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30.01.2013

Landesarbeitsgericht: Urteil vom 18.09.2012 – 12 Sa 1796/11

Sozialarbeiter im Sozialpsychatrischen Dienst, die auf der Grundlage des PsychKG NW tätig werden, sind nicht in die EG S 14 des Anhangs C (VKA) zum TVöD-BT-V eingruppiert. Ihre Tätigkeiten sind nicht gleichwertig mit den Tätigkeiten der Sozialarbeiter, die Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls treffen und Maßnahmen einleiten, welche zur Gefahrenabwehr erforderlich sind.


Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 15.11.2011 - 3 Ca 1113/11 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.

Die Klägerin ist staatlich anerkannte Sozialarbeiterin und steht seit dem 01.10.1991 bei der beklagten Kommune als Sozialarbeiterin im Sozialpsychiatrischen Dienst des Gesundheitsamtes in einem Arbeitsverhältnis. Kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung aber auch aufgrund Tarifbindung findet auf das Arbeitsverhältnis der TVöD Anwendung. Mit dessen Inkrafttreten wurde die Klägerin aus der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 16 BAT/TVSoz übergeleitet in die Entgeltgruppe 9 TVöD. Durch Inkrafttreten des Tarifabschlusses für Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst ist deren Eingruppierung und Bezahlung mit Wirkung zum 01.11.2009 neu geregelt worden (TVöD SuE). Danach wurde die Klägerin rückwirkend zum 01.11.2009 aus der Entgeltgruppe 9 Stufe 6 TVöD in die Entgeltgruppe 12 Ü Stufe 6 TVöD SuE übergeleitet. Nach der vom städtischen Gesundheitsamt Anfang 2011 erstellten Stellenbeschreibung werden alle Tätigkeiten des Sozialpsychiatrischen Dienstes als Teil der unteren Gesundheitsbehörde ausgeübt, um die Vorgaben und Ziele des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG) umzusetzen. Dabei ist die Arbeit bezirksbezogen organisiert. Jeder Sozialarbeiter ist für die Bearbeitung aller ihm nach dem PsychKG zugeordneten Aufgaben für Personen aller Altersgruppen in seinem Bezirk verantwortlich. Für die Kinder- und Jugendpsychiatrische Aufgabenstellung gibt es eine zusätzliche Spezialisierung im Team.

Gemäß § 5 PsychKG NW werden die Aufgaben nach dem Gesetz von den Kreisen und kreisfreien Städten als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung geleistet. Die sachliche Zuständigkeit nach dem PsychKG NW ergibt sich aus dessen § 12, in dem es heißt:

"Die Unterbringung wird auf Antrag der örtlichen Ordnungsbehörde im Benehmen mit dem Sozialpsychiatrischen Dienst vom zuständigen Amtsgericht angeordnet. Dem Antrag ist ein den §§ 321 und 331 FamFG, bei Minderjährigen in Verbindung mit §§ 167 Abs. 1 und 6 sowie § 151 Nr. 7 FamFG entsprechendes ärztliches Zeugnis beizufügen. Antragstellung und Unterbringung sind von der örtlichen Ordnungsbehörde zu dokumentieren und dem Sozialpsychiatrischen Dienst der unteren Gesundheitsbehörde unverzüglich mitzuteilen.

Bei Gefahr in Verzug kann die örtliche Ordnungsbehörde die sofortige Unterbringung ohne vorherige gerichtliche Entscheidung vornehmen, wenn ein ärztliches Zeugnis über einen entsprechenden Befund vorliegt. Will die Ordnungsbehörde in der Beurteilung der Voraussetzungen für eine sofortige Unterbringung von einem vorgelegten ärztlichen Zeugnis abweichen, hat sie dem Sozialpsychiatrischen Dienst der unteren Gesundheitsbehörde zu beteiligen."

