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06.05.2011 · IWW-Abrufnummer 111500

Landgericht Nürnberg-Fürth: Urteil vom 14.10.2010 – 8 O 3127/10

„Für die Eigenschaft als Handelsware i.S.d. § 1 Nr. 2d VHB 2003 ist ausreichend, dass der Versicherungsnehmer – ggf. „neben“ seiner eigentlichen hauptberuflichen Tätigkeit – zuvor von ihm selbst erworbene original-verpackte Artikel bei sich bietender Gelegenheit an Dritte weiterverkauft und sich durch einen Aufschlag auf seinen eigenen Einkaufspreis von Fall zu Fall etwas hinzuverdient, auch wenn dies nicht als abhängiger Arbeitnehmer oder im Rahmen eines Gewerbes im gewerbe- oder steuerrechtlichen Sinn erfolgt.“


Landgericht Nürnberg-Fürth
Az.: 8 O 3127/10
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit XXX
wegen Forderung
erlässt das Landgericht Nürnberg-Fürth -8. Zivilkammer- durch den Richter am Landgericht Dr. R als Einzelrichter auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16.09.2010 folgendes Endurteil
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
B E S C H L U S S :
Der Streitwert wird auf 5.790,22 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Versicherungsleistungen aus einer Hausratversicherung.
Die Klägerin hält bei der Beklagten eine Hausratversicherung für ihre Wohnung in N, T Weg. In den dem Vertrag zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen (VHB 2003) ist in § 1 Nr. 2 bestimmt:
"Versichert sind auch.... d) Arbeitsgeräte und Einrichtungsgegenstände - nicht aber Handelsware -, die dem Beruf oder dem Gewerbe dienen."
In der Zeit zwischen dem 12.8.2009 und 23.9.2009 kam es durch einen Einbruch in das zur versicherten Wohnung gehörende Kellerabteil zu einem Versicherungsfall. Bei dem Einbruchdiebstahl wurden mehrere Gegenstände aus dem Kellerabteil gestohlen. Es wurde u.a. eine größere Anzahl an original-verpackten Kosmetikprodukten entwendet. Die Beklagte regulierte auf entwendeten Hausrat pauschal 400.-- €. Die Klägerin betreibt kein Gewerbe und hat zu keinem Zeitpunkt einen Gewerbeschein inne gehabt.
Die Klägerin behauptet, dass bei dem Einbruch versicherte Gegenstände im Wert von 6.170,22 € entwendet worden seien. Es handle sich bei der von ihr auf der eingereichten Stehlgutliste als entwendet bezeichneten Gegenständen nicht um Handelsware. Die Klägerin habe diese Waren für den Eigenbedarf von der Fa. M erhalten, um so Forderungen der Klägerin aus ihrem Angestelltenverhältnis, die wegen drohender Insolvenz der Fa. M gefährdet gewesen seien, zu erfüllen.
Die Klägerin beantragt:
I. Die Beklagte wird verpflichtet, an die Klägerin 5.790,22 € zuzüglich Zinsenhieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB ab dem 20.3.2010 zu bezahlen.
II. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 285,24 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagte behauptet, dass die entwendeten und nicht regulierten Gegenstände Handelsware gewesen sei. Dies habe auch die Klägerin selbst in einem Telefonat mit einer Sachbearbeiterin der Beklagten angegeben, wo sie gesagt habe, dass sie als Vertreterin entsprechende Waren in ihrem Keller gelagert habe. Darüber hinaus bestreitet die Beklagte das Vorhandensein und den Umfang der Entwendung der klagegegenständlichen Gegenstände.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen R und M. Insofern wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.9.2010, im Übrigen zur Ergänzung des Tatbestandes auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen. Die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, 606 UJs /10, war beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
A)
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I. Der Klägerin ist der ihr obliegende Beweis, dass bei dem Versicherungsfall - neben den bereits regulierten Gegenständen - noch weitere versicherte Gegenstände abhanden gekommen sind nicht gelungen.
