21.01.2009 · IWW-Abrufnummer 090243
Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 11.11.2008 – 3 K 2562/07
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Verkündet am: 11.11.2008
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 K 2562/07
In dem Finanzrechtsstreit XXX
wegen Einkommensteuer 2006
hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 3. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 11. November 2008 durch den Richter am Finanzgericht als Einzelrichter für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
Streitig ist, ob Schulgeldzahlungen als Sonderausgaben abziehbar sind.
Die Kläger sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist als Kraftfahrer und die Klägerin als Verkäuferin nichtselbständig tätig. Sie haben eine im Jahre 1988 geborene Tochter C, für die sie im Streitjahr Kindergeld erhielten. Die Tochter besuchte nach dem Besuch der Grundschule (1995 bis 1999) und der Realschule (1999 bis 2005) seit dem 30.08.2005 die private Berufsfachschule für Mode B in S im Vollzeitunterricht. Diese Schule führt in einem zweieinhalbjährigen Ausbildungsgang zum Abschluss als staatlich anerkannte Modedesignerin. Im Streitjahr mussten die Kläger ein Unterrichtsentgelt in Höhe von monatlich 350,- €, insgesamt also einen Betrag von 4.200,- € zahlen. Diesen Betrag machten sie in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2006 als Sonderausgaben geltend.
In dem Einkommensteuerbescheid vom 18.07.2007 ließ der Beklagte die Schulgeldzahlungen mit der Begründung nicht zum Abzug zu, es handele sich bei der besuchten Schule nicht um eine allgemein bildende Ergänzungsschule.
Zur Begründung ihres gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruchs machten die Kläger geltend, die Berufsfachschule für Mode sei staatlich anerkannt und stelle eine allgemein bildende Ersatzschule dar. Sie legten einen Anerkennungsbescheid des Ministeriums für Kultus und Sport Baden-Württemberg vom 23.05.1989 vor. Darin heißt es wie folgt: „Ge-mäß § 15 des Privatschulgesetzes in der Fassung vom 19. Juli 1979 (GBI. S. 314) wird der privaten Berufsfachschule für Mode und industrielle Fertigungstechnik in S (2 ½ jähriger Ausbildungsgang zum Modedesigner) mit Wirkung vom 01. Mai 1989 die Eigenschaft einer anerkannten Ergänzungsschule verliehen“. Darüber hinaus richtete sich der Einspruch gegen die betragsmäßige Beschränkung des Abzugs von Altersvorsorgeaufwendungen. Wegen eines insoweit sei beim BFH anhängigen Musterverfahrens (X R 43/05), beantragten die Kläger ein Ruhen des Verfahrens bis zur höchstrichterlichen Entscheidung.
Mit Teileinspruchsentscheidung vom 25.10.2007 wies der Beklagte den Einspruch zum Teil als unbegründet zurück. Die Erteilung einer Teil-Einspruchsentscheidung gem. 367 Abs. 2a AO sei ermessensgerecht, da es im Interesse aller Verfahrensbeteiligten liege, eine Entscheidung über die entscheidungsreifen Teile des Einspruchsbegehrens herbeizuführen und die Verfahrensruhe auf die Teile des Einspruchsbegehrens zu beschränken, die vom Ausgang der Musterverfahren möglicherweise betroffen sein könnten.
Die Steuervergünstigung des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG beschränke sich auf Entgeltzahlungen, die für den Besuch einer nach § 7 Abs. 4 GG staatlich genehmigten oder nach Landesrecht erlaubten Ersatzschule oder einer nach Landesrecht anerkannten allgemein bildenden Ergänzungsschule aufgewendet würden, soweit die Zahlungen nicht auf Beherbergung, Betreuung und Verpflegung entfielen. Ergänzungsschulen müssten nach Landesschulrecht als allgemein bildende Ergänzungsschule förmlich anerkannt sein. Unter „allgemein bildend" im Sinne des Gesetzes sei zu verstehen, dass die betreffenden Schulen nicht auf einen bestimmten Beruf vorbereiteten, sondern die allgemeinen Grundlage für die Bildung und Ausbildung der Schüler schafften, wie insbesondere Grund- und Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien. Demgegenüber dienten berufsbildende Schulen schwerpunktmäßig der Ausbildung der Schüler auf einen bestimmten Beruf, auch wenn sie allgemein bildende Fächer in ihren Lehrplan aufnähmen. Die Tochter der Kläger werde zur Modedesignerin ausgebildet. Die besuchte Berufsfachschule für Mode sei zwar als Ergänzungsschule vom Ministerium für Kultus, Jugend und Sport anerkannt worden, jedoch vermittele sie kein Allgemeinwissen, sondern Kenntnisse die vorrangig dazu dienten, um nach bestandener Prüfung die Berufsbezeichnung „Modedesigner" tragen zu dürfen. Solche berufsbildenden Ergänzungsschulen fielen nicht unter die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG.
