03.09.2010 · IWW-Abrufnummer 102690
Landgericht Köln: Urteil vom 12.05.2010 – 13 S 249/10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landgericht Köln
13 S 249/09
Tenor:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Brühl vom 7.9.2009 – Az.: 23 C 146/09 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 741,39 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.4.2009 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtstreits in erster Instanz tragen die Klägerin zu 47 % und die Beklagte zu 53%. Die Kosten des Rechtstreits in zweiter Instanz tragen die Klägerin zu 44 % und die Beklagte zu 56 %.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
I.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.
1. Die Klägerin kann dem Grunde nach aus abgetretenem Recht der jeweils Geschädigten von der Beklagten gemäß §§ 7, 17 StVG, 249 ff., 398 BGB, 3 Nr. 1 PflVersG a. F. bzw. § 115 VVG Schadensersatz wegen der zur Schadensbeseitigung erforderlichen Mietwagenkosten verlangen.
2. Der Höhe nach steht ihr jedoch nur der ausgeurteilte Restbetrag zu.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (etwa BGH, NJW 2009, 58 m.w.N.) kann der Geschädigte vom Schädiger (bzw. dessen Haftpflichtversicherer) gemäß § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckm äßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei ebenso wie bei anderen Kosten der Wiederherstellung und in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst vornimmt, nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen Wegen der Schadensbehebung des wirtschaftlichsten zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen kann. Ausgangspunkt für die Betrachtung bildet nach der Rspr. dabei der am Markt übliche "Normaltarif".
Da die Klägerin ihre Klageforderung auch nach eigenem Vortrag allein auf Basis eines solchen "Normaltarifes" berechnet wissen will, bedarf es schon wegen § 308 ZPO keiner weiteren Klärung, ob und unter welchen Voraussetzungen der Geschädigte mangels "Zugänglichkeit" eines Normaltarifs in der konkreten Anmietsituation ggf. auch einen höheren Betrag ersetzt verlangen kann (dazu etwa BGH NJW 2009, 58 m.w.N.).
b) Den nach diesen Prämissen allein ersatzfähigen "Normaltarif" schätzt die Kammer in Ausübung ihres tatrichterlichen Ermessens aus § 287 ZPO unter ausdrücklicher Abweichung von ihrer bisherigen Rspr. (zuletzt Urt.- v. 9.9.2009 – 13 S 59/09 und Urt. v. 19.8.2009 – 13 S 39/09) nunmehr wie folgt: Zur Ermittlung der Mietwagenkosten (im engeren Sinne) ist zunächst in einem ersten Schritt der rechnerische Mittelwert zwischen den Angaben (nur) zu den Mietwagenkosten aus dem sog. "Mietpreisspiegel" der Fa. "Eurotax Schwacke" (im Folgenden: Schwacke-Liste) einerseits und aus den Angaben aus dem sog. "Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008" des "Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO" (im Folgenden: Fraunhofer-Liste) andererseits zu bilden. Die weiteren im Mietwagengeschäft typischen und deswegen ebenfalls als Preisbestandteil ersatzfähigen "Nebenkosten" (Kaskoschutz, Zusatzfahrer, Winterreifen etc.) sind in einem zweiten Schritt dann (derzeit) allein anhand der entsprechenden Angaben der Schwacke-Liste zu ermitteln und entsprechend auf den im ersten Schritt errechneten Mittelwert aufzuaddieren.
Ein solches Vorgehen hält die Kammer in Anlehnung an das OLG Saarbrücken (Urt. v. 22.12.2009 – 4 U 294/09, BeckRS 2010, 02509), das LG Bielefeld (Urt. v. 9.10.2009 – 21 S 27/09, BeckRS 2009, 27097) und das AG Köln (Urt. v. 11.1.2010 – 268 C 145/08, BeckRS 2010, 00756) nach derzeitigem Sachstand für die am besten geeignete Methode zur Schadensschätzung in Fällen wie dem vorliegenden. Das Vorgehen ist auch noch hinreichend praktikabel zur Bewältigung der massenhaft rechtshängigen Verfahren betreffend den Ersatz von Mietwagenkosten. Eine eigene Sachverständigenbeweiserhebung zur (rückwirkenden) Ermittlung des "Normaltarifs" in Anmietzeitpunkt kommt demgegenüber ebenso wenig in Betracht wie eine weitere sachverständige Aufklärung der von den Parteien erörterten statistischen Fragen.
In diesem Vorgehen der Kammer liegt – angesichts der im Bereich des § 287 ZPO ohnehin abgeschwächten Anforderungen an die Darlegungslast – wegen der als solches unstreitigen Zahlengrundlagen aus den beiden Erhebungen auch kein Verstoß gegen die Grundsätze des sog. äquipollenten Parteivorbringens, mag die Klageforderung auch im Kern zunächst nur nach den Schwacke-Werten berechnet sein. Denn eine Korrektur dieser Berechnung durch umfassende Anwendung des § 287 ZPO ist zivilprozessual nicht unzulässig.
Das Vorgenannte beruht insgesamt auf folgenden Erwägungen:
aa) Zwar ist nach der Rspr. des BGH (Urt. v. 2.2.2010 – VI ZR 139/08, BeckRS 2010, 06072; Urt. v. 2.2.2010 – VI ZR 139/08, BeckRS 2010, 06683; Urt. v. 19.1.2010 – VI ZR 112/09, BeckRS 2010, 03142 m.w.N.) eine Schätzung des "Normaltarifs" auch unter Heranziehung allein der Schwacke-Liste 2006 revisionsrechtlich nicht ohne weiteres zu beanstanden, da die Eignung solcher Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden, nur dann der weiteren gerichtlichen Klärung bedarf, wenn und soweit mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass die geltend gemachten Mängel sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken. Letzteres ist im vorliegenden Fall jedoch – anders als offenbar in den vom BGH zu entscheidenden Fällen – nach Ansicht der Kammer hinreichend geschehen. Zwar ergibt sich dies nicht bereits aus den vorgelegten (Internet-)Angeboten für Mietwagen, da das Internet im Zweifel ein "Sondermarkt" ist, der nicht ohne weiteres mit dem "allgemeinen" regionalen Mietwagenmarkt vergleichbar sein muss (so auch BGH, Urt. v. 2.2.2010 –VI ZR 139/08, BeckRS 2010, 06683). Das gilt jedenfalls deshalb, weil ausreichend konkreter Sachvortrag zur Übertragbarkeit auf den normalen Mietwagenpreis fehlt.
Maßgeblich ist indes jedenfalls der weitere Prozessvortrag der Beklagten zur (ersten) Fraunhofer-Erhebung i.V.m. dem daraus vorgelegten Auszug zum PLZ-Bereich 50, auf dessen Basis im Schriftsatz genaue Berechnungen zum konkreten Fall erfolgt sind und der Kammer möglich werden. Für künftige Fälle stellt die Kammer zudem klar, dass die Fraunhofer-Erhebung über § 291 ZPO selbst ohne konkreten Parteivortrag bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden kann (zum Verhältnis von § 291 ZPO und dem zivilprozessualen Beibringungsgrundsatz BGH, NJW-RR 1993, 1122; Musielak/Huber, ZPO, 7. Aufl. 2009, § 291 Rn. 4); gleiches gilt – worauf im Termin hingewiesen worden ist – für die (zweite) Fraunhofer-Erhebung von 2009.