1. Unstreitig liegt zwar ein Versicherungsfall nach § 5 Abs. 1 a VHB vor (Einbruchdiebstahl). Die Klägerin hat allerdings keinen Leistungsanspruch nach § 1 S. 1 VVG, da ihr der Beweis dafür, dass die (übrigen) auf der Stehlgutliste (Anlage K 2) genannten Gegenstände Hausrat im Sinne des § 1 Nr. 1 S. 1 VHB waren, nicht gelungen ist. Nach allgemeinen Grundsätzen obliegt die Beweislast dafür, dass der Versicherungsfall gerade auch durch den Versicherungsvertrag erfasste, mithin versicherte Gegenstände betrifft, den Versicherungsnehmer. Demnach muss der Versicherungsnehmer auch beweisen, dass es sich bei der entwendeten Ware nicht um Handelsware handelt (BGH VersR 1983, 674; Prölss/Martin/Knappmann, VVG 28. Aufl. § 1 VHB 2000 Rn. 4, 27). Dies gilt jedenfalls - wenn nicht erst recht - dann, wenn es sich bei den fraglichen Gegenständen um original-verpackte gleichartige Ware in großen Mengen handelt, die in einem Kellerabteil in Regalen aufbewahrt werden (vgl. Martin, Sachversicherungsrecht 3. Aufl. H IV. Rn. 41).
2. Diesen Beweis konnte die Klägerin nicht führen. Bereits die äußeren Umstände sprechen gegen die Eigenschaft von Hausrat und für einen beabsichtigten Weiterverkauf der fraglichen Gegenstände. Die Klägerin macht insbesondere gleichartige Kosmetikprodukte der Fa. M (16, 21, 19 und 42 Stück) als entwendet geltend. Ausweislich der vorgelegten Rechnungen hat sie von diesen Artikeln ca. 1 1/2 Jahre zuvor 100 Stück bzw. je 3 x 50 Stück erworben. Zwar mag - den entsprechenden Angaben der Klägerin folgend - nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die Klägerin einen hohen Eigenverbrauch an derartigen Kosmetika hat. Dieser kann jedoch nicht erklären, warum etwa auch zehn gleiche Umhängetaschen (zu je 35.-- €) geltend gemacht werden, die - anders als Kosmetikprodukte - keine Verbrauchsartikel sind. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin gegenüber der Polizei - zumindest ausweislich ihrer in der Ermittlungsakte als „sinngemäß“ wiedergegebenen Zeugenvernehmung - angegeben hat, die verschiedenen kosmetischen Erzeugnisse "für meine Arbeit" aufbewahrt zu haben. Die Klägerin versucht dies mit einem Missverständnis bzw. einer ungenauen Protokollierung durch den Polizeibeamten zu erklären. Auch diese Erklärung ist, wie das Gericht aus verschiedenen Verfahren weiß, nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Dieses Indiz mag deshalb aus sich heraus keine eigene Überzeugungskraft haben.
Hinzu kommt allerdings, dass die Klägerin auch gegenüber der Sachbearbeiterin der Beklagten angegeben hat, im Kellerabteil Waren für ihre Arbeit als Vertreterin, etwa als Muster aufzubewahren. Dieses Telefonat hat die vernommene Sachbearbeiterin so in ihrer Zeugenvernehmung bestätigt. Unstreitig hat sie auch unmittelbar im Anschluss eine entsprechende Telefonnotiz gefertigt (vgl. Gerichtsakte Bl. 25). Die Angaben der Zeugin hierzu erschienen für das Gericht nachvollziehbar. Anhaltspunkte für eine Unglaubwürdigkeit der Zeugin sind nicht ersichtlich, auch wenn diese Mitarbeiterin der Beklagten ist, so dass zumindest ein mittelbares Eigeninteresse nicht von der Hand zu weisen ist. Ein solches mittelbares persönliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat allerdings auch der ebenfalls als Zeuge vernommene Freund der Klägerin. Dieser hat angegeben, beim Telefonat mit der Sachbearbeiterin anwesend gewesen zu sein. Er habe mit Sicherheit mitbekommen, dass die Klägerin bei dem Telefonat darauf bestanden habe, dass es sich bei den geltend gemachten Gegenständen eben nicht um Handelsware gehandelt habe. Auch die Einlassung des Zeugen erscheint zumindest nicht unglaubhaft. Auch hier konnten konkrete Anhaltspunkte für eine Unglaubwürdigkeit der Aussage nicht festgestellt werden.
