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28.05.2013

Landesarbeitsgericht: Urteil vom 08.02.2013 – 14 Sa 555/12

Das Tarifmerkmal "Wahrnehmung aller Termine beim Arbeitsgericht" in der Beschäftigungsgruppe 5 des § 10 RTV für die Arbeitnehmer der Sozialkassen des Dachdeckerhandwerks vom 12. Dezember 1994 ist erfüllt, wenn der betroffene Sachbearbeiter für das Mahn- und Klagewesen anteilig alle in dieser Abteilung anfallenden Termine wahrnimmt - er muss nicht nachweisen, dass er insofern auch ungewöhnliche schwierige Verfahren vor dem Arbeitsgericht vertritt.

Hat der Arbeitnehmer vorgetragen, dass weder vor noch nach der Zuteilung der Verfahren aufgrund von Betriebskontennummern an die Sachbearbeiter schwierige Verfahren ausgesondert und aus der normalen Sachbearbeitung abgezogen werden, hat der Arbeitgeber darzulegen, welche Verfahren der Arbeitnehmer aufgrund des Schwierigkeitsgrads nicht bearbeitet hat, obwohl sie in seinen Bereich der Betriebskontennummern fielen.


Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 13. März 2012 - 2/6 Ca 830/11 - abgeändert und

festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin ab dem 01. Januar 2011 nach der Beschäftigungsgruppe 5 des § 10 des Rahmentarifvertrages für die Arbeitnehmer der Sozialkassen des Dachdeckerhandwerks vom 12. Dezember 1994 zu vergüten.

der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 6.048,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.268,00 € seit dem 16. März 2011, weiteren 756,00 € seit dem 16. April 2011, weiteren 756,00 € seit dem 16. Mai 2011, weiteren 756,00 € seit dem 16. Juni 2011, weiteren 756,00 € seit dem 16. Juli 2011, weiteren 756,00 € seit dem 16. August 2011 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die zutreffende Eingruppierung der Klägerin nach dem Rahmentarifvertrag für die Arbeitnehmer der Sozialkassen des Dachdeckerhandwerks vom 12. Dezember 1994 (künftig: RTV Sozialkassen).

Der Beklagte ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Dachdeckerhandwerks in der Rechtsform eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit und eine der tarifschließenden Parteien des genannten Tarifvertrags auf Arbeitgeberseite. Die Klägerin ist Gewerkschaftsmitglied. Sie wurde bei dem Beklagten aufgrund schriftlichen Anstellungsvertrags vom 21. Juni 2001 als Mitarbeiterin in der Beihilfeabteilung eingestellt. Der Arbeitsvertrag nimmt den RTV Sozialkassen in Bezug. Gem. § 3 des Arbeitsvertrags wurde die Klägerin bei ihrer Einstellung in die Beschäftigungsgruppe III a des § 10 RTV Sozialkassen eingestuft.

§ 10 RTV Sozialkassen lautet auszugsweise

Beschäftigungsgruppe - 3 -

Gehaltsgruppe 3 a

Berufsausbildung und 3 a:

Arbeitnehmer mit abgeschlossener einschlägiger Berufsausbildung oder gleichwertigen Kenntnissen.

Arbeitnehmer mit abgeschlossener einschlägiger Berufsausbildung oder gleichwertigen Kenntnissen im ersten Jahr ihrer Beschäftigung erhalten 90 % des Gehaltes der Beschäftigungsgruppe 3 (Gehaltsgruppe 3 a).

Diese Regelung gilt ab 01.01.95. Sie gilt nicht für Arbeitnehmer, die bereits zu einem früheren Zeitpunkt in die Kasse eintraten.

Tätigkeitsmerkmale:

Arbeitnehmer, die nach Anleitung kaufmännische oder technische Arbeiten verrichten.

Beispiele:

Qualifizierte Sachbearbeiter in der Kontokorrentbuchhaltung

Sachbearbeiter für Lohnausgleich, Berufsbildung und 13. Monatseinkommen

Sachbearbeiter in der Beihilfe-, Leistungs-, Rentenantragsbearbeitung und in der Bestandsverwaltung

Sachbearbeiter für die Betriebserfassung und Verwaltung des Arbeitgeberbestandes sowie Anfragen bei den zuständigen Behörden und Amtsstellen

Sachbearbeiter für das Mahn- und Klagewesen

Fachschreibkräfte einschl. PC-Bedienung

Fachkräfte für die Bedienung von Fotokopier- und Vervielfältigungsgeräte, Materialverwalter, Fahrer, Hausmeister mit handwerklichen Kenntnissen.

Beschäftigungsgruppe - 4 -

Berufsausbildung:

Entsprechend der Beschäftigungsgruppe - 3 -

Tätigkeitsmerkmale:

Arbeitnehmer mit besonderen Fachkenntnissen, die schwierige Aufgaben selbständig ausführen und über eine ausreichende Berufserfahrung verfügen.

Beispiele:

Gruppenleiter, die einen abgegrenzten Geschäftsbereich einer Abteilung leiten und Arbeitnehmern bis zur Beschäftigungsgruppe - 3 - vorstehen

Sachbearbeiter, die ein Sachgebiet selbständig bearbeiten

qualifizierte Buchhalter, die u. a. auch am Monatsabschluss mitwirken (ohne Bilanzvorbereitung)

Sachbearbeiter für das Mahn- und Klagewesen mit Wahrnehmung von Terminen beim Arbeitsgericht aufgrund erteilter Generalterminsvollmacht mit entsprechender Schriftsatzfertigung

Operator

Programmierer

Beschäftigungsgruppe - 5 -

Berufsausbildung:

Entsprechend der Beschäftigungsgruppe - 3 - und mindestens einjähriger Tätigkeit entsprechend den Tätigkeitsmerkmalen der Beschäftigungsgruppe - 4 -

