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24.08.2006 · IWW-Abrufnummer 061943

Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 21.02.2006 – 1 K 212/02

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


In dem Finanzrechtsstreit

1. XXX
2. XXX
- Kläger

gegen

XXX
- Beklagter

wegen Einkommensteuer 2000

hat der 1. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Februar 2006 durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht XXX und die Richter am Finanzgericht XXX und XXX sowie die ehrenamtlichen Richter XXX und XXX

für Recht erkannt:

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 14. Mai 2002 und der Einspruchsentscheidung vom 09. Juli 2002 verpflichtet, den Einkommensteuerbescheid vom 17. August 2001 so abzuändern, dass zusätzliche Werbungskosten von 3.286 DM berücksichtigt werden.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, haben die Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet haben, §§ 151 FGO iV.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

Tatbestand
Streitig ist, ob ein Einkommensteuerbescheid nach § 129 der Abgabenordnung (AO) wegen offenbarer Unrichtigkeit zugunsten der Kläger (Kl.) geändert werden kann.

Die miteinander verheirateten KI. wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielten Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung eines 1984 vom KI. zu 1 erworbenen Objekts in XXX sowie einer 1987 zu Anschaffungskosten von 164.285 DM durch beide KI. hälftig erworbenen und nach dem XX. Dezember 1924 fertig gestellten Eigentumswohnung in XXX. Der Beklagte (Bekl.) hatte - anders als für das Objekt in XXX - für die Eigentumswohnung in XXX im Streitjahr keinen Überwachungsbogen angelegt. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 1999 machten die Kläger für das Objekt in XXX auf dem Vordruck für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (Anlage V) in Zeile 35 Absetzungen für Abnutzung (AfA) wie in 1998 in Höhe von 3.286 DM geltend. Diese wurden vom Bekl. anerkannt, wobei in der betreffenden Zeile die Anmerkung ,,13 Jahr von 50" angefügt wurde. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2000 gaben die KI. zwar erneut einen Vordruck zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für die Eigentumswohnung in XXX ab, machten dort aber keine Angaben zu AfA-Beträgen.

Mit Einkommensteuerbescheid vom XX. August 2001 setzte der Bekl. die Einkommensteuer für 2000 ohne Berücksichtigung von AfA-Beträgen für diese Eigentumswohnung fest.

Mit am XX. Mai 2002 beim Bekl. eingegangenem Schreiben wies der KI. zu 1 darauf hin, dass für das Streitjahr der AfA-Betrag von 3.286 DM irrtümlicherweise durch einen Schreibfehler nicht in die Erklärungen übernommen worden sei. Er beantrage deshalb die nachträgliche Berücksichtigung der AfA durch Änderung des Bescheids.

Nachdem der Bekl. mit an beide KI. gerichtetem Schreiben vom XX. Mai 2002 eine Änderung abgelehnt hatte, wandten sich die KI. hiergegen mit der Begründung, dass die offenbare Unrichtigkeit der fehlenden AfA-Angabe dem Finanzamt hätte bei ordnungsgemäßer Prüfung auffallen müssen.

Mit seiner an beide KI. gerichteten Einspruchsentscheidung vom XX. Juli 2002 wies der Bekl. den Einspruch als unbegründet zurück. Nachdem die KI. für das Objekt in XXX, nicht aber für die Eigentumswohnung in XXX in 2000 AfA beantragt hätten, habe der Sachbearbeiter davon ausgehen können, dass den KI. die AfA-Vorschriften geläufig seien. Hinzu komme, dass in den Vorakten nur für das erstgenannte Objekt eine AfA-Tabelle angelegt worden sei. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass der zuständige Bearbeiter bei der isolierten Betrachtung der Einkommensteuererklärung 2000 davon ausgegangen sei, dass etwa wegen Ablaufs des Abschreibungszeitraums für das Objekt in XXX keine AfA zu gewähren sei. Eine fehlerhafte Rechtsüberlegung könne daher nicht ausgeschlossen werden. Dass der Bearbeiter die Steuererklärung 1999 nicht beachtet habe, führe nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht dazu, dass eine offenbare Unrichtigkeit vorliege.

Mit ihrer bereits am XX. Juli 2002 erhobenen Klage beantragen die KI.,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom XX. Mai 2002 und der Einspruchsentscheidung vom XX. Juli 2002 zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid vom XX. August 2001 so abzuändern, dass zusätzliche Werbungskosten in Höhe von 3.286 DM berücksichtigt werden.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen und hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Er hält die Klage für unbegründet und verweist auf die Begründung der Einspruchsentscheidung. Mit Schriftsatz vom XX. Januar 2006 hat er seine Ausführungen ergänzt.

Der Berichterstatter hat den Bekl. am XX. Juni 2005 davon in Kenntnis gesetzt, dass der KI. zu 1 als ehrenamtlicher Richter im Senat tätig ist, er aber keinen Anlass zu einer Anzeige nach den §§ 51 FGO iV.m. 42 ZPO sehe.

Im Erörterungstermin am XX. Juni 2005 hat der Berichterstatter angeregt, der Klage abzuhelfen, weil der Bekl. selbst mit dem Vermerk ?13 Jahr von 50? im Rahmen der Veranlagung 1999 die Funktion eines Überwachungsbogens beigemessen habe. Der Vertreter des Bekl. hat erklärt, dass er der Klage nicht abhelfen werde.

Der Bekl. hat gegenüber dem Berichterstatter auf Nachfrage telefonisch erklärt, dass die Sachbearbeiterin, die den Einkommensteuerbescheid faktisch erstellt habe, in Mutterschaftsurlaub und deshalb nicht greifbar sei.

Der Sachbearbeiter XXX erklärte in der mündlichen Verhandlung in Übereinstimmung mit dem Vertreter des Bekl., Herrn XXX, dass in einem Fall, in dem wie hier in der Anlage V keine AfA eingetragen ist, zuerst in die Vorakten und dann in die der Vorjahre geschaut werde. Er gehe davon aus, dass seine Mitarbeiterin Frau XXX dies genauso gemacht hätte. Der Vermerk habe eine Überwachungstabelle ersetzen sollen. Herr XXX erklärte, dass der Vermerk kein Hinweis für das nächste Jahr, sondern für das laufende Jahr der Veranlagung sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die dem Senat vorliegenden Einkommensteuerakten (2 Hefte) sowie die Niederschriften der mündlichen Verhandlung vom XX. Februar 2006 und des Erörterungstermins vom XX. Juni 2005 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe
Die bei sachdienlicher Auslegung als auf die Verpflichtung des Bekl. zur antragsgemäßen Änderung des Einkommensteuerbescheids 2000 gerichtet anzusehende Klage (vgl. zur Statthaftigkeit der Verpflichtungsklage bei Versagung der beim Finanzamt beantragten Änderung eines Steuerbescheids BFH, Urt. v. 06. März 1990 - VIII R 28/84-, BStBl. II 1990, 558 sowie Urt. v. 17. Februar 1999 - II R 65/97-:, BStBl. II 1999,476 und vorhergehend FG Bremen, Urt. v. 26. Juni 1997 -3 97 008 K 1-, EFG 1997,1402 sowie Cöster in: Pahlke/Koenig, AO, 5. Aufl. 2004, § 165 Rn. 71) ist zulässig und begründet.

Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. "Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten" in diesem Sinne müssen einem Schreib- oder Rechenfehler ähnlich sein, d. h. es muss sich um mechanische Versehen handeln, die ebenso mechanisch, d.h. ohne weitere Prüfung erkannt und berichtigt werden können. Fehler, die auf mangelnder Sachaufklärung oder Nichtbeachtung feststehender Tatsachen beruhen, schließen die Anwendung des § 129 AO aus (vgl. BFH-Urt. v. 31. Juli 1990 - I R 116/88 -, BStBl II 1991, 22 und v. 26. November 1996 IX R 77/95 -, BStBl 1997, 422).

Der Einkommensteuerbescheid ist LS. dieser Vorschrift unrichtig, weil die nach § 7 Abs. 4 Nr. 2 a) EStG zwingend vorzunehmende (vgl. Drenseck in: Schmidt, EStG, 24. Aufl. 2005, § 7 Rn. 6) Absetzung für Abnutzungen in Höhe von 3286,- DM unterblieben ist. Dem steht nicht entgegen, dass der Bescheid der unrichtigen Steuererklärung der KI. entspricht, die es nach ihren vom Bekl. nicht bestrittenen Angaben versehentlich unterlassen haben, die AfA für die Wohnung in XXX geltend zu machen. Eine "beim Erlass des Verwaltungsakts unterlaufene Unrichtigkeit" muss zwar grundsätzlich in der Sphäre der den Bescheid erlassenden Behörde entstanden sein. Eine offenbare Unrichtigkeit kann jedoch auch dann vorliegen, wenn das Finanzamt eine in der Steuererklärung enthaltene offenbare, d. h. für das Finanzamt erkennbare Unrichtigkeit als eigene übernimmt (vgl. BFH-Urt. v. 23. Januar 1991-1 R 26/90-, BFH/NV1992, 359 m.w.N.).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Denn nach Überzeugung des Senats ist die Unrichtigkeit dadurch entstanden, dass bei der Übernahme der Daten aus der Steuererklärung durch die Sachbearbeiterin bereits übersehen wurde, dass in dieser keine Angaben zur AfA für die Eigentumswohnung in XXX enthalten waren. Dies ergibt sich daraus, dass üblicherweise nach Angaben des Bekl. im Finanzamt XXX in Fällen, in denen - wie hier - in der Anlage V Angaben zur AfA fehlen, zunächst die Vorakten und wenn diese keine hinreichenden Anhaltspunkte ergeben - die Vorjahresakten herangezogen werden. Der Sachbearbeiter XXX hat dies in der mündlichen Verhandlung gerade für seinen Veranlagungsbezirk, in dem der Bescheid erstellt wurde, bestätigt und erklärt, dass er davon ausgehe, dass seine Mitarbeiterin genauso reagiert hätte. Aus der Vorjahresakte, die sich in demselben Aktenheft wie die Veranlagung des Streitjahres befindet, ergab sich durch den Vermerk ?13 Jahr von 50? ohne Weiteres das noch bestehende AfA-Volumen, das bei der von den KI. allein beanspruchten linearen Abschreibung auch der Höhe nach dem Wert des Vorjahres entsprach. Vor diesem Hintergrund ist der Senat überzeugt davon, dass die AfA berücksichtigt worden wäre, wenn der Sachbearbeiterin XXX deren Fehlen bewusst gewesen wäre.

Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der mehrfach entschieden hat, dass die Voraussetzungen des § 129 Satz 1 AO nicht vorliegen, wenn in der Einkommensteuererklärung die AfA nicht angesetzt worden ist und das Finanzamt ohne Kenntnis der Akten der Vorjahre diesen Fehler der Steuerpflichtigen nicht als offenbare Unrichtigkeit erkennen konnte (vgl. BFH-Urt. v.26. November 1996, a.a.O., m.w.N.), steht dem nicht entgegen, weil sich hier die Frage nach einer Sachverhaltsermittlung oder rechtlichen Erwägungen anders als in den vom BFH entschiedenen Fällen schon vom Ansatz her nicht stellt.

Selbst wenn entgegen den obigen Ausführungen der Sachbearbeiterin XXX das Fehlen des AfA-Ansatzes bewusst gewesen wäre, lägen hier die Voraussetzungen des § 129 AO vor.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH-Urt. v. 31. Juli 1990, a.a.O., sowie BFHE 105.234, BStBl II 1972. 550, 552; BFHE 141, 485, BStBl II 1984, 785, 786, und BFHE 146, 350, 355, BStBl II 1986, 541, 544), ist § 129 AO auch in den Fällen anwendbar, in denen der Fehler zwar nicht aus der Steuererklärung selbst, wohl aber aus den der Steuererklärung beigefügten Unterlagen (z. B. Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen) oder aus einer das Veranlagungsjahr betreffenden Kontrollmitteilung erkennbar war. In sämtlichen Fällen handelte es sich um Unterlagen, die das Veranlagungsjahr selbst betrafen, also bei der Veranlagung mit zu prüfen waren. Bei der Veranlagung mit zu prüfen ist aber beim Finanzamt XXX - wie seitens des Bekl. in der mündlichen Verhandlung der Sache nach eingeräumt worden ist - auch der üblicherweise in den Voraktenbefindliche Afa-Überwachungsbogen. Dies ist für das Gericht auch überzeugend, weil der Sinn eines solchen Überwachungsbogens gerade darin besteht, festzustellen, ob die Gewährung von AfA noch in Betracht kommt oder ob das AfA-Volumen bereits verbraucht ist. Hier hatte der Bekl. zwar zur Zeit der Veranlagung des KI. im Streitjahr keinen Überwachungsbogen für die hier streitgegenständliche Eigentumswohnung angelegt. Er hatte jedoch sonst auf einem Überwachungsbogen festzuhaltende Informationen teilweise auf den jeweiligen Einkommensteuererklärungen der letzten Jahre notiert. So wurde auf der Einkommensteuererklärung 1999 unstreitig seitens des die Veranlagung durchführenden Mitarbeiters des Bekl. die Anmerkung ,,13 Jahr von 50" angebracht, mit der das noch zur Verfügung stehende AfA-Volumen festgehalten worden ist. Entsprechend wurde in den Vorjahren verfahren, wie sich aus den dem Senat vorliegenden Akten ergibt. Diese Angaben erfüllten damit zumindest teilweise die Funktion eines Überwachungsbogens und waren deshalb wie eine das Veranlagungsjahr betreffende Kontrollmitteilung Unterlagen, die die Veranlagung des Streitjahres betrafen. Die Einlassung des Vertreters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung; wonach die Angabe "13 Jahr von 50" nicht der Veranlagung im Folgejahr, sondern im laufenden Jahr diene, ist dem Senat nicht nachvollziehbar, weil es im laufenden Jahr genügen würde, die geltend gemachte Afa anzuerkennen, ohne dass eine Notwendigkeit für zusätzliche Vermerke besteht. Ein solcher Vermerk macht vielmehr nur dann Sinn, wenn dieser - wie der Sachbearbeiter XXX in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage eingeräumt hat- die Funktion eines AfA-Überwachungsbogens hat. Damit gehörte der entsprechende Vermerk - wenn er sich körperlich auch in der Akte der Vorjahresveranlagung befunden haben mag - seiner insoweit maßgeblichen Funktion nach zu den Unterlagen, die wie ein Afa-Überwachungsbogen für die Veranlagung im Streitjahr heranzuziehen waren.

Der Klage ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO stattzugeben.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

RechtsgebieteEStG, AOVorschriften§ 129 AO § 7 Abs. 4 EStG

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