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bb) Nach Auffassung der Kammer sind bei der Schätzung nach § 287 ZPO beide Listen zu berücksichtigen, da hinsichtlich beider nicht feststellbar ist, dass sie als Schätzungsgrundlage per se ungeeignet seien. Beide Zahlenwerke beruhen auf realen Erhebungen, so dass ihnen eine grundsätzliche Eignung trotz der teilweise erheblich differierenden Ergebnisse nicht von vorneherein abzusprechen ist. Umgekehrt erscheint es – entgegen der von den Parteien zitierten Instanzrechtsprechung, die zumeist entweder nur die eine oder nur die andere Liste als Schätzungsgrundlage heranzieht – der Kammer nicht zulässig, der einen Liste zwingend gegenüber der anderen Liste einen Vorrang zu geben. Denn es bestehen gewichtige Einwendungen gegen die Eignung beider Listen, ohne dass sich weder die Richtigkeit noch die Unrichtigkeit der einen oder der anderen Liste bzw. selbst nur deren "bessere Eignung" verlässlich feststellen lässt.
(1) Für die Schwacke-Liste spricht, dass sie Internettarife generell unbeachtet lässt und eine bessere örtliche Genauigkeit aufweist, da sie im Gegensatz zur Fraunhofer-Liste nicht nur die ersten beiden, sondern die ersten drei Postleitzahlstellen berücksichtigt. Dies wird freilich anderseits teilweise dort bedenklich, wo für den PLZ-Bereich nur noch wenige Daten vorliegen, so dass die statistische Relevanz in Frage steht; ferner ist das Abstellen auf den "Modus" als häufigste Nennung aus statistischer Sicht nicht ganz unproblematisch. Sofern ansonsten vor allem von Seiten der Versicherungswirtschaft immer wieder erhebliche Preissteigerungen als betrügerische Reaktion auf die strengere BGH-Rspr. zum Unfallersatztarif behauptet worden sind, ist das zumindest entkräftet durch einen genauen Vergleich der Preisentwicklung der Schwacke-Listen, die die Kammer beispielhaft etwa zum PLZ-Bereich 501 seit dem Jahr 1999 durchgeführt hat (vgl. Urteil vom heutigen Tag zu Az.: 13 S 276/09). Denn daraus ergeben sich zwar durchaus gewisse Steigerungen, aber in gemessen an der Inflationsrate durchaus in noch vertretbarem Umfang. Dazu kann ergänzend vor allem auch auf die klägerseits vorgelegte Untersuchung von Neidhardt/Kremer (Bl. 213 ff. d.A.) Bezug genommen werden. Sofern freilich bedenklich stimmt, dass gerade die abrechnungsrelevanten Wochenpreise doch stärker angestiegen sind, scheint es – wie im Termin erörtert – auch dafür eine plausible nachvollziehbare Begründung zu geben, weil das Auftreten großer ausländischer Mietwagenfirmen vor 2003 eine gewisse "Rabattschlacht" bei den Wochenpreisen ausgelöst haben und sich der Markt später wieder bereinigt haben mag.
Die Schwacke-Erhebung hat jedoch vor allem den Nachteil, dass man die Daten nicht anonymisiert abgefragt hat, so dass zum einen die konkrete Anmietsituation des Geschädigten nicht originalgetreu abgebildet wird und zum anderen nicht ausgeschlossen werden kann, dass einzelne Mietwagenanbieter aus Eigeninteresse höhere Preise als bei einer anonymen Abfrage angeben. Zudem werden einzelne Daten von "Partnern" gar nicht mehr selbst abgefragt, sondern liegen sogleich bei Eurotax vor – was gewisse Zweifel an der Objektivität der Erhebung wecken muss.
(2) Die Erhebung des Fraunhofer-Instituts bietet demgegenüber vor allem den Vorteil, dass sie aufgrund der anonymen Abfrage von Mietpreisen die konkrete Anmietsituation besser abbildet und etwaige Manipulationen durch bewusste Nennung von höheren Preisen seitens der befragten Mietwagenunternehmen vermeidet. Ferner liegt der Erhebung ein umfangreicheres Zahlenmaterial durch eine größere Anzahl von Nennungen zugrunde. Auch unter dem Aspekt eines Vergleichs der Höhe der auf ihrer Grundlage ermittelten Mietwagenkosten mit der Höhe einer entsprechenden Nutzungsentschädigung bestehen jedenfalls keine durchgreifenden Bedenken gegen die grundsätzliche Eignung der Fraunhofer-Liste als Schätzgrundlage. Selbst wenn die Mietwagenkosten im Einzelfall geringer bemessen sein sollten, als die nach Maßgabe der allgemein anerkannten Tabellen von Sanden/Danner/Küppersbusch ermittelte Nutzungsentschädigung (abgedruckt in NJW-Beilage 2008, 3 ff.), lässt sich daraus nicht der zwingende Schluss ziehen, dass die in der Fraunhofer-Liste ausgewiesenen Werte nicht dem auf dem Markt geltenden Mietpreis entsprechen. Diese Werte sind nämlich ebenfalls wieder nur bedingt vergleichbar. Die Tabellen von Sanden/Danner/Küppersbusch orientieren sich zwar bei der Ermittlung der Nutzungsentschädigung grundsätzlich daran, wie hoch die Mietwagenkosten wären, die der Geschädigte für einen vergleichbaren Mietwagen aufwenden müsste. Als Ausgangspunkt diente dabei jedoch in der Vergangenheit nicht der Normaltarif, sondern der sog. Unfallersatztarif, der jedoch nach Maßgabe der o. g. Rechtsprechung des BGH zur Ermittlung der nach § 249 Abs. 1 BGB erforderlichen Mietwagenkosten ungeeignet ist. Ungeachtet dessen ist in der Folgezeit bei der Erstellung des Tabellenwerks bewusst darauf verzichtet worden, entsprechend der Entwicklung der Mietwagenkosten eine Anpassung nach unten vorzunehmen, u. a. auch im Hinblick darauf, dass ohnehin eher die Vorhaltekosten als Anknüpfungspunkt für die Berechnung der Nutzungsausfallentschädigung anzusehen seien (vgl. Nutzungsausfallentschädigung 2008, NJW-Beilage 2008, 3).
Die Fraunhofer-Liste hat allerdings wiederum den Nachteil, dass ihre Auswertung im Wesentlichen auf Anfragen per Telefon und Internet beruht – wobei aber Internetangebote bei der Ermittlung des Normaltarifs grundsätzlich nach der Rspr. nicht zu berücksichtigen sind, da ihre Erreichbarkeit die konkrete Verfügungsmöglichkeit über einen Internet-Anschluss voraussetzt. Zudem wurden bei den Internetanbietern nur selektiv sechs der großen Anbieter herausgegriffen und auf kleinere mittelständische Internetangebote – warum auch immer - verzichtet. Dass die Internetanbieter bei der zusätzlichen telefonischen Abfrage erneut abgefragt worden sind, ist ebenfalls statistisch fragwürdig (siehe auch Neidhardt/Kremer, SP 2008, 437).
Ferner wird wegen der größeren PLZ-Bereiche eine geringere örtliche Genauigkeit erreicht – aber immerhin um den Vorteil einer größeren statistischen Relevanz der Erhebungen im Vergleich zur Schwacke-Liste. Das Vorgehen könnte aber dennoch gerade im hier fraglichen PLZ-Bereich zu gewissen Verfälschungen führen wegen der offenbar bestehenden Unterschiede zwischen Stadt und Land (siehe auch OLG Köln v. 22.12.2009 – 15 U 98/09): Dass nämlich gerade dabei nicht unerhebliche Divergenzen auftreten, zeigt sich an den der Kammer vorliegenden und nach dem entsprechenden Hinweis im Termin zu § 291 ZPO auch im Prozess verwertbaren (vgl. BGH, NJW-RR 1993, 1122) Zahlenangaben aus der (zweiten) Fraunhofer-Erhebung 2009, wo im PLZ-Bereich teilweise recht deutlich abweichende Ergebnisse erreicht wurden als in der Stadt Köln (dort S. 46 und S. 62).
Besonders misslich ist zuletzt, dass die vom Fraunhofer-Institut eingeholten Angebote schließlich auf einer Bestellung mit einer Vorlaufzeit von einer Woche beruhen, was der Anmietsituation bei einem Unfall, bei dem der Geschädigte i. d. R. – wie auch vorliegend – sehr kurzfristig ein Ersatzfahrzeug benötigt, nicht vollumfänglich gerecht wird (vgl. auch OLG Köln a.a.O.). Dass sich dies preislich dann nur mit 1 – 4 % auswirken soll, wie im Schriftsatz vom 25.3.2010 (Bl. 284 d.A.) ausgeführt, ist aus Sicht der Kammer eher fraglich und lässt sich insbesondere auch nicht allein mit den entsprechenden Ausführungen in Kapitel 4 der zweiten Fraunhofer-Erhebung aus dem Jahr 2009 rechtfertigen. Denn dort wurden nur recht wenige Daten einiger Internetanbieter ausgewählt, so dass eine hinreichende statistische Relevanz nicht gewahrt scheint und im Gegenzug zu befürchten ist, dass die Anbieter u.U. nur nicht ausgelastete "Restfahrzeuge" kurzfristig billig abgeben konnten.
Zuletzt ist das Fraunhofer-Institut schließlich allein auf Betreiben der Versicherungswirtschaft tätig geworden – wobei der damit erhobene Vorwurf der Parteilichkeit die Schwacke-Erhebung in ähnlichem Umfange trifft. In diesem Zusammenhang ist indes zumindest befremdlich, dass die Fraunhofer-Erhebung – wie sogleich zu zeigen ist – die im Mietwagengeschäft üblichen und als Preisbestandteil oft nicht unerheblichen "Nebenkosten" nicht klar ermittelt hat, so dass die Preiserhebung zumindest sehr unvollständig ausgeführt worden ist, obwohl klar auf der Hand liegt, dass die Erhebung eigentlich der ganz umfassenden und abschließenden Preisermittlung hätte dienen sollen.
(3) Trotz der dargestellten Sachlage, wonach bei einer isolierten Anwendung einer der beiden Listen ihre jeweilige Eignung als Schätzgrundlage durchaus in Zweifel gezogen werden könnte, ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens (sei es von Amts wegen über § 144 ZPO) nicht geboten, da im Ergebnis eine geeignete Grundlage für eine Schadensschätzung durch die einfache mathematische Kombination beider Schätzgrundlagen - wie oben gezeigt - gegeben ist. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die von einem Sachverständigen anzuwendenden Erhebungsmethoden denen der Fa. Eurotax Schwacke und/oder des Fraunhofer-Instituts überlegen wären und einem Sachverständigen die verlässlichere Ermittlung nicht der heutigen, sondern der damaligen Mietwagenpreise in der betreffenden Region besser möglich wäre. Einem gerichtlich bestellten Sachverständigen stünden keine Erkenntnismöglichkeiten offen, die eine bessere und realistischere Erhebung erwarten ließen. Die Ermittlung von Mietpreisen für einen vergangenen Zeitraum könnte ebenfalls nur durch eine Markterhebung in Form einer Befragung der im einschlägigen Postleitzahlenbereich ansässigen Mietwagenunternehmer erfolgen. Damit wären jedoch dieselben Fehlerquellen und Manipulationsmöglichkeiten eröffnet, aus denen die Parteien ihre jeweiligen Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der Schwacke-Liste bzw. der Fraunhofer-Liste herleiten. Die Kammer verkennt dabei – wie auch das LG Bielefeld (a.a.O.) - nicht, dass § 287 ZPO es nicht erlaubt, in einer für die Sachentscheidung zentralen Frage auf eine ggf. durch Beweisaufnahme in Gestalt eines Sachverständigengutachtens zu erfolgende Ermittlung der Schätzungsgrundlagen zu verzichten. Denn dies gilt nur, wenn zu erwarten ist, dass diese Ermittlung zu einer verbesserten, weil genaueren Schätzung führt (vgl. BGH, BB 2007, 2475, 2476 f. = VersR 2008, 214 f.). Dies ist bei der Frage der Erforderlichkeit der Mietwagenkosten aber – wie gezeigt - nicht der Fall.
Etwas anderes gilt schließlich auch nicht mit Blick auf die statistischen Grundlagen der beiden Erhebungen; zumal mangels Einsehbarkeit in die genauen Datengrundlagen der Institute eine solche Überprüfung letztlich ungeeignet wäre.
(4) Keine Alternative ist aus Sicht der Kammer schließlich, beide Erhebungen als ungeeignet zu behandeln und den "Normaltarif" auf Basis der Schwacke-Liste von 2003 (in der die neuere BGH-Rspr. nicht "eingepflegt" worden sein kann) i.V.m. einem Inflationsausgleich und einem Zuschlag wegen der MWSt-Erhöhung zu ermitteln. Das wird zwar vereinzelt befürwortet (LG Siegen, NZV 2010, 146) und ist vom BGH revisionsrechtlich auch als solches nicht beanstandet worden (BGH, NJW 2009, 58). Die Kammer überzeugt der Ansatz aber schon deswegen nicht, weil die strukturellen Mängel der Schwacke-Erhebung (s.o.) letztlich auch in ähnlicher Form für die Liste aus dem Jahre 2003 gelten und – wie gezeigt – die angeblich – horrenden Preissteigerungen in der Schwacke-Liste 2006 gegenüber der Erhebung von 2003 so auch gar nicht feststellbar sind.
(5) Sofern gegen den hier vertretenen Ansatz zuletzt eingewandt wird, dass es keinen Erfahrungssatz des Inhaltes gebe, dass die Wahrheit stets in der Mitte liege (so LG Frankenthal am 23.12.2009 – 2 S 136/09, n.v.), verfängt das jedenfalls im Rahmen der hier erforderlichen Schätzung nach § 287 ZPO nicht. Denn die Mittelwertbildung aus zwei halbwegs geeigneten Schätzungsgrundlagen erscheint der Kammer immer noch deutlich verlässlicher als die alleinige (willkürliche) Heranziehung einer der beiden Schätzungsgrundlagen, wenn – wie hier – nicht zu klären ist, welcher eher der Vorzug gebührt.
(6) Die anfangs genannte Berechnungsweise behebt auch das Problem, dass die Fraunhofer-Erhebung unstreitig die im Mietwagengeschäft üblichen "Nebenkosten" nicht erfasst hat und nur Kosten für eine Haftungsbeschränkung (diese allerdings mit atypisch hoher Selbstbeteiligung) in den angegebenen Beträgen enthalten sein sollen. Ist damit die Vergleichbarkeit der Erhebungen problematisch, ist die Divergenz nach Auffassung der Kammer bei der Schätzung jedoch nicht dadurch zu korrigieren, dass man entweder aus den Fraunhofer-Angaben selbst einen gewissen Anteil für die "Grundkosten" und die Versicherungskosten errechnet (so aber LG Bielefeld a.a.O.) oder eine Mittelwertbildung nur so vornimmt, dass man die Zahlen der Schwacke-Liste zuzüglich der dortigen Kosten für die Haftungsreduzierung einerseits und die (Gesamt-)Zahlen nach Fraunhofer andererseits heranzieht (so aber AG Köln a.a.O.). Vielmehr ist der Mittelwert – wie gezeigt – allein und ausschließlich aus den Schwacke-Zahlen zu den Mietwagenkosten (also ohne Haftungsreduzierung) und den Fraunhofer-Zahlen zu bilden. Denn gegen die Bielefelder Berechnungsweise spricht vor allem, dass diese unnötig kompliziert ist und – fast widersprüchlich – das für die Berechnung erforderliche prozentuale Verhältnis von Grundpreis und Haftungsreduzierung doch wieder der Schwacke-Liste entnehmen muss. Gegen die Berechnungsweise des AG Köln spricht, dass die in Fraunhofer enthaltene Haftungsreduzierung mit derjenigen, die in den Schwacke-Nebenkosten gemeint ist, erneut nicht vergleichbar ist. Aufgrund der atypisch hohen Selbstbeteiligung der in der Fraunhofer-Erhebung enthaltenen "Billig-Versicherung" ist diese für den verständigen Mietwagenkunden keine ausreichende Absicherung und damit ohne – unstreitig teure – Zusatzkosten auch nicht akzeptabel. Angesichts dessen erscheint der Kostenanteil im Wege der Schätzung als letztlich vernachlässigenswert, zumal die klägerseits vorgelegten Angebote der großen Anbieter recht eindrucksvoll belegen, dass bei den Mietwagenkunden für eine ausreichende Versicherung doch zumindest wieder Kosten in einer Größenordnung (erneut) anfallen, die in den Schwacke-Erhebungen für einen Kaskoschutz genannt sind. Der in Fraunhofer enthaltene "Mindestversicherungsschutz" ist also nur eine Art notwendiges "Durchgangsstadium" und mithin bei der Schätzung zu vernachlässigen.
cc) Ist nach dem Vorgenannten in einem ersten Schritt der Mittelwert aus den reinen Mietwagenkosten nach Schwacke und den (Gesamt-)Kosten nach Fraunhofer zu bilden, sind dann - wie gesagt - in einem zweiten Schritt die im Mietwagengeschäft typischen "Nebenkosten" in die Berechnung mit einzubeziehen. Insofern kann als Schätzungsgrundlage allein die Schwacke-Erhebung herangezogen werden, da die Fraunhofer diese Nebenkosten unstreitig nicht umfassend erfasst hat und mithin ungeeignet ist. Sofern klägerseits exemplarisch Zahlen der großen Anbieter vorgelegt worden sind, sind diese nicht in die Schätzung einzubeziehen, da die flächendeckende Schwacke-Erhebung insofern aussagekräftiger für die Bestimmung dieser Bestandteile des "Normaltarifs" scheint.
c) Sofern die Klägerin einen generellen 20%igen Aufschlag auf den "Normaltarif" für geboten hält, hält die Kammer dies nicht für gerechtfertigt. Dies entspricht zwar in der Tat einer weit verbreiteten Rspr der Instanzgerichte, die die Klägerin etwa auf S. 6 f. der Klageschrift (Bl. 6 f. d.A.) und in der Berufungsbegründung zitiert hat. Auch die Kammer hat in der Vergangenheit einen solchen Zuschlag teilweise generell für denkbar gehalten (so etwa Urt. v. 19.8.2009 - 13 S 39/09), doch hält sie daran im Hinblick auf die Entscheidung des BGH in NJW 2008, 1519, 1520 nicht mehr fest. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass nach zwei neueren Entscheidungen des BGH (BGH, Urt. v. 19.1.2010 – VI ZR 112/09, BeckRS 2010, 03142; Urt. v. 2.2.2010 –VI ZR 139/08, BeckRS 2010, 06683) die Darlegung bezifferbarer Beträge bzw. konkreter prozentualer Aufschläge für unfallbedingte Leistungen nicht ohne weiteres zu verlangen ist. Dennoch müssen aber zumindest konkrete unfallbedingte Mehrleistungen vorgetragen werden, die allgemein einen Aufschlag rechtfertigen können.