Zur Begründung ihrer Klage machen die Kläger geltend, die Berufsfachschule für Mode B sei als Ergänzungsschule anerkannt. Eine anerkannte Ergänzungsschule erfülle auch den Tatbestand einer allgemein bildenden Schule.
Die Kläger beantragen,
unter Aufhebung der Teileinspruchsentscheidung vom 25.10.2007 und unter Änderung des Einkommensteuerbescheides für 2006 vom 18.07.2007 die Einkommensteuer auf den Betrag festzusetzen, der sich ergibt, wenn Schulgeldzahlungen in Höhe von 1.260,- € als Sonderausgaben berücksichtigt wer-den.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner in der Teileinspruchsentscheidung vertretenen Rechtsauffassung fest.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet. Zutreffend hat es der Beklagte abgelehnt, die streitigen Schulgeldzahlungen als Sonderausgaben zu berücksichtigen.
1. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG können 30 v.H. des Entgelts, das der Steuerpflichtige für ein Kind, für das er einen Kinderfreibetrag oder Kindergeld erhält, für den Besuch einer gemäß Art. 7 Abs. 4 GG staatlich genehmigten oder nach Landesrecht erlaubten Ersatzschule sowie einer nach Landesrecht anerkannten allgemein bildenden Ergänzungsschule entrichtet, als Sonderausgaben abgezogen werden. Ausgenommen ist das Entgelt für Beherbergung, Betreuung und Verpflegung.
Der Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG bezweckt die Förderung von Privatschulen unter gleichzeitiger Beschränkung des Abzugs auf den Besuch solcher Schulen, die in gewisser Weise in das öffentliche Schulwesen einbezogen sind, bestimmte staatliche Anforderungen erfüllen müssen und deshalb typischerweise besonders förderungsbedürftig sowie förderungswürdig sind. Voraussetzung für den Schulgeldabzug ist deshalb, dass die Schule gemäß Art. 7 Abs. 4 GG oder als Ersatzschule eigener Art nach Landesrecht tatsächlich als Ersatzschule genehmigt oder als allgemein bildende Ergänzungsschule tatsächlich anerkannt worden ist.
Ersatzschulen gemäß Art. 7 Abs. 4 GG sind private Schulen, die nach dem mit ihrer Errichtung verfolgten Gesamtzweck als Ersatz für eine in dem jeweiligen Bundesland vorhandene oder grundsätzlich vorgesehene öffentliche Schule dienen sollen. Ergänzungsschulen sind inländische Schulen, die keine Ersatzschulen sind. Sie bedürfen keiner Genehmigung und müssen lediglich die Aufnahme des Betriebs anzeigen. Die "Anerkennung" als Ergänzungsschule bedeutet, dass der Schule eine nicht bereits mit einer Genehmigung oder Erlaubnis verbundene Rechtsposition eingeräumt wird. Die Anerkennung hat zur Folge, dass die Schule mit Außenwirkung den Bildungsgrad ihrer Schüler feststellen oder die Befugnis zur Führung einer Berufsbezeichnung erteilen darf (vgl. BFH-Urteil vom 14.12.2004 XI R 32/03, BStBl II 2005, 518). Die Qualifizierung der Schule im Einzelfall ist nicht der Finanzverwaltung überlassen; diese ist vielmehr an die Entscheidungen der hierfür zuständigen obersten Kultusbehörden der Länder gebunden (vgl. BFH-Urteil vom 14.12.2004 XI R 32/03, BStBl II 2005, 518 m.w.N.).
2. Die private Berufsfachschule für Mode und industrielle Fertigungstechnik in S ist keine gemäß Art. 7 Abs. 4 GG oder nach Landesrecht genehmigte Ersatzschule. Sie ist aber auch keine nach Landesrecht tatsächlich anerkannte allgemein bildende Ergänzungsschule. Unter "allgemein bildend" im Sinne des Gesetzes sind dabei nach dem allgemeinen Sprachgebrauch diejenigen Schulen zu verstehen, die nicht auf einen bestimmten Beruf vorbereiten, sondern die die allgemeinen Grundlagen für die Bildung und Ausbildung der Schüler schaffen, wie insbesondere Grund- und Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien (vgl. Maunz/Dürig, Kommentar zum GG, Art. 7 Rdnr. 12 f.; BFH-Urteil vom 21.08.1990 IX R 83/85, BFH/NV 1991, 95; Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.04.1996 1 K 2635/94). Demgegenüber dienen berufsbildende Schulen schwerpunktmäßig der Ausbildung der Schüler auf einen bestimmten Beruf, auch wenn sie allgemein bildende Fächer in ihren Lehrplan aufnehmen (Maunz/Dürig a.a.O.). Dementsprechend beschreibt § 11 des Schulgesetzes für Baden-Württemberg (SchG) den Bildungsauftrag der Berufsfachschule dahin, dass diese Schulart je nach Dauer eine berufliche Grundbildung, eine berufliche Vorbereitung oder einen Berufsabschluss vermittelt und die allgemeine Bildung fördert. Zu letzteren, nicht den allgemein bildenden zuzuordnenden Schulen gehört auch die private Berufsfachschule für Mode und industrielle Fertigungstechnik B in S, die gezielt auf den Beruf des Modedesigners vorbereitet. Ihr wurde zwar vom Ministerium für Kultus und Sport Baden-Württemberg durch Anerkennungsbescheid vom 23.05.1989 auf der Grundlage des § 15 des baden-württembergischen Privatschulgesetzes die Eigenschaft einer anerkannten Ergänzungsschule verliehen. Demgegenüber hat die oberste Kultusbehörde sie - ihrem Wesen entsprechend - nicht tatsächlich als allge-mein bildende Schule anerkannt.
3. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung liegt in der Anerkennung als Ergänzungsschule aber auch nicht zugleich die Anerkennung als allgemein bildender Schule. Eine Ergänzungsschule ist – wie dargelegt - nur dann als allgemein bildende Schule anzusehen, wenn sie die allgemeinen Grundlagen für die Bildung und Ausbildung ihrer Schüler schafft. Berufsbildende Schulen bereiten demgegenüber in erster Linie auf einen bestimmten Beruf vor. Diese Unterscheidung wird auch im Streitfall deutlich, wenn man das Ziel der von der Tochter der Kläger besuchten Schule betrachtet. Bei dieser Modeschule handelt es ich um eine Schule, die als Berufsfachschule ihren Schülern vor allem die für eine Prüfung in den Fächern Mode und industrielle Fertigungstechnik notwendigen Kenntnisse vermitteln will. Mit der Anerkennung hat die Schule das Recht erlangt, nach den von der oberen Schulaufsichtsbehörde genehmigten Prüfungsvorschriften Prüfungen abzuhalten (vgl. § 15 Abs. 2 Privatschulgesetz Baden-Württemberg) und die Schüler und Schülerinnen dürfen nach bestandener Prüfung die Berufsbezeichnung Modedesigner bzw. Modedesignerin tragen. Die Modeschule bereitet mithin auf einen konkreten Beruf vor, vermittelt hingegen nicht in erster Linie Allgemeinwissen und ist damit mit Grund- und Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien nicht gleichzusetzen.
4. Der Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG kann schließlich nicht auch für Schulgeldzahlungen an staatlich anerkannte berufsbildende Ergänzungsschulen gewährt werden (vgl. Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, Komm. zum EStG und KStG, § 10 EStG Anm. 279). Der eindeutige Wortlaut der Vorschrift, der die Begünstigung hinsichtlich der Ergänzungsschulen ausdrücklich auf "allgemein bildende" Schulen beschränkt, lässt eine solche Auslegung nicht zu. Es liegt auch keine planwidrige Gesetzeslücke vor, die im Wege der Analogie zu schließen wäre. Nach der Entstehungsgeschichte des Kultur- und Stiftungsförderungsgesetzes vom 13. Dezember 1990, mit dem die Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG eingeführt worden ist, muss davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber die Förderung bewusst nicht auf staatlich anerkannte berufsbildende Ergänzungsschulen erstreckt hat (vgl. Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach a.a.O.; Stephan in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 10 Rz. 221 c unter Hinweis auf BT-Drucksache 11/8346).Die unterschiedliche Behandlung von Zahlungen an andere Ergänzungsschulen verstößt nach der Rechtsprechung des BFH, der das erkennende Gericht folgt, auch nicht gegen Art. 3 GG (vgl. BFH-Urteile vom 11.06.1997 X R 144/95, BStBl II 1997, 621 und vom 23.07.1997 X R 104/96, juris).
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Rechtsmittelbelehrung XXX