Tätigkeitsmerkmale / Beispiele:

Gruppenleiter, die einen abgegrenzten Geschäftsbereich innerhalb einer Abteilung leiten und Arbeitnehmern bis zur Beschäftigungsgruppe - 4 - vorstehen

Buchhalter, die auch mit der Bilanzvorbereitung beschäftigt sind

Direktionssekretärinnen

Sachbearbeiter für das Mahn- und Klagewesen mit Wahrnehmung aller Termine beim Arbeitsgericht aufgrund erteilter Generalterminsvollmacht mit entsprechender Schriftsatzfertigung und mehrjähriger Arbeitserfahrung in diesem Bereich

Personalsachbearbeiter, die alle in einer Personalabteilung anfallenden Tätigkeiten selbständig ausführen

Programmierer mit langjähriger, einschlägiger Berufserfahrung

Beschäftigungsgruppe - 6 -

Berufsausbildung:

Entsprechend der Beschäftigungsgruppe - 3 - und mindestens einjähriger Tätigkeit entsprechend den Tätigkeitsmerkmalen der Beschäftigungsgruppe - 5 -

Tätigkeitsmerkmale:

Mitarbeiter, deren Eigenverantwortung und Leistungsbereitschaft über die unter 1 - 5 genannten Merkmale hinausgeht.

§ 19 RTV Sozialkassen lautet:

Ausschlussfristen

1. Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden.

2. Lehnt die andere Vertragspartei den schriftlich geltend gemachten Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen, so verfällt der Anspruch, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Ablauf der Zweiwochenfrist gerichtlich geltend gemacht wird.

3. Die Absätze 1 und 2 finden keine Anwendung bei vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung.

§ 2 des Arbeitsvertrags der Klägerin lautet:

Tarifgrundlagen

Auf das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen des Rahmentarifvertrages für die Arbeitnehmer der Sozialkassen des Dachdeckerhandwerks, Wiesbaden, vom 12. Dezember 1994 in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.

§ 6 des Arbeitsvertrags der Klägerin lautet:

Gehaltszahlung

Die Gehaltszahlung erfolgt am 15. eines jeden Monats, möglichst durch Überweisung auf ein vom Arbeitnehmer bei einem Geldinstitut eröffnetes Gehaltskonto.

Wegen der Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichte Kopie des Anstellungsvertrags (Bl. 9 - 12 d.A.) und des RTV Sozialkassen (17 - 31) Bezug genommen.

Die Klägerin hat eine abgeschlossene Ausbildung zur Bürokauffrau. Im Frühjahr 2002 wechselte sie beim Beklagten in die Abteilung Mahnen/Klagen. Dort arbeiten 12 Sachbearbeiterinnen, die in zwei Gruppen aufgeteilt sind, denen jeweils eine Gruppenleiterin vorsteht. Den Sachbearbeiterinnen sind jeweils Kontenkreise nach den Betriebskontennummern zugewiesen. Sie fertigen grundsätzlich die Klage für den ihnen jeweils zugeordneten Kontenkreis. Die Gruppenleiterinnen teilen die Sachbearbeiterinnen zur Wahrnehmung der arbeitsgerichtlichen Termine ein. Diese bekommen dann die von ihnen im Gütetermin zu vertretende Sache vor dem Termin zur Vorbereitung vorgelegt. Die gesamte eingehende Gerichtspost wird zunächst den Gruppenleiterinnen vorgelegt, die sie an die zuständigen Sachbearbeiterinnen verteilen. Sollte das Verfahren nicht im Gütetermin beendet worden sein, trägt die jeweilige Sachbearbeiterin - soweit sie Termine vor dem Arbeitsgericht wahrnimmt, was bei drei der zwölf Sachbearbeiterinnen zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht der Fall war - den Termin in ihren Kalender ein und bereitet - unstreitig jedenfalls grundsätzlich - eigenständig den Kammertermin einschließlich der Reaktion auf gerichtliche Auflagen vor. Dabei lässt sich die Gruppenleiterin je nach Art der jeweiligen Auflage den gefertigten Schriftsatz vorlegen, der dann kontrolliert und gegebenenfalls ergänzt und umformuliert wird. Keine der Sachbearbeiterinnen ist in die Beschäftigungsgruppe 5 des § 10 RTV Sozialkassen eingruppiert.

Anfangs vertrat die Klägerin in der Abteilung Mahnen/Klagen den Beklagten nicht vor dem Arbeitsgericht und war in die Beschäftigungsgruppe 3 des § 10 RTV Sozialkassen eingruppiert. Im Jahr 2005 nahm sie zunächst Gütetermine wahr. Unter dem 10. Juni 2005 erteilte der Beklagte der Klägerin eine Unterschriftsbefugnis zur Unterzeichnung allgemeiner Post, unter dem 1. November 2005 wurde der Klägerin Generalvollmacht zur Vertretung des Beklagten vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden erteilt. Zum 1. Mai 2006 wurde die Klägerin in die Beschäftigungsgruppe 5 höhergruppiert. Jedenfalls seit April 2006 vertritt sie den Beklagten auch in Kammerterminen. Mindestens bis Februar 2006 nahmen die Gruppenleiterinnen unstreitig die schwierigeren Termin aus dem Bereich Mahnen/Klagen vor dem Arbeitsgericht selbst wahr. Bei Terminen vor dem Amtsgericht, etwa gegen den Insolvenzverwalter auf Rückzahlung anfechtbar erlangter Zahlungen, tritt die Klägerin nicht auf.

Mit Schreiben vom 24. Januar 2011 verlangte die Klägerin über ihre Gewerkschaft von dem Beklagten ihre Eingruppierung in die Beschäftigungsgruppe 5 des § 10 RTV Sozialkassen sowie die Gehaltsdifferenz zwischen der Vergütung nach der Beschäftigungsgruppe 4 und der nach der Beschäftigungsgruppe 5 in Höhe von 756 Euro brutto für den Monat Januar 2011. Der Beklagte erklärte sich hierzu nicht.

