Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

19.03.2001 · IWW-Abrufnummer 010404

Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 16.08.2000 – VII 252/97

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


FINANZGERICHT HAMBURG
Urteil

Aktz: VII 252/97

16.08.2000

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob Zahlungen zur Ablösung von Nutzungsrechten nachträgliche Anschaffungskosten eines Grundstücks darstellen.

Die Klägerin ist Steuerberaterin; der Kläger, ihr Ehemann, ist in Fa. A als Kaufmann tätig. Der Kläger war durch Testament vom 17.11.1974 als Alleinerbe nach der am 28.3.1980 verstorbenen Frau S, geb. P, eingesetzt. Das Testament hat folgenden Wortlaut:

"Mein letzter Wille

I. Ich, die unterzeichnete Frau S, geb. P, vermache hierdurch im Falle meines Todes ...

Diese Vermächtnisse sollen von dem Erben innerhalb einer Frist von 6 Monaten nach meinem Tode an die Berechtigten ausgekehrt werden.

II. Zu meinem Alleinerben setze ich Herrn K, Hamburg ... ein.

Die Gründstücke X-Straße a und b sollen weiterhin von der Firma A, Hamburg ..., verwaltet werden. Erforderliche Reparaturen und Instandsetzungen sind von ihr zu veranlassen.

Je 30 v.H. des jährlich erzielten Grundstücks-Überschusses (Einnahmen abzüglich Ausgaben einschliesslich Darlehnstilgungen) sollen an

1. Die Vereinigung H G-Fonds e.V. (SOS Kinderdorf) in München ...,

2. Das Hamburger L-Werk e.V. in Hamburg ...

innerhalb von 6 Monaten nach Abschluss des Kalenderjahres abgeführt werden. Auf die zu erwartenden Überschüsse sind vierteljährlich nachträglich Abschlagszahlungen zu leisten.

III. Der Verkauf der Grundstücke soll 30 Jahre lang ausgeschlossen sein, mit Ausnahme einer Veräusserung, die von staatlicher Seite betrieben wird.

Im Falle einer solchen Veräusserung stehen

1. Der Vereinigung H G-Fonds e.V. (SOS Kinderdorf) in München ...,

2. Dem Hamburger L-Werk e.V. in Hamburg

je 30 v.H. des Verkaufsgewinnes (Verkaufserlös abzüglich Verkaufskosten und Gebühren sowie etwaige Steuern) zu."

Das Nachlassvermögen bestand im Wesentlichen aus dem Mehrfamilienhaus in der X-Straße a/b in Hamburg. Nach dem Erbfall wurde dem Kläger vom Amtsgericht Hamburg unter dem 4. Juni 1980 ein Erbschein ausgestellt, demgemäß er nach der Verstorbenen als Alleinerbe eingesetzt ist. Unter Bezugnahme auf ein Schreiben des Klägers vom 18.9.80 und einem beigefügten Sachverständigengutachten erklärte der H-G-Fonds Deutschland e.V. mit Schreiben vom 23.9.80 und der Hamburger L-Werk e.V. mit Schreiben vom 29.10.80, dass sie den Vorschlag des Klägers akzeptieren, wonach ihnen jeweils 30 Prozent des Verkehrswertes des Grundstücks X-Straße a/b ausgezahlt werden sollte. Darauf hin überwies der Kläger den beiden in dem Testament der Erblasserin bedachten Vereinen am 27.12.80 je DM 147.000,-, wovon je DM 44.100 auf Grund und Boden entfiel.

Die Kläger reichten am 19.4.1990 die Einkommensteuererklärung 1988 bei dem Beklagten ein. Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 28.1.1991 die Einkommensteuer 1988 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf DM ... fest. Diesen Bescheid änderte der Beklagte gemäß § 164 Absatz 2 AO mit Bescheid vom 9.9.1994 und setzte die Einkommensteuer auf DM ... fest. In dem Änderungsbescheid hob er den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Gegen diesen Bescheid legten die Kläger mit Schreiben vom 24.9.1994, eingegangen am 27.9.1994, Einspruch ein. Diesen begründeten sie damit, dass es sich auf Grund neuerer und geänderter Rechtsprechung bei den Zahlungen an die Vereine in Höhe von insgesamt DM 294.000,- um nachträgliche Anschaffungskosten des Klägers handelt. Sie machten für das Streitjahr eine Abschreibung in Höhe von 2% auf DM 294.000,- = DM 5.880,- geltend. Der Beklagte änderte den Einkommensteuerbescheid 1988 wiederum mit Bescheid vom 26.8.1996 und setzte die Einkommensteuer auf DM ... fest. Hinsichtlich des hier vorliegenden Streitpunktes vertrat er die Auffassung, dass dem Kläger mit dem Erbfall die uneingeschränkte rechtliche und wirtschaftliche Verfügungsmacht über das streitige Grundstück übertragen worden sei. Gegenüber den Vereinen sei für den Kläger lediglich eine schuldrechtliche Verpflichtung durch das Testament begründet worden. Die Erfüllung des Vermächtnisses stelle deshalb kein Anschaffungsgeschäft, sondern die Begleichung einer durch den Erbfall bedingten Nachlassverbindlichkeit dar. Unter diesen Gesichtspunkten wies der Beklagte den Einspruch mit Entscheidung vom 14.11.1997 als unbegründet zurück. Die Kläger haben mit Schreiben vom 1.12.1997, eingegangen am selben Tag, Klage erhoben.

Die Kläger tragen vor:

Für den Streitfall sei entscheidend, was die Erblasserin gewollt habe. Die Klägerin habe die Erblasserin bei der Aufstellung des Testaments als Steuerberaterin und Rechtsbeistand beraten. Die Erblasserin habe damals den Wunsch gehabt, dass nach ihrem Tode die beiden Vereine die einem Grundeigentümer vergleichbare Stellung einnehmen sollten. So sollten die Vereine nicht nur anteilsmäßig (60%) an den wirtschaftlichen Einkünften beteiligt werden, sondern auch an den stillen Reserven des Grundvermögens. Die Vereine sollten als Nießbraucher wirtschaftliche Eigentümer werden. Die Erblasserin habe nicht die Version der reinen Nachlassverbindlichkeit beabsichtigt; diese hätte immer zu einer wirtschaftlichen Belastung des Erben geführt. Denn nach Abzug einer 50%igen Einkommensteuer auf einen angenommenen Jahresüberschuss von DM 50.000,- hätte die Abführung von 60% des Überschusses eine Unterdeckung von DM 5.000,- gegeben, die der Kläger aus seinem Vermögen an die Vereine hätte zahlen müssen. Die Vereine hätten auch nicht auf eine grundbuchliche Sicherstellung ihrer aus dem Testament herrührenden Ansprüche verzichtet. Zur Eintragung der Nießbrauchsrechte im Grundbuch sei es nicht gekommen, weil unmittelbar nach dem Erbfall die Ablösung der Vermächtnisnießbräuche vereinbart worden sei.

Die Beteiligung der Nießbraucher an den Grundstückslasten sowie die 60%ige Beteiligung der Nießbraucher an einem vorzeitigen Grundstücksverkaufserlös zeigten, dass hier den Beteiligten nicht nur die Stellung von wirtschaftlichen Eigentümern zugewiesen worden sei, sondern auch die wesentlichen Merkmale des Nießbrauchs erfüllt seien.

Mit der Ablösungszahlung habe der Kläger nicht nur weitere 60% der Einkunftsquelle hinzu erworben, sondern auch die 100%ige wirtschaftliche und rechtliche Verfügungsmacht über das Grundstück. Solche Zahlungen stellten nachträgliche Anschaffungskosten eines Grundstücks dar. Diese steuerrechtliche Würdigung befinde sich in Übereinstimmung zur Rechtsprechung des Großen Senats (BStBl II 1990, 847), wonach der Übernehmer eines Grundstücks, das mit einem Vorbehaltsnießbrauch belastet sei, von vorneherein das um das Nutzungsrecht geminderte Vermögen erhalte. Das habe zur Folge, dass der Vorgang der Ablösung eines Nutzungsrechts gegenüber der ursprünglichen Grundstücksübertragung ein eigenständiger Vorgang sei, der gesondert zu beurteilen sei. Eine solche Ablösung werde geleistet, um die volle Verfügungsmacht, das volle Eigentum über das Grundstück zu erhalten. Diese Zahlungen seien deshalb genauso zu behandeln, wie alle Aufwendungen zum Erwerb von Grundstücken, nämlich als nachträgliche Anschaffungskosten.

Die Kläger beantragen,

die Einspruchsentscheidung vom 14.11.1997 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1988 vom 26.8.1996 dahin zu ändern, dass die Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung um weitere Absetzungen für Abnutzung in Höhe von DM 4.116,- vermindert werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor:

Die Ablösung schuldrechtlicher Vermächtnisse führe nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten eines Grundstücks. Der Kläger habe das uneingeschränkte Eigentum als dingliches Vollrecht erhalten, so dass es keine Anschaffungskosten für dieses Eigentum mehr geben könne. Die Begleichung der obligatorischen Verpflichtungen stelle die Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten dar, die außerhalb des Bereichs der Einkunftserzielung liege. Im Streitfall sei kein Nießbrauchsrecht auf Grund eines schuldrechtlichen Vertrages eingeräumt worden, sondern ein Vermächtnis in der Form, dass der Kläger als Erbe eines Mietgrundstücks Leistungen zu erbringen gehabt hätte. Ein Nießbrauchsrecht sei nicht bestellt worden, da kein Einziehungsrecht der Vermächtnisnehmer nach § 1074 BGB gewollt gewesen sei. Das Vermächtnis gewähre keine Rechte an dem Grundstück; es beschränke die Ansprüche auf den Grundstücksüberschuss. Ein abschreibungsfähiges Recht sei nicht erworben worden.

Am 17. April 2000 hat ein Erörterungstermin stattgefunden; auf die Niederschrift über diesen Termin wird Bezug genommen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Dem Gericht haben die Einkommensteuerakten Bd. IV sowie die Rechtsbehelfsakten zur Steuernummer ... vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung gemäß § 90 Abs. 2 FGO.

I.

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Kläger sind durch die Festsetzung der Einkommensteuer 1988 auf DM ... in ihren Rechten verletzt. Der Beklagte hat zu Unrecht Absetzungen für Abnutzung - AfA - in Höhe von DM 4.116,- aufgrund nachträglicher Anschaffungskosten bei den Einkünften des Klägers aus Vermietung und Verpachtung nicht berücksichtigt.

Die an den H G-Fonds e.V. und den Hamburger L-Werk e.V. - Vereine - gezahlten Ablösesummen in Höhe von insgesamt DM 294.000,- stellen in Höhe des - unstreitig - nicht auf den Grund und Boden entfallenden Anteils von DM 205.800,- nachträgliche Anschaffungskosten für das Mietwohngrundstück X-Straße a/b dar. Von diesen sind AfA in Höhe von DM 4.116,- (2% von DM 205.800,-) nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 Abs. 4 Nr. 2a EStG bei den Einkünften des Klägers aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen.

Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs.1 HGB diejenigen Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Erwerben bedeutet nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BFH vom 22.8.1966 GrS 2/66, BStBl III 1966, 672) das Überführen eines Gegenstandes von der fremden in die eigene wirtschaftliche Verfügungsmacht. Die wirtschaftliche Verfügungsmacht wird in der Regel dadurch erlangt, dass Eigenbesitz, Gefahr, Nutzen und Lasten auf den Erwerber übergehen (BFH-Urteile vom 28.4.1977 IV R 163/75, BStBl II 1977, 553; vom 2.9.1988 III R 53/84, BStBl II 1988, 1009).

