Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

16.11.2000 · IWW-Abrufnummer 001350

BRAGO professionell 12/2000 Seite 156 - 158

Sieben aktuelle Urteile zur Mittelgebühr in Bußgeldsachen


Insbesondere Rechtsschutzversicherer, aber zum Teil auch Gerichte, vertreten
die Meinung, dass in alltäglichen Verkehrsordnungswidrigkeiten nur eine im
unteren Bereich des jeweiligen Rahmens liegende Gebühr angemessen ist. Zur
Begründung wird angeführt: Im Vergleich mit anderen Bußgeldverfahren seien
die in Verkehrsordnungswidrigkeiten angedrohten Geldbußen niedrig. Folglich
dürfe auch die Vergütung des Rechtsanwalts nur im unteren Gebührenbereich
liegen.

Der nachfolgende Beitrag stellt die Entscheidungen verschiedener Gerichte
vor, die demgegenüber zu Recht davon ausgehen, dass in Bußgeldsachen wegen
Verkehrsordnungswidrigkeiten im Regelfall die Mittelgebühr angemessen ist.
AG Düsseldorf, Urteil vom 22. Dezember 1995, Az.: 32 C 15.364/95, AnwBl.
1997, 353



Ein zweiseitiges Schreiben des Anwalts an die Bußgeldbehörde entspricht
durchschnittlichen Anforderungen und reicht zur Berechnung einer gemäß § 12
Abs. 1 BRAGO angemessenen Mittelgebühr (L. d. R.).


Anmerkung
Die verklagte Rechtsschutzversicherung hatte die Bußgeldsache ? wie üblich ?
als ?weit unterdurchschnittlich? angesehen. Nach Ansicht des Gerichts
entsprach aber die nahezu zweiseitige schriftliche Stellungnahme durchaus
durchschnittlichen Anforderungen. Die Einholung eines Gutachtens der
Anwaltskammer nach § 12 BRAGO lehnte das Gericht mit dem zutreffenden
Hinweis ab, dass dies nur in einem Gebührenprozess zwischen dem Anwalt und
seinem Mandanten erforderlich ist.
AG Stadtroda, Beschluss vom 24. Juli 1996, Az.: 553 Js 56409/95 OWi, ZfS
1997, 68 f. = DAR 1997, 293 f.



Werden dem Betroffenen vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung
vorgeworfen und ein Fahrverbot angedroht, die zur Einholung eines
Sachverständigengutachtens führen, so sind nach den Kriterien des § 12 BRAGO
Anhaltspunkte erkennbar, die eine Überschreitung der jeweiligen gekürzten
Mittelgebühren wegen Überdurchschnittlichkeit des Verfahrens rechtfertigen.


Anmerkung
Für das Verwaltungsverfahren erkannte das Gericht eine Mittelgebühr in Höhe
von 320 DM, für das gerichtliche Verfahren eine Mittelgebühr in Höhe von 640
DM als angemessen an. Nach den Urteilsgründen lagen folgende
gebührenrelevanten Umstände vor:



  • Anzweifeln der Messgenauigkeit und der Installation des Messgerätes durch die Verteidigung;


  • Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens;


  • Auswertung des Sachverständigengutachtens;


  • zwei Verhandlungstermine mit einer Verhandlungsdauer von 20 bzw. 30
    Minuten;


  • 4.000-DM-Nettoeinkommen des Auftraggebers;


  • Schwerbehinderung des Auftraggebers;


  • Erforderlichkeit des Führerscheinbesitzes zur Durchführung des Berufes.


AG Lüdenscheid, Urteil vom 1. August 1996, Az.: 22 C 173/96, ZfS 1996, 392


Ein allgemeiner Erfahrungssatz der Art, dass Verkehrsordnungswidrigkeiten
grundsätzlich eine geringere Bedeutung haben als durchschnittlich gelagerte
Bußgeld- und Strafverfahren, existiert nicht.