In der Gesamtschau der vorgenannten Beweisindizien spricht nach Ansicht des Gerichts deutlich mehr dafür, dass es sich bei den streitgegenständlichen Gegenständen um Handelsware gehandelt haben dürfte. Angesichts der Beweislastverteilung zum Nachteil der Klägerin muss dies jedoch nicht entschieden werden. Das Ergebnis der Beweisaufnahme lässt nach Überzeugung des Gerichts jedenfalls keinesfalls den Schluss zu, dass es sich bei den als entwendet gemeldeten Gegenständen nicht um Handelsware gehandelt hat.
II. Gegen die Einordnung als Handelsware spricht auch nicht, dass die Klägerin nach ihrem eigenen unwidersprochen gebliebenen Vortrag kein Gewerbe betreibt und zu keinem Zeitpunkt einen Gewerbeschein inne gehabt hat. Es wäre nach Ansicht des Gericht für die Eigenschaft als Handelsware ausreichend, dass die Klägerin – ggf. „neben“ ihrer eigentlichen hauptberuflichen Tätigkeit – zuvor von ihr selbst erworbene original-verpackte Artikel bei sich bietender Gelegenheit an Dritte weiterverkauft und sich durch einen Aufschlag auf ihren eigenen Einkaufspreis von Fall zu Fall etwas hinzuverdient.
Soweit in der Rechtsprechung in diesem Zusammenhang die Ansicht vertreten wird, dass dem Gewerbe des Versicherungsnehmers nur solche Sachen dienen, die dieser entweder als abhängiger Arbeitnehmer oder im Rahmen eines Gewerbes im gewerbe- oder steuerrechtlichen Sinn in der nachhaltig verfolgten Absicht, Umsatz oder Gewinn zu erzielen, verwendet oder verkauft (OLG Hamm NJW 2000, 1729), vermag dem das Gericht nicht beizutreten. Auch die Einschränkung, dass die Erzielung von Nebeneinnahmen noch kein Gewerbe begründe und auch privater Verkauf kein Handel in diesem Sinne sei (OLG Hamm aaO) vermag nicht zu überzeugen.
Maßgeblich für die Bestimmung des Begriffs "Handelsware" ist die Auslegung der Versicherungsbedingungen. Dabei sind AVB so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an (st. Rspr. BGHZ 123, 83, 86).
Handelsware im Sinne der Bedingungen ist allerdings nach dem Satzbau der Klausel sicher nur die Ware, die - wie Arbeitsgeräte und Einrichtungsgegenstände - dem Beruf oder dem Gewerbe des Versicherungsnehmers dient. Dabei muss zunächst festgehalten werden, dass die Begriffe "Beruf" und "Gewerbe" keine solchen sind, die feststehende Begriffe der Rechtsprache wären, so dass diese eine feste Bedeutung hätten: Wenn nämlich die Rechtssprache mit einem verwendeten Ausdruck einen fest umrissenen Begriff verbindet ist anzunehmen, dass auch die AVB darunter nichts anderes verstehen wollen (BGH VersR 2000, 311). Bereits deshalb können gewerberechtliche Anforderungen an ein Gewerbe dem hier verwendeten Begriff nicht entnommen werden. Im Übrigen wird dem verständigen Versicherungsnehmer auch einleuchten, dass allein dem formalen Akt einer Gewerbeanmeldung bzw. einer entsprechenden steuerrechtlichen Behandlung schon deshalb keine Bedeutung beikommen kann, da es sonst ihm selbst obläge, durch entsprechendes rechtstreues - oder eben nicht rechtstreues - Verhalten Gegenstände als Handelsware zu widmen oder nicht. Ausreichend muss deshalb allein sein, dass die Handelsware einem Gewerbe des Versicherungsnehmers insoweit dient, als durch den wiederholten Verkauf von Waren – eben in diesem Sinne "gewerblich" - ein Gewinn erzielt werden soll. Dass ein Verkauf im Rahmen eines Kleingewerbes, mit dem nur Nebeneinnahmen zu einer etwaigen Haupttätigkeit erzielt werden, von der Klausel nicht davon erfasst werden soll, ist weder dem Wortlaut noch dem Sinn der Klausel zu entnehmen. Auch Waren, die nur in kleinerem Maßstab gehandelt werden sollen, dienen ersichtlich nicht der privaten Nutzung und sollen deshalb ob ihres durchlaufenden Charakters nicht vom Versicherungsschutz erfasst sein.
Nach alledem war die Klage deshalb abzuweisen.
B)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 ZPO.
Dr. R
Richter am Landgericht
.
Verkündet am 14.10.2010

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