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08.10.2001 · IWW-Abrufnummer 010802

Finanzgericht Düsseldorf: Entscheidung vom 11.04.2001 – 17 K 7170/97 E

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


In dem Rechtsstreit

- Kläger -

Prozessvertreter:

gegen Finanzamt
- vertreten durch den Vorsteher -
StNr.:
RBL-Nr.:

- Beklagten -

wegen Einkommensteuer 1990

hat der 18. Senat in der Besetzung:

Vorsitzender Richter am Finanzgericht
Richterin am Finanzgericht
Richterin am Finanzgericht
ehrenamtliche Richterin Hauswirtschaftsmeisterin
ehrenamtlicher Richter Personalsachbearbeiter

auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 11.04.2001 für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Einkommensteuerfestsetzung 1990 noch geändert werden kann, weil eine leichtfertige Steuerverkürzung und damit eine Verlängerung der Festsetzungsfrist auf fünf Jahre vorliegt.

Der Kläger erzielte als Facharzt für innere Medizin und Chefarzt eines Krankenhauses Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Die Einkommensteuererklärung 1990 ging im Oktober 1991 beim Beklagten ein. Der dort nach § 4 Abs. 3 EStG erklärte Gewinn aus selbstständiger Arbeit des Klägers in Höhe von 728.499 DM, davon Einnahmen von der kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Höhe von 277.985 DM, wurde erklärungsgemäß der Steuerfestsetzung vom 17.02.1992 zu Grunde gelegt. Unter dem 02.01.1996 erging gegenüber dem Kläger eine Prüfungsverordnung nach § 193 Abs. 1 AO für die Jahre 1992 bis 1994 (Einkommensteuer) bzw. 1992 bis 1995, (Einheitswerte des Betriebsvermögens und Vermögenssteuer). Daraufhin wurden mit Schreiben vom 11.01.1996, Eingang beim Finanzamt am 12.01.1996, berichtigte Einkommensteuererklärungen der Kläger für die Jahre 1990 bis 1993 eingereicht. Hierin wurde ein erhöhter Gewinn aus ?Überweisungen kassenärztliche Vereinigung/Krankenhaus? in Höhe von 119.061 DM (1993), 114.000 DM (1992), 73.600 DM (1991), 82.400 DM (Streitjahr 1990) nacherklärt. Erläuternd teilte die die Kläger vertretende Steuerberatungsgesellschaft mit: ?Die Berichtigung beruht auf unserer Erkenntnis, dass uns bei der Ermittlung der Einkünfte aus selbstständiger Arbeit Buchungsfehler unterlaufen sind, die nunmehr ausgeräumt wurden.? Im Verlaufe der Außenprüfung erklärten sich die Buchungsfehler wie folgt:

Vor dem Jahr 1990 wurden die Entgelte durch die kassenärztliche Vereinigung Nordrhein-Westfalen (KV) direkt an den Kläger ausgezahlt. Ab 1990 wurden- abgesehen von einzelnen dem Kläger direkt überwiesenen Akontozahlungen und Restzahlungen ? die aus den Abrechnungen der KV resultierenden Entgelte des Klägers zunächst an den Krankenhausträger überwiesen, damit dieser aus den gutgeschriebenen Beträgen seine Sachkosten und Vertragsabgabeleistungen herausrechnen konnte, um den Restbetrag anschließend an den Kläger weiterzuleiten. Da die an den Krankenhausträger abzuführenden Anteile zwar dem Grunde nach feststanden, ihre Höhe nach aber zunächst ungewiss waren, wurden die beim Krankenhaus eingehenden Zahlungen von der damals für die Kläger tätigen ?Z? ?Steuerberatungsgesellschaft mbH auf dem Erlöskonto 8010 und in gleicher Höhe als Betriebsausgabe auf dem Konto 4710 (Abgaben an Krankenhausverwaltung) gebucht. Als der jeweilige Krankenhausanteil mit der Weiterleitung des Restbetrages vom Krankenhausträger an den Kläger feststand, sollte auf dem Betriebsausgabekonto eine entsprechende Saldierung durch Gegenbuchung (Minderung der Betriebsausgaben) erfolgen. Die Gegenbuchung erfolgte jedoch ? gewinnneutral ? über das Privateinlagenkonto 5801.

Diese Fehlbuchungen fielen der ?Z?-GmbH bei der Vorbereitung des Jahresabschlusses 1994 am 30.07.1995 auf. Die Einkommensteuererklärung 1994 wurde dem Finanzamt daraufhin unter Ansatz des um die Fehlbuchung korrigierten Gewinns am 21.09.1995 eingereicht. Eine gleichzeitige Berichtigung der Jahre 1990 bis 1993 unterblieb.

Die oben geschilderte unrichtige Verbuchung, wurde laut Klägervortrag von der damals bei der ?Z?-GmbH angestellten Sachbearbeiterin für die laufende Verbuchung der Geschäftsvorfälle der Jahre 1990 bis 1994, Frau ..., durchgeführt. Damaliger Abteilungsleiter, dem der Buchungsfehler bei der Durchführung des Jahresabschlusses 1994 des Klägers auffiel, war der in der ?Z?-GmbH tätige Angestellte, Herr ....

Die Klägervertreter tragen vor, in den Jahren 1990 bis 1993 sei übersehen worden, die Krankenhausabrechnungen von dem Kläger anzufordern und erfolgswirksam auszuwerten. Im Gegensatz zu den Vorjahren sei dann der Abteilungsleiter bei Erstellung des Jahresabschlusses 1994 darauf gestoßen, dass die mit den Krankenhausabrechnungen im Zusammenhang stehende Abschlussbuchungen noch zu tätigen waren, was für dieses Jahr dann fehlerfrei geschehen sei. Der steuerliche Vertreter (Steuerberater ...) habe selbst erst von den Buchungsfehlern 1990 bis 1994 Anfang Januar 1996 erfahren. Er habe daher den Kläger mangels eigener Kenntnis im Rahmen der Besprechung des Jahresabschlusses 1994 und der Einkommensteuererklärung 1994, also vor Ablauf der Festsetzungsfrist für das Jahr 1990, gar nicht über den ausgeräumten Buchungsfehler 1994 unterrichten können. Herr Steuerberater ... sei 1995 ein Geschäftsführer der ?Z?-Steuerberatungs GmbH gewesen, einer großen Steuerberatungsgesellschaft, von der bekanntlich in der Hauptsache Ärzte, darunter auch viele Chefärzte, steuerlich beraten und vertreten wurden. In der ?Z?-Steuerberatungsgesellschaft seien die Akten über die Jahresabschlüsse und Jahressteuererklärungen jahrgangsweise getrennt geführt worden. Ein Sachbearbeiter, der Jahresabschlüsse erstelle und dabei im Rahmen der Abschlussbuchungen die Buchführung überprüfe, sowie stets alle im Laufe des Jahres gemachten Buchungsfehler ausräume, müsse nicht davon ausgehen, dass im Jahr 1994 vorgekommene Buchungsfehler auch in den Vorjahren gemacht worden seien und er müsse für den Fall, dass sie gemacht worden seien, davon ausgehen, dass die Fehler bei der Erstellung der jeweiligen Jahresabschlüsse ebenfalls ausgeräumt worden seien. Es bedeute deshalb nicht notwendigerweise eine leichtfertige Steuerverkürzung, wenn sich der Sachbearbeiter im Jahre 1995 darüber im Unklaren gewesen sei, ob er den Jahresabschluss 1990 noch überprüfen müsse oder nicht, zumal die Finanzämter in der zweiten Jahreshälfte 1995 stark auf die Abgabe vieler noch ausstehender Steuererklärungen für 1994 gedrängt hätten.

Angesichts des Arbeitsdruckes, dem der Abteilungsleiter unterlegen habe, er erstelle unter anderem eigenhändig selbst ca. 60 Jahressteuererklärungen, sei dessen unterlassene Überprüfung der Vorjahre auf Grund von Vergessen oder Nicht- Daran- Denken ebenfalls nicht als leichtfertige Steuerverkürzung anzusehen, zumal es sich im Streitjahr um eine Routinebuchung handele, die immer wiederkehre und in allen anderen Fällen stets richtig gehandhabt worden sei.