Anmerkung
Der Anwalt hatte seinem Mandanten telefonisch geraten, ein Verwarnungsgeld
von 40 DM anzunehmen. Die Rechtsschutzversicherung zahlte auf die Kostennote
des Anwalts in Höhe von 439,30 DM lediglich einen Betrag von 92 DM. Das
Gericht verurteilte die Versicherung zur Zahlung des Restbetrages. Die
wesentliche Begründung lautete: Die Annahme des von der
Rechtsschutzversicherung behaupteten allgemeinen Erfahrungssatzes, dass
Verkehrsordnungswidrigkeiten grundsätzlich eine geringere Bedeutung haben
als durchschnittlich gelagerte Bußgeld- und Strafverfahren, widerspreche §
105 Abs. 2 BRAGO, der ausdrücklich bestimmt, dass der Rechtsanwalt im
Bußgeldverfahren vor dem AG die Gebühren des § 83 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO erhält.
Für eine jedenfalls durchschnittliche Bedeutung sprächen hier einschlägige
Verkehrsordnungswidrigkeiten. Unabhängig davon, ob konkret ein Fahrverbot
gedroht hätte, bestünde die Gefahr einer nicht unerheblichen Erhöhung der
Geldbuße.



AG Rendsburg, Urteil vom 12. November 1996, Az.: 18 C 346/96, AnwBl. 1997,
180 f. = ZfS 1997, 270 f.



  1. Im Bußgeldverfahren ist die 10prozentige Überschreitung des höchsten
    Gebührensatzes der §§ 84 Abs. 1, 83 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 105 BRAGO gemäß §
    88 Satz 3 möglich und nach den Umständen des Einzelfalles nicht unbillig
    i.S.v. § 12 BRAGO.


  2. Bei Verkehrsordnungswidrigkeiten, die mit einer Geldbuße von mehr als 80
    DM bedroht sind, ist der Ansatz einer Mittelgebühr nicht unbillig.


Anmerkung
Die Entscheidung ist sowohl hinsichtlich der Begründung der Mittelgebühr als
auch hinsichtlich der Möglichkeit der Überschreitung der Höchstgebühr
interessant. Danach ist die Mittelgebühr bei Verkehrsordnungswidrigkeiten,
die mit einer Geldbuße von 80 DM bedroht sind, bereits deshalb
gerechtfertigt, weil eine Eintragung im Verkehrszentralregister erfolgt und
bei bestimmten Ordnungswidrigkeiten auch die Verhängung eines Fahrverbots
möglich ist. Wesentliche Gesichtspunkte für die Überschreitung sogar der
Höchstgebühr waren im vorliegenden Fall insbesondere:


  • Der Auftraggeber hatte bereits 14 Punkte im Verkehrszentralregister. Die Folge wäre im Fall der Rechtskraft des Bußgeldbescheids die Entziehung der
    Fahrerlaubnis gewesen.


  • Es drohte ein Fahrverbot mit einer Höchstdauer von drei Monaten.


  • Der Auftraggeber ist als freiberuflich tätiger Unternehmensberater mit
    einer jährlichen Fahrleistung von 50.000 km täglich auf das Fahrzeug
    angewiesen.


  • Es sind nur unzureichende öffentliche Verkehrsmittel vorhanden (ländlicher
    Bereich).


  • Die Vermeidung der Nachteile durch die Einstellung eines Fahrers ist
    zweifelhaft, vor allem weil Fahrten auch an Wochenenden und außerhalb der
    üblichen Arbeitszeiten erforderlich waren.


  • Ein Fahrverbot hätte die wirtschaftliche Existenz vernichten können.


  • Die Geschwindigkeitsmessung müsste durch einen Sachverständigen überprüft
    werden.


  • Es sind deutlich überdurchschnittliche wirtschaftliche Verhältnisse
    gegeben.


  • Ein begründeter Wiedereinsetzungsantrag wurde von der Verwaltungsbehörde
    abschlägig beschieden.



AG Darmstadt, Beschluss vom 29. Januar 1997, Az.: 242 OWi 263/96, MDR 1997,
407 f. = AnwBl. 1997, 353



  1. § 84 Abs. 2 BRAGO ist im Bußgeldverfahren anwendbar.


  2. Bei erheblichem Umfang der anwaltlichen Tätigkeit hindert auch die
    Geringfügigkeit der Verkehrsordnungswidrigkeit (Bußgeld über 30 DM) die
    Festsetzung der Mittelgebühr nicht.



Anmerkung
Der erste Leitsatz betrifft die zwischenzeitlich gesetzlich geklärte
Streitfrage, ob § 84 Abs. 2 BRAGO auch in Bußgeldverfahren anwendbar ist
(siehe dazu BRAGO prof. 8/97, 2).
Zum zweiten Leitsatz gilt: Die Angemessenheit der Mittelgebühr kann sich ?
auch bei geringfügigen Verkehrsordnungswidrigkeiten ? aus dem Umfang der
anwaltlichen Tätigkeit ergeben. Im Entscheidungsfalle fand eine eingehende
Besprechung mit dem Mandanten statt und es erfolgte eine umfangreiche
schriftliche Darstellung des tatsächlichen Sachverhalts unter Beifügung
einer Ortsskizze mit dem Hinweis auf bereits ergangene Rechtsprechung. Der
Anwalt führte außerdem eine Ortsbesichtigung durch.
LG Duisburg, Beschluss vom 1. Februar 1996, Az.: 91 Qs (OWi) 54/95, AnwBl.
1997, 354



Die Mittelgebühr für die anwaltliche Tätigkeit in
Verkehrsordnungswidrigkeiten-Verfahren wegen eines Parkverstoßes ist
angemessen (L. d. R.).


Anmerkung Das Bußgeldverfahren wegen eines Parkverstoßes wurde durch die
Verwaltungsbehörde eingestellt. Dem Verteidiger wurde lediglich eine Gebühr
von 100 DM als angemessen zuerkannt. Das AG Duisburg bejahte zwar die
Mittelgebühr mit der Begründung, dass nicht nur ein formularmäßiges
Einspruchschreiben, sondern ein längerer Schriftsatz vorlag (Beschluss vom
30. November 1995, Az. 44 OWi 61/95). Es lehnte jedoch die Anwendbarkeit des
§ 84 Abs. 2 BRAGO in Bußgeldverfahren ab

Das LG Duisburg hat ohne nähere Begründung die dem Verteidiger zu
erstattende Gebühr auf 700 DM zuzüglich Mehrwertsteuer festgesetzt.
LG Mühlhausen, Beschluss vom 18. März 1997, Az.: 3 Qs 54/97, AnwBl. 1997, 351



Bei mittleren Verkehrsordnungswidrigkeiten ? hier beim Einspruch gegen einen
Bußgeldbescheid über 20 DM wegen einer fehlenden ASU-Prüfbescheinigung ? ist
eine um 20 Prozent abgesenkte Mittelgebühr angemessen (L. d. R.).


Anmerkung
Gegenstand des Verfahrens war der Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid über
20 DM wegen einer fehlenden ASU-Prüfbescheinigung. Das Gericht erachtete
hier den Ansatz nur der Mittelgebühr in einem derartigen Fall als unbillig.


Begründung:
Trotz des geringfügigen Bußgeldbetrages sei die Bedeutung der Angelegenheit
durchschnittlich. Von dem Gerichtsbeschluss hinge nämlich entscheidend ab, ob
das Fahrzeug in dem gegebenen Zustand weiter benutzt werden dürfe. Außerdem
wies der Verteidiger darauf hin, dass es sich nicht um einen alltäglichen
Vorgang handelte, sondern eine etwas aufwendigere Prüfung der Rechtslage
vorzunehmen war.


Hinweis: Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer ist sonst aber bei
mittleren Verkehrsordnungswidrigkeiten grundsätzlich nur eine um 20 Prozent
abgesenkte Mittelgebühr gerechtfertigt.

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr