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09.06.2011 · IWW-Abrufnummer 111861

Amtsgericht Essen: Urteil vom 03.04.2009 – 20 C 8/09

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


03.04.2009
Amtsgericht Essen
Urteil
Aktenzeichen:20 C 8/09
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:
Die Klägerin ist seit dem 01.04.2004 bei der Beklagten krankenversichert. Es gelten die Bedingungen im Tarif SZ "Krankheitskostenteilversicherung Stationäre Zusatzversicherung als Ergänzung zur gesetzlichen Krankenversicherung". Ziffer I 1 des Tarifs SZ lautet wie folgt:

"Die Aufwendungen für Wahlleistungen (gesondert berechnete Unterkunft im Ein-oder Zweibettzimmer sowie privatärztliche Behandlung; § 4 Teil II i AVB) bei einer stationären Heilbehandlung werden zu 100 % erstattet".

Zur Abklärung des Befundes nach einer Darmspiegelung begab sich die Klägerin am 20.06.2008 zum Zwecke einer Magenspiegelung in die Universitätsklinik St. Josef Hospital C. Wegen der genauen Auflistung der medizinischen Maßnahmen wird auf die Beschreibung in der Rechnung des Arztes Professor Dr. T vom 07.07.2008 über 402,42 € (Blatt 15 und 16 der Gerichtsakten) Bezug genommen. Der behandelnde Arzt gibt als Betreff eine "vorstationäre Behandlung zur Verkürzung der Liegezeiten" an und spricht von einer "stationären Behandlung vom 20.06.2008".

Die Beklagte lehnte die Begleichung der Rechnung mit Schreiben vom 31.07.2008 ab und vertrat den Standpunkt, es liege eine ambulante Behandlung vor, Tarifleistungen seien jedoch nur für die stationäre Heilbehandlung vorgesehen.

Mit der vorliegenden Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf Erstattungsleistungen nach Maßgabe der vorgelegten Rechnung über 402,42 € in Anspruch und vertritt die Meinung:

Es handele sich bei der vorgenommenen Magenspiegelung um eine Maßnahme im Rahmen des vorstationären Aufenthaltes, für die Vertragsleistungen zu erbringen seien. Die AVB der Beklagten, die Versicherungsleistungen für den Fall der stationären Behandlung vorsehen, seien so auszulegen, wie sie ein verständiger Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse verstehe (BGHZ 123, 83). Der verständige Versicherungsnehmer unterscheide aber nicht danach, ob die Behandlung vollstationär, vorstationär oder teilstationär stattgefunden habe, so dass auch die vorstationäre Leistung als Versicherungsfall zu verstehen sei. Jedenfalls sei der Begriff der stationären Heilbehandlung unklar, weshalb er gemäß § 305 c Absatz 2 BGB im Sinne der für den Verbraucher günstigeren Auslegung zu verstehen sei. Dies bedeute, dass zum Begriff der stationären Behandlung auch die vor- und teilstationäre Behandlung gehöre, wie dies vom OLG Hamm bereits mehrfach entschieden sei (OLG Hamm VersR 1987, 354; NJW 1986, 2888; VersR 1990, 843). Auch der Rückgriff auf die Definition der vorstationären Behandlung in § 115 Absatz 1 Nummer 1 SGB V führe zum selben Ergebnis. Denn wenn sich aus § 39 Absatz 1 SGB V ergebe, dass die Krankenhausbehandlung vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erfolgen könne, so folge hieraus, dass sich die Behandlungstypen stationär und ambulant gegenüberstünden, wobei sich der Behandlungstypus stationär wiederum in voll-, teil-, vor- und nachstationär unterteile. Auch die vorstationäre Behandlung gehöre danach zur stationären Behandlung.

Die Klägerin behauptet, sie habe sich zum Zwecke der Magenspiegelung ganztägig im Krankenhaus befunden.

Sie beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie – die Klägerin – 402,42 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.01.2008 zu zahlen;

die Beklagte weiter zu verurteilen, sie – die Klägerin – in Höhe eines Betrages von 41,77 € gegenüber Herrn Rechtsanwalt L befreien.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie meint:

Die Klägerin könne keine Tarifleistungen erhalten, weil der Versicherungsfall nicht eingetreten sei. Sie sei nicht stationär behandelt worden. Es liege nämlich eine ambulante Behandlung vor, was sich daraus ergebe, dass kein Krankenhausaufnahmevertrag geschlossen worden sei und keine stationäre Krankenhausaufnahme stattgefunden habe. Selbst wenn man aber die Begriffsbezeichnung der Klägerin übernehme und von einer vorstationären Behandlung spreche, so sei diese doch nach § 115 Absatz 1 Nummer 1 SGB V von der stationären Behandlung abgegrenzt. Nur für die stationäre Behandlung bestünde aber ein Leistungsanspruch.

Die Beklagte bestreitet darüber hinaus, dass die Klägerin ganztätig im stationären Bereich untergebracht gewesen sei und verweist auf die Rechnung vom 20.06.2008 in der unter Gebührenziffer 460 der Einsatz des Gerätes für die Kombinationsnarkose nur für die Zeit bis zu einer Stunde abgerechnet gewesen sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und ihrer Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Erstattungsanspruch nach § 1 I Nummer 2 AVB i.V.m. Ziffer I Nummer 1 des Tarifs SZ nicht zu. Erstattungsfähig ist hiernach die medizinisch notwendige stationäre Heilbehandlung.

Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin hat eine stationäre Heilbehandlung nicht stattgefunden, so dass der Versicherungsfall nicht eingetreten ist. Die Klägerin schildert eine Behandlungsmaßnahme, die dem Begriff der stationären Heilbehandlung nicht zuzuordnen ist. Nach ihrem Vortrag hat eine Untersuchungsvorbereitung mit körperlicher Untersuchung und Beratung nebst Einleitung der Diagnose sowie die anschließende Magenspiegelung stattgefunden. Im Anschluss daran wurde die Klägerin während der Aufwachphase in einem Aufwachraum überwacht. Eine solche Beratung und Untersuchung ist als bloße ambulante Behandlung zu verstehen, die scharf vom Begriff der stationären Behandlung abzugrenzen ist. Zutreffend lässt die Klägerin ausführen, dass allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen sind, wie sie ein verständiger Versicherungsnehmer ohne Versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse versteht. (BGHZ 123, 88). Aber auch der verständige, rechtlich nicht vorgebildete Versicherungsnehmer sieht den Begriff der stationären Behandlung als Gegenteil der ambulanten Behandlung an (vgl. Wikipedia zum Stichwort "ambulant"). Der Begriff der stationären Behandlung ist in Zusammenhang zu bringen mit der Fachstation eines Krankenhauses, wobei zu den Elementen ärztlicher Untersuchung, Diagnose, Behandlung und Versorgung ein weiteres Element hinzukommen muss, nämlich die Aufnahme des Patienten in den Krankenhausbetrieb (vgl. LG Köln, VersR 1979, 565). Von einer solchen Aufnahme in den Krankenhausbetrieb kann auch dann gesprochen werden, wenn der Patient nur für die Dauer eines vollen Tagesablaufs im Krankenhaus untergebracht, versorgt und gepflegt wird (LG Wuppertal VersR 1977, 78; Schönfeldt/Karlis in Bach/Moser, Private Krankenversicherung, 3. Auflage 2002, § 4 NBKK 1994, Randnummer 71).

Es kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Klägerin nach ihrem nicht näher substantiierten Vortrag während eines gesamten Tages beraten und untersucht worden ist. Entscheidend ist, dass sie nichts dafür vorgetragen hat, dass sie die Leistungen des Krankenhauses in Anspruch genommen hat. Berechnet worden sind sie ihr jedenfalls nicht. Sie mag sich, wie ihrem Vortrag entnommen werden kann, vorübergehend in einem Beratungszimmer, sodann in einem Untersuchungsraum und schließlich in einem Aufwachraum aufgehalten haben. Eine Integration in den Tagesablauf der Fachstation der Klinik war damit aber nicht verbunden. Ein eigenes Bett war der Klägerin nicht zugewiesen, Mahlzeiten konnte sie wegen der Behandlungsart notgedrungen nicht einnehmen.

Was die von der Klägerin zitierten Entscheidungen des OLG Hamm (VersR 1987, 354; NJW 1986, 2888; VersR 1990, 843) angeht, so hat die Beklagte bereits darauf hingewiesen, dass es sich hierbei jeweils um den Aufenthalt in sogenannten "Tageskliniken" gehandelt hat, in denen der Patient ganztags in die Klinik eingegliedert war, während er sie jeweils nachts zum Zwecke der häuslichen Übernachtung verließ. Die im streitgegenständlichen Fall fehlende Integration in den klinischen Tagesablauf ist in den vom OLG Hamm entschiedenen Fällen sehr wohl festzustellen. Umgekehrt hat das OLG Hamm in einem anderen Urteil (VersR 1986, 865) klargestellt, dass ein Krankenhausaufenthalt dann keine Krankenhausbehandlung darstellt, wenn er ausschließlich zu Diagnosezwecken dient, aber nicht das Ziel der Heilung, Besserung oder Linderung einer Krankheit durch geeignet erscheinende medizinische Maßnahmen verfolgt. Wendet man diese Überlegung des OLG Hamm an, so liegt eine Krankenhausbehandlung im vorliegenden Fall schon deshalb nicht vor, weil lediglich eine Untersuchung zum Zwecke der Erstellung einer Diagnose stattgefunden hat.

Der von der Klägerin in den Prozess eingeführte Begriff der vorstationären Behandlung findet in den AVB der Beklagten keinen Niederschlag. In diesem Zusammenhang kann es dahinstehen, ob von einer vorstationären Behandlung auch dann gesprochen werden kann, wenn gar nicht beabsichtigt ist, ihr eine stationäre Behandlung folgen zu lassen. Jedenfalls lässt sich nicht etwa unter Hinweis auf § 39 Absatz 1 SGB V davon sprechen, die vorstationäre Behandlung sei ein Unterbegriff der stationären Behandlung. Zum einen ist beim Verständnis des Begriffs der stationären Behandlung, wie er aus dem Tarif SZ der Beklagten hervorgeht, von dem Standpunkt eines verständigen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse auszugehen (BGHZ 123, 83), wobei dem Versicherungsnehmer, der einen privatrechtlichen Versicherungsvertrag schließt, regelmäßig nicht die Spezialbegriffe des Sozialversicherungsrechts geläufig sind, er demgemäß den Begriff der teilstationären Behandlung auch mangels eines allgemein vorherrschenden Verständnisses auch keineswegs als Unterbegriff der stationären Behandlung ansieht. Zum anderen stellt § 39 Absatz 1 SGB V der ambulanten Behandlung lediglich die vollstationäre, teilstationäre, vor- und nachstationäre Behandlung gegenüber, ohne dass die Begriffe vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär hierbei einem Oberbegriff "stationär" untergeordnet werden. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass das SGB V selbst die vorstationäre Behandlung keineswegs als Unterfall der stationären Behandlung ansieht, denn in § 115 a Absatz 2 SGB V wird ausdrücklich zwischen der vorstationären Behandlung und dem Beginn der stationären Behandlung unterschieden.

Da nach alledem der Versicherungsfall nicht vorliegt, kommt es auf die weitere, von der Beklagten aufgeworfene Frage nicht mehr an, ob eine tagesstationäre Behandlung überhaupt medizinisch notwendig war, da Magenspiegelungen auch ambulant durchgeführt werden können.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nummer 11, 711, 713 ZPO.

Die Berufung war, da der Streitwert von 600,00 € nicht erreicht wird, gemäß § 511 Absatz 4 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

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