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15.06.2011 · IWW-Abrufnummer 112985

Finanzgericht Köln: Urteil vom 24.03.2011 – 10 K 992/08

Eine Beihilfe wegen Krankheit, die an einen Rentner aufgrund Betriebsvereinbarung gleistet wird, aber auch für noch aktive Betriebsangehörige, stellt keine Einnahme aus ehemaliger nichtselbständiger Tätigkeit dar, für die der Arbeitnehmerfreibetrag zu gewähren wäre, sondern einen Versorgungsbezug. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Betriebsvereinbarung ausdrücklich zwischen aktiven Belegschaftsangehörigen und Versorgungsempfängern unterscheidet.


Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat der 10. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … ehrenamtliche Richterin … ehrenamtlicher Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 24.03.2011 für Recht erkannt:
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um den Ansatz eines Arbeitnehmerpauschbetrages in Höhe von 920,– EUR im Zusammenhang mit erhaltenen Beihilfeleistungen im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 2006.
Der Kläger war Arbeitnehmer des A. Seit Beginn seines Arbeitsverhältnisses bezieht er aufgrund einer Betriebsvereinbarung über die Beihilfegewährung beim A e.V. eine Beihilfe in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen. Der Kläger bezog im Streitjahr eine Rente aus der gesetzlichen Versicherung sowie Versorgungsbezüge von der A Pension Fund GmbH in Höhe von zusammen 33.782,49 EUR. Diese setzen sich aus Versorgungsbezügen in Höhe von 30.977,87 EUR, Beihilfeleistungen in Höhe von 2.789,28 EUR und Kontoführungsgebühren in Höhe von 15,34 EUR zusammen.
Nach § 1 der Beihilfenrichtlinie des A e.V. werden Beihilfen gewährt an
a. „alle Belegschaftsangehörigen (…)”
b. „die Versorgungsempfänger (…), bei denen die Zurruhesetzung unmittelbar aus einem aktiven Beschäftigungsverhältnis beim A e.V. (…) erfolgte.”
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung behandelte der Beklagte die Zahlungen des A in Höhe von 33.782,– EUR als Arbeitslohn und zog von diesem einen Freibetrag für Versorgungsbezüge in Höhe von 3.900,– EUR sowie einen Pauschbetrag für Versorgungsbezüge in Höhe von 102,– EUR ab. Im Ergebnis kam er zu Einkünften in Höhe von 29.780,– EUR.
Gegen den Einkommensteuerbescheid legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein, den er dahingehend begründete, dass die erhaltenen Beihilfeleistungen nicht als Versorgungsbezüge anzusehen seien. Bei den Beihilfeleistungen handele es sich um Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Insoweit sei der Arbeitnehmerpauschbetrag in Höhe von 920,– EUR in Ansatz zu bringen. Die Beihilfe werde nicht wegen Erreichens einer Altersgrenze gezahlt und stelle insofern auch keinen Versorgungsbezug dar. Die Beihilfe werde vielmehr auf Grundlage einer Betriebsvereinbarung an alle Mitarbeiter und Versorgungsempfänger ausgezahlt. Diese verfolge als krankheitsbedingte Zuwendung keinen Versorgungszweck, sondern decke Sonderbedarf ab.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Bescheid vom 25.02.2008 als unbegründet zurück.
Zur Begründung führte er aus, dass es sich bei den gewährten Beihilfen für Krankheitsfälle um Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen handele. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die Richtlinie für die Beihilfegewährung des A ausdrücklich zwischen Belegschaftsangehörigen und Versorgungsempfängern unterscheide. Dies zeige, dass ab dem Zeitpunkt der Pensionierung ein neuer Anspruch auf Beihilfe entstanden sei, der vom Erhalt entsprechender Versorgungsleistungen abhängig sei. Damit sei die Gewährung der Beihilfe ebenso vom Erreichen einer Altersgrenze abhängig wie der Bezug der Versorgungsbezüge.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit der Klage vom 25.03.2008.
Zur Begründung trug er vor, dass die Gewährung der Beihilfen gerade nicht vom Erreichen einer Altersgrenze abhängig sei, da eine solche bereits während der aktiven Dienstzeit gezahlt worden sei. Soweit Krankheitsbeihilfen durch einen Arbeitgeber an Arbeitnehmer gezahlt würden, seien diese als Arbeitslohn zu qualifizieren. Dieser Arbeitslohn werde aufgrund des früher bestehenden Arbeitsverhältnisses bezahlt. Sie hätten keinen Versorgungszweck, sondern deckten Sonderbedarf ab. Auf die zu den Gerichtsakten gereichte Ablichtung der Betriebsvereinbarung über die Beihilfegewährung Blatt 43 ff. GA wird Bezug genommen.
Weiterhin weist der Kläger auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hin, aus welcher sich ergebe, dass es sich bei Beihilfeleistungen gerade nicht um Leistungen der betrieblichen Altersversorgung handele. Insoweit weist er auf Entscheidungen vom 12.12.2006 (3 AZR 475/05), vom 10.02.2009 (3 AZR 653/07) sowie vom 16.03.2010 (3 AZR 594/09) hin. Aus der Rechtsprechung des BAG ergebe sich, dass die betriebliche Altersvorsorge die Übernahme bestimmter biometrischer Risiken voraussetze. Bei der Altersversorgung sei dies das Langlebigkeitsrisiko. Die Übernahme eines Krankheitsrisikos sei jedoch von dem Versorgungsrisiko des Betriebsrentenrechts zu unterscheiden. Die Bezugnahme auf biometrische Risiken ergebe sich auch aus den BMF-Schreiben vom 31.03.2011, Rz. 247 und 17.11.2004, Rz. 154.
Der Kläger weist weiter darauf hin, dass ein Beihilfeanspruch nicht aufgespalten werden könne in einen Anspruch für Aktive sowie in einen Anspruch für Versorgungsempfänger. In beiden Fällen bestehe kein Unterschied, so dass es sich in beiden Fällen auch um Arbeitslohn handele.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 21.06.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.02.2008 dahingehend abzuändern, dass im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit ein weiterer Pauschbetrag in Höhe von 920,– EUR in Ansatz gebracht wird und der Altersentlastungsbetrag entsprechend angepasst wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen der Einspruchsentscheidung.
Darüber hinaus weist er darauf hin, dass dem Kläger während seiner aktiven Dienstzeit die Beihilfeleistungen von einem anderen Träger gezahlt worden seien, als in der Zeit seiner Pensionierung.
Die angeführten Urteile des Bundesarbeitsgerichts führten nicht zu einer anderen Beurteilung, da sie für steuerliche Zwecke nicht maßgebend seien. Außerdem sei aus einem zitierten Urteil zu entnehmen, dass nach den im entschiedenen Streitfall geltenden Beihilfevorschriften zwischen Beihilfen für aktive Arbeitnehmer und Versorgungsempfänger unterschieden wurde. Versorgungsempfänger hatten danach gerade keinen Anspruch mehr auf Beihilfe. Im Unterschied dazu sei der Beihilfeanspruch des Klägers gerade an den Status als Mitarbeiter oder Versorgungsempfänger gekoppelt. Dabei bestehe ab Eintritt des Versorgungsfalles ein eigener Beihilfeanspruch. Darüber hinaus nähmen die Beihilfevorschriften des A ausdrücklich auf beamtenrechtliche Beihilfevorschriften Bezug. Nach beamtenrechtlichen Beihilfevorschriften erhielten Empfänger von Versorgungsbezügen andere Beihilfesätze als aktive Beamte.
Im Übrigen weist der Beklagte auf die Entscheidung des BFH vom 30.01.2002, I R 59/00, Rz. 10 hin. Hieraus ergebe sich, dass die streitigen Beträge als Versorgungsbezüge anzusehen seien.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, vgl. § 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
1. Gemäß § 9a Abs. 1a) Einkommensteuergesetz (EStG) ist von den Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit grundsätzlich ein Werbungskostenpauschbetrag in Höhe von 920,– EUR abzuziehen, wenn nicht höhere Werbungskosten nachgewiesen werden. Dieser Pauschbetrag beträgt jedoch nur 102,– EUR, soweit es sich bei den Bezügen um Versorgungsbezüge im Sinne des § 19 Abs. 2 EStG handelt (§ 9a S. 1 Nr. 1 b) EStG). Versorgungsbezüge sind nach § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 EStG neben den beamtenrechtlichen Bezügen solche Bezüge und Vorteile, die aus früheren Dienstleistungen wegen Erreichens der Altersgrenze (mindestens Vollendung des 63. Lebensjahres) bzw. verminderter Erwerbsfähigkeit resultieren oder Hinterbliebenenbezüge darstellen. Gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit u.a. Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen. Das entscheidende Abgrenzungskriterium zwischen Bezügen aus früheren Dienstleistungen und Versorgungsbezügen ist danach, ob die Bezüge wegen einer der in § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG genannten Gründe gezahlt werden.
a) Nach Auffassung des Senats handelt es sich bei den an den Kläger ausgezahlten Beihilfeleistungen um Versorgungsbezüge im Sinne des § 19 Abs. 2 EStG mit der Folge, dass lediglich ein Werbungskostenpauschbetrag von 102,– EUR in Ansatz zu bringen ist.
Der Senat folgt dem Kläger nicht im Hinblick auf seine Argumentation, dass die Beihilfeleistungen mangels Abhängigkeit von der Verwirklichung eines biometrischen Risikos (Alter, Tod, Invalidität) als Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu qualifizieren sind. Die vom Kläger insoweit angeführte Rechtsprechung des BAG befasst sich ebenso wie die zitierten Ausführungen des BMF ausschließlich mit der Frage, wann von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung im Sinne des Betriebsrentenrechts (Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG)) auszugehen ist. Aus Sicht des Senats sind die hierzu von der Rechtsprechung des BAG aufgestellten Grundsätze, wonach Beihilfen nicht als Leistungen der betrieblichen Altersversorgung anzusehen sind, nicht auf die hier zu entscheidende Frage übertragbar, ob die Beihilfeleistungen als Versorgungsleistungen zu qualifizieren sind. Der Begriff „betriebliche Altersvorsorge” im Sinne des Betriebsrentenrechts und „Versorgungsleistungen” im Sinne des Einkommensteuerrechts sind insoweit nicht synonym.
b) Die für den Kläger geltenden Beihilferichtlinien unterscheiden ausdrücklich zwischen einem Beihilfeanspruch für aktive Belegschaftsangehörige (§ 1 a) der Richtlinie) und einem solchen Anspruch für Versorgungsempfänger (§ 1 b) der Richtlinie). Hieraus wird deutlich, dass bei Ausgestaltung der Beihilfeansprüche für Versorgungsempfänger eine gesonderte Rechtsgrundlage für Beihilfeleistungen geschaffen wurde. Der Beihilfeanspruch des Klägers knüpft danach an seinen Status als Versorgungsempfänger, welcher seinerseits an die Verwirklichung eines biometrischen Risikos anknüpft und der Beihilfeanspruch damit einen Versorgungsbezug im Sinne des § 19 Abs. 2 EStG darstellt. Neben dem Umstand, dass krankheitsbedingte Kosten überhaupt entstanden sind, ist also weiteres wesentliches Merkmal zur Anspruchsbegründung u.a. das Überschreiten einer Altersgrenze (vgl. insoweit auch BFH vom 30.01.2002 I R 59/00, BFH/NV 2002, 1288). Unerheblich ist insoweit, dass der Kläger bereits während seiner aktiven Arbeitszeit Beihilfeansprüche hat geltend machen können, da diese Ansprüche auf Basis einer anderen Rechtsgrundlage nach den Beihilferichtlinien bestanden. Insoweit ist auch unmaßgeblich, ob die Beihilfen lediglich einen „Sonderbedarf” in Krankheitsfällen abdecken.
Der Anspruch auf Beihilfen im Krankheitsfall stellt insoweit einen Bezug aus einem früheren Dienstverhältnis wegen Erreichens der Altersgrenze dar.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
3. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen wegen der Frage, ob an Versorgungsempfänger geleistete Beihilfezahlungen als Versorgungsleistungen im Sinne des § 19 Abs. 2 EStG zu beurteilen sind. Diese Frage hat grundsätzliche Bedeutung für eine Vielzahl von Fällen. Hierauf hat bereits der Bevollmächtigte des Klägers selbst im Hinblick auf parallele Verfahren zur selben Frage hingewiesen.

VorschriftenEStG § 9a Abs 1a, EStG § 19 Abs 1 Nr 2

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