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11.05.2011 · IWW-Abrufnummer 111522

Finanzgericht Münster: Urteil vom 24.02.2011 – 11 K 4489/09 F

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


FG Münster v. 24.02.2011
11 K 4489/09 F
Tenor:
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Bescheid vom 29.07.2009 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 09.11.2009, mit dem der Bekl. die gesonderte Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer auf den 31.12.2007 abgelehnt hat, ist rechtmäßig und verletzt die Klin. nicht ihren Rechten, § 101 S. 1 FGO.
1. Nach § 10 d Abs. 4 EStG in Verbindung mit den Abs. 1 und 2 der genannten Vorschrift sind negative Einkünfte, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden können, als verbleibender Verlustvortrag gesondert festzustellen, sofern sie nicht im unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum berücksichtigt werden. Solche negativen Einkünfte können insbesondere im Vorbereitungsstadium der Einnahmeerzielung entstehen, wenn zwar noch keine steuerpflichtigen Einnahmen vorliegen, jedoch bereits durch die geplante Einnahmeerzielung veranlasste Aufwendungen entstanden sind. Das kann bei vorab entstandenen Werbungskosten auch in Bezug auf Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Fall sein.
Obwohl der Klin. im Jahr 2007 im Hinblick auf die angestrebte (spätere) Berufstätigkeit Aufwendungen entstanden sind, denen in jenem Jahr noch keine Einnahmen aus der geplanten Tätigkeit gegenüberstanden, vermag es der Senat nicht zu beanstanden, dass der Bekl. die Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrags zum 31.12.2007 in der entsprechenden Höhe abgelehnt hat. Diese Ausgabenüberschüsse können nämlich nicht als negative Einkünfte berücksichtigt werden
2. Zwar können Aufwendungen für eine Bildungsmaßnahme, sofern sie beruflich veranlasst sind, Werbungskosten sein. Liegt ein erwerbsbezogener Veranlassungszusammenhang vor, kommt es für die steuerliche Berücksichtigung der Aufwendungen nicht darauf an, ob ein neuer, ein anderer oder ein erstmaliger Beruf ausgeübt werden soll. Eine berufliche Veranlassung ist gegeben, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufes getätigt werden. Der erforderliche Veranlassungszusammenhang kann bei jedweder berufsbezogenen Bildungsmaßnahme erfüllt sein (vgl. BFH-Urteil vom 20. 7.2006 VI R 26/05, BFHE 214; 370; BStBl. II 2006, 764 m.w.N.).
Seit der Entscheidung vom 4.12.2002 VI R 120/01, (BFHE 201, 156, BStBl. II 2003, 403) unterscheidet der BFH nicht mehr strikt zwischen Aus- und Fortbildung, sondern stellt maßgeblich auf den erwerbsbezogenen Veranlassungszusammenhang ab. Erzielt der Steuerpflichtige - wie hier die Klin. - noch keine bzw. geringfügige Einnahmen, können danach vorab entstandene Werbungskosten gem. § 9 Abs. 1 S. 1 EStG vorliegen, die als negative Einkünfte festgestellt werden können. Sie können nach der Rechtsprechung des BFH für Veranlagungszeiträume vor 2003 auch bei einer erstmaligen Berufsausbildung anzuerkennen sein. Maßgebend ist, dass die Aufwendungen beruflich veranlasst sind. Sie müssen in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit künftigen steuerbaren Einnahmen aus einer beruflichen Tätigkeit stehen (vgl. BFH-Urteil vom 20.7.2006 VI R 26/05, BFHE 214, 370, BStBl. II 2006, 764 und BFH-Urteil vom 4.12.2002 VI R 120/01, BFHE 201, 156, BStBl. II 2003, 403). Demgegenüber sind Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine eigene Berufsausbildung nur dann Sonderausgaben, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind (§ 10 Abs. 1 i. V. m. § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG). Danach hat der Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenabzug Vorrang vor dem Abzug von Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung als Sonderausgaben, so dass § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG keine Sperrwirkung für erwerbsbedingte Aufwendungen entfalten kann (BFH-Urteil vom 18.6.2009 VI R 14/07, BFHE 225, 393, BStBl. II 2010, 816, s. auch FG Hamburg, Urteil vom 25. November 2009 5 K 193/08, EFG 2010, 873).
