Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

15.06.2011

Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 03.06.2010 – 5 K 78/09

- Zu den Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 21 UStG.


- Zu den Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG.


-§ 4 Nr. 22 Buchst. a UStG befreit ausschließlich die im Gesetz genannten Unternehmer. Leistungen an diese Unternehmer sind daher nicht steuerbefreit.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob und in welchem Umfang der Kläger in den Veranlagungszeiträumen 2002 – 2005 umsatzsteuerpflichtige Leistungen ausgeführt hat.

Der Kläger, von Beruf Sozialrechtler, übt seit Juni 2000 allein eine selbständige unternehmerische Tätigkeit aus – und zwar seit Auflösung eines seit … bestehenden Arbeitsverhältnisses mit … . Er erzielt durch die Vereinnahmung von Honoraren für Vorträge, schriftstellerischen Tätigkeiten und Beratungsleistungen Umsatzerlöse aus sonstigen Leistungen. Aufstellungen über seine Einnahmen und Ausgaben reichte er dem Beklagten (dem Finanzamt – FA –) als Anlage der Einkommensteuererklärungen für 2002 und 2003 ein.

Für 2002 erklärte er Einnahmen von 59.559 €, darin enthalten Autorenhonorare von 1.743 €, und Ausgaben von 16.769 €.

Für 2003 erklärte er Einnahmen von 17.773 €, darin enthalten Autorenhonorare von 1.695 €, und Ausgaben von 14.031 €.

Beim Beklagten wurde er umsatzsteuerlich zunächst nicht geführt. Am 25.05.2007 erließ der Beklagte gegenüber dem Kläger für die Veranlagungszeiträume 2002 – 2005 auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen beruhende Umsatzsteuerbescheide, in denen er sonstige Leistungen zu 16 % von 51.344 € (für 2002), von 15.324 € (für 2003), von 30.000 € (für 2004) und von 40.000 € (für 2005) schätzte.

Nach einem erfolglosen Vorverfahren erhob der Kläger am 26.09.2007 Klage, mit der er zunächst die Herabsetzung der Steuer auf 0 € beantragte.

Die zunächst zuständige Berichterstatterin des 4. Senates hat dem Kläger durch Verfügung nach § 79 b Abs. 2 FGO aufgegeben, die Besteuerungsgrundlagen zur Umsatzsteuer 2002 – 2005 durch Vorlage entsprechender Umsatzsteuererklärungen nachzuweisen. Wegen der Einzelheiten der Verfügung wird auf Bl. 11 der GA Bezug genommen.

Nach Abgabe des Verfahrens an den für Umsatzsteuersachen zuständigen 5. Senat hat der Beklagte unter Berücksichtigung der vom Kläger dem Gericht übersandten Vertragsunterlagen am 21.01.2010 geänderte Umsatzsteuerbescheide für 2002 – 2005 erlassen. Darin setzte er als Umsatzerlöse die in den Gewinnermittlungen erklärten Erlöse an, nämlich 51.344 € in 2002, 15.321 € in 2003, 45.258 € in 2004 und 40.000 € in 2005, und schätzte Vorsteuern anhand der Einnahmeüberschussrechnungen von 2.145,43 € für 2002, von 1.587,94 € für 2003, von 1.880,70 € für 2004 und 2.101,38 € für 2005. Für 2004 erhöhte der Beklagte die festgesetzte Umsatzsteuer von 4.800 € auf 5.360,58 €, in den übrigen Veranlagungszeiträumen minderte er die Umsatzsteuer.

Der Kläger trägt zur Begründung seines Klagebegehrens Folgendes vor:

Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre habe er nicht erstellt, weil seiner Auffassung nach die Umsatzerlöse aus seiner selbständigen Tätigkeit –mit Ausnahme seiner Autorenhonorare- von der Umsatzsteuer befreit seien. Seine Auftraggeber seien vor allem Träger der Jugendhilfe, die als gemeinnützige Einrichtung der freien Jugendhilfe anerkannt seien, und zum geringeren Teil auch Verbände, für die er freiberuflich als Referent im Rahmen von Seminaren oder als Fachberater tätig gewesen sei.

Seine Vorträge, Kurse und Veranstaltungen seien nach § 4 Nr. 21 bzw. 22 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei.

Die Beratungsleistungen seien eng verbunden mit Dienstleistungen der Träger der Kinder- und Jugendhilfe, so dass Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe h der Richtlinie 77/388/EWG anzuwenden sei und daher auch die Honorare nicht der Umsatzsteuer unterfielen. Gegenüber seinen Auftraggebern habe er auch keine Umsatzsteuer in Rechnung gestellt. Vom Verlag … habe er für eine Tätigkeit als Autor … Honorare erhalten.

