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18.02.2011

Landesarbeitsgericht Hamm: Beschluss vom 02.11.2010 – 1 Ta 606/10


Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Rheine vom 01.10.2010 - 4 Ca 1248/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Kläger verfolgt die öffentliche Zustellung seiner im Juni 2010 beim Arbeitsgericht Rheine anhängig gemachten Klage, mit der er gegen den Beklagten Ansprüche auf Arbeitsentgelt für April und Mai 2010 sowie Urlaubsabgeltung geltend macht.

Der Kläger war seit November 2009 bis zum 10.05.2010 als Koch bei dem Beklagten in dessen Gaststätte "P1 R2 I1" tätig. Neben der Gaststätte befindet sich eine Wohnung, die von dem Beklagten bezogen war.

Die gegen den Beklagten gerichtete Klage vom 22.06.2010 konnte bislang nicht zugestellt werden. Unter der in der Klageschrift angegebenen Anschrift erfolgte keine Zustellung, da der Beklagte einen Nachsendeauftrag gestellt hat, was zur Folge hat, dass für ihn bestimmte Post einer Unternehmensberatung T1 und P2 in M3 zugeleitet wird. Dort ist der Beklagte zwar als Kunde bekannt, über den Aufenthaltsort des Beklagten herrscht jedoch auch dort Unkenntnis. Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers wurde die Auskunft erteilt, dass der Beklagte möglicherweise nach B3 verzogen sei.

Das Einwohnermeldeamt S1 teilte am 15.07.2010 mit, dass der Beklagte noch unter der in der Klageschrift angegebenen Anschrift gemeldet sei, dass sich der Beklagte aber nicht mehr dort aufhalte.

Mit Beschluss vom 01.10.2010 hat das Arbeitsgericht den Antrag des Klägers auf öffentliche Zustellung seiner Klage zurückgewiesen, da der Kläger noch nicht alles ihm Zumutbare für den Nachweis unternommen habe, dass der Aufenthaltsort des Beklagten allgemein unbekannt sei.

Gegen den ihm am 07.10.2010 zugestellten und wegen seiner weiteren Einzelheiten in Bezug genommenen Beschluss hat der Kläger mit am 18.10.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Er macht geltend, ihm sei nicht erkennbar, welche Schritte er noch unternehmen müsse, um die Anschrift des Beklagten zu ermitteln.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte verwiesen.

II.

Die nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, § 78 ArbGG statthafte (Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 186 Rdnr. 5), form- und fristgerecht eingelegte, mithin zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Bewilligung der öffentlichen Zustellung der Klage vom 22.06.2010 im Ergebnis zutreffend versagt, denn die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung nach § 185 ZPO sind derzeit noch nicht ausreichend dargetan.

1. Der Aufenthalt einer Partei ist im Sinne des § 185 Nr. 1 ZPO unbekannt, wenn er nicht nur dem Gericht und dem Gegner des Zustellungsempfängers, sondern allgemein unbekannt ist. Dies ist nicht wörtlich, sondern dahin zu verstehen, dass der derzeitige Aufenthalt des Zustellungsempfängers in seinem bisherigen Lebenskreis unbekannt ist (OLG Celle 25.07.2006 - 3 W 85/06 - MDR 2007, 170). An die Feststellung dieser Voraussetzung sind wegen der hohen Bedeutung des verfassungsrechtlich verbrieften Anspruchs des Zustellungsadressaten auf rechtliches Gehör - Art. 103 Abs. 1 GG - (BVerfG 26.10.1987 - 1 BvR 198/87 - NJW 1988, 2361; BGH 19.12.2001 - VIII ZR 282/00 - NJW 2002, 827) jedenfalls im Erkenntnisverfahren (für Erleichterungen im Zwangsvollstreckungsverfahren: BGH 14.02.2003 - IXa ZB 56/03 - NJW 2003, 1530) hohe Anforderungen zu stellen (Saarländisches OLG 06.05.2010 - 6 UF 24/10 - juris). Regelmäßig kann damit nicht allein ausreichen, dass Nachforschungen beim Einwohnermeldeamt und dem Zustellungspostamt des letzten Wohnsitzes ergebnislos verlaufen (Zöller/Stöber, § 185 Rn. 2; Musielak/Wolst, ZPO, 7. Aufl., § 185 Rn. 2; OLG Hamm 23.02.1993 - 23 W 173/93 - JurBüro 1994, 630; KG Berlin 29.09.1995 - 23 W 5621/95 - juris; a. A. Thomas/Putzo, ZPO 30. Aufl., § 185 Rn. 7 m.w.N.). Trotz der dem Gericht obliegenden Pflicht zur Zustellung von Amts wegen (§ 166 ZPO) obliegt es zuvörderst dem Kläger, die Voraussetzungen für eine wirksame Zustellung der Klageschrift zu schaffen und für den Fall einer beantragten öffentlichen Zustellung den unbekannten Aufenthalt des Beklagten zu belegen. Ermittlungen des Gerichts kommen nur insoweit in Betracht, als sie dem Kläger selbst nicht möglich oder zumutbar sind (BGH 19.12.2001, aaO.; z.B. Auskünfte bei der örtlichen Polizeidienststelle; bei einem Sozialversicherungsträger, der gegenüber dem Kläger als Privatperson an das Sozialgeheimnis gebunden ist - vgl. BGH 14.02.2003, aaO.). Bei einem Kläger wird man dabei in der Regel dasjenige als zumutbare Nachforschungen annehmen können, was eine Partei, die an einer wirtschaftlich sinnvollen Rechtsverfolgung interessiert ist, unternähme, wenn es die Möglichkeit der öffentlichen Zustellung nicht gäbe (OLG Celle 25.07.2006, aaO.).

2. Der Kläger hat solche Nachforschungen noch nicht im erforderlichen Umfang angestellt. Ihm ist über eine telefonische Auskunft der Unternehmensberatung T1 in M3 bekannt, dass der Kläger sich möglicherweise in B3 aufhält. Das Arbeitsgericht vermisst in dem angefochtenen Beschluss zutreffend eine Anfrage des Klägers beim dortigen Einwohnermeldeamt. Vor allem aber fehlt jegliche Angabe darüber, aus welchem Grund tatsächlich eine (Ersatz-) Zustellung der Klage unter der bisherigen Wohnanschrift des Beklagten und ebenso eine (Ersatz-) Zustellung in den Geschäftsräumen des Beklagten (§ 178 ZPO) scheitern muss. So reicht selbst bei gestelltem Nachsendeauftrag die vorübergehende Abwesenheit des Wohnungsinhabers nicht zwingend aus, um dem Merkmal der "Wohnung" im Sinne des § 178 ZPO nicht zu genügen (Zöller/Stöber, § 178 Rn. 4 ff. m.w.N.). Angaben des Klägers, ob der Beklagte die Wohnung in S1 aufgegeben hat (Existiert noch ein Namensschild? Hat der Beklagte seine Möbel entfernt? Existiert ein Nachmieter? Ist ein Vermieter befragt worden, fehlen ebenso wie Angaben dazu, ob der Beklagte die Gaststätte in S1 weiter betreibt (die Vorlage einer Auskunft zu einer etwaigen Gewerbeabmeldung hat bereits das Arbeitsgericht für erforderlich gehalten), ob das Geschäftslokal geschlossen ist und ob der Verpächter etwa über den Verbleib des Beklagten unterrichtet ist.

3. Die sofortige Beschwerde des Klägers war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben, §§ 72 Abs. 2, 78 ArbGG.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird informatorisch mit 170,-- € mitgeteilt (1/10 der Forderung in der Hauptsache).

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