29.03.2001 · IWW-Abrufnummer 010445
Landgericht Berlin: Beschluss vom 20.07.2000 – 519 Qs 216/00
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDGERICHT BERLIN
Beschluss
Geschäftsnummer: 519 Qs 216/00
Landgericht Berlin
351 Gs 2182/00 Amtsgericht Tiergarten in Berlin
4 St Js 5/00 Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Berlin
In der Ermittlungssache
wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung pp
hat die 19. große Strafkammer - Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Berlin am 20. Juli 2000 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 6. Juni 2000 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.
Gründe:
Die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Berlin führt gegen den Beschuldigten als faktischen Geschäftsführer der C & C GmbH (im folgenden GmbH) und gegen seine Mutters als Alleingesellschafterin und eingetragene Geschäftsführerin dieser Gesellschaft ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts, der Steuerhinterziehung im Jahr 1990. Der Beschwerdeführer ist der Steuerberater der Beschuldigten. Mit Beschluss vom 6. März 2000 hat das Amtsgericht Tiergarten in Berlin - 351 Gs 863/00 - gemäß §§ 103, 105 StPO die Durchsuchung seiner Geschäfts- und Nebenräume angeordnet. Am 24. Mai 2000 durchsuchten Beamte der Steuerfahndung die Praxisräume des Beschwerdeführers und beschlagnahmten zwei graue Hefter, eine Heftung Investitionszulagevorgänge und einen blauen Herlitzaktenordner. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 6. Juni 2000 hat das Amtsgericht die Beschlagnahme dieser Gegenstände gemäß § 98 Abs. 2 StPO richterlich bestätigt, weil sie als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein könnten (§ 94 StPO). Der Beschwerdeführer trägt vor, dass es sich bei den beiden grauen Heftern um seine Handakten handele, die dem Beschlagnahmeverbot unterlägen. Hinsichtlich der Heftung ist er der Ansicht, dass sie das Kalenderjahr 1991 betreffe und daher nicht von dem Ermittlungsverfahren betroffen sei. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen; die Staatsanwaltschaft beantragt, sie zu verwerfen.
Die Beschwerde ist zulässig. Der Beschwerdeführer ist in eigener Rechtsposition betroffen, nämlich dem Grundrecht aus Art. 14 GG und dem Gewahrsam an den ihm anvertrauten Unterlagen.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Amtsgericht hat zu Recht die durch die Beamten der Steuerfahndung vorgenommene Beschlagnahme richterlich bestätigt, weil die Unterlagen für das vorliegende Verfahren als Beweismittel in Betracht kommen (§ 94 StPO). Bedenken an der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bestehen nicht.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers handelt es sich bei den beiden grauen Heftern nicht um beschlagnahmefreie Gegenstände im Sinne des § 97 Abs. 1 StPO. Nach dieser Vorschrift sind schriftliche Mitteilungen zwischen dem Beschuldigten und den nach § 52 oder § 53 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StPO zeugnisverweigerungsberechtigten Personen (§ 97 Abs. 1 Nr. 1 StPO), Aufzeichnungen, die die Berufsgeheimnisträger über die ihnen vom Beschuldigten anvertrauten Mitteilungen oder über andere Umstände gemacht haben (§ 97 Abs. 1 Nr. 2 StPO) und andere Gegenstände, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht der Berufsgeheimnisträger erstreckt (§ 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO), von der Beschlagnahme ausgeschlossen. Das Beschlagnahmeverbot knüpft hierbei an die Zeugnisverweigerungsrechte nach §§ 52, 53, 53 a StPO an und soll ihre Umgehung verhindern (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 97 Rdnr. 1). Der Beschwerdeführer gehört als Steuerberater zu den nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO zeugnisverweigerungsberechtigten Berufsgeheimnisträgern. Sinn ihres Zeugnisverweigerungsrechtes ist es, das Vertrauensverhältnis zwischen bestimmten Berufsangehörigen und denen, die ihre Hilfe und Sachkunde in Anspruch nehmen, zu schützen. Daraus folgt aber, dass § 97 Abs. 1 StPO nicht ein generelles Beschlagnahmeverbot enthält, sondern dass nur solche Unterlagen dem Beschlagnahmeverbot unterliegen, die innerhalb des Vertrauensverhältnisses entstanden sind und nach ihrem Aussagegehalt gerade das Vertrauensverhältnis zwischen dem Auftraggeber und dem Zeugnisverweigerungsberechtigten betreffen und zudem bestimmt sind, nicht aus dem Vertrauensverhältnis entlassen zu werden (vgl. BGH NStZ 1981, 94; BGH NStZ 1985, 372; LG Darmstadt NW 1988, 286; LG München NJW 1989, 536; LG Darmstadt WM 1990, 12; KK, StPO, 4. Aufl., § 97 Rdnr. 12). Dies trifft auf die grauen Hefter, die der Beschwerdeführer als seine Handakten bezeichnet, nicht zu.
Ein generelles Beschlagnahmeverbot von Handakten ist in § 97 Abs. 1 StPO ausdrücklich nicht geregelt. Zwar wird vereinzelt die Ansicht vertreten, dass Handakten grundsätzlich beschlagnahmefrei, seien (vgl. LG München NJW 1989, 536 ), dem kann jedoch schon deshalb nicht gefolgt werden, weil der Begriff der Handakte objektiv nicht klar definiert ist und es daher für die Frage der Beschlagnahmefreiheit auf den Aussagegehalt jeder einzelnen in ihr enthaltenen Urkunde ankommt (Moosburger, wistra 1989, 252 ff). Vorliegend befinden sich in beiden grauen Heftern keine Schreiben oder Aufzeichnungen, die einen Aufschluss über Anweisungen, Anregungen und Beratungen zwischen den Beschuldigten und dem Beschwerdeführer zulassen. Vielmehr handelt es sich im wesentlichen um Steuerbescheide des Finanzamtes, Bilanzen-, Summen- und Saldenlisten, Protokolle von Gesellschafterversammlungen, Steuererklärungen, einige Ausgangsrechnungen der GmbH und Verträge dieser GmbH mit anderen Firmen.
Die Heftung Investitionszulage enthält eine an die gerichtete Rechnung aus dem Jahr 1990 sowie eine Kassenbuchseite der GmbH für Oktober 1990; sie kommt daher als Beweismittel in Betracht.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.