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01.02.2012 · IWW-Abrufnummer 120424

Finanzgericht Köln: Urteil vom 13.10.2011 – 13 K 2582/07

Es ist für die Anwendung des § 166 AO unerheblich, dass der als gesetzlicher Vertreter Haftende im Klageverfahren gegen den Steuerbescheid nach § 351 AO, § 42 FGO mit Einwendungen gegen in einem Grundlagenbescheid getroffene und im Steuerbescheid als Folgebescheid umgesetzten Feststellungen ausgeschlossen war.


Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat der 13. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … ehrenamtliche Richterin … ehrenamtliche Richterin … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 13.10.2011 für Recht erkannt:
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte den Kläger als Geschäftsführer gemäß §§ 69, 34 der Abgabenordnung (AO) für Steuerschulden der A Holding GmbH der Jahre 1999 bis 2003 in Höhe von insgesamt 108.369,94 EUR in Haftung nehmen kann.
Der Kläger war seit der Gründung der A Holding GmbH (im Folgenden: A) im Jahr 1998 (UR-Nr. … für 1998 des Notars D, B, vom 6. Februar 1998) bis zu ihrer Löschung im Jahr 2006 ihr alleinvertretungsberechtigter und von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) befreiter Geschäftsführer. Satzungsmäßiger Gegenstand des Unternehmens der A war die Verwaltung ihres Vermögens, insbesondere die Beteiligung an anderen Unternehmen und/oder die Übernahme der Geschäftsführung von anderen Unternehmen.
Die A war in den Jahren ab 1999 an verschiedenen Personenhandelsgesellschaften als jeweils einzige Kommanditistin beteiligt, so an der A Consulting GmbH & Co. KG, C, an der A Systemhaus GmbH & Co. KG, B (später E), an der F GmbH & Co. KG, B, und an der G Systems GmbH & Co. KG, H.
Für die A wurden keine Steuererklärungen oder Jahresabschlüsse beim zuständigen Festsetzungsfinanzamt B (nach Sitzverlegung beim Beklagten) abgegeben. Das jeweils zuständige Festsetzungsfinanzamt erließ daher gegenüber der A unter Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 AO folgende Körperschaftsteuerbescheide:
1. Körperschaftsteuer 1999
Am 30. März 2001 erließ das Finanzamt B für 1999 einen auf Null DM lautenden Körperschaftsteuerbescheid, in dem es das Einkommen der A auf Null DM schätzte. Mit Bescheid vom 14. August 2001 änderte das Finanzamt B den Bescheid gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO und berücksichtigte aufgrund eines Feststellungsbescheids des Finanzamts C vom 13. Juli 2001 Beteiligungseinkünfte der A aus der Beteiligung an der A Consulting GmbH & Co. KG in Höhe von 70.000 DM.
2. Körperschaftsteuer 2000
Am 10. Dezember 2001 erließ das Finanzamt B unter Schätzung eines Einkommens von Null EUR einen auf Null EUR lautenden Körperschaftsteuerbescheid für 2000. Mit Bescheid vom 14. November 2002 änderte das Finanzamt B den Körperschaftsteuerbescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO und berücksichtigte aufgrund von Feststellungsbescheiden des Finanzamts C (vom 15. Mai 2002) und des Finanzamts B (vom 4. September 2002 und vom 24. Oktober 2002) Einkünfte aus der Beteiligung an der A Consulting GmbH & Co. KG in Höhe von 95.000 DM, an der A Systemhaus GmbH & Co. KG in Höhe von 7.500 DM und an der F GmbH & Co. KG in Höhe von 20.000 DM. Der Änderungsbescheid wurde durch Aushang vom 26. November 2002 bis zum 17. Dezember 2002 öffentlich zugestellt, da der Aufenthaltsort der A unbekannt (vormals J-Straße …, B) und Zustellungsversuche durch die Post sowie Ermittlungen des Aufenthaltsorts ergebnislos geblieben seien. Nach Änderung des Feststellungsbescheids hinsichtlich der Beteiligung an der F GmbH & Co. KG (nunmehr ./. 2.500 DM) vom 2. September 2004 änderte der Beklagte den Körperschaftsteuerbescheid am 6. Oktober 2004 wiederum nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ab.
3. Körperschafteuer 2001
Mit Bescheid ebenfalls vom 14. November 2002 setzte das Finanzamt B unter Schätzung der Besteuerungsgrundlagen die Körperschaftsteuer 2001 fest. Es schätzte entsprechend der Schätzung des Jahres 2000 ausschließlich Beteiligungseinkünfte in Höhe von 122.500 DM. Der Bescheid wurde ebenfalls durch Aushang vom 26. November 2002 bis zum 17. Dezember 2002 öffentlich zugestellt. Am 16. Oktober 2003 erging ein Feststellungsbescheid des Finanzamts B, wonach der A Beteiligungseinkünfte in Höhe von 25.000 DM aus der Beteiligung an der F GmbH & Co. KG zuzuordnen waren. Der Körperschaftsteuerbescheid 2001 wurde mit Bescheid vom 6. Oktober 2004 lediglich dahingehend geändert, dass angefallene Säumniszuschläge von 3.630 EUR angesetzt wurden.
4. Körperschaftsteuer 2002
Mit Bescheid vom 20. April 2004 setzte das Finanzamt B unter Schätzung von Beteiligungseinkünften in Höhe von 73.500 EUR die Körperschaftsteuer 2002 fest. Bei der Schätzung berücksichtigte das Finanzamt B einen Feststellungsbescheid vom 10. April 2000, wonach der A Beteiligungseinkünfte in Höhe von 15.000 EUR aus der Beteiligung an der F GmbH & Co. KG zuzuordnen waren. Der Körperschaftsteuerbescheid 2002 wurde wiederum durch Aushang vom 20. April 2004 bis zum 17. Mai 2004 öffentlich zugestellt. Mit Feststellungsbescheiden des Finanzamts B vom 10. Januar 2005 und des Finanzamts H vom 19. April 2004 wurden der A Einkünfte aus der Beteiligung an der G Systems GmbH & Co. KG in Höhe von 13.000 EUR und an der F GmbH & Co. KG in Höhe von 15.000 EUR zugeordnet.
Durch Änderungsbescheid vom 6. Oktober 2004 ergänzte der Beklagte den Körperschaftsteuerbescheid 2002 lediglich um angefallene Säumniszuschläge in Höhe von 774 EUR.
5. Körperschaftsteuer 2003
Mit Bescheid vom 6. Oktober 2004 setzte der Beklagte die Körperschaftsteuer 2003 fest. Dabei berücksichtigte er ausschließlich Einkünfte aus der Beteiligung an der G Systems GmbH & Co. KG in Höhe von 21.500 EUR, die durch Bescheid des Finanzamts H vom 19. April 2004 festgestellt worden waren. Ein Feststellungsbescheid des Finanzamts E vom 6. September 2005 über Einkünfte aus der Beteiligung an der A Systemhaus GmbH & Co. KG in Höhe von 5.000 EUR führte nicht mehr zu einer Änderung des Körperschaftsteuerbescheids.
Einsprüche sowie Klagen gegen die Körperschaftsteuerbescheide 2000 bis 2002 blieben erfolglos (rechtskräftiges Urteil des FG Köln vom 28. April 2005 13 K 694/05). Die Klage vor dem FG Köln gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2003 (13 K 1755/05) wurde zurückgenommen.
Zahlungen auf die festgesetzten Steuern erfolgten durch die A nicht. Am 14. April 2004 beantragte der Beklagte beim Amtsgericht B die Löschung der A im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit.
Am 28. November 2005 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er beabsichtige, ihn als Geschäftsführer für die Steuerschulden der A in Haftung zu nehmen und übersandte ihm einen Berechnungsbogen zur Ermittlung der Haftungssumme, ein Merkblatt sowie eine Aufstellung der Steuerrückstände. Er bat um konkrete Angaben über Eigenmittel, Entwicklung der Verbindlichkeiten und Steuerschulden im Haftungszeitraum vom 17. September 2001 bis zum 28. November 2005.
Der Kläger reagierte auf die Haftungsanfrage nicht.
Mit Haftungsbescheid vom 20. Januar 2006 nahm der Beklagte den Kläger für Steuerschulden (Körperschaftsteuer 1999 bis 2003 einschließlich steuerlicher Nebenleistungen sowie Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer 1999) in Höhe von insgesamt 108.369,94 EUR in Haftung. Wegen der Zusammensetzung der Haftungssumme wird auf die Anlagen zum Haftungsbescheid und zur Haftungsanfrage verwiesen.
Der Beklage begründete die Inhaftungnahme damit, dass der Kläger nach dem Gesellschaftsvertrag vom 6. Februar 1998 Geschäftsführer der A gewesen sei. Als solcher sei er verpflichtet gewesen, die steuerlichen Pflichten der A zu erfüllen, insbesondere die fälligen Steuern zu entrichten. Steuererklärungen seien aber auch nach Schätzung nicht eingereicht worden und Steuerbeträge nicht bezahlt worden. Diese Pflichtverletzungen seien mindestens als grob fahrlässig anzusehen und ursächlich für den Steuerausfall.
Da der Kläger auf die Haftungsanfrage nicht reagiert und etwaige entschuldigende Gründe nicht vorgetragen habe, sei davon auszugehen, dass Mittel zur Begleichung der Steuerschulden vorgelegen hätten. Die Haftungsquote sei daher mit 100% zu schätzen. Vollstreckungsmaßnahmen gegenüber der A seien ohne Erfolg geblieben.
Gegen den Haftungsbescheid hat der Kläger am 20. Februar 2006 Einspruch eingelegt.
Zur Begründung trug er vor, bei der A handele es sich um eine reine Holdinggesellschaft, deren ausschließlicher Zweck das Halten von Geschäftsbeteiligungen an anderen Gesellschaft sei. Die dem Haftungsbescheid zugrunde liegenden Steuern beruhten ausschließlich auf Schätzungsbescheiden, die wiederum ihre Grundlage in ebenfalls geschätzten Feststellungsbescheiden gegenüber den Beteiligungsgesellschaften hätten. Die A habe neben dem Halten der Beteiligungen keinen eigenen Geschäftsbetrieb und keine weitere Einkunftsquelle gehabt. Die in den Gewinnfeststellungsbescheiden geschätzten Gewinne der Tochtergesellschaften seien weder tatsächlich angefallen, noch an die A ausgekehrt worden. Beteiligungserträge seien ihr nie überwiesen worden. Die Körperschaftsteuerbescheide seien ihm, da sie öffentlich zugestellt worden waren, tatsächlich nie bekannt gegeben worden. Der Körperschaftsteuerbescheid 1999 sei ihm ebenfalls nicht zugegangen.
Die Haftung sei ausgeschlossen, da die A niemals über die Mittel zur Tilgung der vermeintlichen Steuerschulden verfügt habe. Der unterstellte Steuerschaden sei daher nicht kausal auf eine eventuelle Pflichtverletzung des Klägers zurückzuführen. Dem Beklagten sei die Vermögenslage der A auch bekannt gewesen. Er habe bereits am 14. April 2004 die Löschung der A wegen Vermögenslosigkeit beantragt.
Eine Pflichtverletzung des Klägers liege schon deshalb nicht vor, weil ihm die entsprechenden Körperschaftsteuerbescheide nicht bekannt gewesen seien. Die Steuerbescheide seien zwar durch öffentliche Zustellung der A gegenüber wirksam geworden. Eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers setze aber positive Kenntnis von den Steuerschulden voraus. An dieser fehle es. Zudem habe der Geschäftsführer versucht, die steuerliche Situation aufzuklären, als ihm bekannt wurde, dass es zu den Schätzungsbescheiden gekommen war.
Die Klageverfahren vor dem FG Köln hätten nicht zum Erfolg führen können, da der Kläger nicht einspruchsbefugt gewesen sei (§ 352 AO).
Die A Consulting GmbH & Co. KG sei nur von Herbst 1999 bis Frühjahr 2000 aktiv gewesen, Gewinne in den Folgejahren hätten nicht erzielt werden können.
Auch eine vorrangige Befriedigung anderer Gläubiger sei nicht erfolgt. Andere Gläubiger habe die A mangels eigener Tätigkeit nicht gehabt.
Der Haftungszeitraum beginne nicht mit dem 17. September 2001, sondern mit dem 17. Oktober 2001.
Am 2. März 2006 beantragte der Beklagte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A. Die A wurde am 6. Oktober 2006 wegen Vermögenslosigkeit gemäß dem damals geltenden § 141a Abs. 1 des Gesetzes über die Freiwillige Gerichtsbarkeit im Handelsregister (HRB … des AG B) gelöscht.
Den Einspruch gegen den Haftungsbescheid wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 4. Juni 2007 zurück.
Der Kläger habe als Geschäftsführer für die A weder Steuererklärungen eingereicht noch festgesetzte Steuern entrichtet. Mit seinen Einwendungen gegen die Höhe der Steuern könne er gemäß § 166 AO nicht gehört werden.
Spätestens im Einspruchsverfahren hätte er den Berechnungsbogen zur Ermittlung der Haftungsquote ausfüllen und einreichen müssen. Die bloße Behauptung, die A habe als reine Holdinggesellschaft weder über Gewinnanteile noch über Vermögen verfügen könne, reiche nicht aus, um von einer Haftung abzusehen. Es hätten zumindest Bilanzen nebst GuV vorgelegt werden müssen, um diese Behauptungen zu überprüfen. Auch habe der Kläger nicht dargelegt, inwieweit die Gesellschafter zur Entnahme von Mitteln berechtigt gewesen seien. Der Kläger hätte, als die A die Beteiligungen erwarb, darauf drängen können, dass die Tochtergesellschaften der A dieser wenigstens die Mittel zur Tilgung der Steuern zur Verfügung stellen. Es könne nicht zu Lasten des Fiskus gehen, wenn entsprechende Gewinnanteile nicht entnommen würden bzw. werden dürften. Ggfs. hätte der Kläger die Beteiligungen an den Tochtergesellschaften beleihen oder veräußern müssen.
Da der Kläger bei der Ermittlung der Haftungsquote nicht mitgewirkt habe, könne diese geschätzt werden.
Der Haftungszeitraum beginne am 17. September 2001, da hier die Nachzahlung aus dem Körperschaftsteuerbescheide 1999 vom 14. August 2001 erstmals fällig geworden sei.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 4. Juli 2007 Klage erhoben, mit der er weiterhin die Aufhebung des Haftungsbescheids begehrt.
Zur Begründung wiederholt und ergänzt er sein Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren. In der mündlichen Verhandlung erläutert er die hinter der Gründung der Tochtergesellschaften stehende Geschäftsidee. So hätten an verschiedenen Standorten in Deutschland …-Systemhäuser errichtet werden sollen. Hierzu habe er Geschäftspartner an den verschiedenen Standorten gesucht und mit diesen die Tochtergesellschaften gegründet. Die Tochtergesellschaften hätten …-Dienstleistungen (…-Consulting) erbringen sowie den Handel mit … betreiben sollen.
Die A habe allein als Holdinggesellschaft fungiert. Faktisch habe es bei der A keine steuerpflichtigen Einkünfte gegeben, die zu einer materiellen Steuerpflicht hätten führen können. Die Tochtergesellschaft A Consulting GmbH & Co. KG habe ihre Tätigkeit im Jahr 2000 eingestellt und habe gelöscht werden sollen. Die Tochtergesellschaft A Systemhaus GmbH & Co. KG sei am 27. Januar 2004 gelöscht worden. Auf die übrigen Tochtergesellschafte befänden sich in der Abwicklung oder sollten gelöscht werden. Gewinne hätten sie nicht erzielt (Beweis: schriftliche Stellungnahme des Klägers im Insolvenzeröffnungsverfahren, Bl. 36 ff. d.A.). Der vorläufige Insolvenzverwalter habe dies überprüft. Die A habe ausweislich ihrer im Klageverfahren vorgelegten Bilanzen für die Jahre 2001 bis 2006 keine nennenswerten Ergebnisse erzielt, die einer Körperschaftsteuerpflicht unterlegen haben könnten. Die Bilanzen seien aus der Buchführung der A entwickelt worden. Liquide Mittel seien nicht vorhanden gewesen.
Diese Bilanzen weisen folgende wesentlichen Werte aus:

2001 (DM)2002(EUR)2003 (EUR)2004 (EUR)2005 (EUR)
Beteiligungen118.75065.71570.71570.71570.715
Ausleihungen34.09151.230180.243254.202254.202
Kasse6.36463.08610.1741.1911.118
Verbindlichkeiten64.289131.670211.670276.670276.670
sonst. Rückstell.010.00019.20129.20129.201
Jahresfehlbetrag1.51910.16710.01810.02373
Erlöse00000
versch. Kosten1.51910.16710.01810.02373
Mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2011 bot der Kläger an, das Fehlen von liquiden Mitteln im Haftungszeitraum durch Vorlage von Kontoauszügen des einzigen Bankkontos der A bei der K-Bank, Konto-Nr. …, nachzuweisen. Allerdings könne er die Kontoauszüge aktuell nicht vorlegen. Er könne versichern, dass die Kontoauszüge in einem Stahlschrank in einer Halle in L (M-Straße …) aufbewahrt worden seien. Von den damaligen Vermietern sei Räumungsklage erhoben worden, die abgewiesen worden sei. Dennoch habe der Kläger die Halle später geräumt vorgefunden. Er bemühe sich um Wiederbeschaffung des Stahlschranks. Außerdem erwäge er, die Kontoauszüge bei der Bank reproduzieren zu lassen. Dies dauere aber vier bis sechs Wochen. Aus diesem Grund beantrage er, die auf den 13. Oktober 2011 anberaumte mündliche Verhandlung aufzuheben.
Auch aus dem im Klageverfahren vorgelegten Berechnungsbogen ergebe sich, dass eine Haftungssumme nicht besteht. Die A habe kein operatives Geschäft betrieben, keine Lieferungen oder Leistungen erbracht oder bezogen und keine Arbeitnehmer beschäftigt. Der Kläger sei unentgeltlich für die A tätig gewesen. Zumindest seien keine Zahlungen auf Verbindlichkeiten geleistet worden. Die A habe lediglich auf Weisung von anderen Beteiligungsunternehmen gewährte Darlehen an verbundene Unternehmen weitergereicht.
Auf die vom Beklagten behauptete Pflichtverletzung komme es nicht an, da die A zu keinem Zeitpunkt die vermeintlichen Steuerschulden hätte begleichen können, was dem Beklagten bekannt gewesen sei. Der Insolvenzantrag sei mangels Masse abgelehnt worden. Der Beklagte könne nicht einfach behaupten, der Kläger habe darauf drängen können, dass die Tochtergesellschaften ihm die Mittel zur Begleichung der vermeintlichen Steuerschulden zur Verfügung hätten stellen müssen.
Die Kommanditeinlage auf die im April 2005 erworbene Beteiligung an der Tochtergesellschaft A GmbH & Co. KG habe die A nicht erbracht.
Eine für einen Steuerschaden kausale Pflichtverletzung des Klägers sei nicht zu erkennen. Daraus, dass er sich die bestandskräftigen Steuerbescheide gegenüber der A ggfs. gemäß § 166 AO entgegenhalten lassen müsse, könne nicht auch gefolgert werden, dass der A die in den Bescheiden ausgewiesenen Beteiligungserträge auch tatsächlich zugeflossen seien. Dies sei tatsächlich nicht der Fall.
Aber auch die Höhe der Steuerschulden müsse sich der Kläger nicht gemäß § 166 AO entgegenhalten lassen. In seiner Funktion als Geschäftsführer der A seien ihm Bescheide über Beteiligungseinkünfte oder die internen ESt4B-Mitteilungen niemals zugegangen. Die Feststellungsbescheide seien lediglich den Beteiligungsgesellschaften gegenüber bekannt gegeben worden. Vor Mitte Oktober 2004 seien ihm vermeintliche Steuerforderungen nicht bekannt gewesen. Er sei nie in der Lage gewesen, die Steuerbescheide gegenüber der A anzufechten.
Der Kläger beantragt,
den Haftungsbescheid vom 20. Januar 2006 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 4. Juni 2007 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass eine Haftung für 1999 entfällt.
Mit Ausnahme der Haftung für die das Jahr 1999 betreffenden Steuerschulden der A hält er an seiner im Haftungsbescheid und in der Einspruchsentscheidung vertretenen Rechtsauffassung fest.
Der Kläger müsse die Steuerfestsetzungen gegenüber der A gemäß § 166 AO gegen sich gelten lassen. Weder im Einspruchs- noch in den Klageverfahren vor dem Finanzgericht Köln (13 K 694/05 und 13 K 1755/05) seien für die A Bilanzen eingereicht worden. Der Kläger habe nicht glaubhaft dargelegt, dass keine liquiden Mittel vorhanden waren. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die im vorliegenden Klageverfahren vorgelegten Bilanzen nicht unterschrieben seien. Nach Löschung der A könnten Bilanzen nur noch durch den Nachtragsliquidator erstellt werden. Es bestünden erhebliche Zweifel an den eingereichten Wertansätzen. Auch sei vor dem Hintergrund, dass in allen Jahren der Vergangenheit die Besteuerungsgrundlagen der A geschätzt werden mussten, zu bezweifeln, dass die vorgelegten Bilanzen einer Buchführung der A entstammen. Dem nachgereichten Berechnungsbogen zur Ermittlung der Haftungsquote könne daher nicht gefolgt werden.
Der Senatsvorsitzende hat den Antrag des Klägers auf Terminsverlegung vom 7. Oktober 2011 am 10. Oktober 2011 abgelehnt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zum Teil begründet.
Der Haftungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO), soweit der Beklagte den Kläger für Steuerschulden der A des Jahres 1999 in Haftung genommen hat. Der Inhaftungnahme insoweit steht die Verjährung der Haftungsansprüche entgegen (I.). Im Übrigen ist der Haftungsbescheid rechtmäßig (II.).
I. Gemäß § 191 Abs. 3 AO sind die Vorschriften über die Festsetzungsfrist auf den Erlass von Haftungsbescheiden entsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsfrist beträgt danach grundsätzlich vier Jahre, in den Fällen des § 70 AO bei Steuerhinterziehung zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre, in den Fällen des § 71 AO zehn Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft. Ist die Steuer, für die gehaftet wird, noch nicht festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfristen; andernfalls gilt § 170 Abs. 10 AO sinngemäß.
Hieraus ergibt sich, dass im Zeitpunkt des Erlasses des Haftungsbescheids am 20. Januar 2006 eine Inhaftungnahme für Steuerschulden der A des Jahres 1999 unabhängig von der Art der Pflichtverletzung bereits wegen Verjährung etwaiger Haftungsansprüche nicht erfolgen durfte.
Der Beklagte stützt die Haftung des Klägers im Haftungsbescheid sowohl auf die Verletzung der Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen als auch auf die Verletzung der Zahlungspflicht.
Stellt man auf die Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen ab, so wäre die Körperschaftsteuererklärung 1999 gemäß § 149 Abs. 2 Satz 1 AO spätestens zum 31. Mai 2000 abzugeben gewesen, so dass zu diesem Zeitpunkt der Haftungstatbestand erfüllt war. Die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid begann daher gemäß § 191 Abs. 3 Satz 3 AO am 31. Dezember 2000, denn die Anlaufhemmung für die Erstschuld gemäß § 170 Abs. 2 AO wirkt sich für die Haftungsschuld erst bei der Ablaufhemmung aus (vgl. die Nachweise bei Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Stand: 2/2011, § 191 AO Rz 70) Die Festsetzungsfrist endete gemäß § 191 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 168 Abs. 2 Nr. 2 AO am 31. Dezember 2004. Die Ablaufhemmung steht dem nicht entgegen, da die Körperschaftsteuer 1999 mit Bescheid vom 14. August 2001 festgesetzt wurde und die Ablaufhemmung damit (§ 191 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 i.V.m. § 171 Abs. 10 AO) lediglich bis zum 17. August 2003 lief.
Stellt man dagegen für die Haftung des Klägers auf die unterlassene Zahlung der festgesetzten Körperschaftsteuer 1999 ab, so wäre die Steuerschuld bei Fälligkeit am 14. September 2001 zu zahlen gewesen. Die Festsetzungsfrist begann danach am 31. Dezember 2001 und endet am 31. Dezember 2005. Die Ablaufhemmung ist wiederum irrelevant.
Hiernach konnte der Beklagte den Klägern aus Gründen der Verjährung frühestens für Steuerschulden der A ab dem Jahr 2000 in Haftung nehmen.
Der Beklagte hat sich der Auffassung des Gerichts insoweit angeschlossen und in der mündlichen Verhandlung einen entsprechend eingeschränkten Klageabweisungsantrag gestellt.
II. Die weitergehende Klage ist unbegründet.
Der Beklagte hat den Kläger zu Recht durch Haftungsbescheid als Geschäftsführer der A gemäß §§ 69, 34 i.V.m. § 191 AO für die Steuerschulden der A der Jahre 2000 bis 2003 in Haftung genommen.
Nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner). Nach § 69 Satz 1 AO haften u.a. die in § 34 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO) in Folge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Die Haftung umfasst nach § 69 Satz 2 AO auch die in Folge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AO haben die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Nach § 34 Abs. 1 Satz 2 AO haben sie insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.
Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Inanspruchnahme durch Haftungsbescheid erfolgt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung zweigliedrig. Das FA hat zunächst zu prüfen, ob in der Person oder den Personen, die es heranziehen will, die tatbestandlichen Voraussetzungen der Haftungsvorschrift erfüllt sind. Dabei handelt es sich um eine vom Gericht in vollem Umfang überprüfbare Rechtsentscheidung. Daran schließt sich die nach § 191 Abs. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung des FA an, ob und wen es als Haftenden in Anspruch nehmen will. Diese auf der zweiten Stufe zu treffende Entscheidung ist gerichtlich nur im Rahmen des § 102 FGO auf Ermessensfehler (Ermessensüberschreitung, Ermessensfehlgebrauch) überprüfbar (BFH-Urteile vom 13. Juni 1997 VII R 96/96, BFH/NV 1998, 4; vom 29. September 1987 VII R 54/84, BFHE 151, 111, BStBl II 1988, 176; vom 11. März 2004 VII R 52/02, BFHE 205, 14, BStBl II 2004, 579).
1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Inhaftungnahme gemäß §§ 69, 34 AO sind hiernach erfüllt.
a) Der Kläger war als Geschäftsführer der A gemäß § 35 Abs. 1 des Gesetzes über die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbHG) a.F. gesetzlicher Vertreter der A. Als solcher war er gemäß § 34 Abs. 1 AO verpflichtet, deren steuerlichen Pflichten zu erfüllen, insbesondere die Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe von zutreffenden Steuererklärungen sowie zur Entrichtung der Steuern aus den von ihm verwalteten Mitteln der A. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.
b) Die der Haftung zugrunde liegenden Steuern der A bestehen in der im Haftungsbescheid ausgewiesenen Höhe, der Kläger kann mit seinen gegen die Höhe der Steuerschulden vorgebrachten Einwendungen nicht gehört werden.
aa) Der Haftungsschuldner, gegen den nach § 191 Abs. 1 AO ein Haftungsbescheid erlassen worden ist, kann aufgrund der Akzessorietät der Steuerschuld für die Haftungsschuld im Haftungsverfahren nicht nur gegen die Haftungsschuld Einwendungen vorbringen, sondern grundsätzlich auch Einwendungen gegen die Steuerschuld erheben, für die er als Haftender in Anspruch genommen wird (sog. Erstschuld oder Primärschuld). Er kann insbesondere rügen, die Primärschuld bestehe dem Grunde oder der Höhe nach nicht oder nicht mehr (vgl. Beschluss des BVerfG vom 29. November 1996 2 BvR 1157/93, BStBl II 1997, 415 mit Hinweisen auf die ältere Rechtsprechung des BFH sowie die ältere Literatur; vgl. auch die aktuellen Nachweise bei Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 191 Rz 132).
Dieser Grundsatz wird durchbrochen durch die Regelung des § 166 AO. Gemäß § 166 AO hat eine gegenüber dem Steuerpflichtigen unanfechtbar festgesetzte Steuer neben einem Gesamtrechtsnachfolger auch derjenige gegen sich gelten zu lassen, der in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten. § 166 AO ist eine Vereinfachungsnorm. Das Haftungsverfahren soll dem von § 166 AO erfassten Haftungsschuldner keine erneute Überprüfungsmöglichkeit hinsichtlich der Steuerfestsetzungen verschaffen, weil er bereits zur Anfechtung der Steuerfestsetzung befugt war oder diese bereits – erfolglos – angefochten hat (vgl. hierzu bereits BFH-Urteil vom 28. Juli 1966, V 64/64, BStBl III 1966, 610 zur Vorgängervorschrift § 119 Abs. 2 AO a.F.). Sofern § 166 AO eingreift, soll daher das Haftungsverfahren von den Fragen der materiellen Richtigkeit der Steuerfestsetzungen befreit werden. Insoweit dient § 166 AO der Vereinfachung der Verfahrensabläufe. Hierdurch erleidet der Haftungsschuldner keinen Rechtsverlust, da er sich der Möglichkeit der Einlegung eines formellen Rechtsbehelfs selbst begeben hat.
bb) Hiernach kann der Kläger im vorliegenden Haftungsverfahren mit seinen Einwendungen gegen die Höhe der Steuerschulden der A nicht gehört werden, die Voraussetzungen des § 166 AO sind erfüllt.
Als Geschäftsführer war der Kläger in der Lage, die gegen die A ergangenen Bescheide als Vertreter der A anzufechten. Die Bescheide über Körperschaftsteuer für die Jahre 2000 bis 2003 sind – formell wie materiell – bestandskräftig geworden. Die vom Kläger in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der A geführten Klageverfahren vor dem FG Köln blieben erfolglos; die Klage gegen die Körperschaftsteuerbescheide 2000 bis 2002 hat das FG Köln unter Hinweis auf § 351 AO (2000) bzw. unter Bestätigung der Schätzung des Beklagten dem Grunde und der Höhe nach (2001 und 2002) abgewiesen (Urteil vom 28. April 2005 13 K 694/05), die Klage gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2003 (13 K 1755/05) hat der Kläger für die A in der mündlichen Verhandlung am 28. April 2005 zurückgenommen.
cc) Gegen die Bindungswirkung der Körperschaftsteuerbescheide 2000 bis 2003 gemäß § 166 AO kann der Kläger nicht geltend machen, dass er zur Anfechtung der Körperschaftsteuerbescheide gegen die A nicht in der Lage gewesen sei, weil es sich bei den Körperschaftsteuerbescheiden um Folgebescheide zu Feststellungsbescheiden gegenüber den Tochterpersonengesellschaften gehandelt habe und er gegen die Feststellung der Beteiligungseinkünfte im Klageverfahren gegen die Körperschaftsteuerbescheide gemäß § 351 AO, § 42 FGO nicht mehr gehört worden sei. Der erkennende Senat folgt dieser Rechtsauffassung des Klägers nicht.
„In der Lage sein” im Sinne des § 166 AO meint die rechtliche Befugnis zur Anfechtung der Steuerfestsetzung, nicht die tatsächliche Möglichkeit (bspw. BFH-Urteil vom 20. Januar 1998 VII R 80/97, BFH/NV 1998, 814; BFH-Beschluss vom 30. Dezember 1998 VII B 168/98, BFH/NV 1999, 1064; Rüsken in Klein, Abgabenordnung, 10. Aufl., § 166 Rz 7; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 166 Rz 14; Buciek in Beermann/Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Stand Mai 2008, § 166 AO Rz 27). Entscheidend ist damit nicht, ob der Vertreter die Steuerfestsetzung verfahrensrechtlich wirksam anfechten konnte, sondern ob er aufgrund seines Vertretungsverhältnisses zur Anfechtung befugt, mithin zu ihr rechtlich in der Lage war (Kruse, a.a.O., Rz 21). § 166 AO ist dann nicht anwendbar, wenn rechtliche Bindungen im Innenverhältnis den Vertreter an der Einlegung eines Rechtsbehelfs behindert haben (vgl. Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Stand November 2005, § 166 AO Rz 11 m.w.N.). Dass aber der Kläger als Geschäftsführer aufgrund seines gesetzlichen Vertretungsverhältnisses zur Anfechtung der Körperschaftsteuerbescheide befugt war, steht außer Frage.
Es ist dagegen für die Frage der Drittwirkung gemäß § 166 AO unerheblich, ob der als gesetzlicher Vertreter Haftende im Klageverfahren gegen den Steuerbescheid gemäß § 351 AO, § 42 FGO mit Einwendungen gegen in einem Grundlagenbescheid getroffene und im Steuerbescheid als Folgebescheid umgesetzten Feststellungen ausgeschlossen war. Die Drittwirkung gemäß § 166 AO gilt für alle unanfechtbaren Steuerfestsetzungen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Steuerfestsetzung eine erstmalige verbindliche Regelung trifft oder aber eine verbindliche Regelung aus einem Grundlagenbescheid gemäß § 182 Abs. 1 Satz 1 AO übernimmt. Für eine derartige Differenzierung lässt der Gesetzeswortlaut keinen Raum.
Daneben erfordert § 166 AO nur, dass der Betroffene in der Lage war, die Steuerfestsetzung anzufechten. Nicht dagegen gehört zum gesetzlichen Tatbestand, dass der Betroffene weitergehend auch in der Lage gewesen sein musste, sämtliche Grundlagenbescheide anzufechten, deren verbindliche Feststellungen gemäß § 182 Abs. 1 FGO in der Steuerfestsetzung übernommen wurden. Eine solche Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 166 AO, für die der Wortlaut der Regelung ebenfalls keinen Anhaltspunkt bietet, wäre nicht sachgerecht und auch vom Vereinfachungszweck der Vorschrift nicht gedeckt. § 166 AO bezweckt aus Gründen der Praktikabilität die Vereinfachung des Haftungsverfahrens dadurch, dass das Haftungsverfahren von solchen Fragen befreit wird, hinsichtlich derer bereits ein gerichtliches oder außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren geführt oder ein solches bewusst unterlassen wurde. In Fällen wie dem vorliegenden besteht ein praktisches Bedürfnis dafür, dass im Haftungsverfahren bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 166 AO hinsichtlich des Steuerbescheids die Höhe der Primärschuld auch dann nicht geprüft wird, wenn die Steuerfestsetzung – ggfs. teilweise – auch auf vorangegangenen Feststellungsbescheiden beruht. Insbesondere bei mehrstufigen Beteiligungsverhältnissen wäre eine verlässliche Ermittlung von – ggfs. mehrstufigen – Beteiligungserträgen kaum zu leisten.
Es besteht aber auch im Hinblick auf das verfassungsrechtlich garantierte Gebot des effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) und dem hieraus abgeleiteten Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, kein Bedürfnis dazu, Einwendungen des von § 166 AO betroffenen Haftenden gegen dem unanfechtbaren Steuerbescheid vorangegangene Feststellungsbescheide im Haftungsverfahren zuzulassen. Denn der von § 166 AO betroffene Haftende wird insoweit der von ihm vertretenen Kapitalgesellschaft gleichgestellt. Auch diese kann sich, wenn sie wie im vorliegenden Streitfall als Kommanditistin nicht zur Vertretung berufene Gesellschafterin einer Personengesellschaft ist, gemäß § 352 Abs. 1 AO, § 48 Abs. 1 FGO grundsätzlich gegen die gesellschaftsbezogenen Feststellungen im Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung gemäß §§ 179, 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) AO nicht wehren und gemäß § 351 Abs. 2 AO, § 42 FGO entsprechende Einwendungen auch nicht im Verfahren gegen den ihr gegenüber erlassenen Folgebescheid erheben. Die Bindungswirkung einer einheitlichen und gesonderten Feststellung ohne Möglichkeit, sich gegen diese durch Einlegung eines eigenen Rechtsbehelfs wehren zu können, sondern insoweit auf die Rechtsmitteleinlegung durch einen zur Vertretung berufenen Geschäftsführer angewiesen zu sein, trifft jeden nicht geschäftsführend an einer Personengesellschaft Beteiligten. Gegen diese Einschränkung der persönlichen Einspruchs- bzw. Klagebefugnis bestehen nach ständiger Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteile vom 8. Oktober 1957 I 32/57 U, BFHE 65, 529, BStBl III 1957, 436 und vom 7. Februar 1975 III R 41/74, BFHE 115, 176, BStBl II 1975, 495; BFH-Beschlüsse vom 19. Juni 1990 VIII B 3/89, BFHE 161, 404, BStBl II 1990, 1068 und vom 26. Januar 2000 IV B 134/98, BFH/NV 2000, 1104), der der erkennende Senat folgt, keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie findet ihre Rechtfertigung darin, dass die prozessuale Stellung eines Kommanditisten – oder eines anderen nicht zur Vertretung berufenen Gesellschafters – lediglich Reflex seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung ist, in die er sich durch Abschluss des Gesellschaftsvertrags freiwillig begeben hat. Er hat die Möglichkeit, auf die Prozessführung des geschäftsführenden Gesellschafters Einfluss zu nehmen; ist er mit dieser nicht Einverstanden, ist er letztlich auf interne Ansprüche gegen den geschäftsführenden Mitgesellschafter zu verweisen (vgl. auch v. Groll in Gräber, FGO, § 48 Rz 7; Brockmeyer in Klein, AO, § 352, Rz 3; auch der Gesetzgeber hatte dies beim Entwurf einer geplanten Vorgängervorschrift bereits erkannt, vgl. Bundestags-Drucksache VI/1982 zu § 335 AO).
Diese Rechtfertigung ist auf den von § 166 AO betroffenen Geschäftsführer eine Kapitalgesellschaft, die als Kommanditistin an einer Kommanditgesellschaft beteiligt ist, zu übertragen. Es besteht kein Erfordernis, diesem einen gegenüber der von ihm vertretenen Kapitalgesellschaft erweiterten Rechtsschutz zuzubilligen. Die Tatsache, dass der Kläger und die von ihm vertretene A nicht Beteiligte der Feststellungsverfahren der Tochtergesellschaften waren, steht einer Bindung an die Körperschaftsteuerbescheide im Haftungsverfahren nicht entgegen.
Aus diesem Grund kann der Senat offen lassen, ob die der Haftung zugrunde liegenden Steuern nicht bereits aufgrund der bestandskräftigen Feststellungsbescheide der Höhe nach materiell richtig sind.
dd) Das Gericht folgt dem Kläger auch nicht in seiner Auffassung, er sei bereits deswegen nicht in der Lage gewesen, die Körperschaftsteuerbescheide gegen die A erfolgreich anzufechten, weil ihm diese Bescheide in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer niemals bekannt gegeben, sondern öffentlich zugestellt worden seien. Denn zum einen kommt es, wie bereits ausgeführt, nicht darauf an, dass der von der Bindungswirkung gemäß § 166 AO betroffene die tatsächliche Möglichkeit zur Anfechtung hatte, sondern dass er rechtlich zur Anfechtung befugt war. Zum anderen hat der Kläger die Bescheide auch tatsächlich, wenn auch erfolglos, angefochten. Die erfolglose Anfechtung eines Steuerbescheids steht im Rahmen des § 166 einer unterlassenen Anfechtung gleich. Das FG Köln hat seine klageabweisende Entscheidung dabei nicht auf eine – denkbare – Fristversäumnis, sondern auf die Bindungswirkung von Grundlagenbescheiden (§ 351 AO, § 42 FGO) gestützt und im Übrigen die Schätzung des Beklagten dem Grunde und der Höhe nach bestätigt.
ee) Vor dem Hintergrund des Zwecks der Regelung des § 166 AO erscheint es im vorliegenden Streitverfahren auch im Ergebnis nicht unangemessen, dass der Kläger mit den von ihm vorgebrachten pauschalen Einwendungen gegen die Höhe der Steuerschulden der A nicht gehört wird. So hat er durch die Sitzverlegung und die Adressänderung selbst die Ursache für die öffentliche Zustellung der Körperschaftsteuerbescheide gesetzt, hat im Klageverfahren gegen die Körperschaftsteuerbescheide keine Erklärungen oder Jahresabschlüsse vorgelegt und hat entgegen dem Vorbringen der Prozessbevollmächtigten gerade keine Versuche unternommen, die steuerlichen Sachverhalte aufzuklären. Er hat sich im Haftungsverfahren vielmehr auf den Vortrag beschränkt, die A habe als reine Holdinggesellschaft keinerlei Einkünfte erzielt. Sofern er vorgetragen hat, er als Geschäftsführer der A sei über die Ergebnisse der Tochtergesellschaften in Unkenntnis gelassen worden und habe keinen Einfluss darauf gehabt, dass die Geschäftsführer der Tochtergesellschaften ihrerseits keine Steuererklärungen in den Feststellungsverfahren abgeben hätten, ist dies nicht erheblich und aus Sicht des erkennenden Senats bereits nicht glaubhaft. Denn der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass er entscheidend hinter dem Aufbau des Netzes von Systemhäusern in Deutschland gestanden hätte und sich die Geschäftspartner für die Gründung der Tochtergesellschaften gesucht hätte. Insoweit erscheint es widersprüchlich, dass es ihm an jeder Form der Möglichkeit zur tatsächlichen Einflussnahme auf die Tochtergesellschaften gefehlt haben soll. Vielmehr ist im Ergebnis festzustellen, dass durch das gesamte Verhalten des Klägers eine zutreffende Besteuerung der A verhindert werden sollte.
c) Gegen die ihn als Geschäftsführer der A treffenden Pflichten hat der Kläger wenigstens grob fahrlässig verstoßen, indem er für die A zu keinem Zeitpunkt Steuererklärungen abgegeben und Steuerschulden der A aus den von ihm verwalteten Mitteln nicht entrichtet hat.
Die Pflichtwidrigkeit dieses Verhaltens indiziert im Allgemeinen wie auch im Streitfall zumindest die grobe Fahrlässigkeit (vgl. hierzu BFH-Beschlüsse vom 14. September 1999 VII B 33/99, BFH/NV 2000, 303; vom 25. Juli 2003 VII B 240/02, BFH/NV 2003, 1540; BFH-Urteil vom 13. März 2003 VII R 46/02, BStBl II 2003, 556). Grob fahrlässig in diesem Sinne handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt, anders formuliert, wer außer Acht lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BFH-Beschlüsse vom 7. März 1995 VII B 172/94, BFH/NV 1995, 941 m.w.N.; vom 4. April 1998 I B 116/96, BFH/NV 1998, 1460, 1462).
Der Kläger hat hiernach wenigstens grob fahrlässig weder Steuererklärungen für die A abgegeben noch die Steuern für die A entrichtet. Es sind keine Gründe für ein fehlendes Verschulden des Klägers erkennbar.
Hinsichtlich des Erklärungsverschuldens hat der Kläger keine entschuldigenden Gründe vorgetragen.
Beim Zahlungsverschulden kann nicht zu Gunsten des Klägers berücksichtigt werden, dass die der Haftung zugrunde liegenden Steuerbescheide teilweise durch öffentliche Zustellung bekannt gegeben wurden. Die Bekanntgabe der Steuerbescheide durch öffentliche Zustellung ist Folge der Tatsache, dass der Kläger als Geschäftsführer eine Adressänderung für die A veranlasst hat, ohne dies dem Beklagten mitzuteilen. Ihm musste klar sein, dass die Schätzungsbescheide, zu denen es aufgrund der fehlenden Steuererklärungen kommen würde, öffentlich zugestellt werden müssten. Derjenige, der die Möglichkeit verhindert, dass der von ihm vertretenen Gesellschaft Steuerbescheide an eine dem Finanzamt bekannte Adresse zugestellt werden können, kann sich im Haftungsverfahren nicht darauf berufen, dass ihm die öffentlich zugestellten Bescheide nicht bekannt seien.
Ebenso kann der Kläger gegen das ihm vorgeworfene Zahlungsverschulden nicht einwenden, dass die A über die Mittel zur Zahlung der Steuern nicht verfügt hätte. Zahlungsschwierigkeiten oder Zahlungsunfähigkeit einer GmbH ändern nach der Rechtsprechung des BFH weder etwas an den steuerlichen Pflichten des GmbHGeschäftsführers, noch schließen sie sein Verschulden bei Nichterfüllung dieser Pflichten aus (BFH-Beschluss vom 16. Februar 2002 VII B 122/05, BFH/NV 2006, 1051). Gerät eine GmbH in Zahlungsschwierigkeiten, so gehört es zu den Pflichten der zur gesetzlichen Vertretung berufenen Geschäftsführer, die Steuerschulden der GmbH in gleicher Weise zu tilgen wie die übrigen Schulden der Gesellschaft. Der Fiskus darf gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt werden. Ein Geschäftsführer, der dies gleichwohl tut, handelt regelmäßig zumindest grob fahrlässig (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. BFH-Urteile vom 11. März 2004 VII R 52/02, BFHE 205, 14, BStBl II 2004, 579; vom 13. März 2003 VII R 46/02, BFHE 202, 22, BStBl II 2003, 556, 560, m.w.N.; BFH-Urteil vom 28. Juni 2005 I R 2/04, GmbHR 2006, 48). Zahlungsschwierigkeiten der GmbH wirken sich danach nicht auf das Verschulden ihres gesetzlichen Vertreters aus, sondern können lediglich eine Beschränkung des Umfangs der Haftung (hierzu sogleich) bewirken.
d) Durch das schuldhafte Fehlverhalten des Klägers ist dem Fiskus der im Haftungsbescheid vom 20. Januar 2006 geltend gemachte Schaden entstanden, da die gegenüber der A festgesetzten Steuern nicht gezahlt worden sind. Dieser Schaden ist auch in voller Höhe kausal auf das schuldhafte Fehlverhalten des Klägers zurückzuführen.
Hiergegen kann der Kläger nicht allein einwenden, dass es sich bei A um eine reine Holdinggesellschaft gehandelt habe, der niemals Gewinne aus ihren Beteiligungen zugeflossen seien, so dass ihr liquide Mittel zur Tilgung der vom Beklagten festgesetzten Steuern nie zur Verfügung gestanden hätten.
aa) Zwar hat der Schadensersatzcharakter der Haftung nach § 69 Satz 1 AO (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 19. September 2007 VII R 39/05, BFH/NV 2008, 18 m.w.N. aus der ständigen Rechtsprechung des BFH) zur Folge, dass sich die Haftung dem Umfang nach auf den Betrag beschränkt, der infolge der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung nicht bzw. nicht rechtzeitig festgesetzt oder entrichtet worden ist. Die Höhe der Haftung ergibt sich daher unabhängig vom Grad des Verschuldens grundsätzlich allein aus der adäquat kausalen Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den bei dem Fiskus eingetretenen Vermögensschaden. Hierzu ist auch festzustellen, ob und in welchem Umfang dem Steuerschuldner die Mittel zur Verfügung standen, die ihm gegenüber festgesetzten Steuern zu entrichten (BFH-Urteil vom 6. März 2001 VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100).
Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die rückständigen Umsatzsteuerbeträge vom Geschäftsführer in ungefähr dem gleichen Verhältnis zu tilgen sind wie die Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern, sofern die Mittel zur Tilgung sämtlicher Verbindlichkeiten nicht ausreichen (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. BFH-Urteil vom 26. April 1984 V R 128/79, BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776, 778, m.w.N.). Ist dies nicht geschehen, so liegt im Umfang des die durchschnittliche Tilgungsquote unterschreitenden Differenzbetrages eine schuldhafte Pflichtverletzung vor, für die der Geschäftsführer als Haftungsschuldner einzustehen hat (= Haftungssumme). Hierzu hat das Finanzamt unter Berücksichtigung der vorhandenen Daten und Zahlen die Haftungsquote zu ermitteln oder ggfs. im Schätzungswege festzustellen, die der Wahrscheinlichkeit am nächsten kommt (§ 162 AO). Diese zur Haftung nicht entrichteter Umsatzsteuer entwickelten Grundsätze gelten auch für die übrigen Steuern ? mit Ausnahme der Lohnsteuer ? und grundsätzlich auch für Nebenleistungen (BFH-Urteil vom 1. August 2000 VII R 110/99, BFHE 192, 249, BStBl II 2001, 271).
Bei der Ermittlung dieses haftungsbegründenden Kausalzusammenhangs sind Finanzamt und das Finanzgericht auf die Mitwirkung des Haftungsschuldners angewiesen (BFH-Urteile vom 4. Dezember 2007 VII R 18/06, BFH/NV 2008, 521; vom 6. März 2001 VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100). Im Rahmen seiner aus § 90 AO folgenden Mitwirkungspflicht ist der Haftungsschuldner verpflichtet, die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte über die anteilige Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum zu erteilen; eine ungerechtfertigte Weigerung, solche in seinem Wissensbereich liegenden Auskünfte zu erteilen, können das Finanzamt bzw. das Finanzgericht zu einer unter Umständen für den Geschäftsführer nachteiligen Schätzung der Haftungssumme berechtigen (BFH-Urteile vom 25. Mai 2004 VII R 8/03, BFH/NV 2004, 1498 und vom 8. Juli 1982 V R 7/76, BFHE 137, 1, BStBl II 1983, 249; BFH-Beschluss vom 31. März 2000 VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322). Es bleibt dem Haftungsschuldner unbenommen, durch entsprechende Auskünfte zu einem für ihn günstigeren Ergebnis beizutragen. Allerdings hat der Haftungsschuldner spätestens im finanzgerichtlichen Verfahren substantiierte Einwendungen gegen die Ermittlung der Haftungsquote zu erheben. Die Folgen mangelhafter Mitwirkung hat er zu tragen (BFH-Beschluss vom 22. Juni 2011 VII S 1/11, n.v., m.w.N.).
bb) Die vom Beklagten geschätzte Haftungsquote von 100% und die daraus folgende Haftungssumme sind hiernach im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Der Beklagte war befugt, die Haftungssumme mit 100% zu schätzen, da der Kläger in keiner Weise an der Ermittlung der der A im Haftungszeitraum zur Verfügung stehenden Mittel mitgewirkt hat. Auf die Haftungsanfrage des Beklagten hat die Klägerin nicht reagiert.
Der pauschale Vortrag des Klägers, der A als reiner Holdinggesellschaft seien keine Beteiligungserträge zugeflossen, stellt weder eine hinreichende Mitwirkung an der Ermittlung der Haftungsquote dar, noch ist er grundsätzlich geeignet, eine Reduzierung der Haftungsquote zu bewirken. Denn für die Frage, ob Mittel der Gesellschaft für die Entrichtung von Steuern vorliegen, kommt es auf das Vorhandensein von (Beteiligungs-)Erträgen nicht an. Auch die sonstige Ausstattung der Gesellschaft mit Zahlungsmitteln (bspw. durch Dritte) ist insoweit ausreichend. Insbesondere entspricht es gängiger Vertragspraxis, dass die Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft ein Entnahmerecht zumindest in Höhe der sie treffenden Steuerlasten aus ihrer Beteiligung vereinbaren. Für den Fall, dass eine solche Regelung zum Entnahmerecht der A nicht getroffen worden sein sollte, wäre hierin ggfs. die Verletzung einer eigenständigen Pflicht zur entsprechenden Vorsorge zu sehen. Das behauptete Fehlen von Beteiligungserträgen führt daher für sich allein genommen nicht zu einer Verringerung der Haftungsquote vor dem Hintergrund der Frage nach dem Steuerschaden.
Zudem hat der Kläger im gesamten, bereits seit 2005 (Haftungsanfrage) andauernden Haftungsverfahren zu keinem Zeitpunkt nachprüfbare Unterlagen vorgelegt, aus denen sich das von ihr behauptete vollständige Fehlen jeglicher liquider Mittel der A ergibt. Der erstmals sechs Tage vor dem bestimmten Termin zur mündlichen Verhandlung erfolgte Vortrag, der Kläger könne durch Vorlage von Kontoauszügen nachweisen, dass keine liquiden Mittel vorhanden gewesen seien, diese Kontoauszüge seien ihm jedoch entwendet worden und er benötige weitere Zeit, um neue Kontoauszüge bei der kontoführenden Bank erstellen zu lassen, kann im Hinblick auf die Dauer des Verfahrens und darauf, dass die Frage des Vorhandenseins liquider Mittel einer der wesentlichen Punkte sämtlicher Erörterungen des gesamten Verfahrens war, nur als Schutzbehauptung gewertet werden. Da auch nicht klar ist, ob das vom Kläger benannte Konto bei der K-Bank das einzige Konto der A war und liquide Mittel sich nicht nur auf Bankkonten finden lassen, wäre auch bei Vorlage entsprechender Kontoauszüge durch den Kläger nicht hinreichend dargelegt, dass die Haftungsquote reduziert werden müsste.
Aus den vorgelegten – nicht unterschriebenen – Vermögensaufstellungen („Bilanzenf”) ist entgegen dem Vortrag des Klägers zudem zu folgern, dass der A im Haftungszeitraum tatsächlich Mittel zur Verfügung gestanden haben, die diese zur Tilgung von Steuern hätte verwenden können und müssen. So weisen diese Vermögensaufstellungen neben den ggfs. verwertbaren Beteiligungen an den Tochtergesellschaften auch Forderungen in erheblichem Umfang (bis zu 254.202 EUR ab 2004) sowie auch nennenswerte Bestände an Barmitteln (2002: 63.086 EUR; 2003: 10.174 EUR) aus. Im Hinblick auf dieses Aktivvermögen wäre es am Kläger gewesen, seine Behauptung zu belegen, dass dem Fiskus aufgrund der fehlenden Mittel der A letztlich kein Schaden entstanden sei. Dass er dies unterlassen hat, geht im Ergebnis zu seinen Lasten. Denn derjenige, der für die von ihm vertretene Gesellschaft keine Steuererklärungen abgibt, keine Steuern bezahlt und im Haftungsverfahren in keiner Weise an der Ermittlung einer zutreffenden Haftungssumme mitwirkt, darf aus seinem Verhalten keinen Vorteil gegenüber demjenigen erlangen, der seinen steuerlichen Pflichten ordnungsgemäß nachkommt (vgl. zu der insoweit vergleichbaren Rechtsprechung des BFH zum sog. „Beweisverderber” bspw. BFH-Beschluss vom 7. April 2003 V B 28/02, BFH/NV 2003, 1195 m.w.N.). Die Schätzung der Haftungsquote durch den Beklagten ist nach alledem weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden.
2. Der Beklagte hat das ihm gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 AO eingeräumte Entschließungs- und Auswahlermessen fehlerfrei ausgeübt. Das Gericht hat insoweit nach § 102 Satz 1 FGO nur zu prüfen, ob die in § 5 AO festgelegten Grenzen des Ermessens über- oder unterschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
Der Ausübung des Entschließungsermessens durch den Beklagten begegnen keine Bedenken. Wegen der dem Steuergläubiger im öffentlichen Interesse obliegenden Aufgabe, die geschuldeten Abgaben nach Möglichkeit zu erheben, kann der Erlass eines Haftungsbescheides bei Uneinbringlichkeit der Steuerschuld nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen ermessensfehlerhaft sein. Deshalb ist das Entschließungsermessen – wie auch im Streitfall – mit dem Hinweis auf die Unmöglichkeit einer Einziehung der rückständigen Steuer durch Vollstreckungsmaßnahmen gegenüber dem Steuerschuldner jedenfalls bei Nichtvorliegen außergewöhnlicher Umstände regelmäßig ausreichend begründet (BFH-Urteile vom 13. Juni 1997 VII R 96/96, BFH/NV 1998, 4, vom 29. September 1987 VII R 54/84, BFHE 151, 111, BStBl II 1988, 176).
Zweifel an der ordnungsgemäßen Ausübung des Auswahlermessens durch den Beklagten bestehen ebenfalls nicht. Der Kläger war im Haftungszeitraum alleiniger Geschäftsführerin der A, die Verantwortlichkeit anderer Personen ist vom Kläger weder im Haftungs- noch im Einspruchsverfahren behauptet worden. Mit dem Hinweis auf die alleinige Verantwortlichkeit des Klägers hat der Beklagte sein Auswahlermessen hinreichend ausgeübt.
Erhebliche Einwendungen gegen die ordnungsgemäße Ermessenausübung durch den Beklagten hat der Kläger im Klageverfahren im Übrigen nicht vorgebracht.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

VorschriftenAO § 351, FGO § 42, AO § 166

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