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06.05.2011 · IWW-Abrufnummer 111499

Oberlandesgericht Koblenz: Urteil vom 14.01.2010 – 10 U 411/09

Volle Beweislast des Versicherers für Rückforderung auch unter Vorbehalt erbrachter Versicherungsleistung, weil ein Einbruchsdiebstahl nicht vorgelegen habe; Anforderungen an eine mögliche Beweisführung hierzu.


10 U 411/09

in dem Rechtsstreit

1.

2.

3.

Beklagte und Berufungskläger,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

g e g e n

Klägerin und Berufungsbeklagte,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und die Richterin am Oberlandesgericht Zeitler-Hetger

am 14. Januar 2010

einstimmig

beschlossen:

Tenor:
Der Senat erwägt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Den Beklagten wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 22. Februar 2010.

Die Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nach Auffassung des Senats gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

Das Landgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Abschlagszahlung auf das streitige Einbruchsereignis vom 19. Dezember 2007 zu, § 812 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1, § 421 BGB. Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Beklagten die Leistung der Klägerin ohne rechtlichen Grund erlangt haben, da die Klägerin den ihr im Rahmen des Rückforderungsprozesses obliegenden Nachweis, dass ein versicherungspflichtiges Ereignis nicht vorgelegen habe, geführt und die Beklagten diesen Nachweis nicht entkräftet haben.

Das Landgericht geht dabei zutreffend davon aus, dass den Versicherer im Rahmen des Rückforderungsprozesses die volle Beweislast dafür trifft, dass der Versicherungsfall in Wahrheit nicht vorgelegen hat. Etwas anderes ergibt sich vorliegend auch nicht daraus, dass die Klägerin die Abschlagszahlung an die Beklagten unter dem Rückforderungsvorbehalt der Einsichtnahme in die amtlichen Ermittlungsakten (vgl. Bl. 77 d. A.) geleistet hat. Ein derartiger Vorbehalt dient regelmäßig nur dazu, dem Verständnis der Leistung des Versicherers als Anerkenntnis entgegen zu treten und die Wirkung des § 814 BGB auszuschließen (vgl. BGH VersR 2003, 1165 [BGH 16.07.2003 - IV ZR 310/02]). Lediglich in besonderen Ausnah-mefällen kann davon ausgegangen werden, dass ein Rückforderungsvorbehalt dem Versicherungsnehmer die Beweislast für das Bestehen des Anspruchs aufbürden soll (BGH aaO.). Davon kann indes vorliegend nicht ausgegangen werden. In dem von dem Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hatte der Versicherer ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Versicherungsnehmer die Übergangsleistung nur behalten dürfe, wenn von ärztlicher Seite festgestellt werde, dass die Absprengung Unfallfolge sei und die normale körperliche und geistige Leistungsfähigkeit unmittelbar nach dem Unfall für mindestens sechs Monate um mehr als 50 % beeinträchtigt gewesen sei. Im Hinblick auf diesen ausführlichen Vorbehalt ist der Bundesgerichtshof davon ausgegangen, dass in dem dortigen Fall der Versicherer klar erkennbar für den Fall eines späteren Rückforderungsstreites dem Versicherungsnehmer die Beweislast für das Bestehen des Anspruchs aufgebürdet hat. Vorliegend fehlt aufgrund der bloß allgemeinen Formulierung der Klägerin "unter Rückforderungsvorbehalt der Einsichtnahme in die amtlichen Ermittlungsakten" eine derartige klare Erkennbarkeit einer Beweislastregelung.

Die Wertung des Landgerichts, aufgrund der Feststellung und Ergebnisse der Polizei in O anlässlich ihrer Anzeigenaufnahme vom 19. Dezember 2007 und des Spurensicherungsberichts vom 25. Dezember 2007 (Bl. 193 - 201 d. A.) habe die Klägerin in hinreichend spezifizierter Weise nachgewiesen, dass ein versicherungspflichtiges Ereignis im Sinne eines Einbruchdiebstahls nicht vorgelegen habe, § 286 Abs. 1 ZPO, ist nicht zu beanstanden. Zu dem Minimum an Tatsachen, die das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls ausmachen, gehört neben der Unauffindbarkeit der vor dem Einbruch am Tatort vorhandenen, als gestohlen gemeldeten Sachen, dass - abgesehen von Fällen eines Nachschlüsseldiebstahls - Einbruchsspuren vorhanden sind (vgl. OLG Düsseldorf Versicherung und Recht Kompakt 2008, 176). Im Rahmen der nach § 286 ZPO vorzunehmenden freien Beweiswürdigung hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. Daraus folgt, dass das Gericht den Beweis einer negativen Tatsache, vorliegend also das Fehlen eines versicherten Einbruchdiebstahls, auch aufgrund von Indizien als erbracht ansehen kann.

Nach dem Sachvortrag der Klägerin, wie er durch die polizeilichen Feststellungen als erwiesen anzusehen ist, ist zwar die Tür zu einer neben dem Ladenlokal der Beklagten liegenden Gasse durch Gewaltanwendung aufgebrochen worden, jedoch handelt es sich bei dieser Tür nicht um den Zugang zu dem Ladenlokal der Beklagten und damit auch nicht um den Zugang zu den versicherten Räumen. Dieser "Einbruch" in die Gasse ist daher grundsätzlich unerheblich. Nach dem Vortrag der Klägerin und den polizeilichen Feststellungen wiesen die zu den versicherten Geschäftsräumen der Beklagten führenden Fenster und Türen keinerlei Aufbruch- oder Hebelspuren auf. Dies wird von den Beklagten auch nicht in Abrede gestellt, so dass unstreitig keine Einbruchsspuren an den versicherten Räumlichkeiten selbst vorhanden waren. Damit kann bereits der der Klägerin obliegende Nachweis des Fehlens eines Einbruchdiebstahls als geführt angesehen werden. Ob daneben ein (einfacher) Diebstahl von Waren aus den Geschäftsräumen der Beklagten vorgelegen hat, kann insoweit dahinstehen, da der Diebstahl alleine kein versicherungspflichtiges Ereignis darstellt.

Da somit unstreitig von dem Fehlen von Einbruchsspuren und damit von dem Fehlen eines versicherungspflichtigen Ereignisses im Sinne eines Einbruchdiebstahls in die Geschäftsräume der Beklagten auszugehen ist, obliegt es nunmehr den Beklagten, ihrerseits darzulegen und nachzuweisen, dass gleichwohl ein Einbruchdiebstahl in die versicherten Räume stattgefunden habe. Die von den Beklagten hierzu vorgetragenen Indizien vermögen jedoch nicht zu überzeugen:

Ob die Glassplitter im Bereich der Sicherheitstür an der Gasse neben den Geschäftsräumen der Beklagten auf eine gewaltsame Öffnung dieser Tür und damit einen "Einbruch" in diese Gasse hindeuten, kann vorliegend offen bleiben, da diese Tür nicht unmittelbar zu den versicherten Räumlichkeiten führt und deren gewaltsame Öffnung daher keinesfalls die Voraussetzungen eines Einbruchs in die versicherten Geschäftsräume darstellen kann.

Die von den Beklagten aufgezeigte theoretische Möglichkeit, dass die Notfalltür ihres Ladenlokals von außen durch eine Drahtschlinge oder Ähnliches über den innen liegenden Türgriff geöffnet worden sei, ist rein spekulativ und durch nichts zu belegen. Es spricht auch keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für ein Eindringen von Unbefugten in die Geschäftsräume der Beklagten auf diese Art und Weise, zumal das Zerstören der Glastür im Bereich der Gasse üblicherweise mit einer gewissen Geräuschentwicklung verbunden ist und daher kein Grund ersichtlich ist, warum ein Täter einerseits eine Glasscheibe geräuschvoll zerstört, andererseits eine zeitlich aufwendigere, jedoch geräuschärmere Türöffnungsmöglichkeit mittels einer Drahtschlinge bevorzugt, statt auch hier mit Gewaltanwendung die Tür aufzubrechen. Soweit die Beklagten die theoretische Möglichkeit des Öffnens der Notfalltür durch eine Drahtschlinge unter Zeugenbeweis und Einholung eines Sachverständigengutachtens gestellt hatten, sind diese Beweisangebote untauglich. Die Zeugen und ein Sachverständiger können lediglich Angaben zu einer derartigen theoretischen Möglichkeit machen, jedoch nichts darüber sagen, ob vorliegend diese Möglichkeit tatsächlich Anwendung gefunden hat. Allein aus dem Umstand, dass sich keine Einbruchsspuren in die Geschäftsräume der Beklagten finden lassen, lässt sich nicht zwangsläufig schlussfolgern, dass Täter auf die von den Beklagten vermutete Art und Weise in die Geschäftsräume eingedrungen sind.

Offen bleiben kann, ob der von den Beklagten erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht erhobene Sachvortrag, die Ladentür habe bei Eintreffen des Wachmannes offen gestanden, glaubhaft und/oder verspätet (§ 296 ZPO) ist. Das bloße Offenstehen einer Tür stellt kein ausreichendes Indiz für das Vorliegen eines Einbruchdiebstahls dar. Vielmehr kann ein Täter eine Tür auch beim Verlassen des Tatortes offen stehen lassen, ohne dass er notwendigerweise zuvor durch diese Tür sich gewaltsam Zutritt zu der Örtlichkeit hätte verschaffen müssen.

Auch das Auslösen der Alarmanlage stellt kein hinreichendes Indiz für das Vorliegen eines Einbruchdiebstahls dar. Wenn sich eine Person - befugt oder unbefugt - in den Räumlichkeiten bei eingeschalteter Alarmanlage aufhält, wird diese durch die installierten Bewegungsmelder Alarm auslösen, selbst wenn der Täter sich nicht gewaltsam Zutritt zu den Räumlichkeiten verschafft hat. Auch die Bewegung eines Tieres kann die Bewegungsmelder einer Alarmanlage aktivieren. Neu ist insoweit der Vortrag der Beklagten in der Berufungsbegründung, die Alarmanlage schlage nur dann an, wenn die zuvor verschlossene Tür unberechtigt geöffnet werde. Die Beklagten hatten bisher hierzu lediglich vorgetragen, dass die Alarmanlage sich bei geöffneter Tür nicht scharf stellen lasse und die Alarmanlage durch die Bewegungsmelder in den Räumen ausgelöst worden sei (Bl. 113 und Bl. 186 d. A.). Selbst wenn dieser neue Vortrag jedoch als wahr unterstellt würde, ergäbe sich daraus noch kein hinreichendes Indiz für eine Öffnung der Tür mittels eines Einbruchs.

Ebenso spricht das Fehlen von Ware, den Beklagtenvortrag hierzu als wahr unterstellt, allenfalls für das Vorliegen eines Diebstahls, nicht jedoch für einen Diebstahl mittels Einbruchs.

Sowohl die Einzelbetrachtung der von den Beklagten vorgetragenen Indizien als auch deren Gesamtschau lässt damit allenfalls einen Rückschluss auf das Vorliegen einer Entwendung von Ware aus den Geschäftsräumen der Beklagten zu, begründet jedoch keine hinreichende Wahrscheinlichkeit oder einen Nachweis dafür, dass diese Entwendung mittels eines Einbruchs in die versicherten Räume erfolgt wäre. Damit ist weiterhin von dem Fehlen eines versicherungspflichtigen Ereignisses im Sinne eines Einbruchdiebstahls nach § 1 Nr. 5 (1) a KSEB auszugehen.

Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 8.000 € festzusetzen.

RechtsgebieteBGB, ZPOVorschriften§ 421 BGB § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB § 286 ZPO

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