3. Einem hiernach in Betracht kommenden Abzug der bei der Klin. für ihre Bildungsmaßnahme angefallenen Aufwendungen steht aber § 12 Nr. 5 EStG entgegen.
a) Die geänderte Rechtsprechung des BFH seit dem Urteil vom 4.12.2002 VI R 120/01 führte zu einer gesetzlichen Änderung in Gestalt der Vorschrift des § 12 Nr. 5 EStG; danach stellen Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung und für ein Erststudium weiterhin private Lebensführungskosten dar und gehören nicht zu den als Werbungskosten abzugsfähigen Ausgaben, es sei denn, die Ausbildung findet im Rahmen eines Dienstverhältnisses statt.
b) Die Vorschrift des § 12 Nr. 5 EStG ist durch das Gesetz zur Änderung zur Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21.7.2004 (BGBl I 2004, 1753 BStBl I 2005, 343) zum 1.1.2004 in Kraft getreten und ist deshalb für das Streitjahr 2007 anzuwenden.
c) Die Ausbildung der Klin. fand nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses statt. Die Regelung des § 12 Nr. 5 2. Halbsatz EStG beruht auf der gesetzgeberischen Erwägung, dass im Rahmen eines (Ausbildungs-) Dienstverhältnisses angefallene Aufwendungen der Erzielung von Einnahmen dienen. Der Gesetzgeber orientierte sich dabei an der langjährigen Rechtsprechung des BFH zu Ausbildungs-Dienstverhältnissen (BT-Drs. 15/3339, 11; vgl. bereits BFH-Urteil vom 21.1.1972 VI R 337/70, BFHE 104, 203, BStBl. II 1972, 261 und vom 3.12.1974 VI R 159/74, BFHE 114, 428, BStBl. II 1975, 356).
Aufwendungen für die Berufsausbildung können danach dann als Werbungskosten abgezogen werden, wenn die Berufsausbildung in der Weise Gegenstand des Dienstverhältnisses ist, dass die vom Arbeitnehmer geschuldete Leistung, für die der Arbeitgeber ihn bezahlt, in der Teilnahme an den Berufsausbildungsmaßnahmen besteht (vgl. BFH-Urteil vom 15.4.1996 VI R 99/95, BFH/NV 1996, 804). Ein Dienstverhältnis liegt nach
§ 1 Abs. 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Ein Ausbildungs-Dienstverhältnis ist von der Rechtsprechung bspw. bei Finanzanwärtern, Rechtsreferendaren, Lehramtskandidaten und Zeitsoldaten bejaht worden (siehe v. Bornhaupt in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 9 EStG Rn. B 295 m. N., s. auch FG Düsseldorf, Urteil vom 3.12. 2008 2 K 3575/07 F, EFG 2009, 1201).
Die Klin. befand sich dagegen nicht in einem (Ausbildungs-) Dienstverhältnis. Sie hat vielmehr einen Studienvertrag mit der FHDW C. abgeschlossen. Damit aber wurde weder ein Dienstverhältnis mit der FHDW C. noch ein Dienstverhältnis mit ihrer späteren Arbeitgeberin, der F., begründet. Auch die von der Klin. absolvierten Praxisphasen bei der F. führen nicht zu einer anderen Einschätzung. In einer Gesamtbetrachtung waren sie berufspraktische Teile der Ausbildung an der FHDW C. im Hinblick auf den Abschluss des Studiums zur Dipl.-Kauffrau. Daran ändert auch die geringfügige gezahlte Vergütung nichts, da die Klin. auch während dieses Zeitraums die Studiengebühren zu zahlen hatte und ihre Ausbildung durch diese Abschnitte nicht den Charakter eines einheitlichen (Ausbildungs-) Dienstverhältnisses bekamen. Im Rahmen einer Gesamtschau lag ein Dienstverhältnis im Sinne des § 12 Nr. 5 2. Halbsatz EStG nicht vor. Selbst wenn man aber die Praktika als einzelne "Mini-Ausbildungsdienstverhältnisse" ansehen wollte (so Johenning, Bildungsaufwendungen im Einkommensteuerrecht, Diss. Hamburg 2009 S. 149), so können nur die damit zusammenhängenden Werbungskosten in Ansatz gebracht werden. Diese liegen aber bei direkter Zuordnung offensichtlich unter dem Bruttoarbeitslohn, so dass es ebenfalls nicht zu einer Feststellung eines verrechenbaren Verlustes kommen würde.
d) Die im Streitfall zu beurteilenden Ausbildungskosten der Klin. unterfallen der Vorschrift des § 12 Nr. 5 1. HS EStG. Denn es handelt sich um Kosten, die der Klin. im Rahmen ihrer erstmaligen Berufsausbildung (Erststudium) entstanden sind. Gerade für diesen Fall wird in typisierender Weise bestimmt, dass Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung und für ein Erststudium - von dem im Halbsatz 2 genannten Fall (Ausbildung im Rahmen eines Dienstverhältnisses) abgesehen - noch nicht mit einer konkreten beruflichen Tätigkeit und hieraus fließenden Einnahmen in Zusammenhang stehen (vgl. BFH-Urteil vom 18.6.2009 VI R 14/07, BFHE 225, 393, BStBl. II 2010, 816).
Dem steht auch nicht entgegen, dass der BFH § 12 Nr. 5 EStG in verfassungskonformer Weise dahingehend ausgelegt hat, dass diese Vorschrift den Abzug von Ausbildungskosten im Zusammenhang mit einem Erststudium nach abgeschlossener Berufsausbildung nicht verbietet (s. BFH-Urteile vom 18.6.2009 VI R 14/07, BFH/NV 2009, 1875; VI R 6/07, BFH/NV 2009, 1796; VI R 31/07, BFH/NV 2009, 1797; VI R 49/07, BFH/NV 2009, 1799; kritisch dazu FG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.1.2010 11 K 4253/08, EFG 2010, 788). Würde die Typisierung des § 12 Nr. 5 EStG diese Fälle erfassen, so würden nach Auffassung des BFH Steuerpflichtige, die nach abgeschlossener Berufsausbildung erstmalig ein Studium aufnehmen, gegenüber den Steuerpflichtigen in gleichheitswidriger Weise benachteiligt, die eine zweite, nicht akademische Ausbildung, ein Zweitstudium oder ein Erststudium im Rahmen eines Dienstverhältnisses absolvieren. Bei der nach Ansicht des BFH gebotenen verfassungskonformen Auslegung von § 12 Nr. 5 EStG könne die Typisierung daher allenfalls die Fälle des Erststudium erfassen, das zugleich eine Erstausbildung vermittele und nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinde.
Für eine einfachgesetzliche Auslegung in Bezug auf ein Erststudium dahingehend, den Anwendungsbereich des § 12 Nr. 5 EStG entsprechend der Argumentation der Klin. auf diese Fälle auszudehnen, besteht angesichts des eindeutigen, vom Gesetzgeber bewusst als Reaktion auf die Rechtsprechungsänderung des BFH (vgl. hierzu insbesondere: BFH-Urteil vom 4.12.2002 VI R 120/01, BFHE 201, 156, BStBl. II 2003, 403 und ihm folgend BFH-Urteile vom 17.12.2002 VI R 137/01, BFHE 201, 211, BStBl. II 2003, 407; vom 22.7.2003 VI R 50/02, BFHE 202, 563, BStBl. II 2004, 889 und vom 4.11.2003 VI R 96/01, BFHE 203, 500, BStBl. 2004, 891) gewählten entgegenstehenden Wortlauts der Norm kein Raum (zu den gesetzgeberischen Motiven vgl. BT-Drs. 15/3339, 10; so auch FG Hamburg, Urteil vom 25.11.2009 5 K 193/08, EFG 2010, 873 und FG Saarland, Urteil vom 4.5. 2010 1 K 2357/05, EFG 2010, 532).
e) Im Ergebnis vermag der Senat von einer Verfassungswidrigkeit der durch Art. 3 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21.07.2004 (BGBL I 2004 1735 BStBl I 2005, 343) eingeführten Regelung des § 12 Nr. 5 EStG nicht auszugehen. Sie mag zwar verfassungsrechtlich umstritten sein (s. z. B. Johenning, Bildungsaufwendungen im Einkommensteuerrecht, Diss. Hamburg 2009, S. 213 ff.).
aa) Das bedeutet indessen nicht, dass der Senat sie nicht anwenden dürfte. Im Hinblick auf seine Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG -) muss er vielmehr auch bei diesbezüglichen Zweifeln den Geltungsanspruch jedes formell ordnungsmäßig zustande gekommenen Bundesgesetzes grundsätzlich befolgen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn er von der Verfassungswidrigkeit der Norm überzeugt wäre. Dann - aber auch nur dann - hätte der Senat das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und ein Normenkontrollverfahren einzuleiten, um so die dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorbehaltene verbindliche Klärung der Verfassungsmäßigkeit der Norm herbeizuführen (ebs. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.1.2010 11 K 4253/08, EFG 2010, 788 und FG Saarland, Urteil vom 4.5.2010 1 K 2357/05, EFG 2010, 532).
Der Senat ist allerdings von der Verfassungswidrigkeit der genannten gesetzlichen Regelungen nicht überzeugt. Der Gesetzgeber war aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht daran gehindert, die Kosten der erstmaligen Berufsausbildung in der durch § 12 Nr. 5 EStG erfolgten Weise typisierend den steuerrechtlich nicht abzugsfähigen Kosten der allgemeinen Lebensführung zuzuordnen.
bb) Die Vorschrift des § 12 Nr. 5 EStG ist nach Ansicht des Senates nicht wegen eines Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig.
(1) Die Vorschrift hat zur Folge, dass unmittelbar im Anschluss an eine allgemeine Schulausbildung angefallene Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung bzw. ein Erststudium nicht als (vorweggenommene) Werbungskosten, sondern nur im Rahmen des Sonderausgabenabzugs nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG i.H.v. maximal 4.000 € berücksichtigt werden können. Zwar läuft dieser Sonderausgabenabzug - sofern keine positiven Einkünfte im Jahr der Verausgabung vorliegen - mangels Verrechnungsmöglichkeit leer (eine Vortragsfähigkeit von Sonderausgaben sieht das Gesetz nicht vor). Hierin liegt allerdings kein Verfassungsverstoß.
Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet es dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Hieraus ergeben sich unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber. Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Die gesetzgeberische Freiheit wird insbesondere im Bereich des Einkommensteuerrechts vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedriger Einkommen angemessen sein muss. Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. BVerfG-Urteile vom 9.12.2008, 2 BvL 1 und 2/07, 2 BvL 1 und 2/08, BVerfGE 122, 210 m.w.N.; s. auch FG Saarland, Urteil vom 4.5. 2010 1 K 2357/05, EFG 2010, 532). Im Einkommensteuerrecht folgt aus dem
Leistungsfähigkeitsprinzip das so genannte objektive und subjektive Nettoprinzip. Dieses besagt, dass der Einkommensteuer grundsätzlich nur das Nettoeinkommen, also der Unterschiedsbetrag aus den Einnahmen und den Erwerbsaufwendungen (objektives Nettoprinzip) und nach Abzug der die Existenz sichernden Aufwendungen (subjektives Nettoprinzip) unterworfen werden kann. Das BVerfG hat bisher offen gelassen, ob das objektive Nettoprinzip, wie es in § 2 Abs. 2 EStG zum Ausdruck kommt, Verfassungsrang hat. Jedenfalls hat es festgestellt, dass der Gesetzgeber dieses Prinzip bei Vorliegen gewichtiger Gründe durchbrechen und sich dabei generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen bedienen kann (zuletzt BVerfG-Urteile vom 9.12.2008, 2 BvL 1 und 2/07, 2 BvL 1 und 2/08, BVerfGE 122, 210 m.w.N). Typisierung bedeutet, bestimmte in wesentlichen Elementen gleich geartete Lebenssachverhalte normativ zusammenzufassen. Besonderheiten, die im Tatsächlichen durchaus bekannt sind, können generalisierend vernachlässigt werden. Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen. Die gesetzlichen Verallgemeinerungen müssen allerdings auf eine möglichst breite, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließende Beobachtung aufbauen. Insbesondere darf der Gesetzgeber für eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen (BVerfG, vgl. insbes. BVerfG vom 9.12.2008, 2 BvL 1 und 2/07, 2 BvL 1 und 2/08 BVerfGE 122, 210 m.w.N. der ständigen Rechtsprechung).
(2) Indem der Gesetzgeber mit § 12 Nr. 5 EStG den Abzug von Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung und ein Erststudium außerhalb eines Dienstverhältnisses nur im Rahmen von Sonderausgaben zuließ, bewegte er sich nach Auffassung des Senats noch innerhalb des ihm zur Verfügung stehenden Gestaltungsspielraums (s FG Saarland, Urteil vom 4.5.2010 1 K 2357/05, EFG 2010, 532). Der Senat hat die in der Literatur vertretenen Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Norm in seiner Entscheidung berücksichtigt (s. z. B. Johenning, Bildungsaufwendungen im Einkommensteuerrecht, Diss. Hamburg 2009 S. 213 ff. mit zahlreichen Nachweisen zusammenfassend S. 258ff; Drenseck DStR 2004, 1766; Fehr DStR 2007, 882; Müller-Franken DStZ 2007, 59; Schulenberg DStZ 2007, 183 und Steck DStZ 2010, 194). Allerdings ist er - wie auch die Urteile des BFH (s. BFH-Urteile vom 18.6.2009 VI R 14/07, BFH/NV 2009, 1875; VI R 6/07, BFH/NV 2009, 1796; VI R 31/07, BFH/NV 2009, 1797; VI R 49/07, BFH/NV 2009, 1799) und der Finanzgerichte (s. FG Saarland, Urteil vom 4.5.2010 1 K 2357/05, EFG 2010, 532; FG Düsseldorf Urteil vom 3.12.2008 2 K 3575/07 F, EFG 2009, 1201; FG Hamburg, Urteil vom 25.11.2009 5 K 193/08, EFG 2010, 873; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.1.2010 11 K 4253/08, EFG 2010, 788) aufzeigen - nicht von der Verfassungswidrigkeit der Norm überzeugt. Denn für diese Regelung gibt es sachlich einleuchtende Gründe.
Die Zuordnung der Aufwendungen für eine erstmalige Bildungsmaßnahme in typisierender und pauschalisierender Weise zu den Lebenshaltungskosten ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die erstmalige Berufsausbildung einem Steuerpflichtigen erstmals Kenntnisse und Fähigkeiten für die Teilnahme am Erwerbsleben vermitteln und damit die Grundvoraussetzung für eine Lebensführung darstellen. Inwieweit sich dies mit den womöglich veränderten Umständen am Arbeitsmarkt vereinbaren lässt (vgl. hierzu Drenseck in Schmidt, Kommentar zum EStG, 29. Aufl. 2010, Rz. 57 zu § 12), ist insoweit unbeachtlich, wie es dem Gesetzgeber unter Beachtung der oben genannten Prinzipien unbenommen bleibt, auch aus Typisierungs- und Vereinfachungserfordernissen Regelungen steuerlicher Belastungsentscheidungen zu treffen. Er orientiert sich dabei an dem durchaus typischen Fall, dass - anders als bei Ausbildungsdienstverhältnissen, die er insoweit ausdrücklich ausnimmt - den Aufwendungen für die Berufsausbildung keine unmittelbaren positiven Einkünfte zur selben Zeit gegenüberstehen (vgl. BT-Drs. 15/3339 S. 10, 11). Der Gesetzgeber verstößt hierdurch nicht gegen das Veranlassungsprinzip, denn regelmäßig stehen diese Berufsausbildungskosten noch nicht im direkten Zusammenhang mit einer konkreten Einnahmeerzielung im Rahmen eines kon-
kreten Dienstverhältnisses, sondern dienen losgelöst von einem späteren Anstellungsverhältnis zunächst primär der individuellen Bereicherung des Steuerpflichtigen durch die Erlangung von Kenntnissen und Fertigkeiten im Sinne einer allgemeinen "Ausbildung" (s. FG Saarland, Urteil vom 4.5.2010 1 K 2357/05, EFG 2010, 532).
Der Umstand, dass die Klin. im Streitfall unmittelbar nach Beendigung des Studiums eine konkrete Anstellung gefunden hat, aus der sie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit hat erzielen können, führt im Streitfall zu keiner anderen Beurteilung. Eine derartige konkrete Betrachtung ist mit dem Geltungsanspruch einer generalisierenden und typisierenden Norm nicht zu vereinbaren.
(3) Soweit sich die Klin. darauf beruft, der Gesetzgeber sei nicht gehalten gewesen, für Ausbildungsdienstverhältnisse eine abweichende Regelung zu treffen, überzeugt dies den Senat nicht. Ungeachtet der Frage, dass nicht ersichtlich ist, inwiefern ein Wegfall dieser Teilregelung zu einem Abzug der im Streitfall geltend gemachten Aufwendungen als Werbungskosten führen soll, stellt diese Regelung im Grunde die Fortführung des Veranlassungsprinzips dar. Denn entsprechend der bisherigen Rechtsprechung des BFH handelt es sich hierbei um Aufwendungen, die getätigt werden, um Einnahmen aus dem Dienstverhältnis zu erzielen. Der sachliche Differenzierungsgrund zu den Berufsausbildungskosten außerhalb eines Ausbildungsdienstverhältnisses liegt darin, dass bereits zeitgleich Einnahmen erzielt werden, die der ESt unterliegen, vgl. § 19 EStG. Diese Regelung war aus Sicht des Senats sogar erforderlich, um dem Gebot der Folgerichtigkeit gerecht zu werden (ebs. FG Saarland, Urteil vom 4.5.2010 1 K 2357/05, EFG 2010, 532).
(4) Nach der Rechtsprechung des BVerfG bedürfen Ausnahmen von der folgerichtigen Umsetzung der mit dem objektiven Nettoprinzip getroffenen Belastungsentscheidung
- wie bereits oben ausgeführt wurde - eines besonderen, sachlich rechtfertigenden Grundes (BVerfG Beschluss vom 11.11.1998 2 BvL 10/95, BVerfG 99, 280 ff.).
Soweit man nicht bereits in der in § 12 Nr. 5 EStG angelegten Unterscheidung zwischen Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung und das Erststudium einerseits und sonstigen Fortbildungskosten andererseits eine verfassungsrechtlich zulässige Typisierung (dazu BVerfG Beschluss vom 8.3.1993 2 BvR 773/93 NJW 1994, 847 f., DStR 1993, 1403; Fischer in Kirchhof EStG Kompaktkommentar, 8. Auflage 2008 § 10 Rz. 28 a; anderer Ansicht Drenseck Deutsches Steuerrecht 2004, 1766; 1771; Schulenberg DStZ 2007, 183; Müller-Franken DStZ 2007, 59) sieht (so FG Saarland, Urteil vom 4.5.2010 1 K 2357/05, EFG 2010, 532 und FG Hamburg, Urteil vom 25.11.2009 5 K 193/08, EFG 2010, 873), tritt aber noch ein weiterer sachlich rechtfertigender Grund für diese Differenzierung hinzu. In der Regel werden die Kosten für das Erststudium nicht vom Steuerpflichtigen, sondern von den Eltern der Studenten getragen. Denn die zivilrechtliche Pflicht zur Gewährung von Unterhalt an die Kinder umfasst auch die Kosten eines Erststudiums (s. Palandt/Diederichsen BGB 70. Auflage 2011 § 1610 Rz. 18). Entsprechend können die Eltern im Rahmen des Kinderlastenausgleichs den Kinderfreibetrag und den Ausbildungsfreibetrag (§§ 32 Abs. 6, 33a Abs. 2 EStG) steuerlich in Anspruch neben. Wollte man daneben diese Aufwendungen als Werbungskosten des Kindes mit Verlustvortragsmöglichkeit zulassen, so würden diese Aufwendungen steuerlich doppelt berücksichtigt werden. Die Vermeidung einer Doppelberücksichtigung derselben Kosten stellt einen weiteren sachlich rechtfertigenden Grund für eine entsprechende Differenzierung in § 12 Nr. 5 EStG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG dar (s. Müller-Franken DStZ 2007, 59, 65).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war zuzulassen, da bereits mehrere Verfahren vor dem BFH anhängig sind und die Sache grundsätzliche Bedeutung hat § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

RechtsgebieteEStG, GGVorschriften§ 9 Abs. 1 S. 1 EStG § 10 d Abs. 4 EStG § 12 Nr. 5 EStG Art. 3 Abs. 1 GG

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