Wegen der vertraglichen Grundlagen seiner Tätigkeit nehme er Bezug auf das mit Schriftsatz vom 17.12.2009 übersandte Anlagenkonvolut. Wegen der Einzelheiten nimmt das Gericht insofern Bezug auf diese Unterlagen. Ergänzend trägt er hierzu vor, dass den abgerechneten Honoraren nicht durchgehend schriftliche Vereinbarungen zugrunde gelegen hätten.

Bei seinen Lehrtätigkeiten handele es sich um Seminare der Fort- und Weiterbildung. Teilnehmer der Fortbildung zum …, die er für Ämter durchgeführt habe, seien Fachkräfte mit einem Berufsabschluss, die ihre beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten auf dem Gebiet des … erweitern und den aktuellen gesetzlichen Entwicklungen anpassen wollten. Bei allen Veranstaltungen habe eine straffe lehrgangsmäßige Organisation bestanden. Wie von der Rechtsprechung gefordert (beispielsweise durch BFH-Urteil vom 24.08.2001 VI R 40/94, HFR 2002, 16), sei von ihm im Auftrag der Ämter und anerkannten Trägern der Jugendhilfe ein auf das berufliche Arbeitsfeld Jugendhilfe zugeschnittenes Wissen vermittelt worden.

Der im Steuerrecht verwandte Begriff Einrichtung umfasse auch natürliche Personen wie ihn. Es widerspreche dem Gemeinschaftsrecht, insbesondere dem Grundsatz der Verpflichtung zur steuerlichen Neutralität, seine Tätigkeiten der Umsatzsteuer zu unterwerfen.

Im Übrigen habe er eingesehen, dass nicht seine gesamten Leistungen von der Umsatzsteuer befreit seien. So habe er in der Umsatzsteuererklärung 2007 seine Autorenhonorare der Umsatzsteuer unterworfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Klägers wird insbesondere auf seinen Schriftsatz vom 19.5.2010 (Bl. 63 – 66 GA) und das Anlagenkonvolut zum Schriftsatz vom 17.12.2009 Bezug genommen.

Der Beklagte hat die Umsatzsteuerbescheide 2002 – 2005 in der Fassung vom 21.01.2010 in der mündlichen Verhandlung dahingehend geändert, dass es unter Minderung der Bruttoumsatzerlöse zum Regelsteuersatz Autorenhonorare in Höhe von brutto 1.743,03 € (in 2002), 1.695,59 € (in 2003), 1.700 € (in 2004) und 1.896,86 € (in 2005) dem ermäßigten Steuersatz unterworfen und Bruttoumsatzerlöse von 1.290 € in 2004 und 2005, die der Kläger für G.-Lehrgänge vereinnahmt hat, steuerfrei belassen hat.

Der Kläger beantragt,

die Umsatzsteuerbescheide 2002 – 2005 in der Fassung vom 03.06.2010 in der Weise zu ändern, dass die Leistungen im Übrigen als steuerfreie Leistungen behandelt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hält die Klage für unbegründet, da nicht erkennbar sei, ob und in welchem Umfang der Kläger umsatzsteuerbefreite sonstige Leistungen ausgeführt habe.

Gründe

I. Die Klage ist unbegründet.

Die Umsatzsteuerbescheide 2002 – 2005 in der Fassung vom 03.06.2010 sind rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).

Der Senat legt das Klagebegehren dahingehend aus, dass der Kläger eine Herabsetzung der Umsatzsteuern 2002 – 2005 in der Weise begehrt, dass die nach Erlass der Änderungsbescheide vom 03.06.2010 verbliebenen Umsatzerlöse zum Regelsteuersatz – also sämtliche Erlöse mit Ausnahme der ermäßigt besteuerten Autorenhonorare und die bereits steuerfrei belassenen Honorare für die G.-Lehrgänge in 2004 und 2005 – als von der Umsatzsteuer befreit angesehen werden.

Die Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor. Die streitbefangenen sonstigen Leistungen des Klägers erfüllen nicht den Tatbestand einer Umsatzsteuerbefreiungsvorschrift; jedenfalls kann der Senat dieses nicht feststellen.

1. Nach dem nationalen deutschen Recht steht dem Kläger keine Umsatzsteuerfreiheit zu.

a) Die Leistungen des Klägers unterfallen nicht dem Tatbestand des § 4 Nr. 21 Buchstabe b UStG.

Steuerfrei sind nach § 4 Nr. 21 UStG

„a) die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemein bildender oder berufsbildender Einrichtungen,

aa) wenn sie als Ersatzschulen gemäß Artikel 7 Abs. 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind oder

bb) wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten,

b) die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Unterrichtsleistungen selbständiger Lehrer

aa) an Hochschulen im Sinne der §§ 1 und 70 des Hochschulrahmengesetzes und öffentlichen allgemein bildenden oder berufsbildenden Schulen oder

bb) an privaten Schulen und anderen allgemein bildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, soweit diese die Voraussetzungen des Buchstabens a erfüllen;”.

Diese Voraussetzungen erfüllen die streitbefangenen Leistungen des Klägers nicht. So hat er selbst nicht vorgetragen, an einer Hochschule oder einer öffentlicher Schule (§ 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. aa UStG) oder einer privaten Schule oder einer anderen bildenden oder berufsbildenden Einrichtungen im Sinne des Buchstabens a (§ 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG) unterrichtet zu haben.

b) Eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG scheidet aus.

Nach dieser Vorschrift sind steuerfrei die Vorträge, Kurse und anderen Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, von Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, von Volkshochschulen oder von Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dienen, durchgeführt werden, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden.

Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Der BFH hat entschieden, dass § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG ausschließlich die im Gesetz genannten Unternehmer befreit und deshalb Leistungen an diese Unternehmer nicht steuerbefreit sind (BFH-Urteil vom 27.09.2007 V R 75/03 Haderer, BStBl II 2008, 323 m.w.N.). Der Kläger ist kein derartiger Unternehmer.

3. Aus Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 77/388/EWG lässt sich die Steuerfreiheit der Umsätze des Klägers ebenfalls nicht herleiten.

Der Kläger kann sich unmittelbar auf die Richtlinie berufen, weil diese Befreiung nicht hinreichend in innerstaatliches Recht umgesetzt worden ist (BFH-Urteil vom 8.11.2007 V R 2/06, BStBl II 2008, 634).

Nach dieser Bestimmung befreien die Mitgliedstaaten die eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des Öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedsstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen.

Der Kläger ist keine „andere Einrichtung mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung” im Sinne dieser Bestimmung.

Der Einzelne kann die Eigenschaft einer Einrichtung mit sozialem Charakter nicht schon dadurch erlangen, dass er sich auf diese Bestimmung beruft. Vielmehr ist es Sache der nationalen Behörden, nach dem Gemeinschaftsrecht und unter der Kontrolle der nationalen Gerichte, insbesondere unter Berücksichtigung der Praxis der zuständigen Verwaltung in ähnlichen Fällen zu bestimmen, welche Einrichtungen als Einrichtungen mit sozialem Charakter i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG anzuerkennen sind (EuGH-Urteil Kingscrest Associates Ltd. und Montecello Ltd., BFH/NV Beilage 2005, 310, UR 2005, 453 Rn. 53 ff., m.w.N.; BFH-Urteil vom 08.11.2007 V R 2/06, BStBl II 2008, 634).

Zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG hat der BFH in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH bereits entschieden, dass die Anerkennung eines Unternehmers als eine Einrichtung mit sozialem Charakter auch aus der Übernahme der Kosten für seine Leistungen durch Krankenkassen oder andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit abgeleitet werden kann. So kann für die Anerkennung auch gewürdigt werden, dass der Leistende die begünstigten Leistungen aufgrund vertraglicher Vereinbarungen mit Trägern der Sozialversicherung erbracht hat. Von diesen Grundsätzen ist auch für andere mit der Fürsorge oder der sozialen Sicherheit zusammenhängenden Leistungen – wie im Streitfall – auszugehen (BFH-Urteil vom 08.11.2007 V R 2/06, BStBl II 2008, 634).

Der Kläger erfüllt die Voraussetzung der Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 77/388/EWG nicht, da er nicht „anerkannt” ist. Im Übrigen hat er nicht substantiiert dargelegt, dass und gegebenenfalls welche der von ihm ausgeführten sonstigen Leistungen Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 77/388/EWG er ausgeführt haben will.

4. Die Steuerfreiheit ergibt sich nicht aus Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG.

Nach dieser Bestimmung befreien die Mitgliedstaaten die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- oder Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die eng damit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung.

Der Kläger ist keine „andere Einrichtung mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung” im Sinne dieser Bestimmung.

Zwar können, soweit durch Art. 13 Teil A Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG „Einrichtungen” begünstigt sind, die auch von natürlichen Personen betrieben werden (vgl. EuGH-Urteile vom 7. September 1999 C-216/97, Gregg, Slg. 1999, I-4947, UR 1999, 419; vom 26. Mai 2005 Rs. C-498/03, Kingscrest Associates Ltd. und Montecello Ltd., BFH/Beilage 205, 310 Rn. 35, 40 und 43; BFH-Beschluss vom 28. Februar 2002 V B 31/01, BFH/NV 2002, 957; BFH-Urteil vom 21.03.2007 V R 28/04, BFH/NV 2007, 1604, unter II.2.c dd (1)). Der Kläger ist aber nicht i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG „anerkannt”.

Zudem verfolgt der Kläger keine Ziele, die denen der Einrichtungen des öffentlichen Rechts i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG vergleichbar sind (vgl. EuGH-Urteil vom 14. Juni 2007 Rs. C-445/05, Haderer, UR 2007, 592).

5. Eine Umsatzsteuerbefreiung der strittigen Leistungen des Klägers folgt schließlich nicht aus Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG.

Zwar kann der Kläger sich unmittelbar auf die Richtlinie berufen (vgl. BFH-Urteil vom 27.09.2007 V R 75/03 Haderer, BStBl II 2008, 323 m.w.N.); aber die streitbefangenen Leistungen erfüllen die Voraussetzungen der Vorschrift nicht.

Nach der deutschen Fassung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG haben die Mitgliedstaaten den von Privatlehrern erteilen Schul- und Hochschulunterricht von der Umsatzsteuer zu befreien.

Nach ständiger Rechtsprechung schließt es die Notwendigkeit einheitlicher Anwendung und damit Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts aus, sie in einer ihrer Fassungen isoliert zu betrachten, sondern gebietet vielmehr, sie nach dem wirklichen Willen ihres Urhebers und dem von diesem verfolgten Zweck namentlich im Licht ihrer Fassung in allen Sprachen auszulegen (vgl. EuGH-Urteil vom 28.01.2010 C-473/08, Euler, BFH/NV 2010, 583 m.w.N.).

Unter Anwendung dieses Grundsatzes definiert der EuGH „Schul- und Hochschulunterricht” im Sinne der deutschen Fassung als „Unterrichtseinheiten, die … sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen”. Lehrleistungen, die an einem Bildungsinstitut erbracht werden, können zu solchen Unterrichtsleistungen gehören, soweit sie im Wesentlichen die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten durch den Unterrichtenden an Schüler oder Studierende im Rahmen einer Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit einschließen. Unerheblich für die Auslegung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Sechsten Richtlinie ist, dass dieser Befreiungstatbestand anders als die Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie neben dem Schul- und Hochschulunterricht nicht ausdrücklich die Aus- und Fortbildung erwähnt (vgl. EuGH-Urteil vom 28.01.2010 Rs. C-473/08, Euler, BFH/NV 2010, 583 m.w.N.).

Die Erteilung des Unterrichts als Privatlehrer erfordert, dass der Lehrer für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handelt (EuGH-Urteil vom 14. Juni 2007 Rs. C-445/05, Haderer, UR 2007, 592; vgl. auch EuGH-Urteil vom 28.01.2010 Rs. C-473/08, Euler, BFH/NV 2010, 583 m.w.N.).

Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze kann der Senat nicht feststellen, dass in den strittigen Umsatzerlösen Entgelte für Unterrichtseinheiten enthalten sind, die sich auf Schul- und Hochschulunterricht des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG beziehen. So hat der Kläger auch nicht ansatzweise vorgetragen, dass er – mit Ausnahme der als steuerfrei anerkannten Leistungen im Rahmen der G.-Lehrgänge – irgendwelche Vortrags- oder Unterrichtsleistungen erbracht hat, die der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten im Rahmen einer Ausbildung gedient hätten. Auch aus den Akten, insbesondere den vorgelegten Vertragsunterlagen, ergeben sich solche Tätigkeiten des Klägers nicht.

Im Übrigen scheitert eine Umsatzsteuerbefreiung der strittigen Leistungen nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG auch daran, dass der Senat nicht feststellen kann, dass der Kläger als Privatlehrer im Sinne der Rechtsprechung des EuGH tätig geworden ist. Zwar kann eine unterrichtende Tätigkeit auch ohne unmittelbare Vertragsbeziehung zwischen Lehrer und Schüler als solche nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG anzusehen sein. Soweit sich der Kläger in diesem Zusammenhang darauf beruft, er sei als Privatlehrer tätig geworden, weil seine Auftraggeber bei geringer Nachfrage berechtigt gewesen sei, ohne Zahlungsverpflichtung Vorträge und Seminare abzusagen, genügt dieses Kriterium nach Auffassung des Senats allein nicht, die Tätigkeit als solche eines Privatlehrers zu qualifizieren. Hierzu müssten bei fehlender unmittelbarer Rechtsbeziehung zwischen Lehrer und Schüler weitere Kriterien – wie beispielsweise eine erfolgsabhängige Honorierung – hinzukommen.

Nach allem war die Klage abzuweisen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO; dabei war zu berücksichtigen, dass der Beklagte dem Begehren des Klägers durch die geänderten Umsatzsteuerbescheide am 21.01.2010 und am 03.06.2010 teilweise entsprochen hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 151, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

VorschriftenUStG § 4 Nr. 21, UStG § 4 Nr. 22 Buchst. a

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr