenüber dem Bevollmächtigten des Klägers, die an den Kläger erfolgten Ausschüttungen seien aufgrund der Beschlüsse der Gesellschafter aus der Liquidität vorgenommen worden. Es könne nicht von Gewinnausschüttungen ausgegangen werden, da sie, die Beigeladene, zum 31.12.1999 einen Verlustvortrag von DM 13 Mio. ausgewiesen habe. Der Kläger sei jedes Jahr darauf hingewiesen worden, dass die Ausschüttungen steuerfrei und nicht in den Einkommensteuererklärungen anzugeben seien. In den Jahren 1984 bis 1998 seien an den Kläger insgesamt DM 77.903,41 ausgeschüttet worden; insoweit verweist die Beigeladene auf die Anlage zu ihrem Schreiben vom 18. August 2005 (Bl. 31, 32 d. A.).

Ebenso hilfsweise beruft sich der Kläger darauf, dass er aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation der Beigeladenen mit einer Inanspruchnahme durch die Gläubiger habe rechnen müssen. Auf den weiteren umfangreichen Vortrag des Klägers und den von ihm vorgelegten Schriftverkehr sowie die weiteren Unterlagen wird Bezug genommen.

Der Beklagte hat im Klageverfahren den Veräußerungsgewinn neu berechnet und mit Bescheid vom 17. November 2005 auf DM 71.473, 05 festgestellt (Angaben in DM):

Kapital des Klägers

100.000
zzgl. Agio

5.000

105.000
abzügl. Kapitalausgleichsposten (einschließlich 1999)

./. 75.377,64

29.622,36
abzügl. Forderungen an den Kommanditisten (Entnahmen)

./. 77.903,41
entspricht dem negativen Kapitalkonto zum 31.12.1999

./. 48.281, 05
zzgl. Auseinandersetzungsguthaben

23.192,00
Veräußerungsgewinn

71.473, 05 .

Die Berichterstatterin hat mit Beschluss vom 24. Mai 2011 die L.-Str. GmbH & Co. KG zum Verfahren beigeladen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen der L.-Str. GmbH & Co. KG für das Jahr 1999 vom 25. Januar 2001, geändert mit Bescheid vom 6. Mai 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Juni 2005, geändert durch Bescheid vom 17. November 2005, dahingehend zu ändern, dass ein Veräußerungsgewinn für ihn nicht festgestellt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hält an seiner Auffassung fest. Er trägt vor, für die Ermittlung des steuerlichen Veräußerungsgewinns sei es ohne Bedeutung, ob gegenüber der Gesellschaft eine Rückzahlungsverpflichtung des Klägers bestanden habe. Ein Veräußerungsgewinn entstehe nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz – EStG –, wenn ein Gesellschafter mit negativem Kapitalkonto aus der Gesellschaft ausscheide. Insbesondere gelte nach § 52 Abs. 33 Satz 3 EStG der Betrag, den der Kommanditist beim Ausscheiden nicht ausgleichen müsse, als steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn. Auf den weiteren Vortrag des Beklagten sowie die vorgelegten Unterlagen, insbesondere die Kopien von Verrechnungsschecks (Bl. 71 – 83 d. A.), wird Bezug genommen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie trägt im Verfahren vor, die an die Gesellschafter ausgeschütteten Beträge seien als Forderungen gegenüber den Gesellschaftern aktiviert worden, da gegenüber der Gesellschaft ggf. eine Rückzahlungsverpflichtung bestanden hätte, sofern das Vermögen der Gesellschaft die Verbindlichkeiten nicht gedeckt habe. Die Beigeladene verweist auf eine rechtliche Stellungnahme der Rechtsanwaltskanzlei A… vom 18. Oktober 2004 zu „Kapitaleinzahlungspflichten der Gesellschafter”, gerichtet an sie selbst. Gegenstand des Auftrags sei die Frage gewesen, ob und in welcher Höhe im Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter eine Zahlungsverpflichtung der Kommanditisten aufgrund der durch Beschluss herbeigeführten Ausschüttungen bestehe. Darin wird die Auffassung vertreten, dass lediglich eine Außenhaftung der Kommanditisten nach § 172 Abs. 4 Satz 2 Handelsgesetzbuch – HGB – bestehe. Eine Kapitalerhaltungspflicht nach § 30, 31 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung – GmbHG – sei zu verneinen, da die Voraussetzungen nicht vorlägen. Nach den der Kanzlei vorliegenden Unterlagen sei Kapital nicht in einer Höhe ausgeschüttet worden, die das Kapital der Komplementär-GmbH angetastet hätte. Auf den weiteren Vortrag der Beigeladenen und die weiteren von ihr vorgelegten Unterlagen wird Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich – nach einer mündlichen Verhandlung im September 2011 – mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO – einverstanden erklärt.


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten verletzt, § 100 Abs. 1 S. 1 FGO in Verbindung mit § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO.

I. Der Beklagte hat zu Unrecht einen auf den Kläger entfallenden Veräußerungsgewinn festgestellt:

1. Nach § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch Gewinne, die erzielt werden bei der Veräußerung des gesamten Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist. Nach § 16 Abs. 2 EStG ist der Veräußerungsgewinn der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den nach § 4 Abs. 1 EStG oder nach § 5 EStG zu ermittelnden Wert des Betriebsvermögens übersteigt. Wird ein Mitunternehmeranteil veräußert, ist dessen Buchwert in der Steuerbilanz der Gesellschaft (Kapitalkonto) sowie den Ergänzungsbilanzen maßgeblich ( Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 24. März 2010 13 K 2850/07, EFG 2011, 622).

a. Veräußerungspreis ist der Abfindungsanspruch des ausscheidenden Gesellschafters gegen die Gesellschaft. Dieser ist zwischen den Beteiligten unstreitig (DM 23.192).

b. Der Buchwert des veräußerten Mitunternehmeranteils wird bestimmt durch die Differenz zwischen Aktiva und Passiva, soweit diese auf den Mitunternehmeranteil des ausgeschiedenen Gesellschafters entfallen; dieser Buchwert entspricht dem Kapitalkonto des ausscheidenden Gesellschafters. Auch ein negatives Kapitalkonto wird vom Veräußerungspreis abgezogen, soweit dieses nicht ausgeglichen wird. Der Abzug des negativen Kapitalkontos bewirkt danach eine Erhöhung des Veräußerungsgewinns. Der Buchwert des Kapitalkontos des Klägers bei der Beigeladenen betrug zum 31. Dezember 1999 DM ./. 48.281, 05 .

c. Dabei ist aber entscheidend, aus welchen Gründen das Kapitalkonto des Kommanditisten negativ geworden ist. Nur wenn eine Ausgleichsforderung der Gesellschaft gegenüber dem Kommanditisten besteht und diese auf den Ausgleich verzichtet, kann auch ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn entstehen (vgl. dazu MünchHdb KG/Töben, 1991 [Vorauflage], § 41 Rz 28ff).

Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass der Kommanditist grundsätzlich nicht zum Ausgleich des negativen Kapitalkontos verpflichtet ist (Lange/Hunfeld, Personengesellschaften im Steuerrecht, 8. Auflage 2012, Rz 2211; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Auflage 1993, S. 908). Sein Kapitalkonto wird vom Erwerber oder den verbleibenden Gesellschaftern beim Ausscheiden mit der Verpflichtung übernommen, es durch spätere Gewinne wieder aufzufüllen (Lange/Hunfeld, a.a.O., Rz 2211). Der ausscheidende Kommanditist wird folglich bei Ausscheiden ohne Ausgleichszahlung nicht von einer Ausgleichsverpflichtung befreit. Er kann daher in Höhe des negativen Kapitalkontos eigentlich keinen Veräußerungsgewinn erzielen (Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Auflage 1993, S. 908; Niehus/Wilke, Die Besteuerung der Personengesellschaften, 4. Auflage 2008 (Vorauflage), zu 6.3.2.2., S. 335).

aa. Eine Ausnahme besteht dann, wenn das Kapitalkonto durch ausgleichs- und abzugsfähige Verluste negativ geworden ist. Unabhängig von der Frage, ob der Kommanditist diesbezüglich zum Ausgleich verpflichtet ist oder nicht, führt der Wegfall des negativen Kapitalkontos seit Einführung des § 52 Abs. 19 Satz 4 EStG (jetzt § 52 Abs. 33 Satz 3 EStG) zu einem Veräußerungsgewinn: Scheidet ein Kommanditist, dessen Kapitalkonto in der Steuerbilanz der Gesellschaft auf Grund von ausgleichs- oder abzugsfähigen Verlusten negativ geworden ist, aus der Gesellschaft aus, so gilt der Betrag, den der Mitunternehmer nicht ausgleichen muss, als Veräußerungsgewinn im Sinne des § 16 EStG.

bb. Ist hingegen das Kapitalkonto durch Entnahmen negativ geworden, entsteht ein Veräußerungsgewinn nur dann, wenn es sich um rückzahlungspflichtige Entnahmen gehandelt hat und die KG auf die gesellschaftsrechtliche Ausgleichsforderung gegen den ausscheidenden Kommanditisten verzichtet hat (vgl. dazu MünchHdb KG/Töben, § 41 Rz 32; Zimmermann u. a., Die Personengesellschaft im Steuerrecht, 9. Auflage 2007, J Rz 131; Schmidt/Wacker, 30. Auflage 2011, § 16 Rz. 472).

(1). Entnahmen sind rückzahlungspflichtig, wenn es sich um Entnahmen handelt, die entweder § 169 Abs. 1 HGB (Gewinnauszahlung) oder gesellschaftsvertraglichen Regelungen widersprechen. Unzulässige Entnahmen sind nicht auf dem Kapitalkonto zu verbuchen, sondern dem Privatkonto zu belasten und begründen einen Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft (Schilling in Großkomm. HGB, 4. Auflage 2004, § 169, Rz. 2; von Gerkan /Haas in Röhricht/Graf von Westphalen (Hrsg.), HGB, 3. Auflage 2008, § 169 Rz. 2, 20; Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 33. Auflage 2008, § 169 Rz. 7).

(2). Zulässige Entnahmen sind Ausschüttungen aus Gewinnanteilen, soweit sie § 169 Abs. 1 HGB entsprechen, und Entnahmen auf den Kapitalanteil, wenn der Gesellschaftsvertrag diese vorsieht oder alle Gesellschafter zustimmen. Zu den letzteren Entnahmen gehören auch die sogenannten Ausschüttungen aus der Liquidität. Zulässige Entnahmen lassen zwar die Haftung des Kommanditisten nach § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB aufleben. Danach gilt die Einlage eines Kommanditisten gegenüber den Gläubigern als nicht geleistet, wenn diese zurückbezahlt wird. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um die Außenhaftung des Kommanditisten – nicht hingegen um einen Anspruch der Gesellschaft auf Rückzahlung ausbezahlter Einlagen (vgl. von Gerkan/Haas in Röhricht/Graf von Westphalen [Hrsg.], HGB, § 169 Rz. 20). Ein solcher ist im Handelsgesetzbuch nicht geregelt. Dies folgt daraus, dass der Kommanditist grundsätzlich kein gewinnunabhängiges Entnahmerecht – anders als ein Komplementär – hat. Vielmehr darf er lediglich ihm zugewiesene Gewinne entnehmen. Wenn nun die KG Ausschüttungen aus der Liquidität vornimmt und dadurch das ihr zur Verfügung stehende Kapital schmälert, darf dies nicht zum steuerlichen Nachteil der Kommanditisten gereichen – jedenfalls dann nicht, wenn die jährlichen Ausschüttungen durch die Gesellschafterversammlung beschlossen werden und einheitlich an alle Kommanditisten erfolgen.

(3). Entnahmen sind auch unter den Voraussetzungen der § 30 Abs. 1 Satz 1, § 31 Abs. 1 GmbHG rückzahlungspflichtig. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG darf das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft nicht an die Gesellschafter ausgezahlt werden. Gemäß § 31 Abs. 1 GmbHG müssen Zahlungen, welche den Vorschriften des § 30 GmbHG zuwider geleistet sind, der Gesellschaft erstattet werden. Diese Vorschriften können dann für den Kommanditisten einer GmbH & Co KG gelten (vgl. OLG Celle, Urteil vom 18. Juni 2003 9 U 2/03, GmbHR 2003, 900), wenn Ausschüttungen der KG in einer Höhe vorgenommen wurden, die das Kapital der Komplementär-GmbH angetastet haben.

2. Nach diesen Grundsätzen entfällt auf den Kläger kein Veräußerungsgewinn:

a. Der Beklagte kann die Feststellung des Veräußerungsgewinns in Höhe von DM 71.473, 05 nicht auf § 52 Abs. 33 Satz 3 EStG stützen (vorher § 52 Abs. 19 Satz 4 EStG). Vorliegend ist das Kapitalkonto des Klägers zwar negativ. Das negative Kapitalkonto beruht jedoch nicht auf ausgleichsfähigen Verlusten, sondern auf den Entnahmen, die dem Kläger durch die Ausschüttungen aus der Liquidität zugeflossen sind. Anders als der Beklagte meint, ist eine Kumulierung von Ergebniszuweisungen und Entnahmen nach Auffassung des Senats nicht zulässig – dem steht schon der Wortlaut der Vorschrift entgegen. Denn das Kapitalkonto muss gerade auf Grund von Verlustzuweisungen negativ geworden sein. Vielmehr ist – so die Auffassung des Senats – die Entwicklung des Kapitalkontos, jedenfalls von dem Zeitpunkt an, in dem es erstmals negativ geworden ist, isoliert fortzuführen.

Danach war das Kapitalkonto des Klägers zum 31. Dezember 1985 sowohl durch Verlustzuweisungen als auch durch Entnahmen erstmals negativ geworden (./. DM 12.903,09). Isoliert betrachtet werden dem Kläger in der Folge Verluste und Gewinne zugerechnet, die im Zeitpunkt des Ausscheidens zu einem positiven Kapitalkonto geführt haben (Beträge in DM):

31.12.1985

./. 12.903,09
Verlust

./. 1.521,42
31.12.1986

./. 14.424,51
Verlust

./. 1.225,00
31.12.1987

./. 15.649,51
Verlust

./. 243,11
31.12.1988

./. 15.892,62
Gewinn

608,44
31.12.1989

./. 15.284,18
Verlust

./. 1.738,73
31.12.1990

./. 17.022,91
Gewinn

1.735,78
31.12.1991

./. 15.287,13
Gewinn

1.498,74
31.12.1992

./. 13.788,39
Gewinn

2.975,47
31.12.1993

./. 10.812,92
Gewinn

3.469,97
31.12.1994

./. 7.342,95
Gewinn

3.907,89
31.12.1995

./. 3.435,06
Gewinn

7.989,12
31.12.1996

4.554,06
Gewinn

8.363,85
31.12.1997

12.917,91
Gewinn

3.202,14
31.12.1998

16.120, 05
Gewinn

6.192,31
31.12.1999

22.312,36.

b. Das negative Kapitalkonto des Klägers beruht zudem nicht auf rückzahlungspflichtigen Entnahmen.

aa. Bei den auf den Kläger entfallenden Ausschüttungen handelt es sich um zulässige Entnahmen. Die dem Kläger in den Jahren ab 1984 zugeflossenen Ausschüttungen erfolgten nach Maßgabe des § 14 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrags aufgrund der jeweiligen Beschlüsse der Gesellschafterversammlungen. Dies folgt sowohl aus dem an den Bevollmächtigten des Klägers gerichteten Schreiben der Beigeladenen vom 18. August 2005 als auch aus einem vom Kläger exemplarisch zu den Akten gereichten Schreiben vom 30. November 1988. Vom Beklagten wird auch nicht bestritten, dass der Kläger von der Gesellschafterversammlung beschlossene Ausschüttungen aus der Liquidität der Gesellschaft erhalten hat.

bb. Eine vertragliche Verpflichtung zur Rückzahlung der Entnahmen ist aus dem Gesellschaftsvertrag nicht ersichtlich. Denn der Gesellschaftsvertrag enthält keine Regelung über eine Rückzahlung der Ausschüttungen.

cc. Die buchhalterische Behandlung der Entnahmen als Forderung durch die Beigeladene ist unerheblich. Es kann dahinstehen, ob die Beigeladene meint, es könne dann gegenüber der Gesellschaft eine Rückzahlungsverpflichtung bestanden haben, sofern das Vermögen der Gesellschaft die Verbindlichkeiten nicht decke. Eine Kapitalerhaltungspflicht, auf die die Beigeladene hier möglicherweise anspielt, kommt für Publikums-Kommanditgesellschaften nur unter den Voraussetzungen der § 30 Abs. 1 Satz 1, § 31 Abs. 1 GmbHG in Betracht. Nach der von der Beigeladenen eingeholten und dem Gericht vorliegenden rechtlichen Einschätzung sind diese Voraussetzungen jedenfalls nicht erfüllt.

dd. Es kann auch dahingestellt sein, ob der Kläger wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft bei seinem Ausscheiden mit einer Inanspruchnahme durch die Gesellschaftsgläubiger ernsthaft hätte rechnen müssen. Denn auch eine drohende Inanspruchnahme durch die Gesellschaftsgläubiger führt nicht zu einer Forderung auf Rückzahlung der Einlage der KG gegen den Kommanditisten. Eine tatsächliche Inanspruchnahme hätte allenfalls Auswirkung auf die Höhe des Veräußerungsgewinns bzw. -verlustes. Nach Aktenlage ist der Kläger jedoch nicht in Anspruch genommen worden, so dass es darauf nicht ankommt.

c. Es besteht demzufolge keine Ausgleichsverpflichtung des Klägers, die die Feststellung eines Veräußerungsgewinns rechtfertigen würde. Daraus ergibt sich folgende Berechnung (in DM):

Einlage des Klägers

100.000
+ Agio

5.000
Kapital des Klägers

105.000
./. Verlustzuweisungen

75.377,64
./. Ausschüttungen aus der Liquidität; Entnahmen

77.903,41
negatives Kapitalkonto zum 31.12.1999

./. 48.281, 05
+ rückleistungsfreie Entnahmen

77.903,41
Kapitalkonto zum 31.12.1999

29.622,36
./. Auseinandersetzungsguthaben

23.192,00
Veräußerungsverlust

6.430,36.

Da das Gericht gemäß § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO über das Klagebegehren nicht hinausgehen darf, war der Veräußerungsverlust nicht zu berücksichtigen, sondern es war lediglich festzustellen, dass ein Veräußerungsgewinn nicht entstanden war.

d. Nach der von dem Senat vertretenen Rechtsauffassung kommt es nicht darauf an, in welcher Höhe der Kläger Ausschüttungen und damit zulässige Entnahmen erhalten hat. Da der Kläger die Höhe der ihm zugeflossenen Entnahmen jedoch bestreitet, weist der Senat ergänzend auf Folgendes hin:

(1). Der Senat hat keine Zweifel daran, dass das von der Beigeladenen für den Kläger als Kommanditisten geführte Kapitalkonto im Ergebnis korrekt entwickelt wurde. Der Senat hat schon keine Bedenken gegen die von der Beigeladenen als Anlage zu ihrem Schreiben an den Kläger vom 18. August 2005 vorgelegte Ausschüttungsberechnung. Denn die Ausschüttungen durften laut Gesellschaftsvertrag nur einheitlich von allen Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Kapitaleinlagen erfolgen. Dies spricht zur Überzeugung des Senats dafür, dass die Entnahmen – wie in der Beispielsrechnung dargestellt –, zugeflossen sind. Dafür sprechen auch die diversen dem Gericht vorliegenden Kopien von Verrechnungsschecks.

(2). Der Kläger hat zur Überzeugung des Gerichts auch nicht nachgewiesen, dass er die Zahlungen nicht erhalten hätte. Der Kläger beruft sich im Wesentlichen darauf, sich an die Zahlungen nicht bzw. nicht an deren Umfang von DM 77.903,41 erinnern zu können. Dies ist für die dem Kläger obliegende Nachweisführung nicht ausreichend. Zudem hat der Kläger im Verfahren gegenüber dem Beklagten den Zufluss der Entnahmen für die letzten drei Jahre vor seinem Ausscheiden belegt. Für den davor liegenden Zeitraum konnte der Kläger keine Kontoauszüge mehr vorlegen; er hat allerdings den Erhalt eines Verrechnungsschecks über DM 13.000 eingeräumt. Der Senat folgt hier den Ausführungen des Beklagten, wonach es sich um die Beträge für 1993 und 1994 gehandelt habe. Auch dies spricht zur Überzeugung des Senats dafür, dass der Kläger die als Entnahmen gebuchten Beträge der Vorjahre ebenfalls erhalten hat.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Beigeladenen waren nach § 135 Abs. 3 FGO keine Kosten aufzuerlegen, da sie keine Anträge gestellt hat. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG § 16 Abs. 2 EStG § 52 Abs. 33 S. 3

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