11.01.2001 · IWW-Abrufnummer 010051
Landgericht Waldshut-Tiengen: Beschluss vom 08.03.2000 – 2 Qs 18/00
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDGERICHT WALDSHUT-TIENGEN
2. große Strafkammer
BESCHLUSS
Geschäftsnummer:
2 Qs 18/00
vom 8. März 2000
Strafsache gegen
wegen Verstoßes gegen die Abgabenordnung
Tenor:
Die Beschwerde der Sparkasse gegen den Beschluß des Amtsgerichts vom 10.01.2000 wird als unbegründet kostenpflichtig verworfen.
Gründe:
I.
Am 10.01.2000 erließ das Amtsgericht auf Antrag der Straf- und Bußgeldsachenstelle des unter dem Aktenzeichen Gs 32/99 folgenden Beschluß:
In dem Ermittlungsverfahren gegen namentlich noch unbekannte Kunden und Mitarbeiter der Sparkasse wegen des Verdachts der Hinterziehung bzw. der Beihilfe zur Hinterziehung von Einkommen- und Vemögensteuer in den Veranlagungszeiträumen ab 1992 sowie des Solidaritätszuschlages ab dem Jahr 1992 durch die Abgabe inhaltlich unrichtiger oder unvollständiger oder die Nichtabgabe von Einkommen-, und Vermögensteuererklärungen in nicht verjährter Zeit, zumindest jedoch ab dem Zeitraum 1992 ff, bzw. der Beihilfe zu diesen Taten (Steuerstraftaten gem. §§ 369, 370 AO) wird auf Antrag des gem. §§ 94, 98, 102, 103, 105 StPO angeordnet:
1. Die Durchsuchung der Sparkasse, der bankeigenen Schließfächer und eventuell weiterer außerhalb der eigenen Grundstücke oder Geschäftsräume genutzten Gebäude oder Gebäudeteile einschließlich Nebengelasse sowie der Räume von Zweigstellen und Filialen.
2. Die Beschlagnahme von Unterlagen und Datenbeständen, die im Zusammenhang stehen mit dem Verkauf oder der Einlösung von Wertpapieren über die Tafel oder der anonymen oder namentlichen Verlagerung, dem Verkauf bzw. der Rücknahme von Wertpapieren an ausländische Kreditinstitute sowie die Beschlagnahme aller Unterlagen, die die namentliche Zuordnung anonymer Geschäfte (hier besonders der Tafelgeschäfte) auf bestimmte Kunden ermöglichen.
Hierzu gehören alle Unterlagen die für die weiteren Ermittlungen gegen die unbekannten Bankmitarbeiter oder Kunden von Bedeutung sein können, insbesondere folgende Schriftstücke, Ausdrucke, Belege und Dokumentationen aus der Zeit ab 01.01.1992, auch soweit sie in verfilmter oder elektronisch gespeicherter Form vorliegen:
2.1 Unterlagen über Rechts- und Geschäftsbeziehungen des oben genannten betroffenen Kreditinstitutes zu ausländischen Kreditinstituten im Zusammenhang mit Geld- und Wertpapiertransfers, der Einlösung von Kupons aus Tafelpapieren oder dem Ankauf bzw. dem Rückkauf von Schuldverschreibungen.
2.2 Unterlagen, die bankinterne Konten betreffen und mit Vermögenstransfers zu ausländischen Banken oder mit der Abwicklung von Tafelgeschäften im Zusammenhang stehen können,
2.3 Kassenkontrollstreifen sowie alle Unterlagen, die diejenigen Kundenkonten betreffen, von denen die Beträge abgebucht wurden, um Tafelgeschäfte zu tätigen oder Wertpapiere in das Ausland zu verlagern.
2.4 Unterlagen, die Aufschluß geben können über von Kunden des oben genannten betroffenen Kreditinstitutes bei ausländischen Banken eingerichteten Konten sowie Schriftverkehr, Notizen oder Buchungsunterlagen, die bezogen auf diese im Ausland geführten Konten erstellt wurden.
2.5 Unterlagen, die Hinweise geben auf Beihilfetaten der noch unbekannten Bankmitarbeiter (insbesondere Beratermappen, Aufzeichnungen der Anlageberater),
2.6 Listen von in der Bank geführten internen Konten sowie die dazu gehörenden Buchungsunterlagen und Belege, die im Zeitraum vom 1.1.92 geführt wurden oder geführt werden,
2.7 Alle Protokolle über Vernichtungen von Unterlagen, die seit dem 1.1.92 stattgefunden haben,
2.8 Protokolle, Berichte, und Notizen der leitenden Bankmitarbeiter oder deren Aufsichtsgremien, soweit sich diese auf die Art der Gestaltung des Transfers von Kundengeldern und/oder Vermögenstransfers des betroffenen Kreditinstitutes in das und aus dem Ausland beziehen.
2.9 Protokolle, Berichte, und Notizen der leitenden Bankmitarbeiter oder deren Aufsichtsgremien, soweit sich diese auf die Auflage und den Verkauf der bankeigenen IHS beziehen,
2.10 Innenrevisionsberichte der Bank, Organigramme und allgemeine Arbeitsanweisungen, insbesondere Arbeitsanweisungen an die Bankbediensteten über Verfahrensabläufe bei dem Verkauf/Rückkauf der bankeigenen IHS über die Tafel oder bei dem Transfers von festverzinslichen Wertpapieren in das Ausland,
2.11 aktuelle und ältere Personallisten, Organisationspläne und Telefonlisten,
2.12 Primanotenverzeichnisse
2.13 Alle Unterlagen über Bankschließfachbenutzungen
Beweisbedeutend können auch Unterlagen vor 1992 sein, soweit sie einen Bezug zum Tatvorwurf haben und geeignet sind, die noch verfolgbaren Taten der Steuerhinterziehung bzw. der Beihilfe zur Steuerhinterziehung aufzuklären. Solche Unterlagen sind ebenfalls zu beschlagnahmen.
Die Durchsuchung dient der Sicherstellung von Spuren für Vermögenswerte, die von Kunden der betroffenen Bank anonym oder namentlich in das Ausland transferiert wurden und für steuerfreie ausländische Einlösung von Tafelpapieren bzw. von Kupons solcher Papiere.
Mit der Durchführung der Durchsuchung werden Beamter dar Steuerfahndungsstelle beim beauftragt.
Gründe:
Noch unbekannte Kunden der Sparkasse sind der Hinterziehung von Einkommen- und Vermögensteuer und des Solidaritätszuschlages ab 1992 hinreichend verdächtig. Der Verdacht stützt sich im wesentlichen auf die Erkenntnis, dass auch Kunden der Sparkasse ihr Vermögen dem Fiskus durch verschiedenartige - namentliche oder anonyme - Transfers ins Ausland verheimlicht haben.
a) Die bisherigen Ermittlungen haben ergeben, daß Kunden der Sparkasse im Zeitraum 1990 - 1997 bankeigene Inhaberschuldverschreibungen in Höhe von insgesamt 23,2 Millionen DM kauften. In allen Fällen handelte es sich um thesaurierende Papiere.
Der fast ausschließliche Verkauf von thesaurierenden Wertpapieren durch die Sparkasse stellt eine Besonderheit dar. Diese Papiere haben für den normalen Kapitalanleger den gravierenden Nachteil, daß die gesamten Zinsen in einem Betrag erst am Ende der Laufzeit ausbezahlt und zu diesem Zeitpunkt auch steuerpflichtig werden. Damit kommt selbst der "kleinere" Sparer schnell über die steuerlichen Freibeträge und damit in die Steuerpflicht. Schon bei einer mit 7,5 % verzinsten Anlage über DM 30.000,00 werden nach 5 Jahren Zinsen in Höhe von DM 13.000,00 fällig; der Zinsfreibetrag ist im Fälligkeitsjahr überschritten. Bei höheren Anlagen muß der Anleger im Jahr der Auszahlung durch die Steuerprogression deutlich mehr Steuern abführen. Eine 7,5 %tige Anlage über DM 200.000,00 ergibt bei jährlicher Zinszahlung einen Jahreszins von DM 1 5.000,00. Bei einem Freibetrag von DM 12.000,00 (Ehegatten) und einer Steuerlast von 35 % in der Spitze (zu versteuerndes Einkommen ohne Kapitaleinkünfte ca. DM 100.000,00) wären daraus jährlich DM 1.050,00 in fünf Jahren also insgesamt 5.250,00 Steuern zu bezahlen. Die gleiche Anlage (DM 200.000,00 für 5 Jahre bei 7,5 %) in thesaurierenden Papieren führt zu einer einmaligen Zinsgutschrift in Höhe von DM 87.125,00. Unter Berücksichtigung der Freibetrages von DM 12.000,00 im Jahr der Auszahlung, errechnet sich für den gleichen Anleger eine Steuerlast von 28.400,00. Die Gründe, warum thesaurierende Tafelpapiere bei den Banken nur noch selten vorkommen, sind erkennbar. Nun besteht aber - nach obigen Ausführungen - der Anfangsverdacht, daß die Käufer von Tafelpapieren ihre daraus erzielten Erträge überwiegend nicht versteuern. Für diesen Kundenkreis sind thesaurierende Tafelpapiere interessant. Die Papiere bieten die Vorteile des anonymen Tafelgeschäftes und vermeiden den Nachteil der jährlichen Kuponseinlösungen Im Ausland. Für die Kunden der verkehrsungünstig gelegenen Sparkasse ist es sicher von Vorteil, daß sie die Schweizer Bank nur einmal, nämlich bei Endfälligkeit des Papiers nach 5 Jahren aufsuchen müssen.
b) Das Mißverhältnis von Zinszahlungen und Zast-Anmeldung seitens der Bank läßt auf Zast-freie Zinszahlungen schließen, was nur an ausländische Kreditinstitute möglich ist. Es müssen also fällige Kupons oder endfällige IHS im Ausland eingelöst worden sein oder festverzinsliche Wertpapiere wurden in ausländische Depots übertragen. Beides ist wirtschaftlich nachteilig, da die Kosten bei ausländischen Banken - bei gleichbleibenden Erträgen - deutlich höher sind. Das macht nur Sinn, wenn der Anleger die Erträge nicht versteuern will. Ob diese Transfers namentlich oder anonymisiert erfolgten - etwa durch Zwischenschaltung einer Kassenbuchung - spielt keine Rolle.
c) Die Auflage und der Verkauf der thesaurierenden Papiere satt zwingend eine eingehende Kundenberatung voraus. Die Kunden mußten über die "besonderen Vorteile" der Papiere informiert werden und sie mußten Informationen erhalten, wo sie die Papiere bei Endfälligkeit einlösen konnten. Nur so läßt sich auch erklären, warum ein Großteil der Rückläufe über die gleiche Schweizer Bank (in CH-Brugg) erfolgte. Diese Beratung begründet den Anfangsverdacht der Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch unbekannte Mitarbeiter der Sparkasse.
Die Durchsuchung der Bank ist notwendig und angemessen. Es handelt sich angesichts der konkreten Verdachtspunkte auch nicht um eine "Flächenfahndung" bzw. Fahndung "ins Blaue". Es handelt sich um einen verhältnismäßigen Eingriff in den Datenbestand der Bank. Mit der gesetzlichen Ausgestaltung des Steuergeheimnisses hat der Gesetzgeber hinreichende Sicherheitsvorkehrungen gegen eine mißbräuchliche Verwendung dieser Daten geschaffen (BVerfG, Urteil v. 27.6.91, 2 BvR 1493/89).
Es ist zu erwarten, daß die gesuchten Unterlagen bei der Sparkasse vorhanden sind. Diese Unterlagen werden als Beweismittel im vorliegenden Verfahren gegen "Unbekannt" benötigt, denn sie dienen der Feststellung der Identität der Täter und es Umfangs der hinterzogenen Steuern. Die in Betracht kommenden Straftaten sind mit Strafe bedroht nach den §§ 370 Abgabenordnung (AO), 25, 27, 52, 53 Strafgesetzbuch (StGB).
Am 15.02.2000 beginnt die Steuerfahndung mit dem Vollzug des genannten Beschlusses und am selben Tag läßt die Sparkasse über ihren Rechtsvertreter Beschwerde gegen den Beschluß einlegen, der das Amtsgericht nicht abhilft. Die Straf- und Bußgeldsachenstelle des tritt der Beschwerde entgegen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Die Durchsuchung ist durch § 102 StPO gedeckt. Derzeit nicht näher bestimmbare Mitarbeiter der Beschwerdeführerin sind verdächtig, ebenfalls derzeit nicht benennbaren Kunden bei der Hinterziehung von Einkommen- und Vermögensteuer Hilfe geleistet zu haben. Einen besonderen Verdachtsgrad sitzt die fragliche Vorschrift nicht voraus. Bloße Vermutungen, die die Durchsuchung als eine "in`s Blaue hinein" durchgeführte Maßnahme erscheinen lassen, genügen indessen nicht. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin sind vorliegend Verdachtsmomente für eine Hinterziehung von Einkommen- und Vermögensteuer gegeben. Dabei ist unschädlich, daß sowohl die Kunden als auch die Mitarbeiter der Beschwerdeführerin sowie konkrete Einzeltaten im derzeitigen Verfahrensstadium nicht näher bezeichnet werden können (BVerfG, Beschluß vom 23.03.1994 - 2 BvR 396194 - = NJW 1994, 2079 = NStZ 1994, 349 = wistra 1994, 221). Daß jedoch Straftaten begangen wurden, läßt sich aus der von den Finanzbehörden erstellten und in dem Aktenordner Band I unter AS 19 abgehefteten Auflistung entnehmen. Demnach wurden von der Beschwerdeführerin z. B. 1992 - dem Jahr der Einführung der Quellensteuer für Zinserträge - thesaurierende Inhaberschuldverschreibungen im Nennwert von 3,6 Millionen DM aus gegeben. Bei einer Laufzeit von 5 Jahren und einer Verzinsung mit 7,5 % p.a. wären 1997 Zinsen in Höhe von rund 1,5 Millionen DM auszubezahlen gewesen. Da für die Tafelpapiere kein Freistellungsauftrag erteilt werden kann, ist das Kreditinstitut verpflichtet, den Zinsabschlag, der in diesem Fall 35 % beträgt, in jedem Fall abzuführen. Dementsprechend hätte die Beschwerdeführerin 1997 einen Zinsabschlag in Höhe von circa 540.000,- DM an den Fiskus abzuführen gehabt. Tatsächlich wurden nur 3.207,00 DM abgeführt.
Es sind nun verschiedene Faktoren denkbar, warum sich die abzuführende Summe reduziert. Zum einen kann der Kunde bereits nach zwei Jahren die vorzeitige Rückgabe verlangen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Zinssätze in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken sind Und eine Neuanlage nur zu schlechteren Konditionen möglich war. Soweit der Kunde das Kapital nicht dringend für persönliche Zwecke benötigt hatte, wird er den vorzeitigen Rückkauf nicht verlangen, weshalb diese Fälle eine derart hohe Reduzierung des von der Beschwerdeführerin abzuführenden Betrages nicht erklären können. Zum anderen brauchen die Inhaberschuldverschreibungen nicht bei der Beschwerdeführerin eingelöst werden, sondern die Kunden können dies bei jedem anderen Kreditinstitut tun. Allerdings werden dann regelmäßig Gebühren erhoben, die bei der Beschwerdeführerin selbst nicht anfallen. Bei der Einlösung bei einer inländischen Bank hätte diese ebenfalls die Kapitalertragssteuer abzuführen. Da es sich bei der Beschwerdeführerin um eine Sparkasse aus dem ländlichen Raum handelt und nach derzeitigem Sachstand davon ausgegangen werden kann, daß der Kundenkreis sich weitgehend auf den südlichen Schwarzwald beschränkt, kann nur in Ausnahmefällen davon ausgegangen werden, daß Kunden ihre Inhaberschuldverschreibung bei einem anderen deutschen Kreditinstitut einlösen, um sich einen langen Anfahrtsweg zu ersparen. Damit korrespondiert auch der Umstand, daß nach Angaben der Straf- und Bußgeldsachenstelle des in den zu ihrem Zuständigkeitsgebiet gehörenden 9 seit Einführung der Kapitalertragssteuer von Steuerpflichtigen bei ihrer Einkommensteuererklärung allenfalls 11 Zinsbescheinigungen über eine abgeführte 35 %ige Kapitalertragssteuer vorgelegt wurden.
Bei der Einlösung des Tafelpapiers bei einem ausländischen Kreditinstitut wird allerdings von diesem die Kapitalertragssteuer nicht einbehalten, wenngleich die Steuerpflicht selbstverständlich nicht entfällt. Die Beschwerdeführerin läßt nun vortragen, daß dies auch für den steuerehrlichen Kunden lohnend sein kann. Er kann nämlich - wenn er jährlich Zinsen unter der Freigrenze von 6.000,- DM für Ledige bzw. 12.000,- DM für Verheiratete erwirtschaftet - erreichen, daß er bis zu seiner Steuererklärung mit dem Geld wirtschaften kann. Die Berechnung, die von der Beschwerdeführerin hierzu angestellt wird, vermag jedoch nicht zu überzeugen. Hierbei geht sie von einem Kunden aus, dessen jährliche Zinseinkünfte den Freibetrag nicht übersteigen; der Kunde bekäme eine vorweg abgezogene Kapitalertragssteuer bei der nächsten Steuererklärung also erstattet und hätte damit kein Motiv zur Steuerhinterziehung. Daß der Zeitvorteil bis zu 1,5 Jahre beträgt, mag zwar theoretisch zutreffen, doch muß für eine realistische Betrachtung berücksichtigt werden, daß derjenige, der mit einer Steuererstattung rechnet, seine Steuererklärung möglichst schnell abgeben wird, weshalb der erzielte Zeitgewinn bestenfalls bei etwas mehr als einem Jahr liegen wird.
Bei der bei dem Rechenbeispiel zugrunde gelegten Verzinsung von 7,5 % p.a. auf fünf Jahre beträgt der Auszahlungsbetrag - wie von der Beschwerdeführerin berechnet - 14356,29 DM. Die Kapitalertragssteuer, die des inländische Kreditinstitut abzuführen hätte, wäre mit 1524,60 DM zu veranschlagen. Läßt man die (auf den gesamten Betrag erhobene) Einlösegebühr der ausländischen Bank nur 1 % betragen, so kämen 143,56 DM in Abzug. Den Unterschiedsbetrag von 1381,04 DM, der dem Kunden gegenüber einer Einlösung im Inland und dem damit verbundenen Abzug der Quellensteuer früher zur Verfügung steht. müßte der Kunde zu einem Zinssatz von über 10 % (!) anlegen, um in einem Jahr die bezahlte Gebühr zu erwirtschaften. Hinzu kommt die Investition von Zeit und Geld um die Inhaberschuldverschreibung, im Ausland einzulösen. Dabei hat die Kammer nicht einmal das Verlustrisiko des Tafelpapiers, das von den Kreditinstituten wie Bargeld behandelt wird in Rechnung gestellt. Eine Einlösung im Ausland macht mithin für den steuerehrlichen Kunden ebenfalls keinen Sinn. Die einzig plausible Erklärung für die derartig hohe Diskrepanz zwischen ausgegebenen Inhaberschuldverschreibung und abgeführter Kapitalertragssteuer ist nach gegenwärtigem Verfahrensstand, daß ein Großteil der Kunden die Steuer hinterziehen wollte.
Daneben ist zu berücksichtigen, daß sich Tafelpapiere wegen der durch die hohe Umlauffähigkeit bedingte Anonymisierung des Geschäfts besonders für die Begehung Steuerstraftaten eignen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß die wirtschaftlichen Nachteile dieses Papiers ansonsten deutlich überwiegen. Der ledige Kunde, der 1992 eine thesaurierende Inhaberschuldverschreibung i.H.v. 20.000 DM mit einer Laufzeit von 5 Jahren und einer Verzinsung von 7,5 % p.a. kauft, kann die ersten vier Jahre den Freibetrag nicht nutzen, während im letzten Jahr der Zinsertrag den Freibetrag deutlich übersteigt. Gerade im Hinblick darauf, daß die Beschwerdeführerin sich darauf beruft, daß es sich bei den Käufern ganz überwiegend um Kleinanleger, die den Freistellungsbetrag nicht vollständig ausschöpfen, handelt, wäre ein Tafelpapier nicht zu empfehlen.
Soweit die Beschwerdeführerin hierzu einwirft, daß derartige Geschäfte legal sind und es dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben muß, gegen mißbräuchliche )Verwendung vorzugehen, ist anzumerken, daß sich der Verdacht einer Strafrat auch aus einem an sich legalem Tun ergeben kann. Ob alleine der Abschluß von Tafelgeschäften einen Verdacht rechtfertigt, ist eher zweifelhaft. Hier kommt jedoch die Einlösung der Wertpapiere im Ausland hinzu.
§ 102 StPO gestattet die Durchsuchung von Geschäftsräumen, die einem Verdächtigen vom Arbeitgeber zur Arbeitsausübung überlassen worden sind (BGH, Beschl. v. 08.04.1998 - StB 5/98 - = BGHR StPO § 102, Geschäftsräume 1). Soweit sich Mitarbeiter der Beschwerdeführerin der Begehung einer Straftat verdächtig gemacht haben, läßt sich die Durchsuchung auf diese Vorschrift stützen. Vorliegend besteht der Verdacht, daß zumindest ein Teil der Mitarbeiter Teilnehmer, d.h. Anstifter oder Gehilfen der Steuerhinterziehung sind. Wie von den Ermittlungsbehörden festgestellt, erfolgte ein Großteil der Rückläufe über das gleiche schweizerische Kreditinstitut. Es liegt nahe, daß es sich hierbei um den selben Tipgeber handelt. Vor allem aber wird ein durchschnittlicher Bankkunde nicht von sich aus auf die Idee kommen, ein deutsches Wertpapier im Ausland einlösen zu wollen. Die gemachten Ausführungen zeigen bereits, daß für die Entscheidung, ob das Geschäft für den Kunden vorteilhaft ist, komplexe Überlegungen notwendig sind. Dies erfordert fachkundige Beratung (vgl. BVerfG aaO). Letztendlich hat auch die Beschwerdeführerin ein besonderes Interesse daran, ihre Wertpapiere zu verkaufen. Die Beschwerdeführerin behauptet, daß eine Aufklärung über die Möglichkeit, auf diese Weise der Kapitalertragssteuer zu entgehen, nicht nötig war, da die Kunden durch die Werbung ausländischer Banken hinreichend informiert wurden. Nachdem es sich, wie gesagt, um ein deutsches Wertpapier handelt, kann nicht angenommen werden, daß ausländische Banken dieses Papier anpreisen wollen. Diese sind vielmehr daran interessiert, selbst Anleger zu werben. Es ist auch wenig wahrscheinlich, daß die Kunden untereinander diese Anlagemethode weiterempfohlen haben, da sie damit eingestehen müßten, daß sie Steuern hinterziehen wollen würden; ein Umstand, den der Täter nach Möglichkeit für sich behält. Es wird in Rechtsprechung und Literatur nicht ernsthaft in Frage gestellt, daß die Unterstützungshandlung eines Gehilfen auch im Vorbereitungsstadium der Tat erbracht werden kann. Bei der Anstiftung, d.h. dem Erwecken des Tatentschlusses, liegt die Anstiftungshandlung bereits notwendigerweise vor der Tatausführung. Der Einwand der Beschwerdeführerin, zwischen der möglichen Beihilfehandlung und der möglichen Tathandlung (Nichtangabe der Zinseinkünfte bei der Steuererklärung) lägen fünf Jahre, ist für die rechtliche Bewertung irrelevant, zumal sich die Verjährung wegen der Akzessorietät der Teilnahme nach der Haupttat richtet. Auch die Bedenken gegen den Vorsatz der Mitarbeiter - dolus eventualis genügt - vermag die Kammer nicht zu teilen. Wenn ein Geschäft empfohlen wird, das in den meisten Fällen wirtschaftlich nur Sinn macht, wenn man die Kapitalertragssteuer umgehen will, hält es der Berater natürlich für möglich, daß der Kunde aufgrund seiner Beratung die Zinseinkünfte später verschweigt. Um die hauseigenen Wertpapiere zu verkaufen, nimmt der Berater dies auch billigend in Kauf. Damit besteht auch ein Verdacht wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung gegen Mitarbeiter der Beschwerdeführerin.
Die zu beschlagnahmenden Gegenstände sind in dem Beschluß daneben hinreichend konkretisiert, um eine richterliche Kontrolle des Grundrechtseingriffs zu gewährleisten. Dabei ist es unschädlich, wenn einzelne Sätze unbestimmt gefaßt sind, solange sich nur aus dem Gesamtzusammenhang ergibt nach welchen Gegenständen gesucht wird und nach welchen nicht (vgl. BVerfG aaO). Da die Geschäfte meist verschleiert werden, d.h. vor allem der Käufer des Papiers unerkannt bleiben soll, ist eine umfangreiche Sichtung der Bankunterlagen nötig. So kann über die Kassenkontrollstreifen - allerdings nur im Zusammenhang mit weiteren Unterlagen - festgestellt werden, ob ein Kunde eine Barabhebung von einem seiner Konten getätigt hat und kurz danach in entsprechender Höhe eine thesaurierende Inhaberschuldverschreibung erworben wurde. Zur Verschleierung von Geldbewegungen werden Zahlungen auch über interne Konten geleitet. Letzten Endes handelt es sich bei der Inhaberschuldverschreibung, wie bereits dargelegt, um ein Wertpapier mit besonders guter Umlauffähigkeit, so daß sich zur Vermeidung des Abhandenkommens eine Aufbewahrung in einem Schließfach besonders anbietet. Ob diese Maßnahmen in der richtigen Relation zum Vorwurf und der Beeinträchtigung Dritter stehen, wird gesondert zu erörtern sein. Letztendlich ist die Erwähnung von Unterlagen vor 1992, soweit ein Bezug zum Tatvorwurf besteht, ebenfalls nicht zu beanstanden, da auch insoweit eine weitestmögliche Eingrenzung erfolgt ist. Bereits vor 1992 kann ein Kreditinstitut bereits Vorkehrungen im Hinblick auf die zu erwartende Einführung der Quellensteuer für Zinserträge getroffen haben. So können Instruktionen ergangen sein, welche Anlageform zukünftig mit welchen Argumenten empfohlen werden soll. Das Amtsgericht hat damit Zweck und Umfang der Durchsuchung hinreichend umrissen.
Schließlich ist die Maßnahme auch verhältnismäßig. Auf der einen Seite berührt die Durchsuchung das verfassungsmäßig geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Kunden. Daneben kann sich die Beschwerdeführerin selbst möglicherweise auf ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb berufen, das zumindest teilweise durch Art. 12 und 14 GG Grundrechtsschutz genießt. Auf der anderen Seite steht jedoch die Steuergerechtigkeit, die im Rechtsstaatsprinzip ihre Verankerung findet. Vorliegend ist den bereits gemachten Ausführungen zu entnehmen, daß angesichts des geringen Betrags an Zinsabschlag der von der Beschwerdeführerin abgeführt wurde, von umfangreichen Einlösungen der Inhaberschuldverschreibunoen im Ausland auszugehen ist, die gewöhnlich nur dann sinnvoll sind, wenn man die Zinsen nicht versteuern will. Auch nach vorsichtiger Schätzung ist es nach derzeitigem Sachstand nicht unwahrscheinlich, daß mehr als die Hälfte der Käufer von thesaurierenden Inhaberschuldverschreibungen Steuern hinterzogen hat. Daß der Geschäftsbetrieb durch die Durchsuchung in unvertretbarer Weise behindert wird, hat die Beschwerdeführerin demgegenüber nicht dargelegt. Der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Kunden ist vorliegend hinnehmbar, da die Zahl der steuerehrlichen Kunden, die von den Maßnahmen unmittelbar betroffen werden - verglichen mit anderen Fällen - gering ist und die Maßnahme von einer Behörde durchgeführt wird, demgegenüber sich der Kunde nicht auf das Steuergeheimnis berufen kann, die jedoch ihrerseits die gewonnenen Informationen nur in engen Grenzen speichern und weitergeben darf. Angesichts eines Steuerausfalls, der sich insgesamt im siebenstelligen Bereich bewegt, ist die Durchsuchung mithin auch verhältnismäßig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.