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15.07.2011 · IWW-Abrufnummer 112362

Arbeitsgericht Hamburg: Beschluss vom 17.05.2011 – 1 BV 5/10

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Arbeitsgericht Hamburg
Beschluss
Geschäftszeichen:
1 BV 5/10 In der Betriebsverfassungssache
betreffend

beschließt das Arbeitsgericht Hamburg, 1. Kammer, durch die Richterin am Arbeitsgericht Hamburg Dr. Skuderis-Witt als Vorsitzende am 17. Mai 2011
den ehrenamtlichen Richter W.
den ehrenamtlichen Richter K.
1. Es wird festgestellt, dass die Beteiligte zu 2) keine tariffähige Gewerkschaft im Sinne von § 2 Abs. 1 TVG ist.
2. Es wird festgestellt, dass die Beteiligte zu 2) zum Zeitpunkt des Abschlusses des Bundesmanteltarifvertrages Nr. 1 für die Beschäftigten in Privatkliniken (BMTV Nr. 1 vom 1.7.2008, abgeschlossen zwischen ihr und dem Bundesverband deutscher Privatkliniken e.V. (BDPK), der Beteiligten zu 4.) keine tariffähige Gewerkschaft im Sinne von § 2 Abs. 1 TVG war.
W. Dr. Skuderis-Witt K.

Die Beteiligten streiten über die Tariffähigkeit der Beteiligten zu 2), der m.. Die Gesundheitsgewerkschaft.
Antragstellerin und Beteiligte zu 1) ist die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Die Beteiligte zu 1) ist Mitglied des Beteiligten zu 9), des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Die Beteiligte zu 2) ist Mitglied des Beteiligten zu 3), des Christlichen Gewerkschaftsbundes Deutschland.
Die Beteiligte zu 2) hat u.a. mit den Beteiligten zu 4), 5), 6)-8), 11) und 12) Tarifverträge abgeschlossen.
Beteiligter zu 15) ist der bei der Beteiligten zu 14) gewählte Betriebsrat, der mit Schriftsatz vom 15. September 2010 seine Beteiligung am vorliegenden Verfahren beantragte. Zwischen den Beteiligten zu 14) und 15) ist ein Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Siegburg (Az. 1 BV 3/09) anhängig, welcher mit Beschluss vom 4. März 2010 ausgesetzt wurde bis zur Entscheidung über die Tariffähigkeit der hiesigen Beteiligten zu 2). Nach der Begründung des Beschlusses kommt es für die Entscheidung des ausgesetzten Verfahrens auf die Frage der Wirksamkeit des Bundesmanteltarifvertrages Nr. 1 für die Beschäftigten in Privatkliniken, abgeschlossen zwischen der Beteiligten zu 2) und dem Bundesverband Deutscher Privatkliniken, der Beteiligten zu 4), am 20. Oktober 2008, an.
Am Verfahren wurden weiter beteiligt als Beteiligte zu 13) die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und als Beteiligte zu 10) die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.
Die Beteiligte zu 2) wurde am 5. März 2008 in Fulda gegründet. Auf das durch die Beteiligte zu 2) vorgelegte Protokoll des Gründungsgewerkschaftstages (Anlage 7, Blatt 363 bis 366 der Akten) wird verwiesen. Die Gründungsversammlung beschloss die als Anlage 1 (Blatt 19-25 der Akten) vorgelegte Satzung. Darin heißt es unter anderem:
§ 1 Allgemeines
1. … erstreckt sich über das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.
2. …
§ 2 Aufgaben und Ziele
1. … ist eine Gewerkschaft der Arbeitnehmer in allen Bereichen des Gesundheitswesens und der soziale Dienste, unabhängig von deren Trägerschaft. Näheres regelt die Anlage 1 zu dieser Satzung.
§ 14 Gliederung

2. Für die Tarifarbeit erlässt der Gewerkschaftsrat im Einvernehmen mit dem Hauptvorstand ein Tarifstatut.
In der Anlage 1 zur Satzung heißt es u.a.:
„… ist zuständig für die Arbeitnehmer in
Krankenhäusern
Einrichtungen der Rehabilitation
stationäre und ambulante Alten-/Krankenpflege
Behinderten-Einrichtungen
Rettungsdienste und Transportunternehmen
Blutspendedienste
Einrichtungen der allgemeinen Wohlfahrtpflege.
In den Zuständigkeitsbereich fallen auch Nebenbetriebe dieser Einrichtungen und rechtlich ausgegliederte unselbstständige Dienstleistungsbetriebe sowie die für diese Bereiche tätigen Personaldienstleister.“
Der Geltungsbereich der Beteiligten zu 2) umfasst bundesweit etwa 2,2 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Die Gründungsversammlung der Beteiligten zu 2) fand auf Einladung des Generalssekretärs des Beteiligten zu 3), Gs., statt. Gewählt wurden ein fünfköpfiger Hauptvorstand u.a. mit Frau Ag. als erster Bundesvorsitzenden und Herrn Bs. als Stellvertreter. Außerdem wurde ein siebenköpfiger Gewerkschaftsrat gewählt. Die Initiative, die Beteiligte zu 2) als Fachgewerkschaft im Gesundheitswesen zu gründen, stammte von Mitgliedern der Gewerkschaft DHV, die ihren Tätigkeitsschwerpunkt im Bereich der kaufmännischen und verwaltenden Berufe hat.
Mit Wirkung zum 16. Mai 2008 bestellte der Hauptvorstand der Beteiligten zu 2) Herrn Wf. zum Hauptgeschäftsführer, der aus dem Bereich des Gesundheitswesens stammt. Bis 2002 war Herr F. Mitglied des Bundesfachvorstandes Fachbereich 03 - Gesundheitswesen der Beteiligten zu 1). Sodann war er bei der DHV für den Fachbereich Gesundheitswesen hauptamtlich tätig.
Nach dem Formular der Beitrittserklärung ist von einem Mitglied der Beteiligten zu 2) ein Betrag von mindestens 6,- EUR, maximal 20,- EUR monatlich zu zahlen.
Die Beteiligte zu 2) vereinbarte mit der DHV am 16. Mai 2008 einen Kooperationsvertrag (Anlage 11, Blatt 374 bis 376 der Akten), in dem es u.a. heißt:
§ 1 Leistungen der DHV
1. Die DHV übernimmt im Auftrag von m. folgende Leistungen:
a. Die Betreuung von m.-Mitgliedern in allgemeinen gewerkschaftlichen Fragen
b. Die Gewährung von Rechtsschutz nach Maßgabe der m.-Rechtsschutzordnung
c. Die Mitgliederverwaltung und Kassenführung nach Weisung des Kassierers der m.
d. Den Beitragseinzug auf ein m.-Konto
e. Führung des Rechnungswesens und Erstellung des Jahresabschlusses
f. Bereitstellung von 4 Seiten in der „Deutschen Angestellten Zeitung“ (Drucklegung nach Vorlage der m.).
§ 2 Leistungen der m.
1. … Sie verpflichtet sich, jeweils zum Ende eines Kalendermonats für jedes m.-Mitglied eine Bearbeitungspauschale in Höhe von … an die DHV abzuführen.
Die Betreuung und Beratung der Mitglieder der Beteiligten zu 2) wird durch 13 Geschäftsstellen der DHV im Bundesgebiet und durch deren hauptamtliche Geschäftsführer und Mitarbeiter durchgeführt. Als zentrale Kontaktmöglichkeit besteht am Hauptsitz eine im Internet angegebene Kontaktmöglichkeit per Post, E-Mail und Telefon, unter der sich ein Mitarbeiter der Beteiligten zu 2) mit ihrem Namen meldet.
Am 7. Juli 2008 schlossen die Beteiligten zu 6), 7) und 8) mit der DHV und der Beteiligten zu 2) einen Haustarifvertrag (Anlage B7.1, Blatt 216-242 der Akten). Dem Abschluss des Tarifvertrages vom 7. Juli 2008 gingen fünf Verhandlungsrunden voraus. Vor und zwischen den Verhandlungsterminen tagte mehrfach eine große Tarifkommission der Arbeitnehmerseite. Die Tarifkommission bestand neben dem Hauptgeschäftsführer der Beteiligten zu 2) Herrn F. und dem Bezirksgeschäftsführer des DHV aus weiteren 16 Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen der Beteiligten zu 6), 7) und 8). Den Verhandlungen lag ein Tarifvertragsentwurf der Arbeitgeberseite zu Grunde. Hinsichtlich des Abgleichs zwischen den Forderungen der Arbeitgeberseite und dem Ergebnis der Tarifvertragsverhandlungen wird auf die Aufstellung im Schriftsatz der Beteiligten zu 6), 7) und 8) vom 16. Juni 2010, Seite 4 (Blatt 214 der Akten) verwiesen.
Auf seiner Sitzung am 10. und 11. September 2010 in Fulda beschloss der Hauptvorstand der Beteiligten zu 2) erstmals ein Tarifstatut (Anlage 10, Blatt 370 bis 373 der Akten).
Im vorliegenden Verfahren wird die Beteiligte zu 2) vertreten durch Herrn Kk. Geschäftsführer des Landesverbandes Nordost der DHV.
Die Beteiligte zu 1) begehrt mit den Anträgen zu 1) und 2) die Feststellung, dass die Beteiligte zu 2) nicht tariffähig ist. Diesen Anträgen hat sich der Beteiligte zu 15) angeschlossen. Hinsichtlich des weiteren Antrages (zu 3.) der Beteiligten zu 1) festzustellen, dass die von der Beteiligten zu 2) abgeschlossenen Tarifverträge nichtig seien, wurde das Verfahren abgetrennt.
Die Beteiligte zu 1) ist der Auffassung, die Beteiligte zu 2) erfülle nicht die Voraussetzungen einer tariffähigen Gewerkschaft. Sie sei nicht in der Lage, eigenständig die Interessen ihrer Mitglieder wahrzunehmen. Sie sei nicht ausreichend durchsetzungsfähig und leistungsstark. Sie sei überdies abhängig von der DHV.
Bei den von der Beteiligten zu 2) abgeschlossenen Tarifverträgen handele es sich überwiegend um Gefälligkeits- beziehungsweise Anerkennungstarifverträge. Weitestgehend habe lediglich die mangelnde Tarifzuständigkeit der DHV für große Teile des Gesundheitswesens geheilt werden sollen. Die Tarifverträge seien weit überwiegend gemeinsam mit der DHV abgeschlossen worden. Habe die Beteiligte zu 2) den Tarifvertrag allein unterzeichnet, habe die DHV parallel gleichlautende Tarifverträge unterzeichnet oder es handele sich um Anerkennungstarifverträge hinsichtlich der von der DHV abgeschlossenen Tarifverträge. Die Auflistung der Tarifvertragsabschlüsse der Beteiligten zu 2) weise außerdem zahlreiche Ungereimtheiten auf, da einige Tarifverträge nicht in den Tarifregistern verzeichnet seien oder vor Gründung der Beteiligten zu 2) abgeschlossen worden sein sollen.
Der Beteiligten zu 2) fehle es an der erforderlichen eigenen organisatorischen Leistungsfähigkeit. Sie habe weder ausreichende eigene Organisationsstrukturen noch hinreichende finanzielle Mittel, um die tatsächliche Durchführung der Tarifverträge zu gewährleisten oder ihre Einhaltung zu überwachen. Auch die DHV verfüge über keinen nennenswerten hauptamtlichen Apparat. Bereits nach ihren finanziellen Verhältnissen sei es der Beteiligten zu 2) nicht möglich, zwei hauptamtlich Beschäftigte zu bezahlen. Es sei im Übrigen unrealistisch, davon auszugehen, dass selbst zwei hauptamtliche Mitglieder der Beteiligten zu 2) mehr als 100 Tarifverträge auch nur teilweise selbst verhandelt haben könnten. Es könne sich nur um Gefälligkeitstarifverträge handeln. Die ehrenamtlichen Hauptvorstandsmitglieder der Beteiligten zu 2) seien zeitlich nicht in der Lage, neben den Belastungen aus der beruflichen Tätigkeit, Funktionen für die Beteiligte zu 2) auszuüben, die eine Kompensation für den fehlenden hauptamtlichen Mitarbeiterapparat darstelle. Die Beteiligte zu 2) weise mit den vorgelegten Rechnungen an sie für Kopier- und Druckkosten und Messestandkosten (Anlagen 12 bis 17, Blatt 377 bis 382 der Akten) nur einen Bruchteil ihrer organisationspolitischen Kosten aus. Eine Aussage über ihre finanzielle Leistungsfähigkeit könne auf dieser Grundlage nicht getroffen werden.
Sie, die Beteiligte zu 1), betreue im Organisationsbereich der Beteiligten zu 2) ca. 23.000 ökonomische Einheiten.
Der Beteiligte zu 10) trägt ergänzend vor, hauptamtliche Mitglieder der DHV hätten wesentlichen Einfluss auf die Beteiligte zu 2). Von einer Eigenständigkeit der Beteiligten zu 2) könne nicht gesprochen werden. Die Beteiligte zu 2) sei auch finanziell von der DHV, die den Beitragseinzug durchführe, abhängig. Bei Herrn F., dem Hauptgeschäftsführer der Beteiligten zu 2), handele es sich um den Geschäftsführer der DHV Bundesfachgruppe Gesundheitswesen und soziale Dienste. Es werde bestritten, dass Herr F. Angestellter der Beteiligten zu 2) sei. Es sei davon auszugehen, dass er weiterhin Angestellter der DHV sei und auch von dieser vergütet werde.
Die Beteiligte zu 2) befinde sich in keiner Aufbauphase, da sie lediglich einen Tarifbereich der DHV übernommen habe und auf deren Mitglieder und Organisationsstrukturen zurückgreife. Die meisten der aufgeführten Tarifverträge seien von der DHV geschlossen und lediglich von der Beteiligten zu 2) übernommen worden. Bei einer Zahl von 160 abgeschlossenen Tarifverträgen in 2 Jahren sei klar, dass es sich nur um eine Organisation handeln könne, die vom Wohlwollen der Arbeitgeberseite abhängig sei. Es bestünden mit dem vorhandenen Mitarbeiter-/Mitgliederbestand gar nicht die Möglichkeiten, eine neue Gewerkschaft bundesweit aufzubauen und gleichzeitig mehrere Tarifverträge monatlich zu verhandeln und abzuschließen. Insoweit müsse die Zahl der Tarifverträge, die die Leistungsfähigkeit einer Gewerkschaft indizieren solle, in einem vernünftigen Verhältnis zur Mitgliederzahl und organisatorischen Leistungsfähigkeit stehen.
Die Beteiligte zu 1) und der Beteiligte zu 15) beantragen,
1. festzustellen, dass die Beteiligte zu 2) keine tariffähige Gewerkschaft im Sinne von § 2 Abs. 1 TVG ist;
2. festzustellen, dass die Beteiligte zu 2) zum Zeitpunkt des Abschlusses des Bundesmanteltarifvertrages Nr. 1 für die Beschäftigten in Privatkliniken, abgeschlossen zwischen ihr und dem Bundesverband Deutscher Privatkliniken, der Beteiligten zu 4), keine tariffähige Gewerkschaft im Sinne von § 2 Abs. 1 TVG war.
Die Beteiligten zu 2), 3), 4), 5), 6), 7), 8), 11), 12) und 14) beantragen,
die Anträge zurückzuweisen.
Die Beteiligten zu 9) und 13) stellen keine eigenen Anträge.
Die Beteiligte zu 2) ist der Auffassung, sie sei eine tariffähige Gewerkschaft. Sie sei in ihrer Betätigung an keinerlei Vorgaben der DHV gebunden, ihre Vorstandsentscheidungen würden ohne Einfluss der DHV ergehen. Sie verfüge allein in zwei Betriebsgruppen, der im DRK Kreisverband Prignitz und der in der DRK Rettungsdienst Bereich Ludwigslust GmbH bereits deutlich über 100 Mitglieder. Bundesweit verfüge sie in ihrem Organisationsbereich über etwa 7.000 Mitglieder.
Herr F. sei hauptamtlicher Beschäftigter der Beteiligten zu 2). Sie beschäftige außerdem einen weiteren hauptamtlichen Mitarbeiter, den Vorstandsreferenten Herrn B..
Maßgeblich zu berücksichtigen sei, dass sie sich noch in der Aufbauphase nach ihrer Gründung befinde. Für die Leistungsfähigkeit ihrer Organisation müsste es genügen, wenn sie durch hauptamtliche Mitarbeiter eines gewerkschaftlichen Kooperationspartners unterstützt werde. Sie stütze sich zudem auf die ehrenamtliche Tätigkeit ihrer Mitglieder.
Sie sei aufgrund ihrer aktiven Teilnahme an Tarifgeschehen als hinreichend durchsetzungsstark anzusehen. Die Beteiligte zu 2) verweist insoweit auf eine Liste der Tarifabschlüsse (Anlage 2, Blatt 177 f. der Akten) sowie die aktualisierte Liste von ihr abgeschlossener Tarifverträge (Anlage 6, Blatt 359 bis 362 der Akten). Hiervon seien 11 Tarifverträge in Form von Anerkennungstarifverträgen geschlossen, die übrigen Abschlüsse seien originäre Abschlüsse der Beteiligten zu 2), die z.T. als mehrgliedrige Tarifverträge abgeschlossen worden seien. An den Tarifverhandlungen sei sie maßgeblich beteiligt gewesen. Sie habe sich nach Gründung recht zügig um den Abschluss von Anerkennungstarifverträgen bemüht, um den neu gewonnenen und Mitgliedern aus den Betrieben, in denen eine Tarifbindung der DHV bestehe, Tarifschutz bieten zu können. Es handele sich nicht um Gefälligkeitstarifverträge. Bezogen auf die Tarifabschlüsse mit dem DRK Kreisverband Parchim e.V. zeige ein Vergleich zwischen den Tarifforderungen, den Arbeitgeberpositionen und dem zustande gekommenen Tarifvertrag (Seiten 12 ff. des Schriftsatzes vom 26. Oktober 2010, Blatt 353 ff. der Akten), dass sie, die Beteiligte zu 2), sich in mehreren kostenrelevanten Tarifregelungen habe durchsetzen können. Beim DRK Westerland e.V. habe die Tarifkommission aus 18 Mitgliedern bestanden, die zugleich die Betriebsgruppe der Beteiligten zu 2) und 94 % der Belegschaft des Betriebes bildeten.
Der Abschluss von Tarifverträgen durch die Beteiligte zu 2) sei bis Herbst 2010 in aller Regel nach bewährtem Muster abgelaufen: aus der Mitte der vom Tarif zu erfassenden Mitglieder sei eine Tarifkommission gewählt worden. Diese habe die Tarifforderungen der Mitglieder formuliert und mit den hauptamtlichen Verhandlungsführern einen Tarifentwurf erarbeitet. Soweit bereits eine Tarifkommission der DHV bestanden habe, hätten die benannten Tarifkommissionsmitglieder dann gemeinsam mit den Mitgliedern der DHV getagt und faktisch eine gemeinsame Tarifkommission gebildet. In der Mehrzahl der Fälle habe sie, die Beteiligte zu 2) die Verhandlungsführerschaft übernommen, indem ihr Hauptgeschäftsführer F. die Verhandlungen geführt habe. Die Mitglieder der Tarifkommissionen hätten die administrativen Aufgaben übernommen und würden dabei z.T. hauptamtlich begleitet. Für die Verhandlung sei aus der Mitte der Tarifkommission eine Verhandlungskommission gewählt worden, die an den Verhandlungen teilgenommen habe. Die erzielten Ergebnisse seien von der Tarifkommission nochmals bestätigt worden, sofern sie außerhalb des zuvor abgestimmten Verhandlungsmandats gelegen hätten. Zum Teil seien die Tarifabschlüsse von einem Tarifkommissionsmitglied mit gezeichnet worden.
Die Beteiligte zu 3) trägt vor, die Mitglieder der Beteiligten zu 2) könnten in einem demokratischen Wahlverfahren gemäß der Satzung an der Willensbildung teilnehmen und auf die Entscheidungsfindung, damit letztlich auch auf die Inhalte von Tarifverträgen, Einfluss nehmen. Dass die Beteiligte zu 2) vom sozialen Gegenspieler ernst genommen und respektiert werde, zeige sich unter anderem an dem bisher einmaligen Abschluss eines Mindestlohntarifvertrages für Pflegehilfskräfte mit der Beteiligten zu 5).
Eine Arbeitnehmervereinigung müsse bei einem Streit über ihre Tariffähigkeit nicht den Nachweis führen, dass sie in dem Tarifbereich über eine bestimmte Mitgliederzahl verfüge, auf welche die geschlossenen Tarifverträge unmittelbar Anwendung fänden. Das Vertreten sein in Betrieben, die dem räumlichen und fachlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrags unterfielen, sei keine notwendige Voraussetzung für die Tariffähigkeit. Die Beteiligte zu 2) verfüge inzwischen über ein hinreichendes Mitgliederpotenzial mit kontinuierlich steigender Tendenz.
Die Beteiligte zu 2) habe auch die Möglichkeit, auf den Sachverstand und die Leistungsfähigkeit des Beteiligten zu 3) zurückzugreifen, insbesondere soweit es die Auswertung volkswirtschaftlicher und politischer Daten als Grundlage der gewerkschaftlichen Arbeit betreffe. Im Verhältnis zur DHV gehe es um eine rein administrative Zusammenarbeit, um Synergie-Effekte in der Verwaltung zu nutzen, nicht jedoch um die inhaltliche gewerkschaftliche Arbeit. Angesichts immer effizienter werdender Telekommunikationsmöglichkeiten komme der Anwesenheit gewerkschaftlicher hauptamtlicher Vertreter vor Ort nicht mehr dieselbe Bedeutung zu wie in der Vergangenheit.
Der Beteiligte zu 4) trägt vor, er habe im Dezember 2006 einen Bundesmanteltarifvertrag Nr. 1 mit der DHV abgeschlossen. Herr F. habe sich am 16. Juli 2008 als Hauptgeschäftsführer der Beteiligten zu 2) vorgestellt und den Abschluss eines Anerkennungstarifvertrages gefordert. Der Fachausschuss Tarif- und Personalfragen der Beteiligten zu 4) habe sich gegen den Abschluss eines Anerkennungstarifvertrages ausgesprochen. Daraufhin sei ein eigenständiger Tarifvertrag auf der Basis des mit der DHV abgeschlossenen Tarifvertrages mit der Beteiligten zu 2) abgeschlossen worden.
Der Beteiligte zu 5) trägt vor, es werde mit Nichtwissen bestritten, dass die Beteiligte zu 1) im Organisationsbereich Gesundheitswesen und Pflege selbst mehr als 1500 Tarifverträge abgeschlossen habe.
Allein eine Mitteilung, dass der Tarifabschluss zu einer Einsparung von Personalkosten führen werde, im Nachgang zum Abschluss des Tarifvertrages mit den Beteiligten zu 6) bis 8) rechtfertige nicht schon die Annahme eines Gefälligkeitstarifvertrages, insbesondere wenn man berücksichtige, dass die Parteien eine Erhöhung der leistungsabhängigen Bezahlung vereinbart hätten. Im Übrigen könne auch ein Rückschluss von Anschlusstarifverträgen auf die organisatorische Leistungsfähigkeit im Hinblick auf die Fähigkeit, Tarifverträge zu schließen, erfolgen.
Unmittelbar nach seiner Gründung habe er vergeblich versucht, das Gespräch mit der Beteiligten zu 1) im Hinblick auf die Vereinbarung von Mindestlöhnen für Pflegehilfskräfte aufzunehmen. Die Beteiligte zu 1) habe damit das Feld für Tarifverhandlungen anderen Gewerkschaften überlassen. Die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales nach § 12 Arbeitnehmerentsendegesetz einberufene Pflegekommission habe sich nach intensiven Verhandlungen auf dieselben Lohnuntergrenzen wie im Mindestlohntarifvertrag vorgesehen geeinigt.
Die Beteiligten zu 6), 7) und 8) tragen vor, beim zwischen ihnen und der Beteiligten zu 2) zustande gekommenen Tarifvertrag vom 7. Juli 2008 handele es sich nicht um einen Gefälligkeitstarifvertrag. Ein solcher liege nur vor, wenn die Arbeitnehmervereinigung der Arbeitgeberseite gefällig sei, also kollusiv mit ihr zulasten der Arbeitnehmer zusammen wirke. Dies liege jedenfalls nicht vor. Allein das Ziel, mit Abschluss eines Tarifvertrages auch Personalkosten zu senken, mache diesen noch nicht zum Gefälligkeitstarifvertrag. Im Übrigen sei dieser Haustarifvertrag durch den Abschluss eines weiteren Tarifvertrages, der seit dem 1. Januar 2010 Anwendung finde, abgelöst worden.
Für die weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Anträge zu 1) und 2) der Antragstellerin und Beteiligten zu 1) und des Beteiligten zu 15) sind vor dem Arbeitsgericht Hamburg im Beschlussverfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG und im Übrigen zulässig und begründet.
1. Für die Anträge zu 1) und 2) ist das Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht gemäß § 2a Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 ArbGG die richtige Verfahrensart.
2. In einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren sind diejenigen Personen und Stellen Beteiligte, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer Rechtsstellung unmittelbar betroffen werden (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. Beschluss vom 13. März 1984, AP Nr. 9 zu § 83 ArbGG 1979; Beschluss vom 25. September 1986, AP Nr. 7 zu § 1 BetrVG 1972). Beteiligte am Verfahren nach § 97 ArbGG über die Tariffähigkeit einer Vereinigung sind neben dem Antragsteller diejenigen, deren materielle Rechtsstellung im Hinblick auf die Tariffähigkeit unmittelbar betroffen ist. Danach waren an dem vorliegenden Verfahren zu beteiligen als Beteiligte zu 2) die Arbeitnehmervereinigung, hinsichtlich derer die Tariffähigkeit streitig ist. Darüber hinaus waren zu beteiligen die Spitzenverbände, denen die Beteiligten zu 1) und 2) angehören, als Beteiligte zu 3) und 9), sowie der Spitzenverband auf Arbeitgeberseite als Beteiligter zu 13), die oberste Arbeitsbehörde des Bundes als Beteiligte zu 10) (vgl. BAG vom 25. November 1986, AP Nr. 36 zu § 2 TVG). Weiterhin beteiligt wurden im Hinblick auf den als Antrag zu 3) gestellten Antrag, die Nichtigkeit bestimmter Tarifverträge festzustellen, die auf Arbeitgeberseite jeweils tarifschließenden Parteien als Beteiligte zu 4) bis 8), 11) und 12).
Weiterhin waren zu beteiligen als Beteiligte zu 14) und 15) die Beteiligten des nach § 97 Abs. 5 ArbGG ausgesetzten Verfahrens vor dem Arbeitsgericht Siegburg.
3. Die Beteiligte zu 1) ist antragsberechtigt nach § 97 Abs. 1 ArbGG hinsichtlich der Anträge zu 1) und 2). Bei der Beteiligten zu 1) handelt es sich um eine Arbeitnehmervereinigung, die räumlich und sachlich zuständig ist für den Bereich, in dem auch die Beteiligte zu 2) tätig sein will. Dies wird von den übrigen Beteiligten auch nicht in Abrede gestellt. Auch die Tariffähigkeit der Beteiligten zu 1) wird nicht ernsthaft angezweifelt.
4. Der Beteiligte zu 15) ist hinsichtlich beider Anträge ebenfalls, und zwar nach § 97 Abs. 5 Satz 2 ArbGG antragsberechtigt. Zwar besitzt der Betriebsrat keine Antragsbefugnis gemäß § 97 Abs. 1 ArbGG (vgl. BAG vom 13. März 2007, NZA 2007, 1069), so dass seine Antragsberechtigung hinsichtlich des Antrages zu 1) an sich in Frage gestellt ist. Allerdings ist dieser Antrag zu 1) hier trotz seiner gegenwartsbezogenen Wirkung gedeckt durch § 97 Abs. 5 Satz 2 ArbGG und den Aussetzungsbeschluss des ArbG Siegburg. Das ArbG Siegburg hat die Aussetzung des dortigen Verfahrens zwischen den hiesigen Beteiligten zu 14) und 15) beschlossen bis zur Entscheidung über die Tariffähigkeit der hiesigen Beteiligten zu 2), nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt bezogen. Nur aus den Gründen dieses Beschlusses ergibt sich, dass es letztlich auf die Frage der Tariffähigkeit zum Zeitpunkt des Abschlusses des Bundesmanteltarifvertrages Nr. 1 für die Beschäftigten in Privatkliniken durch die Beteiligten zu 2) und 4) ankommt. Mithin folgt daraus nach § 97 Abs. 5 Satz 2 ArbGG die Antragsbefugnis des Beteiligten zu 15) für den Antrag zu 2), aufgrund des Beschlusstenors aber auch für den Antrag zu 1). Die Richtigkeit der Aussetzungsentscheidung war von der erkennenden Kammer nicht nachzuprüfen (Schwab/Weth/Walker, § 97 ArbGG Rn. 49).
5. Es besteht das nach § 256 ZPO, § 46 Abs. 2 ArbGG, § 80 Abs. 2 ArbGG für die Anträge zu 1) und 2) erforderliche Feststellungsinteresse. Für den Antrag zu 1), dessen Entscheidungsgrundlage in zeitlicher Hinsicht der Schluss der mündlichen Anhörung ist, ergibt sich dies schon daraus, dass die Beteiligte zu 2) ihre Tariffähigkeit behauptet und die Beteiligten zu 1) und 15) dies bezweifeln. Dieser Antrag ist ausschließlich auf die Gegenwart gerichtet und nicht vergangenheitsbezogen.
Ein Feststellungsinteresse besteht aber auch für den vergangenheitsbezogenen Antrag zu 2). Hinsichtlich des Antrages des Beteiligten zu 15) ergibt sich dies schon daraus, dass es um die Tariffähigkeit der Beteiligten zu 2) bei Abschluss des Tarifvertrages geht, wegen dessen Wirksamkeit letztlich das Verfahren zwischen ihm und der Beteiligten zu 14) vor dem Arbeitsgericht Siegburg ausgesetzt ist.
Auch die Beteiligte zu 1) ist berechtigt, einen solchen vergangenheitsbezogenen Antrag zu stellen. Die Kammer schließt sich insoweit nach eigener Prüfung den Ausführungen des Arbeitsgerichts Köln (Beschluss vom 30. Oktober 2008, ArbuR 2009, 100 ff.) an. Es ist kein Grund erkennbar, warum eine vergangenheitsbezogene Feststellung nicht auch dann beantragt werden können sollte, wenn hinsichtlich des Antragstellers der Antrag nach § 97 Abs. 1 ArbGG nicht auf ein ausgesetztes Verfahren zurückzuführen ist. Eine derartige Differenzierung, die, sofern kein ausgesetztes Verfahren vorliegt, nur die Feststellung der (fehlenden) Tariffähigkeit zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Anhörung vor der Kammer zuließe, kann der Vorschrift nicht entnommen werden. Wäre eine vergangenheitsbezogene Feststellung in dieser Konstellation ausgeschlossen, hätte dies zudem zur Folge, dass es von der Dauer des Verfahrens nach § 97 ArbGG abhinge, in welchem Umfang und in welchem zeitlichen Ausmaß eine Vereinigung, deren Tariffähigkeit im Streit steht, rechtsgültige Tarifverträge abschließen kann. Die Möglichkeit der Überprüfung der Tariffähigkeit einer Vereinigung hinge damit allein von dem ungewissen und rein zufälligen Umstand ab, dass es in einem anderen Verfahren gerade auf die Tariffähigkeit ankommt.
6. Die Anträge zu 1) und 2) der Beteiligten zu 1) und des Beteiligten zu 15) sind auch begründet. Die Beteiligte zu 2) ist weder zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Anhörung (dazu 7.) noch war sie zum Zeitpunkt des Abschlusses des Bundesmanteltarifvertrages Nr. 1 für die Beschäftigten in Privatkliniken, abgeschlossen zwischen ihr und dem Bundesverband Deutscher Privatkliniken, der Beteiligten zu 4), am 20. Oktober 2008, tariffähig.
a)
Weder der Begriff noch die Anforderungen, die an die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung zu stellen sind, sind gesetzlich geregelt. § 2 Abs. 1 TVG bestimmt den Begriff der tariffähigen Gewerkschaft nicht, sondern setzt ihn voraus.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. nur BAG vom 5. Oktober 2010, 1 ABR 88/09 m.w.N., zitiert nach juris), der sich die Kammer anschließt, muss eine Arbeitnehmervereinigung bestimmte Mindestvoraussetzungen erfüllen, um tariffähig zu sein. Die Koalition muss sich als satzungsgemäße Aufgabe die Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder in deren Eigenschaft als Arbeitnehmer gesetzt haben und willens sein, Tarifverträge zu schließen. Sie muss frei gebildet, gegnerfrei, unabhängig und auf überbetrieblicher Grundlage organisiert sein und das geltende Tarifrecht als verbindlich anerkennen. Darüber hinaus muss sie über Durchsetzungskraft gegenüber dem sozialen Gegenspieler und über eine leistungsfähige Organisation verfügen. Eine tariffähige Arbeitnehmervereinigung muss insbesondere sozial mächtig und von ihrem organisatorischen Aufbau her in der Lage sein, die ihr gestellten Aufgaben einer Tarifvertragspartei zu erfüllen (BVerfG vom 24. Februar 1999, BVerfGE 100, 214). Darüber hinaus müssen nach Ansicht im Schrifttum die innere Ordnung des Verbandes und seine Willensbildung demokratischen Grundsätzen entsprechen (Wiedemann/Oetker, § 2 TVG Rn. 341 m.w.N.; Däubler, TVG, Einl. Rn. 94 m.w.N.; vgl. auch Maunz/Düring/Scholz, Art. 9 GG Rn. 206 ff.; einschränkend BAG vom 28. März 2006, AP Nr. 4 zu § 2 TVG Tariffähigkeit).
Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit verbietet es, die Tariffähigkeit von Umständen abhängig zu machen, die nicht von der Sache selbst, also von der im allgemeinen Interesse liegenden Aufgabe der Ordnung und Befriedung des Arbeitslebens gefordert sind (vgl. BVerfG vom 20. Oktober 1981, BVerfGE 58, 233 ff.). Es dürfen auch keine Anforderungen an die Tariffähigkeit gestellt werden, die erheblich auf die Bildung und Betätigung einer Koalition zurückwirken, diese unverhältnismäßig einschränken und so zur Aushöhlung der durch Art. 9 Abs. 3 GG gesicherten freien Koalitionsbildung und betätigung führen. In Anwendung dieser dargestellten Grundsätze ergibt sich hier folgendes:
b)
Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Bundesmanteltarifvertrages Nr. 1 für die Beschäftigten in Privatkliniken, abgeschlossen zwischen der Beteiligten zu 2) und dem Bundesverband Deutscher Privatkliniken, der Beteiligten zu 4), war die Beteiligte zu 2) nicht tariffähig. Dies ergibt sich nach Auffassung der Kammer bereits daraus, dass es zu diesem Zeitpunkt das nach der Satzung der Beteiligten zu 2) für die Tarifarbeit vorgesehene Tarifstatut noch nicht gab. Dieses wurde erst im September 2010 durch den Hauptvorstand der Beteiligten zu 2) beschlossen. Auch wenn mit dem Bundesarbeitsgericht davon ausgegangen wird, dass kein Grund bestehen dürfte, die Tariffähigkeit der Arbeitnehmervereinigung nur wegen etwaiger Defizite in der demokratischen Binnenstruktur in Frage zu stellen (vgl. BAG vom 28. März 2006, AP Nr. 4 zu § 2 TVG Tariffähigkeit), führt doch das Fehlen jeglicher Regelungen über Verhandlung und Abschluss von Tarifverträgen dazu, dass der betreffenden Arbeitnehmervereinigung die Tariffähigkeit nicht zuerkannt werden kann. Dieses Erfordernis rechtfertigt sich aus der Notwendigkeit einer mitgliedschaftlichen Legitimation der durch den Abschluss von Tarifverträgen wahrgenommenen Rechtssetzungsbefugnis. Es handelt sich nicht nur um etwaige Defizite in der demokratischen Binnenstruktur, sondern das Fehlen jeglicher Vorgabe, auf welchem Wege von wem auf welcher Grundlage Tarifinhalte verhandelt und abgeschlossen werden. Es mag sein, dass im konkreten Fall eines Tarifabschlusses hinreichend demokratisch legitimiert ein Tarifvertrag zustande gekommen ist. Allerdings ist dieser Umstand dann quasi zufällig, weil nicht durch entsprechende Regelungen abgesichert. Damit ist die Normwirkung der tariflichen Regelungen für die Tarifgebundenen nicht zu vereinbaren. Weil der Tarifvertrag das Arbeitsverhältnis des Verbandsmitglieds mit gesetzesgleicher Wirkung regelt, müssen die Tarifnormen in besonderer Weise legitimiert sein. Insofern geht es um eine demokratische Binnenstruktur als Prozess der gemeinsamen innerverbandlichen Willensbildung (vgl. auch MünchArbR/Rieble/Klumpp, § 164 Rn. 5).
c)
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Beteiligte zu 2) zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Anhörung die Voraussetzungen der Tariffähigkeit erfüllt. Es fehlt auf der Grundlage des bislang vorgetragenen Sachverhalts an der Durchsetzungsfähigkeit der Beteiligten zu 2) gegenüber der Arbeitgeberseite.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt, muss eine Arbeitnehmervereinigung Durchsetzungskraft besitzen, um sicherzustellen, dass der soziale Gegenspieler Verhandlungsangebote nicht übergehen kann. Der ihr obliegenden Mitwirkung am Zustandekommen eines angemessenen, sozial befriedenden Interessenausgleichs kann sie nur sachgerecht nachkommen, wenn sie auf die Arbeitgeberseite zumindest so viel Druck ausüben kann, dass diese sich veranlasst sieht, sich auf Verhandlungen über tarifvertraglich regelbare Arbeitsbedingungen einzulassen (BAG vom 28. März 2006, AP Nr. 4 zu § 2 TVG Tariffähigkeit). Die Arbeitnehmervereinigung muss von ihrem sozialen Gegenspieler ernst genommen werden, so dass die Arbeitsbedingungen nicht einseitig von der Arbeitgeberseite festgelegt, sondern tatsächlich ausgehandelt werden. Ob eine Arbeitnehmervereinigung eine solche Durchsetzungsfähigkeit besitzt, muss auf Grund aller Umstände im Einzelfall festgestellt werden (vgl. BAG vom 14. Dezember 2004, AP Nr. 1 zu § 2 TVG Tariffähigkeit). Für die Beurteilung der Durchsetzungskraft kommt im Einzelfall insbesondere der Mitgliederzahl entscheidende Bedeutung zu. Die Organisationsstärke ist dabei im Verhältnis zu dem von der Arbeitnehmerkoalition selbst gewählten räumlichen und fachlichen Organisationsbereich zu bewerten. Die Durchsetzungskraft einer Arbeitnehmervereinigung kann sich auch darin zeigen, dass sie schon aktiv in den Prozess der tariflichen Regelung von Arbeitsbedingungen eingegriffen hat (vgl. BAG vom 6. Juni 2000, AP TVG § 2 Nr. 55).
Die anzustellende Einzelfallbetrachtung hat hier davon auszugehen, dass es sich bei der Beteiligten zu 2) um eine noch relativ junge Arbeitnehmervereinigung handelt, die erst im Frühjahr 2008 gegründet wurde. Beteiligt sich eine noch junge Arbeitnehmerkoalition im zeitlichen Zusammenhang mit ihrer Gründung am Aushandeln von Tarifverträgen, kann ohne Angaben zur Zahl ihrer Mitglieder und organisatorischen Leistungsfähigkeit allein die Anzahl der von ihr abgeschlossenen Tarifverträge ihre Tariffähigkeit nicht belegen (BAG vom 5. Oktober 2010, NZA 2011, 300 ff.). Dem schließt sich die Kammer an. Dies ergibt sich nachvollziehbar schon daraus, dass die Tariffähigkeit Voraussetzung, nicht Folge des Abschlusses von Tarifverträgen ist. Mithin helfen die von der Beteiligten zu 2) vorgelegten Übersichten ihrer Tarifabschlüsse nicht weiter. Gerade bei einer noch jungen Arbeitnehmervereinigung bedarf es der besonderen Begründung ihrer Durchsetzungskraft. Es kann nicht von vornherein davon ausgegangen werden, aus dem Abschluss von Tarifverträgen lasse sich auf die Durchsetzungskraft der betreffenden Arbeitnehmervereinigung rückschließen.
Die Zahl der organisierten Arbeitnehmer bestimmt die finanzielle Ausstattung einer Arbeitnehmerkoalition. Sie entscheidet über deren organisatorische Leistungsfähigkeit und auch darüber, ob eine Arbeitnehmervereinigung in der Lage ist, die mit dem Abschluss von Tarifverträgen verbundenen finanziellen und personellen Lasten zu tragen (BAG vom 28. März 2006, AP Nr. 4 zu § 2 TVG Tariffähigkeit). Vor allem aber gibt die Mitgliederzahl im selbst gewählten fachlichen und räumlichen Zuständigkeitsbereich Aufschluss darüber, ob eine Arbeitnehmervereinigung unter Berücksichtigung ihres organisatorischen Aufbaus überhaupt in der Lage ist, hinreichenden Druck auf den sozialen Gegenspieler aufzubauen, um Verhandlungen über den Abschluss eines Tarifvertrags zu erzwingen (BAG vom 5. Oktober 2010, NZA 2011, 300 ff.).
Hier wurde von der Beteiligten zu 2) in der mündlichen Anhörung vorgetragen, sie verfüge im eigenen Zuständigkeitsbereich über 7.000 Mitglieder. Diese Angabe als zutreffend unterstellt, folgt daraus ohne weitere Darlegung nicht die hinreichende Durchsetzungskraft gegenüber der Arbeitgeberseite. Die Beteiligte zu 2) hat sich einen bundesweiten Tätigkeitsbereich beigelegt, in dem etwa 2,2 Millionen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen tätig sind. Die Beteiligte zu 2) verfügt damit über einen Organisationsgrad von nur 0,32 %. Es ist bislang nicht ersichtlich, dass ihre Mitglieder besondere Schlüsselpositionen einnehmen. Es kommt dabei nicht darauf an, dass in bestimmten räumlichen Teilbereichen der Organisationsgrad der Beteiligten zu 2) erheblich höher liegen mag. Die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung für den beanspruchten Zuständigkeitsbereich ist einheitlich und unteilbar. Hierfür genügt es zwar, dass die Arbeitnehmervereinigung Durchsetzungskraft und organisatorische Leistungsfähigkeit zumindest in einem nicht unerheblichen Teil des beanspruchten Zuständigkeitsbereichs besitzt. Dies kann hier aber nicht festgestellt werden. Eine partielle, auf bestimmte Regionen, Berufskreise oder Branchen beschränkte Tariffähigkeit gibt es nicht (BAG vom 28. März 2006, AP Nr. 4 zu § 2 TVG Tariffähigkeit).
7. Gemäß § 2 Abs. 2 GKG ergeht die Entscheidung kostenfrei.
1.
2. Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss können die Beteiligten zu 2), 3), 4), 5), 6), 7), 8), 11), 12) und 14) beim Landesarbeitsgericht Hamburg Beschwerde einlegen. Für die Antragstellerin und den Beteiligten zu 15) ist gegen diesen Beschluss kein Rechtsmittel gegeben.
Die Frist für die Einlegung der Beschwerde beträgt einen Monat. Sie beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Innerhalb der Frist muss die Beschwerdeschrift beim Landesarbeitsgericht Hamburg eingegangen sein. Die Beschwerdeschrift muss den Beschluss bezeichnen, gegen den die Beschwerde gerichtet ist, und die Erklärung enthalten, dass gegen diesen Beschluss die Beschwerde eingelegt wird. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Beschlusses vorgelegt werden.
Die Beschwerde ist mit einem Schriftsatz zu begründen. Die Frist für die Begründung der Beschwerde beträgt zwei Monate. Sie beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Innerhalb der Frist muss die Beschwerdebegründung beim Landesarbeitsgericht Hamburg eingegangen sein. Die Beschwerdebegründung muss angeben, auf welche im Einzelnen anzuführenden Beschwerdegründe sowie auf welche neuen Tatsachen die Beschwerde gestützt wird. Die Beschwerdebegründungsfrist kann auf Antrag von dem oder der Vorsitzenden des Landesarbeitsgericht einmal verlängert werden, wenn nach seiner bzw. ihrer freien Überzeugung das Verfahren durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der bzw. die Beteiligte erhebliche Gründe darlegt. Diese Gründe sind glaubhaft zu machen.
Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründung muss unterschrieben sein
a) von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin, der bzw. die bei einem deutschen Gericht zugelassen ist, oder
b) von einem Vertreter oder einer Vertreterin einer Gewerkschaft, einer Vereinigung von Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen oder eines Zusammenschlusses solcher Verbände, wenn der Vertreter bzw. die Vertreterin kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt ist und der Zusammenschluss, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind. Vertretungsberechtigt sind auch Bevollmächtigte, die als Angestellte juristischer Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der vorgenannten Organisationen stehen, handeln, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder der Organisation entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet. Mitglieder der vorgenannten Organisationen können sich durch einen Vertreter eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung vertreten lassen; Entsprechendes gilt für die Angestellten der vorgenannten juristischen Personen.
Postanschrift und Sitz des Landesarbeitsgerichts Hamburg:
3. Postanschrift : Postfach 76 07 20, 22057 Hamburg
4. Gerichtsgebäude: Osterbekstraße 96, 22083 Hamburg
Hinweis:
Das Landesarbeitsgericht Hamburg bittet, die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift und die sonstigen wechselseitigen Schriftsätze in zusätzlicher 3-facher Ausfertigung bei dem Landesarbeitsgericht einzureichen.

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