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27.05.2011 · IWW-Abrufnummer 111776

Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen: Beschluss vom 30.11.2010 – 13 E 1221/10

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Datum:30.11.2010
Oberverwaltungsgericht NRW
13. Senat
Beschluss
Aktenzeichen:13 E 1221/10
Tenor:
Die Beschwerde der Klägerin ¬gegen die Streitwert-festsetzung im Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 21. April 2010 wird zurückgewiesen
.
G r ü n d e:
Die nach § 68 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) statthafte Beschwerde der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Senat konnte ungeachtet eines nicht vorliegenden Beschlusses über die Nichtabhilfeentscheidung der Kammer des Verwaltungsgerichts über die Streitwertbeschwerde der Klägerin entscheiden.

Nach § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 1 GKG hat das Gericht, dessen Beschluss mit der Beschwerde angegriffen wird, dieser abzuhelfen, wenn es sie für zulässig und begründet hält und sie anderenfalls dem Beschwerdegericht unverzüglich vorlegen. Die Entscheidung des Ausgangsgerichts ist - ohne die Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter - in der Besetzung zu treffen, in der auch der mit der Beschwerde angefochtene Beschluss gefasst wurde, vgl. §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 6 Satz 1 GKG. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Gerichtskostengesetz in der maßgeblichen Vorschrift des § 66 Abs. 3 Satz 1 GKG nur die über die Abhilfe zu treffende Entscheidung an sich, nicht aber deren Form vorsieht. Im Wesentlichen besteht Einigkeit darüber, dass eine abhelfende Entscheidung in derselben Form wie die angegriffene Entscheidung zu ergehen hat,
5vgl. Guckelberger, in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 148 Rn. 11; Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 16. Aufl. 2009, § 148 Rn. 2, jeweils m. w. N.,

während für die Nichtabhilfeentscheidung vertreten wird, dass diese einer besonderen Form nicht bedürfe und auch - wie im vorliegenden Fall - in Form eines Aktenvermerks dokumentiert werden könne.7Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. November 1962 IV B 124.62 -, NJW 1963, 554 (zu § 148 VwGO); Meyer-Ladewig/Rudisile, in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar (Stand: 20. EL, Mai 2010), § 148 VwGO Rn. 8; Guckelberger, a. a. O., § 148 Rn. 12; a. M.: BFH, Beschluss vom 25. September 1967 - IV B 33/66 -, BFHE 90, 103; und Urteil vom 28. April - VIII R 88/68 -, BFHE 99, 107 (jeweils zu Nichtabhilfeentscheidungen im Hinblick auf nach der Finanzgerichtsordnung erhobene Beschwerden ) sowie Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl. 2010, § 66 GKG Rn. 41.

Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Anders als bei der (für den Beschwerdeführer positiven) Abhilfeentscheidung ist nach der Nichtabhilfe die eigentliche Entscheidung zur rechtlichen Überprüfung durch das Beschwerdegericht zu treffen, so dass das Abhilfeverfahren nach seinem Sinn und Zweck darauf beschränkt ist, dem Ausgangsgericht ggf. die Korrektur seiner Entscheidung zu ermöglichen, im Übrigen aber die Entscheidung der nächsthöheren Instanz herbeizuführen. Ob formelle Fehler des Abhilfverfahrens für das Beschwerdegericht in jedem Fall unbeachtlich sind oder ob es sich bei den prozessrechtlichen Vorschriften über das Abhilfeverfahren um bloße Ordnungsvorschriften handelt,
so VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 13. Juli 1990 - 9 S 1480/90 -, DVBl. 1990, 1358, und vom 30. März 2010 - 6 S 2429/09 -, juris,
bedarf keiner Entscheidung, da jedenfalls die durch den Vermerk des Berichterstatters in der Gerichtsakte dokumentierte Entscheidung des Ausgangsgerichts über die Nichtabhilfe dessen gesetzlich vorgesehene Befassung nach § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 1 GKG hinreichend bezeugt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Nach § 52 Abs. 1 GKG bestimmt sich vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Grundlage für die Streitwertfestsetzung in arzneimittelrechtlichen Verfahren ist der erzielte oder zu erwartende Jahresgewinn, der sich regelmäßig aus dem Umsatz ableiten lässt und durch den die (hier maßgebliche wirtschaftliche) Bedeutung für den Kläger hinreichend abgebildet wird. Insoweit betätigt der Senat in diesen Streitigkeiten das ihm gemäß § 52 Abs. 1 GKG eingeräumte Ermessen regelmäßig in der Weise, dass er bei Streitigkeiten um die Zulassung eines Arzneimittels einen Betrag in Höhe eines geschätzten und pauschalierten Jahresreingewinns zu Grunde legt, es sei denn individuelle Angaben des Klägers oder eines sonstigen Verfahrensbeteiligten können eine abweichende Entscheidung begründen.
Vgl. etwa Beschluss vom 11. Mai 2010 13 E 509/10 , n. v., und vom 17. Dezember 2008 13 E 1571/08 , NVwZ-RR 2009, 408.

Bei dem Jahresgewinn als Äquivalent für die Bedeutung einer Sache aus Sicht des Klägers handelt es sich in mehrfacher Hinsicht um das Ergebnis einer pauschalierten Betrachtung. Das gilt zunächst für die Höhe des vom Senat pauschal in Ansatz gebrachten Jahresreingewinns in Höhe von 50.000,- Euro, wenn keine abweichenden Angaben vorliegen. Auch die Ableitung eines Reingewinns in Höhe von einem Drittel des erzielten Umsatzes bei Vorliegen aussagekräftiger Umsatzzahlen erfolgt durch eine pauschale Betrachtungsweise. Eine weitere Pauschalierung erfolgt in zeitlicher Hinsicht. Durch den Ansatz eines Zeitraums von zwölf Monaten (Jahresgewinn) werden unterschiedliche in der Praxis auftretende Zeiträume erfasst, in denen das Arzneimittel im Verkehr ist und zum unternehmerischen Gewinn beiträgt. Diese können kürzer als der pauschal angenommene Jahreszeitraum sein, in der Regel dürften sie aber länger sein. Schließlich werden vom Jahresreingewinn auch sonstige wertbildende Faktoren einer arzneimittelrechtlichen Zulassung mit umfasst. Dazu gehört vor allem ein Verkaufswert. Die Zulassung kann einem anderen Unternehmer überlassen werden (entsprechend wollte die Klägerin hier nach eigenem Vortrag mit einer der begehrten Zulassungen verfahren), wofür in Anlehnung an den erwartbaren Umsatz ein Entgelt zu entrichten sein dürfte. Als wertbildender Faktor ist zudem zu berücksichtigen, dass die erteilte Zulassung Grundlage für ein Anerkennungsverfahren in einem anderen europäischen Staat nach § 25b des Arzneimittelgesetzes (AMG) sein kann und daher dem pharmazeutischen Unternehmer Zugang zu weiteren Märkten eröffnen kann. Ein pharmazeutischer Antragsteller kann mit individuellen Darlegungen geltend machen, dass die oben beschriebenen Pauschalierungen nicht herangezogen werden dürfen, weil sie im vorliegenden Einzelfall dazu führten, dass das Interesse im Sinne von § 52 Abs. 1 GKG durch den zugrundegelegten Streitwert nicht richtig oder ausreichend erfasst werde.

Daran gemessen ist gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Streitwertfestsetzung unter Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens nichts einzuwenden.

Die Klägerin hat angegeben, das Arzneimittel der Beigeladenen, auf das sich die generischen Anträge beziehen, habe im Jahr 2007 einen Umsatz von 43.383.996,- Euro erzielt. Sie selbst stellt nicht in Abrede, dass sich daraus - entsprechend der Annahme des Verwaltungsgerichts - für das erste Jahr einer generischen Zulassung ein Umsatz in Höhe von 10 %, mithin 4.338.399,60 Euro ableiten lasse, wovon man pauschalierend 1/3, also 1.446.133,20 Euro als Jahresgewinn ansehen könne.

Aber auch die weitere, von der Klägerin angegriffene Annahme des Verwaltungsgerichts, der oben bezeichnete pauschalierte Jahresgewinn könne für ein volles Jahr in Ansatz gebracht werden und sei zu vervierfachen, da die Klägerin vier arzneimittelrechtliche Zulassungen beantragt habe, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Der Vortrag der Klägerin, ihr wirtschaftliches Interesse bei Klageerhebung sei nur auf zwei bis drei Monate einer Marktzulassung beschränkt gewesen, da sie bei angemessener Einschätzung des gerichtlichen Verfahrensgangs davon habe ausgehen müssen, diese erst im September oder Oktober 2010 zu erhalten, auf der anderen Seite aber wegen auslaufenden Unterlagenschutzes für ein anderes Arzneimittel im Dezember 2010 eine entsprechende generische Zulassung ohnehin hätte erlangen können, ist nicht geeignet, die pauschale Bewertung des wirtschaftlichen Interesses der Klägerin mit Hilfe des Jahresreingewinns in Frage zu stellen. Zwar ist es nachvollziehbar, dass die Klägerin für ihre unternehmerische Wirtschaftlichkeitsanalyse prognostische Überlegungen anstellt, die auch die Frage einschließen, ob sich eine Klageerhebung ökonomisch vertreten lässt. Die kaum vorhersehbare Verfahrenslaufzeit sowie sonstige Unwägbarkeiten eines gerichtlichen Prozessverfahrens können aber grundsätzlich zur Begründung eines ggf. zeitlich begrenzten wirtschaftlichen Unternehmerinteresses nicht herangezogen werden.
Vgl. die Bestimmung des § 40 GKG, wonach für die Wertberechnung auf den Zeitpunkt der jeweiligen Antragstellung abzustellen ist; dazu OVG NRW, Beschluss vom 26. August 2010 13 E 1553/09 .

Die von der Klägerin beantragten arzneimittelrechtlichen Zulassungen stellen hier unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Erteilung einen wirtschaftlichen Wert dar, der nicht dadurch in Frage gestellt wird, dass möglicherweise - ohne dass dieses gesichert ist - ein entsprechender Anspruch auch durch die generische Bezugnahme auf ein anderes Arzneimittel durchgesetzt werden kann. Wie bereits ausgeführt, erfasst darüber hinaus der zu erwartende Jahresreingewinn auch weitere Faktoren wie den Marktwert einer erteilten Zulassung. Aus diesem Grund sind auch für die weiteren, von der Klägerin beantragten arzneimittelrechtlichen Zulassungen keine geringeren Werte anzusetzen. Es muss nicht entschieden werden, ob im Falle ausreichender Darlegung, dass von einer arzneimittelrechtlichen Zulassung für einen bestimmten Zeitraum kein Gebrauch gemacht werden soll, abweichend zu entscheiden wäre. An entsprechendem Vortrag der Klägerin fehlt es jedenfalls im vorliegenden Fall. Mit ihrem Vorbringen, eine arzneimittelrechtliche Zulassung sollte durch ein "wesentlich kleineres Unternehmen" ausgenutzt werden und für zwei weitere Zulassungen sei eine Vermarktung noch nicht vorgesehen, kann der angesetzte wirtschaftliche Wert der Zulassungen jedenfalls nicht erschüttert werden.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei, eine Kostenerstattung erfolgt nicht (§ 68 Abs. 3 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

RechtsgebietGKGVorschriften§ 52 GKG

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