Die Klägerin hat mit ihrer am 7. April 2011 am Arbeitsgericht Wiesbaden eingegangen Klage die Feststellung begehrt, dass der Beklagte verpflichtet ist, sie seit dem 1. Januar 2011 nach der Beschäftigungsgruppe 5 des Gehaltstarifvertrags vom 14. Oktober 2010 zur Regelung der Gehälter und Ausbildungsvergütungen in der Lohnausgleichskasse, in der Zusatzversorgungskasse und im Zentralen Versorgungswerk für das Dachdeckerhandwerk zu vergüten, die der Beschäftigungsgruppe 5 des § 10 RTV Sozialkassen entspricht und dort definiert ist. Gleichzeitig hat sie die Zahlung der Differenz zwischen der Vergütung nach der Beschäftigungsgruppe 4 und der nach der Beschäftigungsgruppe 5 von 756 Euro brutto monatlich für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 31. August 2011 begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Eingruppierung in die Beschäftigungsgruppe 5 erfordere hinsichtlich des Tarifmerkmals "Wahrnehmung aller Termine beim Arbeitsgericht" nicht, dass sie quantitativ alle anfallenden Termine vor dem Arbeitsgericht aus der Abteilung Klagen/Mahnen wahrnehme, was aufgrund der Arbeitsmenge auch gar nicht möglich sei, sondern, dass sie inhaltlich bei allen Arten anfallender Termine vor dem Arbeitsgericht auftrete. Sie hat behauptet, dies sei der Fall. In ihrem Arbeitsbereich erstellten die Gruppenleiterinnen weder Schriftsätze noch träten sie beim Arbeitsgericht Wiesbaden auf. Auch komplexe Fälle wie z.B. die Klärung von Gewerbezugehörigkeiten würden - sofern sie nicht in das Aufgabengebiet der Sachbearbeiter in der Abteilung Betriebserfassung fielen - von ihr selbst und nicht von den Gruppenleiterinnen bearbeitet. Sie selbst müsse auch individuelle Schreiben erstellen und fallbezogene Schriftsätze anfertigen. Die bei dem Beklagten bereit liegenden Formularschreiben würden nur selten verwendet.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass sie ab dem 1. Januar 2011 nach der Gruppe 5 des Gehaltstarifvertrags vom 14. Oktober 2010 zur Regelung der Gehälter und Ausbildungsvergütungen in der Lohnausgleichskasse, in der Zusatzversorgungskasse und im Zentralen Versorgungswerk für das Dachdeckerhandwerk zu vergüten ist;

2. im Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 6.048,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.268,00 EUR seit dem 16. März 2011 sowie jeweils aus 756,00 EUR seit dem 16. April, 16. Mai, 16. Juni, 16. Juli und 16. August 2011 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Eingruppierung der Klägerin in die Beschäftigungsgruppe 4 des § 10 RTV Sozialkassen sei zutreffend. Er hat behauptet, die Fertigung der Klagen durch die Sachbearbeiterinnen gestalte sich so, dass die gespeicherten Klagetexte im PC aufgerufen würden und die Angaben zur Beklagtenseite sowie die Klageforderung ergänzt würden. Rechtstreitigkeiten, die in ihrem Schwierigkeitsgrad über Zahlungsklagen in standardisierter Form hinausgingen, deren Gegenstand schwierige Sach- und Rechtsfragen wie z.B. solche des tariflichen Geltungsbereichs bildeten oder in denen Individualschriftsätze gegnerischer Anwälte dezidiert zu beantworten seien, würden von den Gruppenleiterinnen der Abteilung bearbeitet, die in diesen Fällen neben der Erstellung der Schriftsätze auch die entsprechenden Termine beim Arbeitsgericht wahrnähmen. Diese komplexeren Fälle würden der Klägerin im Regelfall gar nicht bekannt. Es komme immer wieder vor, dass rechtlich schwierige Fälle von der normalen Sachbearbeitung abgezogen würden und von der Gruppenleitung in Abstimmung mit der juristischen Abteilung weitergeführt würden. Diesbezüglich habe man ca. 20 Fälle vorgelegt, welche sich auf die Abteilung der Klägerin bezögen.

Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit seinem am 13. März 2012 verkündeten Urteil - 2/6 Ca 830/11 (Bl. 114 - 119 d.A.) - die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Tarifmerkmal der Wahrnehmung "aller" Termine beim Arbeitsgericht sei qualitativ dahingehend auszulegen, dass Fälle aller Schwierigkeitsgrade vor Gericht vertreten würden. Die insoweit darlegungsbelastete Klägerin habe jedoch nicht nachvollziehbar dargelegt, welche Termine einfacher und nicht einfacher Art sie wahrnehme, was sie darunter verstehe und wann sie konkret nicht einfache Termine wahrgenommen habe.

Gegen das ihr am 18. April 2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 7. Mai 2012 Berufung eingelegt und diese mit am 16. Mai 2012 beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Klägerin verfolgt ihr Klagebegehren unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Sie rügt, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass der RTV Sozialkassen gar keine inhaltlichen Anforderungen an die wahrzunehmenden Termine definiere. Der Begriff "alle" Termine sei deshalb dahingehend zu verstehen, dass sowohl Güte- als auch Kammertermine wahrgenommen werden müssten. Außerdem müsse beachtet werden, dass der Tarifvertrag aus dem Jahr 1994 stamme und seit dem nicht geändert worden sei. Sie behauptet, geändert habe sich aber die betriebliche Praxis. Seit Februar 2006 nähmen die Gruppenleiterinnen der Abteilung Mahnen/Klagen nämlich überhaupt keine Termine mehr vor dem Arbeitsgericht wahr, sondern diese würden alle - unabhängig von ihrem Schwierigkeitsgrad - von den Sachbearbeitern wahrgenommen. Es finde zu keinem Zeitpunkt eine Überprüfung des konkreten Sach- oder Streitstandes mit dem Ziel einer eventuellen Zuweisung des Verfahrens zur Schriftsatzfertigung oder Terminswahrnehmung an die Gruppenleitung statt. Eine Übernahme von Fällen durch die Gruppenleitung gebe es nicht. Ihr, der Klägerin, sei im Rahmen der Besprechung während des Ruhens des Verfahrens nur ein Fall vorgelegt worden, in dem nach Eingang der gerichtlichen Auflage der hauseigene Jurist der Beklagten, Herr A, den Fall überprüft habe und sodann die Gruppenleiterin Frau B am 17. Februar 2009 die Geschäftsleitung um Überprüfung gebeten habe, ob die Klage zurückgenommen werden solle. Die Geschäftsleitung habe der Klagerücknahme zugestimmt. Eine Terminswahrnehmung oder Schriftsatzfertigung durch eine andere Person als die Klägerin habe aber auch hier nicht stattgefunden. In den seltenen Fällen, in denen es in der Abteilung der Klägerin auf die Klärung der Gewerbezugehörigkeit ankomme, oblägen auch diese Fälle den Sachbearbeiterinnen, die dann meistens Auskunftsklage erheben würden.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 13. März 2012 - 2/6 Ca 830/11 - abzuändern und festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, sie ab dem 01. Januar 2011 nach der Beschäftigungsgruppe 5 des § 10 des Rahmentarifvertrages für die Arbeitnehmer der Sozialkassen des Dachdeckerhandwerks vom 12. Dezember 1994 zu vergüten und im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1)

den Beklagten zu verurteilen,

an sie 6.048,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.268,00 EUR seit dem 16. März 2011, weiteren 756,00 EUR seit dem 16. April 2011, weiteren 756,00 EUR seit dem 16. Mai 2011, weiteren 756,00 EUR seit dem 16. Juni 2011, weiteren 756,00 EUR seit dem 16. Juli 2011 und weiteren 756,00 EUR seit dem 16. August 2011 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Er ist der Ansicht, in die Beschäftigungsgruppe 5 seien nur solche Sachbearbeiter eingruppiert, die die gesamte Bandbreite seiner Beitragsforderungen gegen die Arbeitgeber des Dachdeckerhandwerks abdeckten. Die sachgerechte Auslegung des Tarifvertrags ergebe, dass für eine Eingruppierung in die Beschäftigungsgruppe 5 Beitragsforderungen bearbeitet werden müssten, deren Verfolgung überdurchschnittliche Anforderungen an die Sachbearbeiterin stellen, weil Rechtsprobleme auftreten, die im Normalfall nicht aufträten. Insoweit müsse die darlegungsbelastete Klägerin Unterlagen vorlegen, aus denen sich ergebe, dass sie Beitragsverfolgungen von überdurchschnittlichem Niveau wahrgenommen habe. Solche Beitragsforderungen verfolge sie aber nicht.

Zu dem Inhalt des angefochtenen Urteils und der genannten Schriftstücke im Übrigen und im Einzelnen wird auf die angegebenen Blätter der Akte, insbesondere zum Tatbestand im Übrigen auf den des erstinstanzlichen Urteils (S. 2 - 5, Bl. 115 - 116 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden ist gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 lit. b ArbGG statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO.

II. Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Der Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin ab 1. Januar 2011 nach der Beschäftigungsgruppe 5 des § 10 RTV Sozialkassen zu vergüten und an sie für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 31. August 2011 6048,00 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen.

1. Der Antrag zu 1) ist zulässig.

a) Der Feststellungsantrag ist nach § 256 ZPO statthaft. Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Dabei kann sich die begehrte Feststellung auch auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken - sog. Elementenfeststellungsklage - (BAG, 15.3. 2006 - 4 AZR 75/05 - NZA 2006, 690; 20. 3. 1991 - 4 AZR 455/90 - BAGE 67, 330; 28. 3. 1996 - 6 AZR 501/95 - BAGE 82, 344). Die Frage, nach welcher Beschäftigungsgruppe des § 10 RTV Sozialkassen der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin monatlich zu vergüten, hat das Bestehen eines Anspruchs aus einem Rechtsverhältnis zum Gegenstand.

b) Allerdings fehlt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, soweit der Antrag den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. August 2011 erfasst, für den die Klägerin die Vergütungsdifferenz zwischen der von ihr erhaltenen und der begehrten Vergütung mit ihrem Antrag zu 2) auch beziffert geltend macht (vgl. zu dieser Konstellation BAG 27.01. 2011 - 6 AZR 578/09 - AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Versorgungsbetriebe). Die Klägerin hat nicht vorgetragen, welches über die mit der Leistungsklage verfolgten Zahlungen hinausgehende Interesse für diesen Zeitraum an der begehrten Feststellung besteht (vgl. BAG 23. September 2009 - 4 AZR 347/08 - ZTR 2010, 201).