Dazu fehlt konkreter Klägervortrag bis zuletzt, der pauschale Vortrag auf S. 16 des Schriftsatzes vom 22.6.2009 (Bl. 114 d.A.) genügt so nicht. Sofern als Besonderheiten insbesondere eine Anmietung am Unfalltag und eine Vorfinanzierung genannt werden, trägt das nicht. Die sofortige Anmietung am Unfalltag ist ja gerade ein Argument gegen die Fraunhofer-Erhebung und somit offenbar nach dem Klägervortrag in der Schwacke-Erhebung ohnehin miterfasst und somit über die o.a. Schätzmethode hinreichend einem gerechten Ausgleich zugeführt. Hinsichtlich des "Auslastungsrisikos" des Autovermieters ist zudem zu bedenken, dass dieses grundsätzlich in die Kalkulation der einzelnen Tarife einzufließen hat. Werden aber Fahrzeuge regelmäßig sowohl im Normalgeschäft als auch im Unfallersatzgeschäft eingesetzt, ist eine Zuordnung des Auslastungsrisikos zum einen oder anderen Geschäftsfeld kaum möglich, so dass ein weiterer Zuschlag nicht geboten ist (BGH, NJW 2008, 1519, 1520). Eine Erhöhung wegen eines höheren Forderungs- und Mietausfallrisikos ist ebenfalls nicht zwingend gerechtfertigt (BGH a.a.O.). Das Risiko liegt angesichts der unproblematischen Haftung dem Grunde nach im Wesentlichen darin, dass Forderungsausfälle wegen verstärkter Auseinandersetzungen zwischen Autovermietern und Versicherungsgesellschaften über die Höhe der erforderlichen Mietwagenkosten drohen. Insofern dürfen aber zumindest von Versicherungsseite wegen regelmäßig überhöhter Unfallersatztarife berechtigterweise vorgenommene Kürzungen nicht zu einer (weiteren) Erhöhung der Unfallersatztarife; konkreter Vortrag zu Ausfällen wegen unberechtigter Rechnungskürzungen fehlt.
d) Unter Zugrundelegung der zuvor dargelegten Prämissen ergibt sich dann im konkreten Fall folgende Berechnung: Nach der der Schwackeliste sind – wobei nach der Rspr der Kammer die Tagespreise gestaffelt zu berechnen sind und bei niedrigeren tatsächlichen Kosten nach dem Mietvertrag natürlich nur diese ersatzfähig sind – reine Mietkosten von 1.489 € anzusetzen. Nach Fraunhofer sind 875,19 zu errechnen (= 2 mal 265,33 € + 187,47 € + 2 mal 78,53 €). Der Mittelwert beträgt 1.182,10 €. Dazu kommen dann Nebenkosten gemäß der Berechnung auf S. 7 der Klageschrift i.H.v. 709 €. Abzüglich der gezahlten 1.149,71 € verbleibt mithin der ausgeurteilte Betrag von 741,39 €.
d) Die Klägerin muss schließlich keine weitere Kürzung des Anspruchs unter dem Gesichtspunkt ersparter Eigenbetriebskosten des Geschädigten hinnehmen. Eine solche Kürzung entfällt bei Anmietung eines klassetieferen Fahrzeugs (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Auflage, § 249 Rn. 36), so dass für die dem entsprechende Berechnung der Klageforderung hier nichts anderes gelten kann.
4. Ein Verstoß des Geschädigten gegen seine Obliegenheit zur Schadensminderung (§ 254 BGB) käme allenfalls in Betracht, wenn dieser das Fahrzeug in Kenntnis (noch) günstigerer Angebote angemietet hätte, was jedoch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist.
5. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 BGB. Verzug ist jedoch – da die vorgerichtlichen Mahnungen sich auf eine ganz andere Abrechnung bezogen und der hier verfolgte und allein erstattungsfähige Betrag nebst Berechnung damals so gar nicht ersichtlich war – erst durch Klageerhebung eingetreten, so dass die Zinsen erst ab dem Tag nach der Zustellung am 15.4.2009 verlangt werden können.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit basiert auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
III.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Zulassung der Revision ist auch nicht i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, da nicht über streitige oder zweifelhafte Rechtsfragen zu entscheiden war. Bei der Handhabung der Schätzung der Mietwagenkosten im Detail handelt es sich – wie der BGH zuletzt ständig betont hat – um eine Frage tatrichterlichen Ermessens. Die "Mittelwertbildung" (allein) im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO stellt schließlich auch keine – eine Revisionszulassung gebietende - Abweichung von den Grundsätzen der Porsche-Entscheidung des BGH (NJW 2003, 2086) dar, weil es dort um die punktgenaue Ermittlung eines Schadens ging und nicht um Fragen der Ermessensausübung bei § 287 ZPO.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 1.316,09 €