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06.05.2011 · IWW-Abrufnummer 111497

Oberlandesgericht Köln: Urteil vom 03.09.2010 – 20 U 1/10

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


20 U 1/10
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 20. November 2009 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 9 O 103/09 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe
I.

Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Berufsunfähigkeitsversicherung und begehrt bedingungsgemäße Rentenzahlung für den Zeitraum von Juni 2007 bis Juli 2008 aufgrund einer nach ihren Angaben im März 2007 eingetretenen Berufsunfähigkeit wegen reaktiver Depressionen und Angstzuständen. Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 28. Mai 2008 den Rücktritt vom Vertrag sowie die Anfechtung wegen falscher Angaben im Versicherungsantrag. In diesem Schreiben wies sie die Klägerin darauf hin, dass Ansprüche innerhalb von sechs Monaten nach dessen Zugang gerichtlich geltend gemacht werden müssten. Später verlängerte sie die Frist bis zum 28. Februar 2009. Wegen des weiter zugrunde liegenden Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 18.950,82 Euro nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 28. Mai 2008 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe die seitens der Beklagten mit Schreiben vom 28. Mai 2008 gesetzte und bis zum Samstag, den 28. Februar 2009 verlängerte Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG a.F. nicht gewahrt. Die am Montag, dem 2. März 2009 per Telefax bei Gericht eingegangene Klage sei der Beklagten durch Verschulden des Klägervertreters erst am 9. Juli 2009 und damit nicht mehr "demnächst" zugestellt worden, so dass eine Rückwirkung gemäß § 167 ZPO ausscheide. Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Mit der Berufung wendet sich die Klägerin gegen die Annahme der Verfristung gemäß § 12 Abs. 3 VVG a.F. und meint, aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19. Oktober 1977 (BGHZ 69, 361) ergebe sich entgegen der Ansicht des Landgerichts mangelndes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten mit der Folge, dass die Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG a.F. gewahrt sei.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Aachen vom 20. November 2009 die Beklagte zu verurteilen, an sie 18.950,82 Euro zuzüglich 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 28. Mai 2008 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und vertieft dieses.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Berufsunfähigkeitsrente für den Zeitraum von Juni 2007 bis Juli 2008 nicht zu. Die Beklagte ist leistungsfrei gemäß § 12 Abs. 3 VVG a.F., da die Klägerin die ihr wirksam gesetzte, unstreitig bis zum 28. Februar 2009 letztmalig verlängerte Klagefrist versäumt hat.

1. Die Beklagte konnte mit ihrem Schreiben an die Klägerin vom 28. Mai 2008 noch wirksam eine Klagefrist gemäß § 12 Abs. 3 VVG a.F. setzen.

Zwar sieht das Versicherungsvertragsgesetz in seiner seit dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung keine Klageausschlussfrist mehr vor; § 12 Abs. 3 VVG a.F. wurde im Rahmen der Neuregelung des Versicherungsvertragsrechts ersatzlos gestrichen.

Das führt zu der bislang - soweit ersichtlich - obergerichtlich noch nicht entschiedenen Frage, ob die Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG a.F. auch nach dem 31. Dezember 2007 und damit unter grundsätzlicher Geltung des neuen VVG noch wirksam gesetzt werden konnte.

a) In den Übergangsvorschriften des EGVVG findet sich eine ausdrückliche Regelung zu § 12 Abs. 3 VVG a.F. lediglich für solche Klagefristen, die vor dem 1. Januar 2008 und damit unter Geltung des alten VVG zu laufen begonnen haben. Art. 1 Abs. 4 EGVVG bestimmt dazu, dass für solche Fristen § 12 Abs. 3 VVG a.F. auch nach dem 1. Januar 2008 noch Anwendung findet. Eine im Jahr 2007 gesetzte Klagefrist gemäß § 12 Abs. 3 VVG a.F. lief demnach im Jahr 2008 weiter. Vom Wortlaut des Art. 1 Abs. 4 EGVVG ist die hier streitgegenständliche Konstellation einer erst im Jahre 2008 gesetzten Klagefrist im Rahmen eines "Altvertrages" im Sinne des Art. 1 Abs. 1 EGVVG zumindest vordergründig nicht erfasst.

b) Ein Teil der Literatur nimmt jedoch an, bei Art. 1 Abs. 4 EGVVG handele es sich um eine Spezial- und Ausnahmevorschrift zu Art. 1 Abs. 1 und 2 EGVVG mit der Folge, dass die Ausschlussfrist des § 12 Abs. 3 VVG a.F. nach dem 31. Dezember 2007 grundsätzlich nicht mehr wirksam in Gang gesetzt werden könne (Marlow, VersR 2010, 198; Schneider, VersR 2008, 859; ders., in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2009, § 1 a Rdnr. 47; Uyanik, VersR 2008, 468). Dies ergebe sich aus der systematischen Stellung des Art. 1 Abs. 4 EGVVG, der Art. 1 Abs. 2 EGVVG nachfolge, und entspreche dem Willen des Gesetzgebers, der eine ungerechtfertigte Privilegierung der Versicherer habe abschaffen wollen (vgl. Uyanik, aaO). Demgegenüber stellt eine andere Ansicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 1 Abs. 1 EGVVG ab und meint, die Schadensabwicklung bei Altverträgen gemäß Art. 1 Abs. 1 EGVVG richte sich grundsätzlich nach altem Recht mit der Folge, dass § 12 Abs. 3 VVG a.F. noch anwendbar sei. Modifikationen dieses Grundsatzes könnten sich nach dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 EGVVG allein aus Art. 1 Abs. 2 sowie aus Art. 2 bis 6 EGVVG ergeben. Da Art. 1 Abs. 4 EGVVG im Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 EGVVG nicht erwähnt sei, könne dieser den Grundsatz des Art. 1 Abs. 1 EGVVG nicht modifizieren mit der Folge, dass Art. 1 Abs. 1 EGVVG maßgeblich bleibe. Der Regelungsgehalt des Art. 1 Abs. 4 EGVVG erschöpfe sich in der Erläuterung des Art. 3 Abs. 4 EGVVG und der Klarstellung des Sonderfalles, dass eine im Jahr 2007 in Gang gesetzte Klagefrist, die am 31. Dezember 2007 noch nicht abgelaufen war, nicht etwa mit dem 1. Januar 2008 hinfällig werde, sondern weiterlaufe (vgl. Muschner, VersR 2010, 738 und VersR 2008, 317; Neuhaus, r+s 2007, 177 und r+s 2007, 441; ders., in: Voit/Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 2. Aufl. 2009, Kapitel R Rdnr. 15 = S. 581 f.).

c) Die erstinstanzliche Rechtsprechung hat sich - soweit ersichtlich - bislang der Auffassung angeschlossen, zur Beantwortung der streitgegenständlichen Frage sei allein die Übergangsvorschrift des Art. 1 Abs. 1 EGVVG maßgeblich mit der Folge, dass in Altverträgen wie dem vorliegenden auch nach dem 31. Dezember 2007 die Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG a.F. gesetzt werden könne (LG Dortmund, Urteil vom 28. Mai 2009, - 2 O 353/08 -, VersR 2010, 193; LG Dortmund, Urteil vom 12. August 2009, - 22 O 179/08 -, VersR 2010, 196; LG Köln, Urteil vom 27. Januar 2010 - 26 O 224/09 -, VersR 2010, 611; LG Wuppertal, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 7 O 85/09 -, veröffentlicht in juris). Dem tritt der Senat bei.

Der in Art. 1 Abs. 1 EGVVG bestimmte Grundsatz der Fortgeltung des alten VVG auf Altverträge erfährt nach dieser Vorschrift Einschränkungen, die in Art. 1 Abs. 2 EGVVG sowie Art. 2 bis 6 EGVVG geregelt sind. Als § 12 Abs. 3 VVG a.F. betreffende Einschränkung einer Fortgeltung für Altverträge kommt seinem Wortlaut nach jedoch lediglich Art. 1 Abs. 4 EGVVG in Betracht. Diese Vorschrift gehört indes nicht zu den Art. 1 Abs. 2 und Art. 2 bis 6 EGVVG, die nach dem ausdrücklich in Art. 1 Abs. 1 EGVVG erklärten Willen des Gesetzgebers allein die Ausnahmen von dem in Art. 1 Abs. 1 EGVVG geregelten Grundsatz zulassen sollen, wonach auf Altverträge das alte VVG auch noch nach dem 31. Dezember 2007 anzuwenden ist. Schon wegen seiner fehlenden Erwähnung in Art. 1 Abs. 1 EGVVG kann Art. 1 Abs. 4 EGVVG nach Auffassung des Senats keine Ausnahme zu der in Art. 1 Abs. 1 EGVVG getroffenen Regelung darstellen.