Bei der Beklagten werden die Aufgaben in der Ordnungsbehörde von der Feuerwehr und hierfür speziell geschulten Einsatzkräften wahrgenommen. Statistisch stellen sich die Unterbringungsverfahren und die Beteiligung des Sozialpsychiatrischen Dienstes wie folgt dar:

Jahr Gesamtzahl an Unterbringungsverfahren nach PsychKG NW Anzahl der Einweisungen in Zusammenarbeit mit dem städtischen SpDi
2007 599 26
2008 590 40
2009 608 26
2010 640 25
2011 456* 20*

*Stand 10/2010

Mit Schreiben vom 15.02.2011 hat die Klägerin schriftlich die Überleitung in die Entgeltgruppe 14 TVöD SuE rückwirkend zum 01.11.2009 geltend gemacht. Die Beklagte hat auf die Einhaltung der Verfallfrist nach dem 01.11.2009 verzichtet.

Die Entgeltgruppe S 14 TVöD SuE hat folgenden Wortlaut:

"Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit, die Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls treffen und in Zusammenarbeit mit dem Familiengericht bzw. Vormundschaftsgericht Maßnahmen einleiten, welche zur Gefahrenabwehr erforderlich sind, oder mit gleichwertigen Tätigkeiten, die für die Entscheidung zur zwangsweisen Unterbringung von Menschen mit psychischen Krankheiten erforderlich sind (z. B. Sozialpsychiatrischer Dienst der örtlichen Stellen der Städte, Gemeinden und Landkreise)."

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei nach dieser Entgeltgruppe in der 2. Alternative zu vergüten. Der Sozialpsychiatrische Dienst sei gemäß den gesetzlichen Vorgaben an dem gesamten Unterbringungsverfahren von der Antragstellung über die Unterbringung bis zur Entlassung zu beteiligen. Unterbringungsverfahren nach dem PsychKG NW erfolgten, wenn Betroffene gegen ihren Willen oder im Zustand der Willenlosigkeit in ein psychiatrisches Fachkrankenhaus oder eine vergleichbare Einrichtung eingewiesen werden. Denn die Beispielsaufzählung in der Klammer, die sich ausdrücklich auf den Sozialpsychiatrischen Dienst bezieht,  bringe zum Ausdruck, dass die Tarifvertragsparteien meinten, der diese Tätigkeit ausübende Arbeitnehmer erfülle die Erfordernisse der betroffenen Vergütungsgruppe. Sie erbringe auch gleichwertige Tätigkeiten mit den Mitarbeitern des Jugendamtes. Eine alleinige Zuständigkeit für das Treffen von Entscheidungen nach dem PsychKG sei nicht erforderlich, vielmehr müssten nur Tätigkeiten erbracht werden, die gleichwertig und erforderlich seien.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin ab dem 01.11.2009 aus Entgeltgruppe S 14 des Anhangs zur Anlage C (VKA) zum TVöD-BT-V - Besonderer Teil Verwaltung - in der Fassung des Änderungstarifvertrages Nr. 6 vom 27.07.2009 zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 zu vergüten und den Nettodifferenzbetrag zwischen tatsächlich gezahlter und beantragter Vergütung ab jeweiliger Fälligkeit mit 5 %, beginnend mit Rechtshängigkeit, zu verzinsen

sowie hilfsweise und rein vorsorglich,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin ab dem 01.08.2010 aus Entgeltgruppe S 14 des Anhangs zur Anlage C (VKA) zum TVöD-BT-V - Besonderer Teil Verwaltung - in der Fassung des Änderungstarifvertrages Nr. 6 vom 27.07.2009 zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 zu vergüten und den Nettodifferenzbetrag zwischen tatsächlich gezahlter und beantragter Vergütung ab jeweiliger Fälligkeit mit 5 %, beginnend mit Rechtshängigkeit, zu verzinsen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat darauf verwiesen, dass anders als nach § 8 a SGB VIII für die Jugendämter für den Sozialpsychiatrischen Dienst die Verantwortlichkeit den Ordnungsbehörden zugewiesen sei und nicht dem Sozialpsychiatrischen Dienst. In Nordrhein-Westfalen seien die Aufgaben nach dem PsychKG den Ordnungsbehörden und nicht wie in anderen Bundesländern dem Psychiatrischen Dienst zugewiesen. In M. sei die Feuerwehr zusammen mit der medizinischen Fachkraft und dem Gericht zuständig. Daraus folge, dass im Sozialpsychiatrischen Dienst gerade keine gleichwertigen Tätigkeiten mit denen im Jugendamt verrichtet würden, weil der Sozialpsychiatrische Dienst eben nie Herr des Verfahrens sei, anders als das Jugendamt in seiner Zuständigkeit.

Mit Urteil vom 15.11.2011 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, die Tätigkeit im Sozialpsychiatrischen Dienst umfasse einen einheitlichen Arbeitsvorgang, nämlich die Betreuung von psychisch Kranken auf der Grundlage des PsychKG NW. Die Tätigkeiten der Klägerin seien nicht gleichwertig zu denen, bei denen Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohles getroffen und im Zusammenhang mit dem Familiengericht bzw. Vormundschaftsgericht Maßnahmen einleitet werden,  welche zur Gefahrenabwehr erforderlich sind. Die Klägerin sei zwar in erheblichem Maße mit nicht zu unterschätzender Wichtigkeit am Verfahren beteiligt, sei aber nicht die Herrin des Verfahrens, also letztlich nicht diejenige, die die Verantwortung zu tragen hat. Diese mache genau den Unterschied zwischen der ersten und der zweiten Alternative der Entgeltgruppe S 14 TVöD SuE aus. Die Klägerin könne sich auch nicht für die Eingruppierung allein auf die Klammerangabe berufen. Aus der Satzstellung werde klar, dass die Gleichwertigkeit dennoch zu prüfen sei.

Gegen das ihr am 29.11.2011 zugestellte und wegen der weiteren Einzelheiten in Bezug genommene Urteil hat die Klägerin am 06.12.2011 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 29.02.2012 an diesem Tage begründet.

Das Arbeitsgericht gehe zwar zutreffend von einem Arbeitsvorgang aus, bewerte die Tätigkeit jedoch unrichtig. Die Tarifvertragsparteien hätten bei der Bildung der neuen S Gruppen keinesfalls im Blick gehabt, dass es in den Bundesländern unterschiedliche Ausgestaltung der Kompetenzen der Sozialpsychiatrischen Dienste gebe. Da es bundesweit nur eine Ausnahme gebe, dass  landesgesetzlich der Sozialpsychiatrische Dienst eigene Anordnungen zur Vermeidung von Gefährdungen treffen dürfe, müsse davon ausgegangen werden, dass die Tarifvertragsparteien in erster Linie nicht die vergleichbaren Kompetenzen bei der Gefahrenabwehr im Blick gehabt hätten, sondern die Vergleichbarkeit der sozialarbeiterischen Tätigkeiten. Das PsychKG NRW schreibe die Kompetenzen zur Gefahrenabwehr deswegen den Ordnungsbehörden zu, weil man fachlich die Verantwortung nicht im Sozialpsychiatrischen Dienst ansiedeln wollte, sondern weil landesverfassungsrechtlich die Herausnahme der Ordnungsgewalt aus der ordnungsbehördlichen Struktur nicht möglich sei. Dass dies bei den Sozialarbeitern, die nach § 8 a SGB VIII tätig werden, anders sei, folge aus einem Bundesgesetz.  

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 15.11.2011 - 3 Ca 1113/11 - abzuändern und feststellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin ab dem 01.11.2009 aus der Entgeltgruppe S 14 des Anhangs zur Anlage C VKA zum TVöD-BTV - Besonderer Teil Verwaltung - in der Fassung des Änderungstarifvertrages  Nr. 6 vom 27.07. 2009 zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13.09.2005 zu vergüten und den Nettodifferenzbetrag zwischen tatsächlich gezahlter und beantragter Vergütung ab jeweiliger Fälligkeit mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszins, beginnend mit Rechtshängigkeit, zu verzinsen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Vertiefung ihrer Ausführungen in erster Instanz. Anders als von der Klägerin dargestellt, sei in zwei Bundesländern (Brandenburg und Thüringen)  die Berechtigung zur Beantragung einer gerichtlichen Anordnung für die Unterbringung eines psychisch Kranken dem Sozialpsychiatrischen Dienst zugewiesen. Auch in Nordrhein-Westfalen habe die Möglichkeit bestanden, den Sozialpsychiatrischen Dienst so auszugestalten, dass er die gleichen Kompetenzen wie in Brandenburg oder Thüringen habe. Von dieser Möglichkeit habe der Landesgesetzgeber in Nordrhein-Westfalen allerdings keinen Gebrauch gemacht. Die Tätigkeiten der Klägerin im Sozialpsychiatrischen Dienst der Beklagten seien auch nicht mit der Tätigkeit gleichwertig, die als erste Alternative in der EGS 14 TVöD SuE genannt ist. Damit lägen die Zuständigkeiten und die inhaltliche Verantwortung bei der Entscheidung für die Unterbringung nicht beim Sozialpsychiatrischen Dienst, sondern bei der beklagten Kommune bei der Feuerwehr. Entscheidend sei, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit nicht Herrin des Verfahrens sei, sondern eine andere nach Landesrecht bestimmte Behörde, nämlich die funktionell zuständige Abteilung bei der Beklagten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle Bezug genommen. 

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 64 Abs. 1 ArbGG an sich statthafte und nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG zulässige sowie in gesetzlicher Form und Frist nach den §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519 ZPO eingelegte und innerhalb der verlängerten Frist ordnungsgemäß nach den §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 520 Abs. 3 ZPO begründete Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

I.
Die Klage ist zulässig.

Es handelt sich um eine im öffentlichen Dienst übliche Eingruppierungsfeststellungsklage, gegen deren Zulässigkeit nach ständiger arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung keine Bedenken bestehen (vgl. nur Urt. v. 27.01.2011, 6 AZR 578/09, AP TVG § 1 Tarifverträge: Versorgungsbetriebe Nr. 2). Dies gilt auch für die Verzinsungspflicht der Differenzvergütung (vgl. BAG, Urt. v. 11.11.2009, 7 AZR 387/0, AP § 253 ZPO Nr. 50).

II.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung aus der Entgeltgruppe S 14 des Anhangs zur Anlage C (VKA) zum TVöD-BT-V - Besonderer Teil Verwaltung.

1.
Der genannte Tarifvertrag und seine Entgeltordnung finden auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien kraft Tarifbindung Anwendung (§ 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 TGV).

2.
Bis zum Inkrafttreten der Eingruppierungsvorschriften des TVöD finden gemäß    § 17 Abs. 1 TVÜ die §§ 22 ff. BAT Anwendung.

a)
aa)
Nach § 22 Abs. 1 BAT richtet sich die Eingruppierung nach den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsordnung. Der Angestellte erhält Vergütung nach der Vergütungsgruppe, in die er eingruppiert ist. Eingruppiert ist er in die Vergütungsgruppe, deren Tätigkeitsmerkmale die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Vergütungsgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllen. Die Entscheidung hängt damit davon ab, ob die Hälfte der die Gesamtarbeitszeit des Klägers ausfüllenden Arbeitsvorgänge einem Tätigkeitsmerkmal der von der  Klägerin für sich beanspruchten Vergütungsgruppe entsprechen (§ 22 Abs. 1, Abs. 2 Unterabs. 1 und Unterabs. 2 Satz 1 BAT). Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Arbeitsvorgang eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeit unter Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen (vgl. nur BAG, Urt. v. 19.05.2010 - 4 AZR 912/08 AP Nr. 314 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

bb)
Nach der vom städtischen Gesundheitsamt der Beklagten vorgelegten Stellenbeschreibung aus Januar 2010 nimmt die Klägerin nur einen großen Arbeitsvorgang wahr, der darin besteht, bezirksbezogen alle ihr nach dem PsychKG zugeordneten Aufgaben für Personen aller Altersgruppen zu bearbeiten. Die Beklagte hat Bedenken geäußert, ob die von der Klägerin beschriebenen Tätigkeiten im Sozialpsychiatrischen Dienst als einheitlicher Arbeitsvorgang zu werten seien. Da die Tätigkeiten eines Sozialarbeiters auf ein einheitliches Arbeitsergebnis, nämlich die Betreuung des ihm zugewiesenen Personenkreises zielt, hat das Bundesarbeitsgericht jedenfalls wenn der Aufgaben und Personenkreis einheitlich ist, einen einheitlichen Arbeitsvorgang angenommen (vgl. BAG, Urt. v. 24.06.1998, 4 AZR 625/96, Beck-RS 1998, 30370375). Demgegenüber hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urt. v. 20.12.2011, 16 Sa 681/11, Beck-RS 2012, 66668) in einem vergleichbaren Fall angenommen, dass unterschiedliche Arbeitsvorgänge vorliegen, weil die Beratungstätigkeiten mit der Krisenintervention keinen einheitlichen Arbeitsvorgang bilden sollen.

Im Ergebnis mag die Bildung von Arbeitsvorgängen hier dahinstehen, da die Klägerin bei jedwedem Zuschnitt keinen Anspruch auf die Vergütung aus der Entgeltgruppe   S 14 hat.

b)
Die maßgeblichen Tarifvorschriften lauten wie folgt:

"S 11

Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrung entsprechende Tätigkeiten ausüben,

S 12

Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertige Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben mit schwierigen Tätigkeiten (hierzu Protokollerklärung Nr. 1 und Nr. 11).

...

S 14 

Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit, die Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohles treffen und in Zusammenarbeit mit dem Familiengericht bzw. Vormundschaftsgericht Maßnahmen einleiten, welche zur Gefahrenabwehr erforderlich sind, oder mit gleichwertigen Tätigkeiten, die für die Entscheidung zur zwangsweisen Unterbringung von Menschen mit psychischen Krankheiten erforderlich sind (z.B. sozialpsychiatrischer Dienst der örtlichen Stellen der Städte, Gemeinden und Landkreise)."

Da die Klägerin die Voraussetzungen der ersten Alternative streitlos nicht erfüllt, kann die Klägerin nur dann die Merkmale der Tarifgruppe erfüllen, wenn sie die gleichwertigen Tätigkeiten verrichtet.

aa)
Entgegen der Ansicht der Klägerin folgt dies nicht bereits aus dem Klammerzusatz.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die Erfordernisse der entsprechenden Entgeltgruppe regelmäßig schon dann als erfüllt anzusehen, wenn in einer bestimmten Entgeltgruppe konkrete Beispiele beigefügt sind. Denn durch Tätigkeitsbeispiele legen die Tarifvertragsparteien grundsätzlich fest, dass diese Tätigkeiten den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen der betreffenden Beschäftigungs- oder Vergütungsgruppe entsprechen (vgl. z.B. BAG, Beschluss vom 28.01.2009, 4 ABR 92/07, NZA 2009, 1042; BAG, Beschluss vom 17.11.2010, 4 ABR 19/09, NJOZ 2011, 372). Um ein solches Tätigkeitsbeispiel handelt es sich hier aber nicht. Den der Sozialpsychiatrische Dienst ist z. B. in Nordrhein-Westfalen eine Organisationseinheit in der unteren Gesundheitsbehörde, die Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung nach dem PsychKG wahrnimmt. Die Klägerin wird danach nicht als "Sozialpsychiatrischer Dienst" sondern im Sozialpsychiatrischen Dienst tätig. Mitarbeiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes können aber nicht nur Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen, sondern auch Psychologen und Ärzte sein. Schon dieses erweiterte Spektrum an Tätigkeiten zeigt, dass im Klammerzusatz nicht alle diejenigen, die im Sozialpsychiatrischen Dienst tätig sind, auch nach dieser Vergütungsgruppe zu vergüten sind.

bb)
Die Voraussetzungen der zweiten Alternative sind nur erfüllt, wenn die Tätigkeiten mit denen der ersten Alternative gleichwertig sind. Anhaltspunkte dafür, wann das der Fall sein soll, ergeben sich aus dem anschließenden Relativsatz, denn diese Tätigkeiten müssen für die Entscheidung zur zwangsweisen Unterbringung von Menschen mit psychischen Krankheiten erforderlich sein.

(1)
Zentraler Begriff der ersten Alternative ist die "Gefährdung des Kindeswohls". Nach § 1666 BGB hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahren erforderlich sind. Den Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung hat gemäß § 8 a SGB VIII das Jugendamt. Hält dieses nämlich das Tätig werden des Familiengerichtes für erforderlich, so hat es das Gericht anzurufen. Bei dringender Gefahr und wenn die Entscheidung des Gerichts nicht abgewartet werden kann, ist das Jugendamt verpflichtet, das Kind oder den Jugendlichen in Obhut zu nehmen. Dies bedeutet, dass die Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohles unmittelbar vom Jugendamt und den damit betroffenen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern sowie Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen getroffen werden. Diese sind dann die Entscheidungsträger und leiten in Zusammenarbeit mit den Gerichten Maßnahmen ein, welche zur Gefahrenabwehr erforderlich sind. Die Protokollnotiz Nr. 13 spricht in diesem Zusammenhang von Fallverantwortung bei Hilfen zur Erziehung nach § 27 SGB VIII, der Hilfeleistung nach SGB VIII, der Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen (§ 42 SGB VIII), der Mitwirkung in Verfahren vor den Familiengerichten § 50 SGB VIII einschließlich der damit in Zusammenhang stehenden Tätigkeiten.

(2)
Die von der Klägerin auszuübenden Tätigkeiten sind damit nicht gleichwertig.

Entscheidender Gesichtspunkt der ersten Alternative ist nämlich die bestehende Verpflichtung der Sozialarbeiter im Jugendamt zur Gefahrenabwehr tatsächlich tätig zu werden und die entsprechenden Maßnahmen zu initiieren. Diese Aufgaben haben die Sozialarbeiter des Sozialpsychiatrische Dienst in Nordrhein-Westfalen nicht. Maßgeblich ist das PsychKG, das die Aufgaben und Zuständigkeiten regelt. Denn Entscheidungsträger ist nach § 9 PsychKG NW nicht die untere Gesundheitsbehörde, der der Sozialpsychiatrische Dienst angehört, sondern die örtliche Ordnungsbehörde. In der zweiten Alternative sind nicht alle Tätigkeiten und Zuständigkeiten der unteren Gesundheitsbehörde und damit des Sozialpsychiatrischen Dienst erwähnt, sondern nur die Entscheidungen, die "zur zwangsweisen Unterbringung von Menschen mit psychischen Krankheiten" erforderlich sind.

Entsprechende gesetzlichen Vorschriften sind in den §§ 10 ff. PsychKG NW enthalten. Nach § 12 PsychKG wird die Unterbringung auf Antrag der örtlichen Ordnungsbehörde im Benehmen mit dem Sozialpsychiatrischen Dienst vom zuständigen Amtsgericht angeordnet. Damit wird anders als bei der Kindeswohlgefährdung nicht von den Sozialarbeitern der Antrag gestellt, sondern von der örtlichen Ordnungsbehörde. Im Benehmen bedeutet in diesem Zusammenhang nach dem PsychKG, dass Entscheidungsträger die örtliche Ordnungsbehörde ist, die sich aber mit dem Sozialpsychiatrischen Dienst in Verbindung setzen muss. Dies wird noch deutlicher in § 14 PsychKG bei Fällen der Gefahr in Verzug. Danach kann bei der Notwendigkeit einer sofortigen Unterbringung die örtliche Ordnungsbehörde die sofortige Unterbringung unter bestimmten Voraussetzungen ohne vorherige gerichtliche Entscheidung vornehmen. Nur wenn die Ordnungsbehörde von der Beurteilung der Voraussetzung für eine sofortige Unterbringung von einem vorgelegten ärztlichen Zeugnis abweichen will, hat sie den Sozialpsychiatrischen Dienst zu beteiligen. Damit ist die Gefahrenabwehr, wie sie auch in der ersten Alternative genannt ist, in der zweiten Alternative nicht dem Sozialpsychiatrischen Dienst, sondern der Ordnungsbehörde übertragen. Damit haben die Aufgaben der Sozialarbeiter der zweiten Alternative nicht den Stellenwert, den die Aufgaben der Sozialarbeiter der ersten Alternative haben. Da es um Gefahrenabwehr im konkreten Einzelfall geht, kann die Tätigkeit der Klägerin, die selbstverständlich darauf gerichtet ist, Unterbringungen zu verhindern, die entsprechenden Tarifmerkmale nicht erfüllen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

Das Gericht hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.  

VorschriftenEntgeltgruppe S 14 des Anhangs C (VKA) zum TVöD-BT-V

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