1.) Erwirbt ein Steuerpflichtiger ein mit einem dinglichen Nutzungsrecht belastetes Grundstück, so erhält er ein um das Nutzungsrecht gemindertes Eigentum (vgl. BFH-Urteil vom 10.4.1991 XI R 7,8/84, BStBl II 1991, 791). Seine Befugnisse als Eigentümer i.S. von § 903 BGB, zu denen u.a. das Recht auf Nutzung des Vermögensgegenstandes zählt, sind beschränkt (vgl. Palandt/Bassenge, Bürgerliches Gesetzbuch, 51.Aufl. 1992, § 903 Rn.27). Löst der Eigentümer das Nutzungsrecht ab, so beseitigt er die Beschränkung seiner Eigentümerbefugnisse und verschafft sich die vollständige rechtliche und wirtschaftliche Verfügungsmacht an dem Grundstück. Aufwendungen, die hierdurch entstehen, stellen begrifflich - nachträgliche - Anschaffungskosten des Vermögensgegenstandes "Grundstück" i. S. von § 255 Abs.1 HGB dar. Dementsprechend sind Aufwendungen zur Befreiung eines Grundstücks von dinglichen Belastungen in der Rechtsprechung des BFH auch regelmäßig als - nachträgliche - Anschaffungskosten des Grundstücks angesehen worden (BFH-Urteile vom 21.12.1982 VIII R 215/78, BStBl II 1983, 410: Aufwendungen zur Löschung eines Erbbaurechtes; vom 26.6.1991 XI R 4/85, BFH/NV 1991, 681: Zahlung zur Ablösung eines Vermächtnisnießbrauchs durch Miterben; vom 28.11.1991 XI R 2/87, BStBl II 1992, 381: Kosten der Ablösung eines Wohnrechtes eines Miterben; vom 21.7.1992 IX R 14/89, BStBl II 1993, 484: Zahlung zur Ablösung eines aufgrund eines Vermächtnisses eingeräumten Wohnungsrechts; vom 15.12.1992 IX R 323/87, BStBl II 1993, 297: Zahlung zur Ablösung eines dinglichen Wohnungsrechts).

Im Streitfall ist ein dingliches Nutzungsrecht der Vereine nicht begründet worden. Die für die Bestellung eines Nießbrauchs an einem Grundstück (§§ 1030 ff BGB) erforderliche Eintragung in das Grundbuch gemäß § 873 Abs. 1 BGB ist nicht erfolgt. Die aufgrund des Testaments der Erblasserin den Vereinen im Vermächtniswege zugewandten Ansprüche gegen den Kläger als Erben sind lediglich schuldrechtlicher Natur. Durch das Vermächtnis wurde für die bedachten Vereine das Recht begründet, von dem Kläger als Beschwerten die Leistung des vermachten Gegenstandes zu fordern, § 2174 BGB.

2.) Aber auch Aufwendungen des Erben zur Ablösung von aufgrund eines Vermächtnisses ausgesetzten obligatorischen Nutzungsrechten an einem Wirtschaftsgut des Nachlasses können - nachträgliche - Anschaffungskosten sein. Denn insoweit stellen die Aufwendungen nicht die Erfüllung einer Nachlassverbindlichkeit im Sinne von § 1967 Abs. 2 BGB dar. Eine solche ist nur die Pflicht zur Erfüllung des Vermächtnisanspruchs nach § 2174 BGB selbst (vgl. FG Düsseldorf Beschluss vom 11.2.1989 5 V 243/89 A (E), EFG 1990, 169). Diese liegt im Streitfall in der quotenmäßigen Beteiligung der Vereine an den Mieterträgen.

Bei der Auslegung des Testaments (§§ 133, 2084 BGB) geht der Senat unter Berücksichtigung der Umstände, die sich aus Wortlaut und Sinn des Testaments ergeben, davon aus, dass nach dem Willen der Erblasserin dem Kläger als Erben die Nutznießungsmöglichkeit an dem Grundstück in Höhe von 60% zugunsten der Vereine vorenthalten sein sollte. Die Vereine haben damit ein dem Nießbrauch im Ergebnis entsprechendes Nutzungsrecht auf rein schuldrechtlicher Grundlage erlangt. Die Nießbrauchsvorschriften des BGB stehen der Wirksamkeit derartiger schuldrechtlicher Vereinbarungen nicht entgegen (Staudinger-Promberger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12.Aufl., Vorbem. zu §§ 1030 ff, Rdn. 16).

Kraft des Vermächtnisses hatte die Erblasserin den Kläger verpflichtet, den Vereinen Nutzungsrechte an dem Grundstück einzuräumen. Zu den Nutzungen einer Sache gehören auch die Mietzinsen, §§ 99, 100 BGB. Bei dem Grundstück handelt es sich um ein Mietwohngrundstück; dass aus ihm neben Mietzinsen noch andere Nutzungen gezogen werden können, erscheint ausgeschlossen. Das den Vereinen von dem Kläger einzuräumende Recht umfasst nach dem Willen der Erblasserin die gesamten Nutzungen zur Quote von insgesamt 60%. Der Wille der Erblasserin war damit auf die Begründung eines Rechts unmittelbar an der Sache gerichtet und nicht etwa lediglich auf die quotenmäßige Abtretung der Mietzinsen (vgl. RG Urteil vom 3.2.1908 V 261/07, RGZ 67, 378). Dagegen spricht auch nicht der Einwand des Beklagten, dass dem Unternehmen des Klägers die Verwaltung des Grundstücks obliegen sollte. Die Verwaltung berührt weder die Rechte des Klägers aus seiner Eigentümerstellung noch die durch das Nießbrauchsvermächtnis begründeten Rechte der Vereine.

Ein Dauerschuldverhältnis, dem ein dem Nießbrauch entsprechendes Nutzungsrecht zugrunde liegt, kann auch dann anzunehmen sein, wenn die Eintragung des Nießbrauchs an einem Grundstück aufgrund eines Nießbrauchsvermächtnisses unterlassen wurde und anzunehmen ist, dass die Beteiligten die Vereinbarung auch ohne solche Eintragungen gelten lassen wollen. Das schuldrechtliche Verhältnis ist in diesem Fall im Sinne der Nießbrauchsvorschriften auszulegen (vgl. Staudinger-Promberger, a.a.O., Vorbem. zu §§ 1030 ff, Rdn. 16). Davon wäre auch im Streitfall auszugehen, wenn - wie die Kläger vortragen - die Eintragung des Nießbrauchs allein deshalb unterblieben ist, weil sich die aus dem Nießbrauchsvermächtnis Verpflichteten und Berechtigten alsbald nach Erteilung des Erbscheins über die Ablösung der Ansprüche der Vereine verständigt haben. Die Vereine hätten dann den Anspruch auf Eintragung eines Nießbrauchs an dem Grundstück erlangt, der sie als Nutzungsberechtigte kraft Gesetzes für die Dauer des Nutzungsrechts in die Mietverträge mit den Mietern des Grundstücks hätten eintreten lassen, § 577 BGB (Staudinger-Promberger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12.Aufl., § 1056, Rdn. 3).

3.) Ob die Erblasserin mit dem Vermächtnis den Bedachten lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Kläger einräumen wollte oder ob ein Nießbrauchsvermächtnis vorliegt, das den Kläger als Erben zur Bestellung des quotenmäßigen Nießbrauchs an dem Nachlassgrundstück verpflichtete, kann dahingestellt bleiben. Erzielt der Erbe eines Grundstücks mit diesem Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und löst er Vermächtnisansprüche in Gestalt von obligatorischen Nutzungsrechten an diesem Grundstück ab, um in den Genuss des gesamten Grundstücksertrags zu gelangen, sind die Zahlungen an den durch das Vermächtnis Bedachten durch die Einkünfteerzielungsabsicht veranlasst und als - nachträgliche - Anschaffungskosten zu berücksichtigen.

Der Kläger hatte das Grundstück im Erbwege unentgeltlich erworben. Aufgrund des von der Erblasserin verfügten Vermächtnisses war er zur Einräumung von Nutzungsrechten an dem Mietwohngrundstück X-Straße a/b zugunsten der beiden Vereine verpflichtet. Die Nutznießung aus diesem Grundstück stand ihm nicht in voller Höhe, sondern lediglich gemindert um den den Vereinen in Höhe von 60% zufließenden Überschuss zu. Den Vereinen waren Nutzungsrechte im Sinne eines Quotennießbrauchs zugewendet worden; die Nutzungsrechte an dem Grundstück sollten dem Umfang nach beschränkt und nur an einer Quote der Gesamtnutzungen an dem Grundstück eingeräumt werden. Die Vereine hatten aufgrund der Vermächtnisse der Erblasserin eine gesicherte Rechtsposition erlangt, die es ihnen ermöglichte, von dem Kläger als Beschwerten die Einräumung der Nutzungsrechte zu verlangen. Der Kläger war damit in der Ausübung seiner wirtschaftlichen Verfügungsmacht beschränkt; die Nutzungen des Grundstücks waren lediglich in Höhe von 40% auf ihn übergegangen. Dementsprechend waren die Aufwendungen zur Befreiung des Klägers von diesen Belastungen als - nachträgliche - Anschaffungskosten des Grundstücks anzusehen.

Dem Beklagten ist aus den oben genannten Gründen nicht darin zuzustimmen, dass ausschließlich die Belastung des Grundstücks mit dinglichen Nutzungsrechten zur Einschränkung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Klägers als Eigentümer des Gründstücks führt und diesbezügliche Ablösezahlungen nachträgliche Anschaffungskosten begründen können. Auch die im Streitfall vorliegenden obligatorischen Nutzungsrechte an dem zum Nachlass gehörenden Grundstück begründen die Einschränkung des Klägers in der Nutznießung der Sache. Hiervon geht auch der den Beklagten bindende Erlass des BMF vom 24.7.1998 (BStBl I 1998, 914, Rdn. 6-8, 67, 57, 62 - Einkommensteuerliche Behandlung des Nießbrauchs und anderer Nutzungsrechte bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung -) aus.

Die Einkommensteuer 1988 berechnet sich danach wie folgt:

zu versteuerndes Einkommen bisher ... DM
Mehr-AfA - 4.116 DM
zu versteuerndes Einkommen neu ... DM
tarifliche Einkommensteuer nach der Splittingtabelle ... DM
abzgl. Ermäßigung nach § 15 Abs. 1 VermBG - 515 DM
festzusetzende Einkommensteuer ... DM

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs.1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151 Abs.3, 155 FGO sowie aus §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

RechtsgebieteAO, BGB, FGO, EStG, HGB, VermBG, ZPOVorschriftenAO § 164 Abs. 2 BGB § 1074 BGB § 903 BGB § 873 Abs. 1 BGB § 1967 Abs. 2 BGB § 2174 BGB § 99 BGB § 100 BGB § 577 FGO § 90 Abs. 2 FGO § 135 Abs. 1 FGO § 151 Abs. 3 FGO § 155 FGO § 115 Abs. 2 EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG § 7 Abs. 4 Nr. 2 a HGB § 255 Abs. 1 VermBG § 15 Abs. 1 ZPO § 708 Nr. 10 ZPO § 711

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr