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06.05.2011 · IWW-Abrufnummer 111496

Oberlandesgericht Köln: Urteil vom 01.03.2011 – 9 U 166/10

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


9 U 166/10
20 O 361/09
Landgericht Köln
Verkündet am: 01.03.2011
Oberlandesgericht Köln
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln
auf die mündliche Verhandlung vom 25.01.2011
durch XXX für Recht erkannt:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 28.07.2010 verkündete Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 20 O 361/09 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
G R Ü N D E:
I.
Die Klägerin unterhielt bei der Beklagten aufgrund des Versicherungsvertrags vom 16.07.2001 unter Einbeziehung der VHB 1996 (Bl. 1 ff, 7 ff AH) eine Hausratversicherung für das Objekt I.. 000 in XXXXX T.. Sie macht Ansprüche aus einem Explosions- und Brandschaden vom 05.07.2008 geltend, bei dem sie selbst schwere Verbrennungen erlitt und wesentliche Teile des Hausrats Schaden nahmen. Die Klägerin hatte an diesem Tag Besuch von ihrem Ex-Lebensgefährten, dem Zeugen J., mit dem es zu einem Streit kam. In dem Kellerraum, in dem es später zur Explosion kam, war zu einem streitigen Zeitpunkt Wundbenzin aus einem Kanister verschüttet worden. Am Abend fuhr der Zeuge J. nach Hause. Die Klägerin entzündete gegen 22.15 Uhr in dem Kellerraum ein Feuerzeug, was die Explosion auslöste. Wegen ihrer schweren Verbrennungen verblieb sie bis zum 05.08.2008 stationär in einem Krankenhaus. Mit Schreiben ihres damaligen Rechtsanwalts vom 07.08.2008 (Bl. 43 ff AH) wurden gegenüber der O. GmbH Angaben zum Sachverhalt gemacht. Einen Ortstermin am 20.08.2008 (nicht 2009, wie es versehentlich im landgerichtlichen Urteil heißt) mit dem Schadensregulierer der Beklagten nahm für die Klägerin der Zeuge J. wahr.
Mit Schreiben vom 14.10.2008 lehnte die Beklagte ihre Einstandspflicht ab und setzte der Klägerin unter Belehrung über die Folgen des Fristablaufs gem. § 12 Abs. 3 VVG a.F. eine sechsmonatige Klagefrist. Diese wurde in der Folge verlängert bis zum 20.07.2009.
Die Klägerin, welche sich auf verletzungsbedingte Erinnerungslücken berufen hat, hat behauptet, der Streit mit J. habe am späteren Nachmittag stattgefunden. Hierbei habe der ausgelaufene Benzinkanister eine Rolle gespielt. J. habe gesagt, er habe sich um das ausgelaufene Benzin gekümmert und das Kellerfenster geöffnet. Abends sei sie in den Keller gegangen und das Licht sei nicht angegangen, deswegen habe sie nach der Sicherung schauen wollen und ein Feuerzeug entzündet.
Die Klägerin hat beantragt,
1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den der Klägerin durch das Brandereignis vom 05.07.2008 entstandenen Hausratschaden aufgrund des bestehenden Versicherungsvertrags mit der Versicherungsscheinnummer SS.SSS.SSSSSS zu erstatten, soweit dieser angefallen ist;
2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von Gebührenansprüchen der Rechtsanwälte R. & Partner, L.-Str. A, YYYYY X., aus der Kostennote Nr. ZZZZZZZ vom 15.07.2009 in Höhe der nicht anrechenbaren Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 RVG-VV von 828,24 € freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat sich auf Leistungsfreiheit wegen Versäumung der Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG a.F., wegen vorsätzlicher oder zumindest grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls und wegen arglistiger Falschangaben berufen. Sie hat behauptet, die Klägerin habe nach dem Streit mit J. in suizidaler Absicht die Explosion selbst herbeigeführt – so wie dies J. bei der Polizei auch (unstreitig) ausgesagt habe. Jedenfalls sei ihr der Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu machen, da sie in dem Wissen um das verschüttete Benzin offenes Feuer entzündet habe. Die Angabe der Klägerin im Anwaltsschreiben vom 07.08.2008, der Streit und das Verschütten von Benzin hätten sich schon nachmittags im Keller ereignet, sei wissentlich falsch, da der Streit abends im Wohnzimmer stattgefunden habe. Auch J. habe bei dem Ortstermin am 14.08.2008 gegenüber dem Regulierer wissentliche Falschangaben gemacht, die sich die Klägerin zurechnen lassen müsse, da sie ihn mit der Erfüllung ihrer Obliegenheiten betraut habe.
Die Feststellungklage ist per Fax am 20.07.2009 beim Landgericht mit der vorläufigen Streitwertangabe 5.001 € eingegangen. Das Landgericht hat unter dem 24.07.2009 Gebühren in Höhe von 408 € angefordert (Bl. I b GA). In der Folge wurden unter dem 03.08. und 05.08.2009 zweimal 408 € eingezahlt (Bl. I c- I d GA). Nach Aufforderung der Kammer vom 07.08.2009, die Streitwertangaben zu präzisieren (Bl. 8 GA), hat die Klägerin zunächst unter dem 15.09.2009 mitgeteilt, einen Gutachter beauftragt zu haben, und unter dem 28.09.2009 angegeben, der Inventarschaden betrage voraussichtlich 36.000 € (Bl. 10, 12 GA). Das Landgericht hat am 30.09.2009 den Streitwert auf 28.000 € festgesetzt (Bl. 14 GA) und am 02.10.2009 weitere Kosten von 204 € angefordert (nicht foliiert). Die Zahlung ging am 28.10.2009 ein (falsch foliiert mit I d). Daraufhin hat die Kammervorsitzende am 03.11.2009 frühen ersten Termin bestimmt (Bl. 18 GA) und ist der Beklagten die Klage am 09.11.2009 zugestellt worden (Bl. 21 GA).
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen J. und Anhörung der Klägerin mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Versicherungsfall sei eingetreten und die Beklagte sei nicht leistungsfrei:
Aus § 12 Abs. 3 VVG a.F. folge keine Leistungsfreiheit, da eine wirksame Fristsetzung nach Inkrafttreten des neuen VVG ab dem Jahr 2008 nicht mehr habe erfolgen können.
Aus § 61 VVG a.F. folge ebenfalls keine Leistungsfreiheit. Den Beweis einer vorsätzlichen Herbeiführung der Explosion in suizidaler Absicht habe die beweispflichtige Beklagte nicht erbracht, da der Zeuge J. solches nicht bestätigt habe. Dessen Bekundung, die Klägerin habe bereits vorher mit Suizid gedroht, reiche für sich genommen als Indiz nicht aus. Eine grob fahrlässige Herbeiführung der Explosion habe die Beklagte ebenfalls nicht bewiesen, da die Beweisaufnahme nicht ergeben habe, dass die Klägerin gewusst habe, dass das Benzin nicht aufgewischt worden sei. Die Explosionsgefahr habe sich der Klägerin (welche von einer Beseitigung des Benzins ausgegangen sei) einige Zeit nach dem Auslaufen und dem Öffnen eines Fensters auch nicht aufdrängen müssen.
Auch nach § 25 Nr. 1 VHB 96 sei Leistungsfreiheit nicht eingetreten. Arglistig falsche Angaben der Klägerin habe die Beklagte nicht bewiesen, denn der Zeuge J. habe bestätigt, es sei schon am Nachmittag im Keller zum Streit gekommen. Ob J. anlässlich des Ortstermins falsche Angaben gemacht habe, könne dahinstehen, da nicht ersichtlich sei, dass er mit der Erstattung von Auskünften gegenüber der Beklagten betraut gewesen sei. Die Wahrnehmung des Ortstermins allein reiche dafür nicht aus.
Die außergerichtlichen Anwaltskosten könne die Klägerin als Verzugsschaden aus §§ 280, 286 BGB erstattet verlangen.
Die Beklagte rügt mit ihrer Berufung falsche Rechtsanwendung und eine fehlerhafte Beweiswürdigung durch das Landgericht:
Insbesondere sei die zu § 12 Abs. 3 VVG a.F. vertretene Rechtsauffassung des Landgerichts falsch, wonach nach dem 01.01.2008 keine Fristsetzung mehr wirksam möglich gewesen sei.
Die Aussage des Zeugen J., er habe gegen den Benzinkanister getreten und Benzin sei ausgelaufen, könne nicht richtig sein, weil ein solcher Kanister üblicherweise mit einem Schraubverschluss versehen sei, zu dem der Zeuge nichts ausgesagt habe; mit dem Umstand des fehlenden Verschlusses habe sich das Landgericht fehlerhaft nicht auseinandergesetzt.
Soweit das Landgericht festgestellt habe, der Zeuge habe bestätigt, dass es nachmittags zum Streit gekommen sei, sei die Würdigung fehlerhaft, da der Zeuge dies nicht ausgesagt habe, vielmehr aus seinen Angaben gefolgert werden müsse, der Streit habe abends stattgefunden. Hierfür spreche auch der Zeitpunkt seiner Rückkehr nach Hause gegen 23 Uhr. Zudem habe das Landgericht den Beweisantritt der Beklagten rechtsfehlerhaft übergangen, bei einem Verschütten des Benzins bereits am Nachmittag hätte sich dieses zum Zeitpunkt der Explosion am Abend bereits verflüchtigt haben müssen.
Das Landgericht habe Widersprüche und wechselnden Vortrag der Klägerin nicht gewürdigt. So habe diese im Rahmen ihrer Anhörung geäußert, ihr sei nicht erinnerlich, ob J. ihr von dem ausgelaufenen Benzin berichtet habe, sowie ferner, sie habe das Feuerzeug aus der Wohnung geholt, was früherem Vorbringen widerspreche. Wahrheitswidrig bestreite sie auch frühere Suizidversuche; entsprechende Beweisangebote der Beklagten habe das Landgericht übergangen.
Die Klägerin habe sich wahrheitswidrige Angaben des Zeugen J. anlässlich des Ortstermins zurechnen zu lassen.
Es fehle eine Auseinandersetzung mit der Glaubwürdigkeit des Zeugen J. und den Widersprüchen zu dessen Angaben im Rahmen der polizeilichen Zeugenvernehmung. Dieser habe bei der Polizei die Wahrheit gesagt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung des am 28.07.2010 verkündeten Urteils des Landgerichts Köln – 20 O 361/09 – abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Köln – 20 O 361/09 - zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Akten der Staatsanwaltschaft Saarbrücken (32 UJs 206/08) waren zu Informationszwecken Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.
1.
Die Feststellungsklage ist zulässig.
Zum einen ist dies im Hinblick auf das in § 26 VHB 96 vorgesehene Sachverständigenverfahren der Fall. Solange der Versicherungsnehmer sich nicht des Rechts begeben hat, ein in den Versicherungsbedingungen vorgesehenes Sachverständigenverfahren zur Schadenshöhe zu beantragen, kann seiner Klage auf Feststellung, dass Versicherungsschutz für den Schadensfall zu gewähren sei, nicht der Einwand entgegengesetzt werden, er müsse Leistungsklage erheben (vgl. BGHZ 137, 319; BGH VersR 1986, 675; 2009, 1114).
Zudem ist das für die Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse auch dann zu bejahen, wenn ihre Durchführung unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit eine sinnvolle und sachgemäße Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte erwarten lässt. Dies ist insbesondere dann gegeben, wenn die beklagte Partei die Erwartung rechtfertigt, sie werde auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hin ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen, ohne dass es eines weiteren, auf Zahlung gerichteten Vollstreckungstitels bedarf. Dies ist bei großen Versicherungsunternehmen anzunehmen (vgl. Senat VersR 2008, 819 unter Bezugnahme auf BGH VersR 2006, 830).
2.
Die Feststellungsklage ist auch begründet.
a)
Die Klägerin hat aufgrund des abgeschlossenen Versicherungsvertrags gegen die Beklagte Anspruch auf Gewährung von Deckungsschutz für den erlittenen Hausratsschaden gem. §§ 1, 49 VVG a.F., §§ 4 Nr. 1, 5 Nr. 1 und 4 VHB 96.
Zutreffend ist das Landgericht von der – grundsätzlichen – Anwendbarkeit des VVG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung ausgegangen, da der Versicherungsvertrag vor diesem Zeitpunkt geschlossen wurde und sich der geltend gemachte Versicherungsfall bis zum 31.12.2008 zugetragen hat, Art. 1 Abs. 2 EGVVG.
Der Versicherungsfall ist eingetreten. Unstreitig kam es am 05.07.2008 zu einer Explosion im Kellerraum des Hauses der Klägerin mit einem nachfolgenden Brand, wodurch ihr Hausrat zu Schaden kam.
b)
Die Beklagte kann sich auf Leistungsfreiheit nicht berufen.
aa)
Leistungsfreiheit ist nicht nach § 12 Abs. 3 VVG a.F. eingetreten.
Die mit der Novellierung des VVG ersatzlos weggefallene Vorschrift sah Leistungsfreiheit des Versicherers vor, falls nicht der Anspruch auf die Versicherungsleistung innerhalb von sechs Monaten nach schriftlicher Ablehnung des erhobenen Anspruchs unter gleichzeitiger Belehrung über die Rechtsfolgen gerichtlich geltend gemacht wurde. Eine Fristsetzung mit Belehrung über die Folgen der Fristversäumnis erfolgte vorliegend mit Schreiben der Beklagten vom 14.10.2008. Unstreitig ist die dort gesetzte Frist nachfolgend verlängert worden bis zum 20.07.2009.
(1)
Ob die Frist vorliegend versäumt worden ist, kann dahingestellt bleiben.
Die Feststellungsklage ist am letzten Tag der verlängerten Frist beim Landgericht eingegangen, jedoch ist die Klage erst am 09.11.2009 und damit mehr als drei Monate nach Fristende an die Beklagte zugestellt worden, weil die Klägerin sich zu einer verlässlichen Streitwertangabe erst unter dem 28.09.2009 in der Lage sah und nach Streitwertfestsetzung und Nachforderung eines weiteren Gerichtskostenvorschusses erst am 28.10.2009 die Zahlung einging. Ob die Zustellung an die Beklagte unter diesen Umständen noch als „demnächst“ i.S.d. § 167 ZPO anzusehen ist mit der Folge, dass der Zeitpunkt der Zustellung auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage zurückwirkt, erscheint fraglich.
Dies kann indessen ebenso offen bleiben wie die weitere Frage, ob entsprechend den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in dem Kammerbeschluss vom 22.10.2004 – 1 BvR 894/04 – (VersR 2004, 1585) eine andere Betrachtung geboten und insbesondere als ausreichend zu erachten wäre, dass die Klage „unmissverständlich“ innerhalb der Frist bei Gericht erhoben werden sollte, weil wegen des materiellrechtlichen Charakters der Vorschrift des § 12 Abs. 3 VVG a.F.- deren Zeitgemäßheit ohnehin zweifelhaft sei - sich eine strenge Behandlung wie bei Versäumung einer rein prozessrechtlichen Frist verbiete. Dann könnte der durch Einholung einer gutachterlichen Äußerung verzögerten Streitwertangabe der Klägerin, welche gem. § 253 Abs. 3 ZPO ohnehin nicht zu den zwingenden Angaben einer Klageschrift gehört, eine nur untergeordnete Bedeutung beizumessen sein, zumal die Klägerin nach der Anfrage des Landgerichts nach ergänzenden Angaben zum Streitwert nicht untätig geblieben ist und einen Sachverständigen beauftragt hat.
(2)
Diese Fragen brauchen nicht entschieden zu werden, da eine Klagefrist gem. § 12 Abs. 3 VVG a.F. nach dem 31.12.2007 nach Auffassung des Senats nicht mehr wirksam gesetzt werden konnte. Die mit Schreiben der Beklagten vom 14.10.2008 gesetzte und später verlängerte Frist lief damit ins Leere.
Der Senat lässt sich dabei von folgenden Erwägungen leiten:
Die Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG a.F. galt weithin als nicht mehr zeitgemäß, unbillig und als ungerechtfertigtes Privileg des Versicherers, dem die im übrigen Zivilrecht äußerst seltene Möglichkeit eröffnet wurde, ohne Prüfung des materiellen Anspruchs selbst leistungsfrei zu werden (vgl. BVerfG VersR 2004, 1585; vgl. auch Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl. 2003, § 12 Rn. 32: „Die Vorschrift gehört abgeschafft“). Dem hat der Gesetzgeber mit der Neuregelung des VVG in der seit dem 01.01.2008 geltenden Fassung durch die ersatzlose Streichung der Vorschrift Rechnung getragen.
In Rechtsprechung und Schrifttum ist vor diesem Hintergrund umstritten, ob die Frist bei Altverträgen aufgrund der Übergangsvorschriften des Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 EGVVG auch nach dem 01.01.2008 noch wirksam gesetzt werden konnte oder ob § 12 Abs. 3 VVG a.F. bereits mit Inkrafttreten des neuen Rechts ab dem 01.01.2008 unanwendbar ist.
Art. 1 Abs. 1 EGVVG regelt die grundsätzliche Fortgeltung des alten VVG bis zum 31.12.2008 auf Altverträge, also Versicherungsverhältnisse, die bis zum Inkrafttreten des neuen VVG am 01.01.2008 entstanden sind, soweit nicht in Abs. 2 und den Artikeln 2-6 etwas anderes bestimmt ist. Hierbei bestimmt Abs. 2 die Fortgeltung alten Rechts auch über das Jahr 2008 hinaus, wenn bei Altverträgen ein Versicherungsfall bis zum 31.12.2008 eingetreten ist. In dem erst kurz vor dem Inkrafttreten auf Empfehlung des Rechtsausschusses eingefügten Art. 1 Abs. 4 EGVVG ist geregelt, dass auf bereits vor dem 01.01.2008 begonnene Fristen nach § 12 Abs. 3 VVG a.F. die Vorschrift auch nach dem 01.01.2008 anwendbar bleiben solle.
Teilweise wird die Auffassung vertreten, es sei zur Beantwortung der Frage, ob die Klagefrist auch nach dem 01.01.2008 noch wirksam gesetzt werden könne, allein auf Art. 1 Abs. 1 und 2 EGVVG abzustellen mit der Folge, dass auch nach dem 31.12.2007 die Klagefrist wirksam gesetzt werden könne (vgl. LG Dortmund VersR 2010, 193 und VersR 2010, 196; LG Wuppertal, Urt. v. 29.10.2009 – 7 O 85/09; LG Köln, VersR 2010, 611; OLG Köln – 20. Zivilsenat – r+s 2011, 11; Muschner in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, HK-VVG, 1. Aufl. 2009, Art. 1 EGVVG Rn. 39 ff; ders. VersR 2010, 738; Neuhaus, r+s 2007, 177 und 441). Zur Begründung wird im wesentlichen angeführt, Ausnahmen vom Grundsatz der Fortgeltung des alten Rechts auf Altverträge lasse Art. 1 Abs. 1 EGVVG nur zu, soweit diese in Art. 1 Abs. 2 oder Art. 2-6 EGVVG geregelt seien. Art. 1 Abs. 4 EGVVG gehöre nicht zu diesem abschließend aufgezählten Kreis an Ausnahmevorschriften. Abs. 4 betreffe seinem Wortlaut nach auch nur Fälle, in denen die Klagefrist bei Inkrafttreten des neuen VVG bereits in Gang gesetzt worden sei, nicht aber nach diesem Datum gesetzte Fristen. Aus der Entstehungsgeschichte und Gesetzesbegründung lasse sich nichts anderes herleiten (vgl. OLG Köln, 20. Zivilsenat, a.a.O.). Insbesondere ergebe sich auch aus dem klaren Willen des Gesetzgebers zur Abschaffung der Klagefrist nichts anderes. Dieser habe auch andere Privilegien des Versicherers wie etwa das Alles-Oder-Nichts-Prinzip bei Obliegenheitsverletzungen entfallen lassen, ohne dass vertreten werde, auch insoweit sei entgegen Art. 1 Abs. 2 EGVVG bereits seit dem 01.01.2008 neues Recht anzuwenden (vgl. Muschner in HK-VVG, Art. 1 EGVVG Rn. 41).
Demgegenüber wird jedenfalls im Schrifttum überwiegend die Auffassung vertreten, die Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG a.F. könne mit dem Inkrafttreten neuen Rechts seit dem 01.01.2008 nicht mehr wirksam gesetzt werden (vgl. Looschelders in: Langheid/Wandt, Münchener Kommentar zum VVG, 1. Aufl. 2010, Art. 1 EGVVG Rn. 29; Brand in Looschelders/Pohlmann, VVG Kommentar, 1. Aufl. 2010, Art. 1 EGVVG Rn. 23; Beckmann in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2008, Einf. A Rn. 91; Johannsen in: Bruck/Möller, § 15 Rn. 3; Armbrüster in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, Art. 1 EGVVG Rn. 46; Schneider in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2009, § 1 a Rn. 48; Schneider, VersR 2008, 859; Rixecker, ZfSch 2007, 430; Uyanik, VersR 2008, 468; Daube, VersR 2009, 1599 Marlow, VersR 2010, 198). Dieser Auffassung schließt sich auch der Senat an.
Für die letztgenannte Auffassung sprechen Entstehungsgeschichte und Gesetzesbegründung, Wortlaut und Systematik des Art. 1 Abs. 4 EGVVG. Wie bereits oben dargelegt, entsprach es dem klaren Willen des Gesetzgebers, die Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG a.F. abzuschaffen, der in dem neuen VVG dann auch ersatzlos entfallen ist. Diesem gesetzgeberischen Ziel widerspräche es, wenn die Klagefrist noch im Jahr 2008 oder (im Hinblick auf Art. 1 Abs. 2 EGVVG) noch deutlich später in Gang gesetzt werden könnte.
In der Gesetzesbegründung zu Art. 1 Abs. 4 EGVVG, der erst kurz vor der Verabschiedung der Novelle auf Empfehlung des Rechtsausschusses, also zeitlich zuletzt eingefügt worden ist, heißt es:
„Die schon bislang in Artikel 3 Abs. 4 enthaltene Übergangsregelung für Fristen nimmt auf die mit der beabsichtigten Abschaffung des bisherigen § 12 Abs. 3 VVG verbundenen Besonderheiten nicht ausreichend Rücksicht. Diesem Bedürfnis entspricht die neue Regelung; sie sieht vor, dass Klagefristen, die unter Geltung des bisherigen VVG in Gang gesetzt wurden, nach sechs Monaten auslaufen“ (BT-Drucksache 16/5862).
Bedeutsam erscheint, dass die Regelung des Abs. 4 ihrem bloßen Wortlaut nach eigentlich überflüssig wäre, folgt doch die Anwendung des alten VVG auf bis zum 31.12.2007 gesetzte Klagefristen schon aus Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 EGVVG und hätte einer besonderen Regelung daher nicht bedurft. Eine Abänderung erfährt dies auch nicht durch Art. 3 Abs. 4 EGVVG, wonach die Übergangsvorschriften für die Verjährung auch auf Ausschlussfristen entsprechend anzuwenden sind, denn diese setzen unterschiedlich lange alte und neue Fristen voraus und sind deshalb auf eine ersatzlos abgeschaffte Frist nicht anwendbar. Hält man sich andererseits vor Augen, dass der Gesetzgeber der Gesetzesbegründung nach ein schnelles Auslaufen von Fristen nach § 12 Abs. 3 VVG a.F. angestrebt und die Abschaffung der als unbillig empfundenen Klagefrist beabsichtigt hat, so führt dies zu der Auslegung, wonach der sonst überflüssige Art. 1 Abs. 4 EGVVG als speziellere Sondervorschrift für Art. 12 Abs. 3 VVG a.F. den Art. 1 Abs. 2 EGVVG verdrängt mit der Folge, dass es eine Übergangsregelung für erst nach dem 01.01.2008 beginnende Fristen nicht mehr gibt und solche Fristsetzungen nicht mehr wirksam vorgenommen können (so Johannsen in: Bruck/Möller, § 15 Rn. 2. und Uyanik, VersR 2010, 468; vgl. auch Looschelders in Langheid/Wandt a.a.O.; Armbrüster in Prölss/Martin, a.a.O.).
Das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung für erstmalig nach dem 01.01.2008 gesetzte Klagefristen kann vor diesem Hintergrund einzig bedeuten, dass der Gesetzgeber davon ausging, sie könnten gar nicht mehr wirksam gesetzt werden (vgl. Schneider, VersR 2008, 859, 864; vgl. auch Rixecker, ZfSch 2007, 430). Für ein solches Verständnis des Art. 1 Abs. 4 EGVVG als abschließende, den Art. 1 Abs. 2 verdrängende Spezialregel sprechen der Zeitpunkt seiner Einfügung in das Gesetz und seine systematische, dem Abs. 2 nachfolgende Stellung innerhalb des Gesetzes (vgl. Uyanik a.a.O.).
Nach dieser Auslegung des Art. 1 Abs. 4 EGVVG verfängt das Argument der Gegenansicht nicht, es gebe noch andere mit der Novellierung entfallene Privilegien des Versicherers, die aber im Rahmen des Art. 1 Abs. 2 EGVVG auch nach dem 31.12.2007 weiter Anwendung fänden. Fehlt es doch insoweit gerade an einer den Abs. 2 verdrängenden Sonderregel.
Im Lichte der weithin geteilten Ablehnung des § 12 Abs. 3 VVG a.F. sprechen schließlich auch Gründe der Rechtssicherheit und –klarheit für dieses Ergebnis (vgl. Armbrüster in: Prölss/Martin a.a.O.).
(3)
Der Beklagten hilft auch der Einwand nicht weiter, in § 25 Nr. 2 VHB 96 sei die Leistungsfreiheit bei Versäumung der sechsmonatigen Klagefrist selbständig vereinbart. Solche inhaltlich dem § 12 Abs. 3 VVG a.F. entsprechenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen verstoßen seit dem Inkrafttreten des neuen VVG am 01.01.2008, mit dem die Klagefrist ersatzlos weggefallen ist, gegen das gesetzliche Leitbild und sind daher als unangemessen i.S.d. § 307 BGB einzustufen (vgl. Beckmann in Bruck/Möller, Einf. A Rn. 91; Looschelders in Langheid/Wandt, Art. 1 EGVVG Rn. 30; Armbrüster in Prölss/Martin, Art. 1 EGVVG Rn. 46; Rixecker, ZfSch 2007, 430; Schneider VersR 2008, 359; Uyanik VersR 2008, 468).
bb)
Leistungsfreiheit ist auch nicht gem. § 61 VVG a.F. eingetreten.
(1)
Ein vorsätzliches Entzünden des Benzins durch die Klägerin in suizidaler Absicht hat die Beklagte ebensowenig bewiesen wie eine vorherige Drohung hiermit gegenüber dem Zeugen J.. Der hierzu von der Beklagten benannte Zeuge J. hat solches in seiner Vernehmung vor der Kammer nicht bestätigt. Für den ihr günstigen Umstand der Leistungsfreiheit infolge vorsätzlicher (und auch grob fahrlässiger) Herbeiführung des Versicherungsfalls ist die Beklagte in vollem Umfang darlegungs- und beweisbelastet (vgl. Prölss in: Prölss/Martin, § 81 VVG Rn. 30). Die Beklagte ist somit beweisfällig geblieben, wie das Landgericht zu Recht angenommen hat.
Ob das Landgericht die Aussage des Zeugen J. unzutreffend gewürdigt hat, weil es seinen Angaben vor der Kammer eine größere Glaubhaftigkeit beigemessen hat als seinen Angaben im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung, spielt letztlich keine Rolle. Selbst wenn man dies annähme, wäre der Beklagten die ihr obliegende Beweisführung eines vorsätzlichen Handelns der Klägerin nicht gelungen. Der Zeuge J. hat sich durch seine von seiner polizeilichen Aussage (Bl. 43 ff EA) ganz erheblich abweichenden Angaben gegenüber der Kammer im Rahmen seiner Zeugenvernehmung insgesamt als wenig glaubwürdig erwiesen. Wenn man wie die Beklagte seine Erklärungsversuche entgegen den Ausführungen des Landgerichts als fadenscheinig und schwer nachvollziehbar erachtet, hat der Zeuge mit seinen widersprüchlichen Darstellungen jedenfalls ein fragwürdiges Verhältnis zur Wahrheit offenbart und seine Angaben sind damit insgesamt entwertet. Dies bedeutet indessen auch, dass – anders als die Beklagte meint – auf die Angaben im Rahmen der polizeilichen Vernehmung nichts Entscheidendes gegeben werden kann. Daraus, dass der Zeuge zwingend entweder bei der Polizei oder vor der Kammer die Unwahrheit über den Hergang gesagt haben muss, folgt nicht die Richtigkeit seiner ursprünglichen Angaben.
Ob die Aussage des Zeugen J. vor der Kammer, er habe gegen den Kanister getreten und aus diesem sei dann Benzin ausgelaufen, nicht stimmen kann, wie die Beklagte mit der Berufung geltend macht, weil derartige Kanister üblicherweise mit einem Schraubverschluss versehen seien, kann aus den vorstehenden Gründen dahingestellt bleiben. Selbst wenn die Argumentation der Beklagten zuträfe, hätte die Beklagte den ihr obliegenden Beweis für die von ihr behauptete vorsätzliche Eigenbrandstiftung nicht geführt. Im übrigen bewegen sich diese Überlegungen im Bereich der Spekulation; auch wenn der Kanister einen Schraubverschluss hatte, muss dieser nicht zugedreht gewesen sein.
Offen bleiben konnte auch, ob die Klägerin in früherer Zeit Suizidversuche begangen oder angedroht hat. Beweis zu erheben brauchte das Landgericht daher über diesen Umstand nicht. Ein zwingendes Indiz für eine vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls durch die Klägerin würde sich hieraus auch in Verbindung mit der Tatsache des vorausgegangenen Streits mit dem Zeugen J. nicht ergeben. Die Lebenssituation der Klägerin, die kurz vor dem Antritt einer Urlaubsreise mit ihren Kindern stand, erscheint nicht derart desolat und hoffnungslos, dass dieser Streit zwangsläufig den Auslöser zum Suizidentschluss gebildet haben müsste.
(2)
Auch eine grob fahrlässige Entzündung des entstandenen Luft-Gas-Gemischs durch die Klägerin hat die Beklagte nicht zu beweisen vermocht.
Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gröblich, in hohem Maße außer Acht lässt und nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten musste. Im Rahmen des § 61 VVG a.F. (bzw. § 81 VVG n.F.) ist Voraussetzung für die Annahme grober Fahrlässigkeit ein Verhalten des Versicherungsnehmers, von dem er wusste oder wissen musste, dass es geeignet war, den Eintritt des Versicherungsfalles oder die Vergrößerung des Schadens zu fördern. Dabei muss die Wahrscheinlichkeit des Schadens (und zwar gerade die des eingetretenen Schadens) offenkundig so groß sein, dass es ohne weiteres nahelag, zur Vermeidung des Versicherungsfalles ein anderes als das tatsächlich geübte Verhalten in Betracht zu ziehen. Das Verhalten des Versicherungsnehmers ist dabei in seiner Gesamtheit zu betrachten, so dass auch das Zusammentreffen von – für sich genommen – tolerierbaren Umständen den qualifizierten Vorwurf begründen kann. Einzelne, für sich genommen nicht grob fahrlässige Fehlhandlungen können in ihrer Gesamtheit den Vorwurf grober Fahrlässigkeit begründen (vgl. Prölss in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, § 28 Rn. 121 und § 81 Rn. 15, 17 m.w.N.). Nicht ausreichend für die Annahme grober Fahrlässigkeit ist, dass allein ein gröblicher Sorgfaltsverstoß in objektiver Hinsicht vorliegt. Hinzutreten muss in subjektiver Hinsicht ein erheblich gesteigertes Verschulden: Der Verstoß gegen die konkret gebotene Sorgfalt muss auch subjektiv unentschuldbar sein (vgl. BGH VersR 1985, 440; Prölss a.a.O., § 28 Rn. 122).
Selbst wenn man einen grob fahrlässigen Sorgfaltsverstoß vorliegend in objektiver Hinsicht unterstellt, weil in dem Wissen um verschüttetes Wundbenzin ein Feuerzeug entzündet wurde, so scheitert das Eingreifen von § 61 VVG a.F. wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls jedenfalls daran, dass die Beklagte keinen Sachverhalt dargelegt und bewiesen hat, bei dem die Klägerin in subjektiver Hinsicht unentschuldbar gehandelt hat. Unstreitig zwischen den Parteien ist lediglich, dass Wundbenzin im Keller ausgelaufen war und die Klägerin davon wusste. Weiter steht als unstreitig fest, dass die Klägerin eine heftige Auseinandersetzung mit dem Zeugen J. hatte. Ihre streitige Behauptung, dass die Klägerin das Benzin selbst verschüttet habe, hat die Beklagte, wie ausgeführt, gerade nicht zu beweisen vermocht. Damit ist auch nicht bewiesen oder sonst feststehend, dass die Klägerin überhaupt über Menge und Ausmaß des ausgelaufenen Benzins konkret Bescheid wusste. Aus dem bei den beigezogenen Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Saarbrücken (Bl. 182 ff EA) befindlichen Sicherheitsdatenblatt für Wundbenzin ergibt sich, dass dessen Dämpfe schwerer als Luft sind und sich am Boden verbreiten, wobei eine Entzündung über eine größere Entfernung möglich ist. Dafür, dass dies der Klägerin bewusst gewesen ist, sind Anhaltspunkte nicht gegeben – dies ist auch kein Wissen, über das sie als Apothekerin zwingend verfügen musste. Ob sich die entzündlichen Benzindämpfe der Klägerin im Augenblick vor der Entzündung durch einen solch erheblichen Geruch bemerkbar gemacht haben müssen, dass sich ihr förmlich aufdrängen musste, dass sie keinesfalls ein Feuerzeug entzünden durfte, erscheint zumindest fraglich. Weiter ergibt sich aus den Ermittlungsakten (Erläuterungen zu dem Lichtbild 117, Bl. 170 EA), dass sich die Sicherung Nr. 42 – Licht Keller – im Gegensatz zu allen anderen Sicherungen nicht in Betrieb nehmen ließ. Dies ist geeignet, den Vortrag der Klägerin zu stützen, sie habe das Feuerzeug entzündet, weil das Licht nicht funktioniert habe und sie nach dem Sicherungskasten habe sehen wollen. Naheliegend nach dem Streit mit dem Zeugen J. ist eine gesteigerte emotionale Beanspruchung der Klägerin, die eine verminderte Aufmerksamkeit plausibel macht. Bereits diese Umstände führen dazu, das Verhalten der Klägerin in subjektiver Hinsicht als nicht unentschuldbar anzusehen. Das Entzünden eines Feuerzeugs als Lichtquelle in einem dunklen Keller zwecks Überprüfung des Sicherungskastens trägt unter diesen Umständen Züge, die das Geschehen jedenfalls unter Abwägung der aufgezeigten weiteren Aspekte in die Nähe eines sog. Augenblicksversagens rücken (vgl. dazu Prölss a.a.O., § 81 Rn. 18).
Nimmt man hinzu, dass die Klägerin nach ihrem letztlich nicht widerlegten Vortrag bereits im Bett befindlich gewesen sein will, als der Zeuge J. das Haus verließ, und sie den Keller aufsuchte um nachzusehen, ob alle Türen verschlossen waren, und nimmt man weiter hinzu, dass die Klägerin nach eigenem unwiderlegten Vortrag davon ausging, der Zeuge J. habe den Keller zumindest gelüftet, so erscheint ihr Verhalten in noch milderem Licht.
cc)
Schließlich ist die Beklagte auch nicht wegen eines Verstoßes der Klägerin gegen § 25 Nr. 1 VHB 96 leistungsfrei, weil diese die Beklagte arglistig über Tatsachen getäuscht hätte, die für den Grund oder für die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind.
(1)
Eine arglistige Täuschung liegt zunächst nicht darin begründet, dass die Klägerin selbst oder durch ihren Rechtsanwalt in dessen Schreiben vom 07.08.2008 oder durch ihr Vorbringen im Prozess wissentlich Falschangaben zu Ort und Zeitpunkt des Streits gemacht hätte.
Der Versuch einer arglistigen Täuschung i.S.d. § 25 Nr. 1 VHB 96 ist bei einer bewusst falschen Antwort des Versicherungsnehmers gegeben, die einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgt. Arglistig handelt der Versicherungsnehmer bereits dann, wenn er sich bewusst ist, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadensregulierung möglicherweise beeinflussen kann (vgl. BGHZ 96, 88; OLG Celle r+s 2009, 239).
Der Senat geht zwar entgegen dem Landgericht nicht davon aus, der Streit zwischen der Klägerin und J. habe am späteren Nachmittag stattgefunden; dies hat der Zeuge J. entgegen der Annahme des Landgerichts nicht bestätigt. Vielmehr hat er ausweislich des Sitzungsprotokolls (Bl. 59 GA) ausgesagt, er habe abends Essen gemacht und dann sei es zum Streit gekommen. Nach dem Streit im Keller und dem Tritt gegen den Kanister sowie nach Öffnen des Fensters sei er dann – so der Zeuge – nach oben gegangen, wo er die Klägerin schon im Bett liegend vorgefunden habe, weswegen er nach Hause gefahren sei. Dies fügt sich zu den polizeilichen Ermittlungen, wonach der Zeuge J., der polizeilich angegeben hatte, bis etwa 22.00 Uhr bei der Klägerin gewesen zu sein und bei seiner Ankunft ein Feuerwerk wahrgenommen zu haben, für die Fahrtstrecke nach Hause (XYXYX Y., 64,4 km) etwa 40 Min. benötigt haben muss; das Feuerwerk in Y. fand nach den polizeilichen Ermittlungen zwischen 22.45 Uhr und 23.00 Uhr statt; Nachbarn hatten J. während des Feuerwerks ankommen sehen (vgl. den Vermerk über die Weg-Zeit Berechnung, Bl. 222 f EA).
Es fehlt aber seitens der Beklagten an der hinreichenden Darlegung wissentlicher Falschangaben der Klägerin. Nicht erwiesen ist, dass der Streit tatsächlich im Wohnzimmer stattgefunden hat, wie die Beklagte behauptet. Dass die Angabe der Klägerin, der Streit habe sich am späteren Nachmittag ereignet, bewusst falsch war und in dem Bewusstsein abgegeben wurde, Einfluss auf das Regulierungsverhalten der Beklagten zu nehmen, ist nicht ersichtlich. Zunächst ist festzuhalten, dass die Zeitangabe „späterer Nachmittag“ schon unbestimmt ist; die Übergänge in den (frühen) Abend sind fließend. Weiter ist zu beachten, dass die Klägerin stets und von Anfang an seit ihrer ersten polizeilichen Befragung am 10.07.2008 (Bl. 208 ff EA) betont hat, sie könne sich nicht genau erinnern, was nach den unstreitig erlittenen Verletzungen (Verbrennungen von ca. 40 % der Hautoberfläche; ausweislich Bl. 234 und 241 EA erwachte die Klägerin erst am 07.07.2008 aus einer Bewusstlosigkeit) und der durch ärztliches Attest vom 29.01.2009 (Bl. 47 f AH) belegten psychischen Beeinträchtigungen in Form einer reaktiv depressiven Episode nach Verbrennungstrauma durchaus als naheliegend und nachvollziehbar erscheint. Bereits in dem Anwaltsschreiben vom 07.08.2008 wurden die Zeitangaben insbesondere zum Streit mit diesem Vorbehalt ausdrücklich erklärt. In der Klageschrift wird dieser Vorbehalt mangelnder Erinnerung wiederholt. Der Senat vermag hiernach eine bewusste und wissentliche Falschangabe der Klägerin nicht zu erkennen.
Im Ergebnis Gleiches gilt für den von der Beklagten aufgezeigten Widerspruch der Klägerin hinsichtlich des Ortes, an dem sich das Feuerzeug befunden haben soll (Werkbank im Keller einerseits – oben in der Wohnung andererseits). Aus diesen in der Tat widersprüchlichen Angaben lassen sich angesichts der vorstehenden Erwägungen hinreichend sichere Rückschlüsse auf eine versuchte arglistige Täuschung der Beklagten durch die Klägerin nicht ziehen.
(2)
Soweit der Zeuge J. anlässlich des Ortstermins mit dem Schadensregulierer der Beklagten am 20.08.2008 falsche Angaben gemacht haben sollte, sind diese der Klägerin nicht zurechenbar. Dass er beauftragt war, den Regulierer hereinzulassen, ist unstreitig. Dass er aber beauftragt war, Obliegenheiten der Klägerin zu erfüllen und in diesem Rahmen mit der Erstattung von Auskünften betraut war und demgemäß als Wissenserklärungsvertreter oder gar als ihr Repräsentant anzusehen wäre(vgl. BGH VersR 1993, 960), dafür hat die beweispflichtige Beklagte zu wenig Konkretes vorgetragen; dies stellt eine bloße Vermutung dar. Weder die Anwesenheit noch die Beziehung zur Klägerin (eine häusliche Gemeinschaft bestand entgegen den Urteilsausführungen des Landgerichts nicht) reichen dafür für sich oder zusammen genommen aus.
3.
Hinsichtlich des vom Landgericht titulierten Freistellungsanspruchs der Klägerin gegen die Beklagte wegen vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren ist die landgerichtliche Feststellung, diese sei als Verzugsschaden von der Beklagten gem. §§ 280, 286 zu erstatten, nicht angegriffen worden. Die Berufungsbegründung verhält sich zu diesem Punkt nicht. Auch erstinstanzlich war der geltend gemachte Freistellungsanspruch nicht angegriffen außer durch die Formulierung, die Beklagte habe sich damit (mangels Begründetheit der Feststellungsklage) nicht zu befassen.
4.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
5.
Der Senat hat gem. § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO die Revision zugelassen, da im Hinblick auf die höchstrichterlich bisher nicht geklärte Frage, ob die Klagefrist des § 12 Abs. 3 ZPO nach dem 31.12.2007 noch wirksam gesetzt werden konnte, die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert und die Sache grundsätzliche Bedeutung hat.
Wert des Berufungsverfahrens: 28.800 EUR

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