12.03.2014 · IWW-Abrufnummer 140652
Amtsgericht Chemnitz: Beschluss vom 23.01.2014 – 19 OW 3619/13
Wird Einsicht in die sogenannte "Lebensakte" begehrt, muss das ausdrücklich beantragt werden.
Amtsgericht Chemnitz
Abteilung für Strafsachen
Aktenzeichen: 19 OW 3619/13
BESCHLUSS
!n dem Bußgeldverfahren
gegen pp.
Verteidiger:
Rechtsanwalt Andre Röhrich, Käthe-Kollwitz-Straße 69, 04109 Leipzig
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
ergeht am 23.01.2014
durch das Amtsgericht Chemnitz - Bußgeldrichter -
nachfolgende Entscheidung:
1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unzulässig verworfen.
2. Der Betroffene trägt die Kosten des Rechtsbehelfsverfahrens.
Gründe:
In vorliegender Bußgeldsache liegt dem Betroffenen eine Geschwindigkeitsüberschreitung zur Last, wobei als Beweismittel unter anderem das Ergebnis einer Messung mit dem Gerät Traffistar S 330 vorliegt. Der Verteidiger hat gegenüber der Bußgeldstelle Akteneinsicht, "vor allem in die Haupt- und Verfahrensakten, sämtliche Beiakten, Beweismittelordner und sonstige Beweisstücke" beantragt. Daraufhin wurde dem Verteidiger die Verfahrensakte übersandt, weiche er am 11.10.2013 an die Bußgeldstelle zurückleitetete.
Mit Schreiben vom 28.10.2013 beantragte der Verteidiger gerichtliche Entscheidung gemäß § 62 OWiG und machte zum Gegenstand derselben, dass ihm die Bußgeldstelle nur teilweise Akteneinsicht gewährt habe, weil insbesondere nicht die "Lebensakte" des Messgeräte übermittelt worden sei.
Der Antrag ist unzulässig. Gemäß § 62 Abs.1 OWiG kann gerichtliche Entscheidung gegen Anordnungen, Verfügungen und sonstige Maßnahmen der Verwaltungsbehörde beantragt werden.
Die Nichtvorlage der angeblichen "Lebensakte" stellt eine solche Maßnahme nicht dar. Der Verteidiger hat nämlich lediglich pauschal Akteneinsicht im vorstehend genannten Umfang beantragt. Ausdrücklich nicht erwähnt war, dass er Einsicht in eine sogenannte "Lebensakte" begehre.
Eine "Lebensakte" ist nach Maßgabe der physikalisch-technischen Bundesanstalt nicht zu führen. Sollte im Einzelfall derartiges, wobei es sich um irgendwelche Wartungsnachweise handeln dürfte, geführt werden, so handelt es sich hierbei jedenfalls nicht um notwendige Aktenbestandteile. Der im Bußgeldverfahren gültige formelle Aktenbegriff umfasst die von der Verfolgungsbehörde dem Gericht vorgelegten oder vorzulegenden Akten und Beiakten (vgl. OLG Brandenburg, Senat für Bußgeldsachen, Beschluss vom 15.11.2013 zu Az.: 53 Ss OWi 444/13 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes). Die "Lebensakte" respektive Wartungsnachweis, gehören dazu nicht. Der Verteidiger hatte also auf seinen Antrag hin umfassende Akteneinsicht erlangt.
Wenn er darüber hinaus Einsicht in die sogenannte "Lebensakte" begehrt, so kann erwartet werden, dass er dies zusätzlich zu seinem Antrag auf Akteneinsicht ausdrücklich mitteilt, damit die Behörde in die Lage versetzt wird, auch hierüber zu entscheiden. Es kann nämlich nicht von der Behörde erwartet werden, dass sie ergründet, ob der Verteidiger über seinen Akteneinsichtsantrag hinaus auch Einsicht in sonstige Unterlagen begehrt, welche nicht zu den Akten gehören.
Vorliegend besteht mithin kein Rechtschutzbedürfnis. Die unterlassene Übersendung der "Lebensakte" beschwert den Betroffenen bzw. den Verteidiger nicht, da dies nicht beantragt war. Hinzu kommt, dass nach Aktenlage eine "Lebensakte" nicht geführt wird und daher die Einsichtnahme in derartige Unterlagen tatsächlich unmöglich ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs.1 StPO, § 46 Abs.1 OWiG. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 62 Abs.2 Satz 3 OWiG).