Das folgt auch aus dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 4 EGVVG, der - wie oben ausgeführt - nicht die Frage regeln soll, ob die Ausschlussfrist nach § 12 Abs. 3 VVG a.F. auch nach dem 31. Dezember 2007 noch gesetzt werden kann, sondern lediglich den Ablauf einer noch im Jahre 2007 gesetzten Frist im Jahre 2008 betrifft. Auch die Begründung für die Einfügung dieser Vorschrift in das Übergangsrecht zum neuen VVG lässt einen Bezug zu Ausschlussfristen nicht erkennen, die erst im Jahre 2008 gesetzt werden. Ausweislich der Gesetzesbegründung zur nachträglichen Einfügung des Art. 1 Abs. 4 EGVVG wollte der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift der Erkenntnis Rechnung tragen, dass Art. 3 Abs. 4 EGVVG auf die beabsichtigte Abschaffung des § 12 Abs. 3 VVG a.F. nicht ausreichend Rücksicht nimmt (BT-Drucks. 16/5862 S. 135/136). Denn gemäß Art. 3 Abs. 4 EGVVG sind die Übergangsvorschriften für die Verjährung in Art. 3 Abs. 1 bis 3 EGVVG entsprechend auf Fristen anzuwenden, die für die Geltendmachung eines Rechts maßgebend sind. Damit wird die entsprechende Anwendung des Art. 3 Abs. 1 bis 3 EGVVG auch für die Ausschlussfrist des § 12 Abs. 3 VVG a.F. bestimmt. Das bedeutet nach Auffassung des Senats indes nicht, dass in entsprechender Anwendung von Art. 3 Abs. 2 EGVVG, wonach die kürzere neue (Verjährungs-)Frist zur Anwendung kommt, wenn sie in der Übergangszeit vor der längeren alten (Verjährungs-)Frist abläuft, eine im Jahre 2007 gesetzte Ausschlussfrist im Jahre 2008 wegen deren Abschaffung durch das VVG 2008 gar nicht mehr ablaufen konnte, weil man - wie ein Teil der Literatur meint - die Abschaffung einer Frist als die radikalste Form der Kürzung begreifen könnte, die dann ab dem 1. Januar 2008 als abgeschafft und damit kürzer gelten soll mit der Folge, dass sie nicht mehr ablaufen könnte. Wie das Landgericht Dortmund (VersR 2010, 193 [LG Dortmund 28.05.2009 - 2 O 353/08]) aus Sicht des Senats zutreffend ausgeführt hat, wollte der Gesetzgeber mit Art. 1 Abs. 4 EGVVG allein diese Problemstellung regeln. Anders ist der Wortlaut der Vorschrift nicht zu verstehen, zumal - wie ausgeführt - lediglich Art. 1 Abs. 2 sowie Art. 2 bis 6 EGVVG nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 EGVVG die Ausnahmen von dem in letzterer Vorschrift geregelten Grundsatz enthalten sollen. Hätte der Gesetzgeber Art. 1 Abs. 4 EGVVG als Spezial- bzw. Ausnahmevorschrift zu Art. 1 Abs. 1 und 2 EGVVG ausgestalten wollen mit der Folge, dass die Ausschlussfrist des § 12 Abs. 3 VVG a.F. nach dem 31. Dezember 2007 grundsätzlich nicht mehr wirksam hätte in Gang gesetzt werden können, so hätte er eine in diesem Sinne eindeutig formulierte Regelung getroffen. Das ist jedoch nicht der Fall, so dass weder der Gesetzeswortlaut noch die Entstehungsgeschichte noch die Gesetzesbegründung für eine solche Auslegung streiten. Die Ausschlussfrist des § 12 Abs. 3 VVG a.F. kann vielmehr auch noch nach dem 31. Dezember 2007 wirksam gesetzt werden. Der Versicherungsnehmer muss sie wahren, wenn er seinen geltend gemachten und vom Versicherer abgelehnten Anspruch nicht verlieren will.

Die Beklagte hat demnach mit Schreiben vom 28. Mai 2008 noch wirksam eine Klagefrist gemäß § 12 Abs. 3 VVG a.F. gesetzt. Die in diesem Schreiben enthaltene Belehrung genügt den inhaltlichen Anforderungen des § 12 Abs. 3 Satz 2 VVG a.F. und ist nicht zu beanstanden.

2. Die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 VVG a.F. sind auch erfüllt. Die Beklagte ist leistungsfrei, da die Klägerin die ihr gesetzte, unstreitig bis zum 28. Februar 2009 letztmalig verlängerte Klagefrist versäumt hat.

Zwar ist die Klageschrift am Montag, dem 2. März 2009 per Telefax bei dem Landgericht Aachen eingegangen. Das ist fristwahrend gemäß § 193 BGB, da das Fristende des 28. Februar 2009 auf einen Samstag fiel. Sie ist der Beklagten jedoch erst am 9. Juli 2009 zugestellt worden. Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, scheidet eine Rückwirkung dieser Zustellung auf den Zeitpunkt des Eingangs der Klageschrift bei Gericht aus, da sie nicht mehr "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO erfolgt ist.

a) "Demnächst" heißt in nicht allzu erheblichem zeitlichem Abstand vom Fristablauf (Zöller-Greger, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 167 Rdnr. 10), wobei nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die dieser zuletzt unter anderem in der Entscheidung vom 12. Juli 2006 (BGHZ 168, 306) bekräftigt hat, nicht auf eine rein zeitliche Betrachtungsweise abgestellt werden darf. Vielmehr sollen, da die Zustellung von Amts wegen geschieht, die Parteien vor Nachteilen durch Verzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebes bewahrt werden, weil diese Verzögerungen von ihnen nicht beeinflusst werden können (BGHZ 103, 20, 28 f.; 145, 358, 362; BGH NJW 2003, 2830 [BGH 11.07.2003 - V ZR 414/02] unter III 2). Es gibt deshalb keine absolute zeitliche Grenze, nach deren Überschreitung eine Zustellung nicht mehr als "demnächst" anzusehen ist. Dies gilt auch dann, wenn es zu mehrmonatigen Verzögerungen kommt (st. Rspr., vgl. die Nachweise in BGH NJW 2003, 2830 [BGH 11.07.2003 - V ZR 414/02] unter III 2 und BGH VersR 2003, 489 [BGH 05.02.2003 - IV ZR 44/02] unter II 3). Verzögerungen im Zustellungsverfahren, die durch eine fehlerhafte Sachbehandlung des Gerichts verursacht sind, muss sich ein Kläger grundsätzlich nicht zurechnen lassen (BGHZ 103, 20, 28; 145, 358, 363; BGH NJW-RR 2004, 1575 [BGH 01.04.2004 - IX ZR 117/03] unter II 3; jeweils mwN).

b) Allerdings geht der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung auch davon aus, dass einer Partei solche nicht nur geringfügigen Verzögerungen zuzurechnen sind, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter bei sachgerechter Prozessführung hätten vermeiden können (BGHZ 145, 358, 363). Das ist nicht nur in Fällen angenommen worden, in denen Mängel der Klageschrift, etwa die Angabe einer falschen Anschrift der beklagten Partei, das Zustellungsverfahren verzögert haben (vgl. dazu die Nachweise in BGHZ 145, 358, 363), sondern auch dann, wenn nach Einreichung der Klage trotz vollständiger und ordnungsgemäßer Angabe aller maßgeblichen Verfahrensdaten die Anforderung des Gerichtskostenvorschusses ausbleibt. In diesen Fällen hat der Bundesgerichtshof angenommen, der Kläger oder sein Prozessbevollmächtigter müssten nach angemessener Frist wegen der ausstehenden Vorschussanforderung nachfragen. Zwar sind beide nicht gehalten, von sich aus den Vorschuss zu berechnen und mit der Klage einzuzahlen (BGHZ 69, 361, 363 f. mwN; BGH NJW 1993, 2811 [BGH 29.06.1993 - X ZR 6/93] unter II 2 c), doch dürfen sie nicht unbegrenzt lange untätig bleiben, sondern müssen bei ausbleibender Vorschussanforderung beim Gericht nachfragen und so auf eine größtmögliche Beschleunigung der Zustellung hinwirken (BGHZ 69, 361; BGH VersR 2003, 489 [BGH 05.02.2003 - IV ZR 44/02] unter II 3; BGH NJW 2003, 2830 [BGH 11.07.2003 - V ZR 414/02] unter III 2; BGH VersR 1992, 433 [BGH 15.01.1992 - IV ZR 13/91] unter I 3). Eine Klage ist nicht mehr demnächst zugestellt, wenn der Kläger, den keine gerichtliche Aufforderung zur Einzahlung eines Gebührenvorschusses erreicht, es versäumt, binnen drei Wochen nach Ablauf der Verjährungsfrist bei dem Gericht Rückfrage über die Behandlung der Klage zu halten (OLG Saarbrücken NJW-RR 2002, 1025; vgl. Prölss/Martin-Prölss, VVG, 27. Aufl. 2004, § 12 Rdnr. 60 mwN).

c) Nach alledem ist die Zustellung der Klageschrift hier nicht mehr "demnächst" erfolgt; denn entgegen der Ansicht der Klägerin liegt eine Verzögerung der Zustellung innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs, die von ihr nicht beeinflussbar war, nicht vor. Insbesondere stellt es keine fehlerhafte Sachbehandlung durch das Gericht dar, wenn dieses die Vorschussrechnung vom 6. März 2009 nicht nur an den Prozessbevollmächtigten, sondern auch an die Klägerin persönlich adressiert, denn ungeachtet anwaltlicher Vertretung bleibt die vertretene Partei Kostenschuldner für alle in ihrer Person anfallenden Gerichtskosten. Die Klägerin hat nicht bestritten, die Vorschussrechnung des Landgerichts vom 6. März 2009 persönlich erhalten zu haben, sondern nur vorgetragen, ihren Prozessbevollmächtigten habe diese nicht erreicht. Selbst wenn das Gericht die Vorschussrechnung vom 6. März 2009 ausschließlich an die Klägerin persönlich gerichtet haben sollte, ist kein Grund vorgetragen oder ersichtlich, warum eine Einzahlung nicht zeitnah nach dem unbestrittenen Erhalt der Vorschussrechnung durch die Klägerin persönlich erfolgt ist. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin mit der Berufung vorgetragen hat, es habe sowohl die Bereitschaft als auch die Möglichkeit der alsbaldigen Zahlung bestanden. Die unterbliebene zeitnahe Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses durch die Klägerin ist dann jedenfalls verschuldet.

d) Selbst wenn man annimmt, weder der Klägerin noch ihrem Prozessbevollmächtigten sei die Vorschussrechnung des Landgerichts vom 6. März 2009 zugegangen, so läge ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten vor. Dieser hätte nach den oben aufgeführten Grundsätzen der Rechtsprechung bei ausbleibender Vorschussanforderung spätestens innerhalb von drei Wochen nach Ablauf der Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG a.F. am 28. Februar 2009 bei Gericht nachfragen und so auf eine größtmögliche Beschleunigung der Zustellung hinwirken müssen. Dies gilt umso mehr, als der Klägervertreter nach eigenem Bekunden nicht einmal das Aktenzeichen des Verfahrens mitgeteilt bekommen hatte. Dies hätte ihm Veranlassung zu einer sehr viel früheren Nachfrage geben müssen, da die reelle Gefahr bestand, dass die Klageschrift verloren gegangen war. Die erstmalige Nachfrage nach dem Sachstand am 20. Mai 2009 und damit mehr als 11 Wochen nach Klageeinreichung und Ablauf der Klagefrist ist erheblich verspätet. Das entsprechende Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten ist der Klägerin über § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.

e) Soweit die Klägerin unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19. Oktober 1977 (BGHZ 69, 361) meint, aus dieser ergebe sich mangelndes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten, trifft dies nicht zu. Die zitierte Entscheidung bezieht sich allein auf die im damaligen Zeitpunkt geltende Rechtslage und bestimmt den Verschuldensmaßstab danach, wie Parteien und Prozessbevollmächtigte seinerzeit die bis dahin ergangene Rechtsprechung verstehen durften. Diese hat sich mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. Oktober 1977 jedoch bis heute gewandelt und fortentwickelt; die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung führt - wie ausgeführt - zur Versagung der Rückwirkung gemäß § 167 ZPO und damit zur Leistungsfreiheit der Beklagten gemäß § 12 Abs. 3 VVG a.F..

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 2 ZPO im Hinblick darauf zugelassen, dass über die über den konkreten Streitfall hinaus bedeutsame, streitentscheidende Rechtsfrage, ob die Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG a.F. auch nach dem 31. Dezember 2007 und damit unter grundsätzlicher Geltung des neuen VVG noch wirksam gesetzt werden konnte, bislang höchstrichterlich nicht entschieden und die Frage von grundsätzlicher Bedeutung ist.

V.

Der Streitwert für die Berufung wird auf 18.950,82 Euro festgesetzt.

RechtsgebieteVVG, EGGVGVorschriften§ 12 Abs. 3 VVG a.F. Art. 1 Abs. 1 EGGVG Art. 1 Abs. 4 EGGVG

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