Der Kläger sei daher über den beim Jahresabschluss 1994 ausgeräumten Buchungsfehler weder bei der Besprechung des Jahresabschlusses 1994 und der Einkommensteuererklärung 1994 noch vorher oder nachher informiert worden. Aus den Jahresabschlüssen 1990 bis 1993 habe der Kläger den gleichartigen Buchungsfehler genauso wenig erkennen können, wie ihn das Finanzamt nicht erkannt habe. Der Kläger habe keinen Anhaltspunkt dafür gehabt, dass eine auf Ärzte spezialisierte Steuerberatungsgesellschaft für ihn fehlerhafte Jahresabschlüsse 1990 bis 1993 erstellt habe. Vergleiche mit den Zahlen des Vorjahres seien bei der Durchsicht von Steuererklärungen vor deren Unterzeichnung bei Ärzten nicht üblich. Die Vorjahreszahlen würden deshalb in den Jahresabschlüssen auch nicht dargestellt. Sie seien auch kein Maßstab für neue Jahresabschlüsse, da sich die Verhältnisse oft zu sehr geändert hätten. Da der Kläger bis Anfang 1996 keine Kenntnis von den Buchungsfehlern 1990 gehabt habe, habe für ihn vorher keine Anzeigepflicht nach § 153 AO bestanden, denn die Berichtigungspflicht sei davon abhängig, dass die Unrichtigkeit der Erklärung vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkannt werde.
Es sei auch nicht ungewöhnlich, dass Anfang Januar 1996, wenige Tage nach Eingang der Prüfungsanordnung, die Buchungsfehler 1990 bis 1993 festgestellt wurden. So wie der Beklagte in jedem Fall eine Prüfungsvorbereitung treffe, tue dies auch der Steuerberater. Die Steuerberater der die Kläger damals vertretenden Gesellschaft stammten allesamt aus der Finanzverwaltung. Die Akten würden zur Prüfungsvorbereitung durchgesehen, um über den Steuerfall im Bilde zu sein.

Die Beratungsgesellschaft habe Anfang Januar 1996 den Kläger über den Sachverhalt informiert und die Einkommensteuererklärungen 1990 bis 1993 berichtigt, so dass der Kläger unverzüglich seiner Berichtigungspflicht nachkommen konnte. Er habe dies auch getan, allerdings hätte die Korrektur der Einkommensteuererklärung 1990 nach Ablauf der Festsetzungsfrist wegen eingetretener Festsetzungsverjährung keine Wirkung mehr. Die Verjährung sei nach § 169 Abs. 2 S. Nr. 2 AO wegen Ablauf der vierjährigen Festsetzungsfrist 1995 eingetreten. In den Jahren 1990 bis 1993 sei lediglich übersehen worden, die Krankenhausabrechnungen von den Klägern anzufordern und erfolgswirksam auszuwerten. Im Gegensatz zu den Vorjahren sie der Abteilungsleiter bei der Erstellung des Jahresabschlusses 1994 darauf gestoßen, dass die mit den Krankenhausabrechnungen im Zusammenhang stehende Abschlussbuchung noch zu tätigen sei, was dann fehlerfrei geschehen sei.

Beim Kläger habe die Besonderheit vorgelegen, dass dieser noch einen sogenannten Altvertrag gehabt habe, der noch nicht so hohe Vertragsabgaben vorsah, wie sie sich aus den weniger alten Chefarztverträgen ergäben. Im Wissen darum habe der Krankenhausträger von den an ihn geflossenen Zahlungen der KV an den Kläger vor Verrechnung der Vertragsabgaben in geschätzter Höhe Vorauszahlungen überwiesen. Dies sei deshalb geschehen, weil der Krankenhausträger einerseits die Höhe der zu leistenden Vertragsabgaben noch nicht abgerechnet hatte und weil er andererseits genau wusste, dass so viel Geld, wie die KV überwiesen hatte, zur Abdeckung der Vertragsabgaben nicht gebraucht würde. Bei diesen Vorauszahlungen handele es sich um bereits von der Beratungsgesellschaft als Einnahmen voll erfasste Arzthonorare. Bei Weiterleitung dieser Teilhonorare durch den Krankenhausträger auf das Bankkonto des Klägers hätten die Beträge nicht noch einmal auf dem Einnahmekonto als Erlös gebucht worden dürfen, weil dies insoweit zu einer Doppelerfassung der Arzthonorare geführt hätte. Die Vorauszahlungen des Krankenhausträgers seien deshalb von der Sachbearbeiterin auf dem Einlagekonto erfasst worden. Diese Buchungen seien jedoch im Nachhinein dadurch zu einem Buchungsfehler geworden, dass die späteren Krankenhausberechnungen nicht zur Buchhaltung gelangten bzw. buchhalterisch nicht ausgewertet worden sind, so dass die notwendige Gegensaldierung durch Übertragung der Vorauszahlungen auf die Habenseite des Vertragsabgabenkontos und damit die Minderung der Betriebsausgaben unterblieben ist. Wie in allen anderen Fällen seien auch beim Kläger ebenfalls die Restzahlungen an Vertragsabgaben auf dem Vertragsabgabenkonto erfasst. Was im Streitfall fehle, sei also die Umbuchung der Vorauszahlungen des Krankenhausträgers als Gutschrift auf das Vertragsabgabenkonto. Das sei eine selbstverständliche Abschlussbuchung, wie sie bei allen anderen Kostenarten auch vorkommen könne und vorkomme, und wenn diese für 1994 zunächst noch nicht erfolgt war, habe der Abteilungsleiter ganz sicher nicht davon ausgehen müssen, dass das, was zum täglichen Gewinnermittlungsgeschäft gehöre, in diesem Falle also eine unproblematische Routinebuchung, nicht nur für 1994, sondern auch in den Vorjahren versehentlich unterblieben war. Es habe sich dann allerdings bei der Durchsicht der Buchführungen und der dadurch gefertigten Abschlüsse für die Vorjahre in Vorbereitung auf die angekündigte Außenprüfung herausgestellt, dass tatsächlich für die Jahre 1990 bis 1993 keine aufwandsmindernde Auswertung der Krankenhausabrechnungen hinsichtlich der von dem Krankenhausträger geleisteten Vorauszahlungen stattgefunden habe. Dieser Mangel sei durch die Abgabe der berichtigten Einkommensteuererklärungen für 1990 bis 1993 ausgeräumt worden.

Niemand arbeite fehlerfrei. In der fehlerhaften Bearbeitung einer offenkundigen Sache, liege aber keine grobe Fahrlässigkeit und keine leichtfertige Steuerverkürzung gemäß § 378 AO. Es sei auch auf die Entscheidung des Bayerischen Oberlandesgerichts vom 09.11.1993 hingewiesen, wonach Leichtfertigkeit einem Steuerpflichtigen nicht anzulasten sei, der eine vom Steuerberater unzutreffend erstellte Erklärung für richtig angesehen, unterschrieben und abgegeben habe.

Die Kläger beantragen

den Einkommensteuerbescheid 1990 vom 18.07.1996 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.08.1997 ersatzlos aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

Klageabweisung

Die Buchungen der Jahre 1990 bis 1994 seien von der Sachbearbeiterin durchgeführt worden. Diese müsse zum Zeitpunkt ihrer Buchung 1990 bis 1994 zunächst subjektiv vor deren Richtigkeit ausgegangen sein. Stellten sich aber die Abschlussbuchungen wie vorliegend, bei Erstellung des Jahresabschlusses 1994 als falsch heraus, so müsse die Sachbearbeitung zwangsläufig davon ausgehen oder zumindest in Erwägung ziehen, dass auch in den von ihr bearbeitenden Vorjahren unzutreffend gebucht worden sei. Insofern vermöge die Klägerdarstellung, man habe bei der Richtigstellung 1994 im Jahr 1995, davon ausgehen können, dass auch die Vorjahre berichtigt worden seien, nicht zu überzeugen.
Es stelle sich auch die Frage, ob der steuerliche Vertreter auf Grund des Arbeitsdrucks, den er in seinen bisherigen Schreiben immer wieder selbst eingeräumt habe, tatsächlich unmittelbar nach Eingang der Prüfungsanordnung mit der Prüfungsvorbereitung begonnen habe. Aber selbst wenn man dies bejahen würde, wie der steuerliche Vertreter ausführe, um sich ein Überblick zu verschaffen, halte es das Finanzamt angesichts des Umfangs des Steuerfalles ? die Kläger erzielten im Prüfungszeitraum Einkünfte aus nahezu allen Einkunftsarten ? nicht für glaubhaft, dass in diesem Zuge einzelne ?Routinebuchungen? überprüft worden seien.

Wegen weiterer Einzelheiten zum Sachverhalt und zur durchgeführten Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 11.04.2001 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist - auch in Würdigung der nachgereichten Schriftsätze vom 23.04.2001 und 03.05.2001 ? unbegründet.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig. Die Gewinnerhöhung als solche ist unstrittig. Der wegen neuer Tatsachen nach § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Abgabeverordnung -AO- geänderte Bescheid durfte auch noch im Juli 1996 ergehen. Zu diesem Zeitpunkt war die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen. Diese endet für den Streitfall erst mit Ablauf des 31.12.1996. Im Gegensatz zur Rechtsansicht der Kläger gilt hier nicht die zum 31.12.1995 ablaufende normale vierjährige Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2, S. 1 Nr. 2 AO, sondern die fünfjährige und damit erst zum 31.12.1996 ablaufende Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2, S. 2, Halbsatz 2 AO. Auf Grund des Vorbringens der Beteiligten in Verbindung mit dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und der dort durchgeführten Beweisaufnahme steht fest, dass die Einkommensteuer 1990 leichtfertig verkürzt worden ist.

Nach § 169 Abs. 2, S. 2, 2. Hs. AO beträgt die Festsetzungsfrist fünf Jahre, soweit die Steuer leichtfertig verkürzt worden ist. Nach § 378 AO begeht derjenige eine leichtfertige Steuerverkürzung, wer als Steuerpflichtiger oder bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen eine der in § 370 Abs. 1 AO bezeichneten Taten leichtfertig begeht. Nach § 370 Abs. 1 AO wird wegen Steuerhinterziehung bestraft, wer den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) oder die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO), und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht steuerlich gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird (§ 370 Abs. 4 AO).

Leichtfertigkeit im Sinne von § 378 Abs. 1 S. 1 AO bedeutet nach gefestigter Rechtsprechung (vgl. BFH-Beschluss vom 17.03.2000 VII B 39/99 in BFH/NV 2000, 1180 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen) einen erheblichen Grad an Fahrlässigkeit, der etwa der groben Fahrlässigkeit des bürgerlichen Rechts entspricht, aber im Gegensatz hierzu auf die persönlichen Fähigkeiten des Täters abstellt. Ein derartiges Verschulden liegt danach vor, wenn der Betreffende nach den Gegebenheiten des Einzelfalls und seinen individuellen Fähigkeiten in der Lage gewesen wäre, den aus den einschlägigen gesetzlichen Regelungen sich im konkreten Fall ergebenden Sorgfaltspflichten zu genügen. Hierzu ist eine Gesamtwertung seines Verhaltens erforderlich.

Durch die Abgabe der ursprünglichen Einkommensteuererklärung 1990, die um 82.400 DM zu hohe Betriebsausgaben des Klägers aus seiner ärztlichen Tätigkeit für die KV ausweist, sind dem Finanzamt über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige Angaben im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO gemacht worden.

Dabei kann letztlich dahinstehen, ob der Kläger persönlich diese Angaben leichtfertig gemacht hat. Immerhin war ihm das ab dem Streitjahr geänderte Abrechnungssystem der KV bekannt. Obwohl er nach eigener Aussage in der mündlichen Verhandlung seine Bankkontoauszüge für das Streitjahr penibel durchsah und die privaten Vorfälle entsprechend als solche kennzeichnete, hat er sich vor Unterzeichnung der Einkommensteuererklärung nicht durch Rückfrage bei der ?Z?-GmbH vergewissert, wie in Folge des geänderten KV-Abrechnungssystem nunmehr ab 1990 seitens der ?Z?-GmbH sichergestellt wurde, dass bei ihm in steuerlicher Hinsicht sowohl die Betriebseinnahmen als auch die Betriebsausgaben in zutreffender Höhe erfasst wurden. In dem vorbereitenden Gespräch sind mit dem Steuerberatungsbüro in allgemeiner Form die Zahlen der Steuererklärung durchgesprochen wurden. Eine konkrete Rückfrage des Klägers zur korrekten Erfassung der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aus KV-Tätigkeit nach dem geänderten Abrechnungssystem ist seitens des Klägers jedoch nicht erfolgt.

Ob hierin ein leichtfertiges Verhalten des Klägers im Sinne einer groben Fahrlässigkeit liegt, kann letztlich offen bleiben, weil jedenfalls auch durch den Angestellten der ?Z?-GmbH, Herrn ..., welcher die Einkommensteuererklärung erstellt hat, durch die erfolgsneutrale Verbuchung der mit der KV-Tätigkeit des Klägers zusammenhängenden Einnahmen und Betriebsausgaben und die Erstellung der darauf basierenden falschen Einnahmeüberschußrechnung dem Finanzamt gegenüber leichtfertig eine unrichtige Angabe im Sinne von §§ 370, 378 AO gemacht worden ist. Unstreitig und auch in der ursprünglichen Einkommensteuererklärung 1990 dokumentiert, hat die ?Z?-GmbH die Einkommensteuererklärung 1990 und auch die Einnahmeüberschussrechnung für 1990 erstellt, die einen zu hohen Betriebsausgabenabzug ausweist. Persönlich verantwortlich für diese unrichtigen Angaben in der Steuererklärung war der bei der ?Z? angestellte und als Zeuge vernommene Steuerfachgehilfe Herr ... Dieser hat in seiner Zeugenvernehmung ausdrücklich erklärt, gegenüber der ihm unterstellten Angestellten, der Zeugin ..., die zunächst im Ergebnis erfolgsneutrale Verbuchung der Einkünfte aus KV-Tätigkeit des Klägers angeordnet zu haben. Damit lag für ihn als steuerlich ausgebildeter Fachkraft auf der Hand, dass bei der von ihm durchzuführenden abschließenden Überprüfung der von den Sachbearbeitern erstellten Steuererklärungen und Gewinnermittlungen der von der Zeugin ... festgestellte Überschuss des Klägers aus KV-Tätigkeit in jedem Fall (gewinnerhöhend) korrigiert werden musste. Die bisherige sich im Ergebnis erfolgsneutral auswirkende Verbuchung bewirkte nämlich, dass in jedem Jahr und damit auch im Jahr 1990 den KV-Einnahmen des Klägers ein gleich hoher Betriebsausgabenbetrag gegenüberstand. Das kann bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG, die einen Überschuss der Einnahmen über Ausgaben ausweist, nicht richtig sein, und war auch für den fachlich vorgebildeten Zeugen ... ohne weiteres erkennbar. Gleichwohl hat er die bisherige Gewinnvermittlung bei Durchführung der Abschlussarbeiten für die Einkommensteuererklärung 1990 nicht daraufhin weiter überprüft und korrigiert, was als grobe Fahrlässigkeit und damit als leichtfertiges Verhalten im Sinne von §§ 370, 378 AO zu werten ist.

Der Zeuge konnte für die unterlassene Überprüfung im Rahmen der Abschlussarbeiten 1990 in seiner Vernehmung auch keine einleuchtenden Gründe benennen (?Weshalb diese Überprüfung unterblieb, kann ich nicht mehr sagen?). Der Hinweis darauf, damals keinen Anlass zur Korrektur der Betriebsausgaben des Klägers aus KV-Tätigkeiten gesehen zu haben, weil in der Anfangsphase die Zahlungsströme vom Krankenhaus an den Kläger zeitlich versetzt ankamen, stellt ebenfalls keinen Grund dar, der die Leichtfertigkeit bei Erstellung der Einkommensteuererklärung 1990 nebst Gewinnermittlung entfallen lässt. Schon die angeordnete Art der erfolgsneutralen Verbuchung stellt sich bei einem Einnahmeüberschussrechner als grob fehlerhafte Verbuchung dar. Die Einnahmen waren beim Kläger erst im Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses, also dem Zeitpunkt seiner wirtschaftlichen Verfügungsmacht über die jeweiligen Beträge, zu erfassen. Die laufenden Betriebsausgaben aus KV-Tätigkeit des Klägers waren erst in dem Zeitpunkt abzusetzen, in dem sie geleistet und damit abgeflossen sind (§ 11 Abs. 2, S. 1 EStG). Bezogen auf den damaligen Abrechnungsmodus konnte dies nur dazu führen, dass die KV-Leistungen dem Kläger erst im Zeitpunkt der Gutschrift auf seinem Bankkonto tatsächlich in Höhe des ursprünglichen Bruttoabrechnungsbetrages zugeflossen waren und im gleichen Zeitpunkt Betriebsausgaben in Höhe der von der KV einbehaltenen Beträge und in Höhe der vom Krankenhausträger einbehaltenen Beträge abgeflossen waren. In keinem Fall konnte es jedoch so sein, dass mit der Einnahme ein glich hoher Betriebsausgabebetrag abgeflossen war.

Es liegt auch eine leichtfertig gemachte unrichtige Angabe des Zeugen ... über steuerlich erhebliche Tatsachen in Wahrnehmung der Angelegenheiten des Klägers gegenüber dem Finanzamt vor. Zwar hat laut der ursprünglichen Steuererklärung 1990 die ?Z?-Steuerberatungs mbH an der Erstellung der Steuererklärung mitgewirkt. Im Sinne des Ordnungswidrigkeitsrechtes ist die falsche Angabe jedoch dem Zeugen ... zuzurechnen, weil sie auf dessen Verhalten beruht und eine GmbH im rechtlichen Sinne keine Steuerverkürzung begehen kann.

Es ist auch unerheblich, dass der Zeuge ... kein Steuerberater, sondern lediglich Steuerfachgehilfe war. Der Begriff ?bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen? ist extensiv auszulegen. Er umfasst jede Person, die dem Steuerpflichtigen bei der Erledigung seiner steuerlichen Angelegenheiten Hilfe leistet (vgl. Kohlmann, Kommentar zum Steuerstrafrecht, 7. Aufl. 1997, § 378 AO, Rdz. 16). Damit können auch Steuerfachgehilfen in Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen handeln.

Der Senat folgt auch nicht der Ansicht der Kläger, nach der eine Steuerverkürzung des steuerlichen Beraters (bzw. eines Angestellten), der die Steuererklärung lediglich vorbereitet, gegenüber den Finanzbehörden nicht möglich sein soll. Diese Auffassung wird zwar von Teilen der Rechtsprechung und des Schrifttums vertreten (vgl. hierzu Beschluss des Bayerischen Oberlandesgericht vom 09.11.1993 ? 4 St RR 54/93, WISTRA 1994, 34 ff; ebenso OLG Braunschweig, Beschluss vom 08.03.1996 ? Ss (B) 100/95, WISTRA 1996, S. 319 f; Nachweise zur Gegenmeinung: siehe Beschluss des Bayerischen Oberlandesgerichts vom 09.11.1993 a.a.O.; vgl. auch schon FG Baden-Württemberg vom 22.01.1988 IX K 237/89, EFG 1988, 546).

Im Kern wird diese Ansicht damit begründet, dass die Einkommensteuererklärung durch den Steuerberater nur vorbereitet und letztlich eigenverantwortlich vom Steuerpflichtigen unterzeichnet und dem Finanzamt eingereicht wird. Damit mache somit lediglich der Steuerpflichtige gegenüber dem Finanzamt in Erfüllung seiner Verpflichtung aus § 25 Abs. 3 EStG eigene Angaben. Es sei seine Erklärung, für die er mit seiner Unterschrift die Verantwortung übernommen habe, nicht die des Steuerberaters (Bayerisches Oberlandesgericht vom 09.11.1993 a.a.O.).

Diese Ansicht führt jedoch nach Auffassung des erkennenden Senats im Streitfall nicht dazu, hier aus rechtlichen Gründen eine Steuerverkürzung durch die Steuerberatung einschließlich der dort tätigen Angestellten von vornherein auszuscheiden.

Zwar trifft es zu, dass durch die Unterschrift des Klägers unter die Einkommensteuererklärung die Steuererklärung zu seiner Erklärung wird, für die er mit seiner Unterschrift die Verantwortung übernommen hat (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 03.02.1983 IV R 153/80 in Bundessteuerblatt -BStBl.- II 1983, 324 BFHE 137, 547). Dies kann jedoch nicht dazu führen, dass der durch die Benennung der ?Z?-GmbH dokumentierten Mitwirkung des für sie tätigen Angestellten ... an ... der Steuererklärung überhaupt keinerlei Aussagengehalt mehr zukommt. Vielmehr besagt die erklärte Mitwirkung gegenüber dem Finanzamt, dass die im Zuge der Erstellung der Einkommensteuererklärung von den Angestellten der GmbH ermittelten Bemessungsgrundlagen, wozu auch die Einnahmeüberschussrechnung im Streitfall gehört, aus fachlicher Sicht richtig und vollständig sind (vgl. zur Pflicht des Steuerberaters, die Steuererklärung sorgfältig zu bearbeiten: BGH vom 01.07.1971-VII ZR 295/69, BB 1971, 1305).
Dieser Erklärungsinhalt steht neben der durch Unterschrift dokumentierten Erklärung des Steuerpflichtigen, dass die Angaben in der Steuererklärung richtig sind.

Der Erklärungsinhalt der nach § 25 Abs. 3 Satz 4 EStG 1990 vorgeschriebenen eigenhändigen Unterschrift des Steuerpflichtigen unter die Einkommensteuererklärung schließt es nicht aus, dass falsche Angaben in der Steuererklärung gleichzeitig auch falsche Angaben der hieran mitwirkenden Angehörigen steuerberatender Berufe sein können. Der Regelungsgehalt der §§ 370, 378 AO ist weiter als der des § 25 Abs. 3 EStG. Es werden nicht nur falsche Angaben durch den Steuerpflichtigen, sondern auch solche durch die Steuerberatung erfaßt wie die zweite Alternative in § 378 Abs. 1 AO durch die Formulierung ?bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen? ausdrücklich hervorhebt. Damit kommt der durch entsprechende Benennung dokumentierten Mitwirkung des steuerlichen Beraters auch ein eigener Aussagegehalt mit dem oben beschriebenen Inhalt zu. Es macht nämlich in der Sache keinen Unterschied, ob der Berater in einem eigenen zusätzlichen Schreiben an das Finanzamt der Richtigkeit der von ihm erstellten, sachlich falschen Steuerklärung des Mandanten versichert, wodurch unzweifelhaft zumindest der Tatbestand der §§ 370, 378 AO erfüllt ist, oder ob dies durch die verantwortliche Mitwirkung dokumentierende Nennung des Beraters auf der Steuererklärung selbst geschieht.

Da hier sowohl eine Erklärung des Steuerpflichtigen als auch eine Erklärung durch die Steuerberatung vorliegt, braucht die problematische Frage nicht mehr entschieden zu werden, ob die durch Unterschrift zur Erklärung des Klägers gewordene Einkommensteuererklärung der Steuerberatung ?zugerechnet? werden kann (vgl. hierzu Bayerisches Oberlandesgericht vom 09.11.1993 a.a.O.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO nF wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zugelassen.

RechtsgebieteEinkommensteuerrecht, AbgabenordnungVorschriften§ 4 Abs. 3 EStG, § 25 Abs. 3 Satz 4 EStG; § 169 Abs. 2, Satz 2, 2. Hs. AO, § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO, § 370 Abs. 1 AO, § 378 AO

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