Die Klage ist insoweit jedoch als Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. § 256 Abs. 2 ZPO trägt dem Umstand Rechnung, dass gemäß § 322 ZPO nur die Entscheidung über den Klageanspruch, nicht aber auch über das ihn bedingende Rechtsverhältnis in Rechtskraft erwächst und demgemäß ein späterer Rechtsstreit derselben Parteien über weitere auf das vorgreifliche Rechtsverhältnis gestützte Ansprüche zu einer abweichenden Beurteilung führen könnte. Mit der hiernach möglichen Zwischenfeststellungsklage wird ein Element aus der Gesamtentscheidung, das geeignet ist, über den konkreten Einzelfall hinaus Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für mögliche Folgestreitigkeiten herzustellen, mit eigener Rechtskraft versehen. Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis liegt deshalb dann vor, wenn das inzidenter ohnehin zu klärende streitige Rechtsverhältnis noch über den gegenwärtigen Prozess hinaus zwischen den Parteien Bedeutung hat oder jedenfalls gewinnen kann. Diese Vorgreiflichkeit macht das für die Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse entbehrlich. Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben: Da für die Eingruppierung in die Beschäftigungsgruppe 6 RTV Sozialkassen neben einer Berufsausbildung entsprechend der Beschäftigungsgruppe 3, über die die Klägerin verfügt, eine mindestens einjährige Tätigkeit entsprechend den Tätigkeitsmerkmalen der Beschäftigungsgruppe 5 erforderlich ist, können hier aus der begehrten Feststellung Rechtsfolgen resultieren, die über das mit der erfolgreichen Leistungsklage Erreichte hinausgehen (vgl. BAG 23.September 2009 -4AZR 347/08 - ZTR 2010, 201).

Für den danach liegenden Zeitraum, für den die Klägerin keine Leistungsklage erhoben hat, ist die Klage als Eingruppierungsfeststellungsklage zulässig. Dies gilt auch soweit sie sich hinsichtlich der Monate September 2011 bis Januar 2013 auf einen abgeschlossenen Zeitraum in der Vergangenheit bezieht. Der erforderliche Gegenwartsbezug wird dadurch hergestellt, dass die Klägerin die Erfüllung konkreter Vergütungsansprüche aus einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum und damit einen gegenwärtigen rechtlichen Vorteil anstrebt (BAG 27.01. 2011 - 6 AZR 578/09 - AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge). Die eine Höhergruppierung fordernde Klägerin ist grundsätzlich nicht auf die Erhebung einer Leistungsklage zu verweisen, wenn nicht konkret davon auszugehen ist, der beklagte Arbeitgeber werde einem Feststellungsurteil nicht Folge leisten (vgl. nur BAG, 14.11.2007 - 4 ARZ 945/06 - NZA RR 2008, 358; 21.2.2007 - 4 AZR 242/06 - ZTR 2007, 616; 28.9.2005 2005 - 10 AZR 34/05 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Systemgastronomie Nr. 2; 5. 11. 2003 - 4 AZR 632/02 - BAGE 108, 224). Die Feststellung, dass nur der öffentliche Dienst sich einem "nicht vollstreckungsfähigen" Feststellungsurteil der Arbeitsgerichtsbarkeit beugt, ist in dieser Allgemeinheit nicht zulässig.

2. Der Antrag ist auch begründet. Die Verpflichtung des Beklagten, die Klägerin gem. Beschäftigungsgruppe 5 des § 10 RTV Sozialkassen zu vergüten, folgt aus dem Arbeitsvertrag i.V.m. § 611 BGB i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 TVG.

a) Beide Parteien sind tarifgebunden. Zudem haben sie vertraglich vereinbart, dass die Klägerin nach den einschlägigen tariflichen Regeln vergütet wird. Dementsprechend ist der Beklagte verpflichtet, die Klägerin nach den tariflichen Regeln entsprechend der zutreffenden Beschäftigungsgruppe 5 des § 10 RTV Sozialkassen zu vergüten.

b) Wie das Arbeitsgericht richtig ausführt, ist der Kläger einer Eingruppierungsklage darlegungs- und beweisbelastet für das Vorliegen der Merkmale derjenigen Vergütungsgruppe, in die er eingruppiert zu werden begehrt (BAG, 19.05.2010 - 4 AZR 912/08 - AP Nr. 314 zu §§ 22, 23 BAT 1975; 7.8. 2008 - 4 AZR 470/07 - juris; 12.5. 2004 - 4 AZR 371/03 - juris; 1. August 2001 - 4 AZR 298/00 - juris; 4.4. 2001 - 4 AZR 187/00 -juris; 20. 03 1996 - 4 AZR 967/94 - BAGE 82, 252; LAG Hessen, 13.8.2008 - 18 Sa 1618/07 - juris; LAG Rheinland Pfalz, 06.12.2007 - 2 Sa 511/07 - juris). Die Klägerin hat vorliegend jedoch in einer ihrer Darlegungslast genügenden Weise Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergibt, dass bei ihr die in der Beschäftigungsgruppe 5 des § 10 RTV Sozialkassen genannten Tarifmerkmale vorliegen.

aa) Die Klägerin verfügt zunächst als gelernte Bürokauffrau über eine abgeschlossene Berufsausbildung entsprechend der Beschäftigungsgruppe 3 des § 10 RTV Sozialkassen.

bb) Sie war auch zum 1. Januar 2011 unstreitig mehr als ein Jahr gem. Beschäftigungsgruppe 4 des § 10 RTV Sozialkassen beschäftigt. Ihre entsprechende Eingruppierung erfolgte bereits zum 1. Mai 2006.

cc) Weiterhin ist sie als Sachbearbeiterin für das Mahn- und Klagewesen tätig, verfügt über einer Generalterminsvollmacht und nimmt - hiervon ist nach den allgemeinen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast auszugehen - aufgrund dieser im Sinne der Beschäftigungsgruppe 5 "alle" Termine beim Arbeitsgericht wahr. Sie hat substantiiert dargelegt, dass sie seit April 2006 alle in der Abteilung Mahnen/Klagen anfallenden Arten arbeitsgerichtlicher Termine wahrgenommen hat, keine Verfahren in der Abteilung von den zurzeit neun nach der Beschäftigungsgruppe 4 vergüteten Sachbearbeiterinnen vorab oder nachträglich abgezogen werden und niemand anders als diese Sachbearbeiterinnen die anfallenden Gerichtstermine wahrnimmt. Den entsprechenden Sachvortrag hat der Beklagte in der zweiten Instanz nicht mehr bestritten, so dass er als zugestanden anzusehen ist, § 138 Abs. 3 ZPO.

(1) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags richtet sich nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei nicht eindeutigem Wortsinn ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Verbleiben gleichwohl Zweifel, können die Gerichte weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags und die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und gesetzeskonformen Regelung führt (vgl. insgesamt etwa BAG 19.11.2008 - 10 AZR 658/07 - NZA 2009, 269).

(2) Damit gebührt dem Wortlaut und Wortsinn bei der Auslegung die entscheidende Bedeutung (BAG 24. Februar 2010 - 10 AZR 1035/08 - AP TVG § 1 Auslegung Nr. 220). Der Begriff "alle" bezeichnet zusammen mit der Einschränkung auf den Bereich Mahnen/Klagen dem Wortlaut nach sämtliche in diesem Bereich anfallenden arbeitsgerichtlichen Termine. Allerdings nimmt das Arbeitsgericht vor dem Hintergrund, dass auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang und Praktikabilität abzustellen ist, zurecht an, dass das Tarifmerkmal "alle" nicht dahingehend auszulegen ist, dass damit quantitativ die Wahrnehmung sämtlicher Arbeitsgerichtstermine, die in der Abteilung Mahnen/Klagen des Beklagten anfallen, durch eine nach der Beschäftigungsgruppe 5 zu vergütende Sachbearbeiterin gemeint ist - mit der Folge, dass weder eine Beschäftigung anderer Sachbearbeiterinnen in der Abteilung Mahnen/Klagen in der Beschäftigungsgruppe 5 noch in der Beschäftigungsgruppe 4 möglich wäre, weil keine Gerichtstermine mehr übrig blieben. Vielmehr ist der Begriff "alle" qualitativ in dem Sinne zu verstehen, dass es keine Arten oder Schwierigkeitsstufen von Terminen geben darf, die die in die Beschäftigungsgruppe 5 einzugruppierende Sachbearbeiterin nicht wahrnimmt. Der Begriff kann also betreffend seines qualitativen Gehalts nur negativ dahingehend abgegrenzt werden, dass er dann nicht erfüllt ist, wenn Termine aus dem Bereich Mahnen/Klagen vor dem Arbeitsgericht anfallen, die von der jeweiligen Sachbearbeiterin schon vom Grundsatz her nicht wahrgenommen, sondern entweder abgegeben oder ihr gar nicht erst zugewiesen werden. Der Begriff "alle" ist damit entgegen der Auffassung der Klägerin nicht dahingehend auszulegen, dass er bereits erfüllt wäre, wenn die jeweilige Sachbearbeiterin sowohl Güte- als auch Kammertermine wahrnimmt. Dass sowohl Güte - auch Kammertermine wahrgenommen werden, stellt für das Vorliegen des Tarifmerkmals eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung dar. Ein Sachbearbeiter, der nur einfache Kammer- und/oder Gütetermine wahrnimmt, obgleich auch schwierige anfallen, erfüllte das Tarifmerkmal "alle" nicht. Andererseits setzt das Tarifmerkmal aber auch nicht, wie der Beklagte meint, zwingend die Wahrnehmung von arbeitsgerichtlichen Terminen in überdurchschnittlich schwierigen Angelegenheiten voraus. Eine solche Auslegung ist mit dem Wortlaut nicht vereinbar - "alle" heißt eben nicht "überdurchschnittlich schwierige". Fallen in der Abteilung Mahnen/Klagen, auf die sich das Tarifmerkmal der Wahrnehmung "aller" Termine gerade bezieht - dauerhaft keine überdurchschnittlich schwierigen Termine an, kann dem Sachbearbeiter, der alle Arten tatsächlich anfallender Termine wahrnimmt, die Vergütung nach Beschäftigungsgruppe 5 nicht versagt werden. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn entweder bereits mit der Zuordnung eines bestimmten Kontenkreises der Eingang schwieriger Verfahren ausgeschlossen würde - was der Beklagte selbst nicht behauptet und wogegen auch spräche, dass er alle Sachbearbeiterinnen nach der Beschäftigungsgruppe 4 vergütet- oder wenn der Beklagte über ein System verfügte, wonach für den Fall, dass ein schwieriger Termin ansteht, dieser identifiziert und aus der normalen Sachbearbeitung hinausgenommen würde, ein solcher Fall aber zufällig bis zum Zeitpunkt der gewünschten Höhergruppierung noch nie eingetreten ist.

(3) Dass die Klägerin das so verstandene Tarifmerkmal "alle" erfüllt, hat sie entgegen der Auffassung des Beklagten ausreichend substantiiert vorgetragen. Ähnlich wie bei einer negativen Tatsache kann die Klägerin nicht mehr vortragen, als dass sie wie alle in der Beschäftigungsgruppe 4 eingruppierten Sachbearbeiterinnen seit April 2006 die arbeitsgerichtliche Terminswahrnehmung - zumeist betreffend ihren eigenen Kontenkreis - durch die Gruppenleiterinnen ausnahmslos zugewiesen bekommt, diese selbst keinerlei Termine vor dem Arbeitsgericht im Bereich Mahnen/Klagen wahrnehmen und auch kein System existiert, wonach schwierige Fälle vorab oder nachträglich aus der Terminswahrnehmung durch die Klägerin herausgenommen werden. Insbesondere war sie entgegen der Auffassung des Beklagten nicht gehalten, darzulegen, welche einzelnen überdurchschnittlich schweren Fälle sie vor Gericht vertreten hat. Zum einen ist die Wahrnehmung solcher Fälle wie dargelegt nur dann für das Vorliegen des Tarifmerkmals "alle" erforderlich, wenn diese Fälle auch anfielen, zum anderen hätte die Darlegung der Wahrnehmung solcher Termine gerade nicht den Schluss gerechtfertigt, dass die Klägerin "alle" Termine im Sinne der Beschäftigungsgruppe 5 wahrgenommen hätte, da dies nicht ausschlösse, dass bei anderen schwierigen Terminen die Gruppenleitung oder der Jurist der Beklagten Herrn A vor dem Arbeitsgericht aufgetreten sind.

Die Behauptung der Klägerin, dass seit Februar 2006 alle in der Abteilung Mahnen/Klagen anfallenden Klagen von den Sachbearbeiterinnen der Beschäftigungsgruppe 4 selbst, anteilig also von ihr, wahrgenommen würden, keine der Gruppenleiterinnen seit dem Termine wahrgenommen hat und der Beklagte auch nicht von vornherein schwierige Fälle aus der Verteilung an die Sachbearbeiterinnen herausgenommen hat, ist gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen. Der Beklagte, der in der ersten Instanz zumindest noch abstrakt behauptet hatte, Rechtstreitigkeiten, die in ihrem Schwierigkeitsgrad über Zahlungsklagen in standardisierter Form hinausgingen, deren Gegenstand schwierige Sach- und Rechtsfragen wie z.B. solche des tariflichen Geltungsbereichs bildeten oder in denen Individualschriftsätze gegnerischer Anwälte dezidiert zu beantworten seien, würden von den Gruppenleiterinnen der Abteilung bearbeitet, die in diesen Fällen auch die Termine beim Arbeitsgericht wahrnähmen, hat den zweitinstanzlichen Vortrag der Klägerin zur Veränderung der betrieblichen Organisation in der Abteilung Mahnen/Klagen ab dem Jahr 2006 überhaupt nicht bestritten. Er hat lediglich geltend gemacht, die Klägerin habe keine überdurchschnittlich schwierigen Fälle bearbeitet, worauf es jedoch wie dargelegt nicht ankommt. Dass ein System der Zuweisung schwieriger Fälle an die Gruppenleitung oder den Juristen des Beklagten existiert, faktisch aber zufällig seit dem Jahr 2006 kein schwieriger Fall zu bearbeiten war, behauptet der Beklagte nicht und dies ist auch fernliegend.

Selbst wenn man aber auch in der zweiten Instanz von der Absicht des Bestreitens durch den Beklagten ausginge, § 138 Abs. 3 ZPO, hätte der Beklagte zumindest seiner sekundären Darlegungslast nach § 138 Abs. 2 ZPO nicht genügt, weil er sich nicht über die von der Klägerin behaupteten Tatsachen erklärt hat. Er wäre insoweit auf den substantiierten Vortrag der Klägerin, dass es keine vorherige oder nachträgliche Zuweisung von Gerichtsterminen im Bereich Mahnen/Klagen an andere Mitarbeiter als an die Sachbearbeiterinnen gibt und diese seit Februar 2006 alle anfallenden Gerichtstermine selbst wahrnehmen, sie selbst also anteilig "alle" Termine wahrnimmt, gehalten gewesen, vorzutragen, dass, zu welchem Zeitpunkt und wie eine solche Zuweisung erfolgt bzw. welche konkreten Termine seit 2006 in der Abteilung Mahnen/Klagen etwa wegen ihrer Komplexität nicht von der Klägerin, sondern von der Gruppenleitung oder dem Hausjuristen wahrgenommen wurden. Zum entsprechenden Vortrag hat die Klägerin den Beklagten in der Berufungsbegründung auch ausdrücklich aufgefordert. Die Klägerin wäre dann wiederum gehalten gewesen, Beweis dafür anzubieten, dass es ein solches Zuweisungssystem nicht gibt bzw. die behauptete Terminswahrnehmung durch die Gruppenleitung nicht stattgefunden hat.

Soweit der Beklagte nach seinem erstinstanzlichen Vortrag der Klägerin im Rahmen der Besprechung 20 Fälle vorgelegt haben will, die von der normalen Sachbearbeitung abgezogen und von der Gruppenleitung weitergeführt wurden, hat er schon nicht dargelegt, dass es sich um Fälle handelte, die nach Februar 2006 anfielen. Zudem hat die Klägerin den entsprechenden Vortrag substantiiert bestritten und mit der Berufungsbegründung vorgetragen, ihr sei nur der Fall 8 Ca 2460/08 vorgelegt worden, hier habe aber die Beteiligung der Gruppenleitung nur darin bestanden, die Geschäftsleitung um Entscheidung zu bitten, ob das Verfahren fortgeführt werden solle, mit der Frage der Terminswahrnehmung habe dies nichts zu tun gehabt. Der Beklagte hätte daraufhin um seiner Pflicht gem. § 138 Abs. 2 ZPO zu genügen, seinerseits vortragen müssen, um welche 20 Fälle es sich gehandelt haben soll. Er hat in seiner Berufungserwiderung den entsprechenden Vortrag der Klägerin aber gar nicht bestritten. Soweit unstreitig die Klägerin keine Termine vor dem Amtsgericht wahrnimmt, ist dies für ihre Eingruppierung, nach dem ausdrücklichen Tarifwortlaut nicht von Bedeutung.

dd) Die Klägerin erfüllt schließlich auch das Tarifmerkmal "mit entsprechender Schriftsatzfertigung". Auch die geforderte Schriftsatzfertigung muss sich nach dem Wortlaut des Tarifvertrags durch den Bezug "entsprechend" auf "alle" Verfahren beziehen.

(1) Der Beklagte hat den Vortrag der selbstständigen Bearbeitung aller anfallenden Verfahren in der Berufungsinstanz nicht mehr bestritten. Die Klägerin hat den Arbeitsablauf in der Berufungsbegründung im Einzelnen dargelegt und auch bezüglich der Aktenbearbeitung vorgetragen, dass ein Abzug von Fällen aus dem normalen Geschäftsverlauf nicht erfolgt, sondern sie alle ihr per Betriebskontennummer zugeordneten Verfahren von der Mahnung über die Klage bis zur Zwangsvollstreckung ohne Einschränkung bearbeitet. Sie hat dargelegt, dass eine Beteiligung der Gruppenleiterinnen bzw. des Hausjuristen nur insoweit erfolgt, als sich diese sich zum einen in Einzelfällen die Vorlage der gefertigten Schriftsätze vorbehalten und diese korrigieren und gegebenenfalls anpassen, wobei es sich nicht um Sinn verändernde Korrekturen handele und zum anderen in bestimmten Fällen die Entscheidung darüber treffen, ob ein Verfahren fortgeführt oder die Klage zurückgenommen wird. Hinsichtlich der von dem Beklagten geltend gemachten - unstreitig in der Abteilung Mahnen/Klagen seltenen - Fälle, in denen es auf die Gewerbezugehörigkeit ankommt, hat die Klägerin erklärt, auch diese gebe sie nicht ab, sondern erhebe in der Regel Auskunftsklage. Ein Bestreiten des Beklagten ist in der Berufungsinstanz nicht mehr erfolgt, so dass der Vortrag als zugestanden anzusehen ist; § 138 Abs. 3 ZPO; er beschränkt sich auf die Behauptung, die Klägerin bearbeite keine schwierigen Fälle der Beitragsverfolgung.

(2) Auch wenn man annähme, dass im Hinblick auf den erstinstanzlichen Vortrag des Beklagten iSd. § 138 Abs. 3 ZPO von dessen Absicht auszugehen wäre, den Vortrag der Klägerin zu bestreiten, läge jedenfalls kein ausreichendes Bestreiten vor, § 138 Abs. 2 ZPO. Auch der Beklagte selbst hat vorgetragen, dass sich die Gruppenleitung in bestimmten Fällen die von der Klägerin gefertigten Schriftsätze vorlegen lässt und diese kontrolliert. In welchen Fällen die Gruppenleitung entgegen diesem unstreitigen Sachverhalt darüber hinaus selbst Schriftsätze fertigt und wie das diesbezügliche Prozedere ist, hat der Beklagte nicht vorgetragen. Die bloße Kontrolle und gegebenenfalls die Abänderung von der Klägerin gefertigter Schriftsätze vermag das Tarifmerkmal der "entsprechenden Schriftsatzfertigung" nicht zu beseitigen. Hierin liegt lediglich eine Art Fachaufsicht, die der Vorgesetzte stets gegenüber seinen Mitarbeitern ausüben kann. Gleiches gilt hinsichtlich der unstreitigen Tatsache, dass sich die Geschäftsleitung über die Gruppenleitung die Entscheidung vorbehält, ob ein Verfahren fortgeführt wird.

ee) Schließlich verfügt die Klägerin, die in der dargelegten Form seit dem Jahr 2006 tätig ist, auch über die in der Beschäftigungsgruppe 5 erforderliche "mehrjährige Arbeitserfahrung in diesem Bereich".

ff) Die geforderten Tarifmerkmale liegen bereits seit dem 1. Januar 2011 vor, so dass die Vergütungspflicht des Beklagten wie beantragt festzustellen ist. Die Klägerin hat diesbezüglich auch die tarifliche Ausschlussfrist des § 19 RTV Sozialkassen eingehalten. Sie hat ihre Höhergruppierung zum 1. Januar 2011 mit Schreiben vom 24. Januar 2011 gegenüber dem Beklagten geltend gemacht und, nachdem dieser sich nicht erklärt hat, binnen 14 Tagen, nämlich mit Eingang zum 7. April 2011 Feststellungsklage erhoben.

2. Die Zahlungsklage, die wegen des Eintritts der prozessualen Bedingung - Obsiegen mit dem Antrag zu 1 - zu bescheiden ist, ist zulässig und begründet.

a) Da der Beklagte rückwirkend seit dem 1. Januar 2011 verpflichtet ist, die Klägerin entsprechend der Beschäftigungsgruppe 5 zu vergüten und die Gehaltsdifferenz zwischen geleisteter und zu leistender Vergütung unstreitig 756 Euro brutto monatlich beträgt, hat die Klägerin gegen den Beklagten für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 31. August 2011 einen Anspruch auf 6048 Euro brutto.

b) Die Klägerin hat auch die tarifliche Ausschlussfrist eingehalten. Sie hat mit ihrem Geltendmachungsschreiben und ihrer Klage Art und Umfang des von ihr geltend gemachten Anspruchs präzise bezeichnet. Eine jeweils erneuten rechtzeitigen Klageerhebung betreffend der einzelnen monatlich neu entstehenden Ansprüche bedurfte es - zumindest so lange sich die Höhe der Gehaltsdifferenz nicht veränderte - nicht (vgl. zur Wahrung zweistufiger tariflicher Ausschlussfristen durch die Elementenfeststellungsklage BAG 22.02.2012 - 4 AZR 527/10 - EzA-SD 2012, Nr. 18, 8-9).

c) Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB iVm. § 9 RTV Sozialkassen. Hiernach hat der Beklagte das Gehalt spätestens am 15. des Kalendermonats zu zahlen, für den der Anspruch entsteht, so dass er sich ab dem 16. in Verzug befindet.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

IV. Die Zulassung der Revision ist durch keinen der gesetzlich vorgesehenen Gründe veranlasst, § 72 Abs. 2 ArbGG.

VorschriftenBGB § 611, § 10 RTV, RTV, RTV, § 10 RTV, § 10 RTV, § 19 RTV, RTV, § 10 RTV, § 10 RTV

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