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05.05.2011 · IWW-Abrufnummer 111293

Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 15.02.2011 – 26 U 100/10

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 27.04.2010 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufungsinstanz werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
I.

Die Parteien haben erstinstanzlich umfänglich über die Abrechnung der Rohbauarbeiten für den Neubau des Klinikums N mit einem streitigen Gesamtbetrag von 5.242.130,98 € nebst Zinsen gestritten. Nach dem Abschluss eines Teilvergleichs hatte das Landgericht noch über eine Hauptforderung in Höhe von 4.016.471,59 € zu entscheiden.

Auf diesen Betrag entfällt für die streitige Vergütung von Stahlbewehrungen der zu erstellenden Decken ein Gesamtbetrag von 2.750.063,10 €.

Bei diesen Decken handelt es sich um solche, die als Grundlage eine Reihe von im Werk zu erstellenden Fertigbetonteilen einschließlich einzubringender Gitterträger, Durchstanzbewehrung und Biegezugbewehrung haben. Auf diese anzuliefernden und einzusetzenden Fertigteile war sodann auf der Baustelle weiterer Ortbeton aufzubringen. Dabei wurden die Deckenteile zugleich mit zusätzlicher Querbewehrung untereinander verbunden.

Nicht in Streit stehen die Gitterträger und die Durchstanzbewehrung. Die Parteien streiten aber darüber, ob die Biegezugbewehrung und die Querbewehrung in den Preis der Fertigteile einzukalkulieren gewesen und deshalb nicht gesondert vergütungspflichtig sind, oder ob es sich um zusätzliche vergütungspflichtige Leistungen handelt, die über sonstige im Leistungsverzeichnis enthaltene Stahlpositionen abzurechnen sind.

Die maßgebliche Deckenposition des Leistungsverzeichnisses lautet auszugsweise:

"05.540

Fertigteildecken H 3-4m (filigran)

37060,000 m2

Decken aus Fertigteilen mit Ortbetonergänzung einschl. Beischalung, Montageunterstützung und Gitterträger o.ä. im Fertigteil. Die Bewehrung einschl. der statisch anrechenbaren Bewehrung aus Gitterträgern ca. 10 kg/m2 ist einzurechnen.

Der Ortbeton wird gesondert vergütet.

&

Deckenstützweiten unterschiedlich, entsprechend den jeweiligen Gebäudeachsen, 3,60 bis 7,20 m

&

vorgeschriebene Deckenkonstruktion beinhaltet auch die durch den AN zu erstellende (umzurechnende) Statik und die Prüfstatik durch den mit dem Gesamt Bauvorhaben beauftragten Prüfstatiker.

&"

Darüber hinaus enthält das Leistungsverzeichnis unter 05.700 ff. Positionen für die Durchstanzbewehrung und weitere Positionen für sonstigen Betonstahl, unter anderem:

"05.790

Betonstahl/Fertigteile

192,000 t

Betonstahl, Stäbe, Listenmatten, Lagermatten (sonstige Fertigteile),DIN 488, alle Durchmesser, alle Längen, alle Lager-/Listengrößen"

Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 4.016.471,59 € nebst Zinsen stattgegeben. Dabei hat es die Vergütung für die Biegezugbewehrung und die Querbewehrung in vollem Umfang zugesprochen.

Diese Leistungen seien wie von der Klägerin berechnet gesondert vergütungspflichtig. Das ergebe eine auf den maßgeblichen Bieterhorizont ausgerichtete Auslegung des Leistungsverzeichnis. Insbesondere sei dabei zu berücksichtigen, dass unstreitig bei der Ausschreibung die erforderliche Statik noch nicht vorgelegen habe, so dass eine Kalkulation einschließlich der streitigen Bewehrungen nicht ohne weiteres möglich gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in der ersten Instanz - insbesondere hinsichtlich des Wortlautes der gestellten Anträge - wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Mit der Berufung wendet sich die Beklagten in der Hauptsache gegen die Verurteilung zur Zahlung der Vergütung für die Biegezugbewehrung und die Querbewehrung in Höhe von insgesamt 2.750.063,10 €.

Die Klägerin habe die in die Deckenfertigteile einzubauende Biegezugbewehrung in einem Umfang von 456.256 t zu Unrecht in Rechnung gestellt. Diese Bewehrung sei nach der Ausschreibungsposition 05.540 mit der Bewehrung aus Gitterträgern in den Einheitspreis einzukalkulieren gewesen; das sei mit dem dort verwandten Begriff des "Einrechnens" gemeint gewesen. Eine gesonderte Vergütung sei deshalb nicht geschuldet. Das ergebe sich aus den Privatgutachten des Prof. Dr. W. Die von der Klägerin in Ansatz gebrachte Position 05.790 beziehe sich dagegen nach dem in der Ausschreibung verwendeten Begriff "sonstige Fertigteile" und nach der ausgeschriebenen Menge nicht auf die Bewehrung von Fertigteildecken. Nur so sei die Ausschreibung von den Bietern zu verstehen gewesen; so sei sie auch von 9 von 10 weiteren anderen Bietern verstanden worden, die höhere Preise bei der Position 05.540 kalkuliert hätten. Soweit bei der Klägerin Zweifel bestanden hätten, hätte sie vor der Abgabe des Angebots die Zweifelsfragen klären müssen, nunmehr sei sie nicht schutzwürdig.

Ebenso wenig habe die Klägerin einen Anspruch auf gesonderte Vergütung für die Querbewehrung. Die Querbewehrung sei nach der Montage der Fertigdeckenelemente vor Ort zur Herstellung einer kraftschlüssigen Verbindung erforderlich. Sie gehören deshalb zur Bewehrung der Deckenfertigelemente. Dort sei sie einzukalkulieren gewesen und nicht - wie von der Klägerin berechnet - gesondert über die Betonstahlpositionen vergütungspflichtig.

Darüber hinaus wendet sich die Beklagte gegen die Berechnung der Zinsforderung. Zinsen seien erst seit Fälligkeit der Forderung berechtigt, die hinsichtlich des Sicherheitseinbehalts erst mit Vorlage der Bürgschaft eingetreten sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 27.04.2010 (9 O 8/09) insoweit abzuändern, als die Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin einen über 1.266.408,49 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.09.2008 hinausgehenden Betrag zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Die Biegezugbewehrung und die Querbewehrung seien gesondert vergütungspflichtig. Sie unterfielen nicht den Positionen für die Fertigteildecke. Der dort verwendete Begriff des "Einrechnens" beziehe sich auf die von der Klägerin vorzunehmende Umrechnung der vorab herstellerneutral erstellten Statik auf die konkret angebotene herstellerspezifische Position. Das ergebe sich auch aus dem sonstigen Regelungsgehalt und der Systematik der Ausschreibung sowie aus der von dem gerichtlichen Sachverständigen festgestellten Sicht des Technikers als objektivem Erklärungsempfänger und der gängigen Ausschreibungspraxis.

Gehe man dagegen insoweit von einem Auslegungszweifel aus, habe die Klägerin jedenfalls nicht das darin liegende ungewöhnliche Wagnis übernommen. Um ein solches habe es sich insbesondere deshalb gehandelt, weil - unstreitig - die von der Beklagten zu erbringende Statik zum Zeitpunkt der Ausschreibung noch nicht vorgelegen habe.

Der Angriff der Beklagten gegen die Zinsberechnung sei gemäß § 531 ZPO nicht zu berücksichtigen. Im übrigen sei die Entscheidung des Landgerichts auch zutreffend, weil sich die Beklagte mit der Annahme der Gewährleistungsbürgschaft in Annahmeverzug und hinsichtlich der Auszahlung des Sicherheitseinbehalts Schuldnerverzug befunden habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines mündlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr.-Ing. L. Wegen des Ergebnisses wird auf den Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 15.02.2011 Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist unbegründet.

A.

Zu Recht hat das Landgericht der Klage auch hinsichtlich der Vergütung für die Biegezugbewehrung und die Querbewehrung stattgegeben.

Der Klägerin steht die geltend gemachte Vergütung gem. § 631 BGB i.V.m. den §§ 2, 16 VOB/B zu.

Die nachfolgenden Erörterungen beziehen sich wie der gesamte Parteivortrag ausdrücklich auf die Positionen der Bewehrung der Decken des Funktionstraktes. Unstreitig sind aber die Regelungen hinsichtlich der anderen Auftragteile und der entsprechend streitigen Positionen identisch. Die nachfolgenden Ausführungen gelten deshalb entsprechend.

Vorliegend hat eine Ausschreibung im Vergabeverfahren der VOB/A stattgefunden.

In einem solchen Fall ist die Ausschreibung mit dem Inhalt der Auslegung zugrundezulegen, wie ihn der potentielle Bieter auf der Basis des objektiven Empfängerhorizontes verstehen durfte (vgl. BGH-Urteil v. 28.02.2002 - VII ZR 3776/00 -). Zu berücksichtigen ist dabei das gesamte Vertragswerk, bei Vereinbarung der VOB/B auch einschließlich der VOB/C (vgl. BGH-Urteil v. 27.06.2006 - VII ZR 202/04 -).

Kommt es danach gleichwohl zu Auslegungszweifeln, darf der Bieter davon ausgehen, dass er die Ausschreibung den Anforderungen der VOB/A entsprechend verstehen darf (vgl. BGH-Urteil v. 09.01.1997 - VII ZR 259/95 -).

Hier war, wie nachfolgend ausgeführt wird, die Ausschreibung zu den streitigen Positionen der Biegezugbewehrung und Querbewehrung eher im Sinne einer gesonderten Vergütungspflicht zu verstehen. Jedenfalls war sie nicht eindeutig dahingehend zu verstehen, dass eine Kalkulation in die Position der Fertigteildecke ohne gesonderte Vergütung zu erfolgen hatte.

Es greift deshalb der Grundsatz der VOB/A-konformen Auslegung. Gemäß § 9 Nr.2 VOB/A darf dem Auftragnehmer kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann. Wäre das Leistungsverzeichnis hier - wie von der Beklagten geltend gemacht - so zu verstehen, dass diese Bewehrungen in die Pos. 05.540 einzukalkulieren waren, würde die Klägerin das erhebliche Risiko der Fehlkalkulation der Bewehrungsmassen tragen, weil diese zur Zeit der Angebotsabgabe wegen des Fehlens der von der Beklagten zu erbringenden Statik nicht hinreichend kalkulierbar waren. Das widerspricht § 9 Nr.2 VOB/A.

Es führt im vorliegenden Fall dazu, dass die Klägerin bei VOB/A-konformer Auslegung nicht damit rechnen musste, dass ihr das ungewöhnliches Wagnis der Kalkulation der Bewehrung aufgebürdet werden sollte (dazu auch Werner/Pastor, Der Bauprozess, 13. Auflage, Rdn.1420). Sie durfte vielmehr die Ausschreibung dahingehend verstehen, dass eine gesonderte Vergütungspflicht bestanden hat. Entsprechend ist der Bauvertrag geschlossen und zur Grundlage der Vergütungspflicht geworden.

Im Einzelnen gilt:

1.

Es spricht in Übereinstimmung mit der Bewertung durch den Sachverständigen vieles dafür, das Leistungsverzeichnis aus der objektiven Sicht des Bieters dahingehend zu verstehen, dass die Position 05.540 hinsichtlich der Bewehrung nur die dort genannten Gitterträger umfassen sollte, während die Biegezugbewehrung und die Querbewehrung über die sonstigen Betonstahlpositionen abgerechnet werden sollten. Zumindest ist es nicht sicher dahingehend zu verstehen, dass die streitigen Positionen in die Fertigteildecke einzukalkulieren sein sollten:

a.

Der gerichtliche Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten und bei seinen mündlichen Anhörungen überzeugend dargelegt, dass eine verlässliche Kalkulation der Bewehrungsmengen für die Decken ohne die Statik gar nicht möglich gewesen ist. Es erscheint plausibel, dass wegen der üblichen und zu erwartenden Möglichkeit von Sondernutzungen im Krankenhausbereich und wegen der unterschiedlichen Spannweiten der Decken das Vorliegen einer aussagekräftigen Statik für eine Kalkulation unabdingbar gewesen ist. Weil diese Statik unstreitig von der Beklagten zu erbringen gewesen ist, durfte auch nicht von der Klägerin erwartet werden, dass sie selbst und auf eigenes Risiko versuchen sollte, sich die Grundlagen für die Kalkulation verschaffen. Eine hinreichende Abschätzung der Bewehrung war danach nicht möglich, weil die Statik noch nicht vorlag.

Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass andere Bieter dazu in der Lage gewesen seien. Ein solcher Rückschluss ist insbesondere nicht aus deren Angebotspreisen zu der Position 05.540 zu ziehen. Der Sachverständige hat bei seiner Anhörung durch den Senat dargelegt, dass aus dieser Position isoliert keine Rückschlüsse zu ziehen sind, weil die Kalkulation von Einzelpositionen mit Schwankungen versehen und deshalb letztlich die Gesamtkalkulation maßgeblich ist.

Soweit der Privatsachverständige W in seiner Stellungnahme v. 07.07.2009 von der Kalkulierbarkeit ausgeht, ist das nicht überzeugend, weil er von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgeht, indem er annimmt, dass die Statik bei der Angebotsbearbeitung zur Verfügung gestanden habe. Soweit der Privatsachverständige in seinen weiteren Stellungnahmen davon ausgeht, dass auch Komplettkalkulationen und die damit verbundene Risikoübernahme zulässig und üblich sind, ist es auf der Basis der Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen zutreffend, besagt aber nichts dazu, wie die vorliegende Ausschreibung mit ihren konkreten Formulierungen zu verstehen ist.

b.

Der Wortlaut der Position 05.540 lässt sich nicht eindeutig dahingehend verstehen, dass die streitige Bewehrung einzukalkulieren sein sollte:

Zwar kann die Forderung nach dem Einrechnen der Bewehrung als Pflicht zur Preiskalkulation verstanden werden. Dagegen spricht jedoch, dass nur die Gitterträger konkret benannt werden, während nach dem Wortlaut die Forderung nach einem Einrechnen der Biegezug- und Querbewehrung nicht erhoben wird. Selbst hinsichtlich der Gitterträger hat der Sachverständige erklärt, dass sich die Gewichtsangabe von 10 kg/qm auf das Gewicht der Gitterträger beziehe, das in diesem Umfang bei der Ermittlung der Bewehrung durch die Klägerin zu berücksichtigen sein sollte. Diese Gewichtsangabe war nach den Ausführungen des Sachverständigen im Senatstermin erforderlich, um das Gesamtgewicht der Decke zu berechnen, das sich durch die Einbringung der Gitterträger änderte. Diese Gewichtsangabe hatte dann aber keinen direkten Bezug zu einer Preiskalkulation, sondern diente der statischen Umrechnung. Das spricht dafür, dass es sich insoweit nicht um eine Regelung zur Preiskalkulation gehandelt hat, jedenfalls nicht hinsichtlich der nicht genannten Bewehrungsarten.

Die gegenteilige Argumentation zum Verständnis des Begriffs des Einrechnens in dem Privatgutachten W v. 18.06.2007 überzeugt dagegen nicht. Das Gutachten enthält im Wesentlichen eine grammatische Betrachtung, die nicht zwingend ist und keinen hinreichenden Bezug auf den maßgeblichen objektiven Bieterhorizont hat.

c.

Zutreffend weist der Sachverständige des weiteren darauf hin, dass das Regelungsgefüge bei einer Forderung nach der Kalkulation der Biegezug- und Querbewehrung in die Position der Fertigteildecke insgesamt als wenig plausibel erscheinen würde.

Die Einrechnung betrifft nach dem Leistungsverzeichnis ausdrücklich allenfalls die Gitterträgerbewehrung. Die Durchstanzbewehrung ist dagegen ausdrücklich mit weiteren Positionen als vergütungspflichtig ausgeschrieben worden. Das spricht dagegen, dass sämtliche Bewehrungen in die Fertigteilposition einzurechnen gewesen sind. Denn dann hätte die ausdrückliche Aufforderung zur Bildung eines Komplettangebotspreises für die gesamte Decke hinsichtlich aller Bewehrungsarten ohne gesonderte Regelung zur Durchstanzbewehrung wesentlich näher gelegen.

Es lässt sich aus den ausdrücklichen Regelungen für die Gitterträgerbewehrung und Durchstanzbewehrung auch nicht im Umkehrschluss ziehen, dass die hier streitigen Bewehrungen in den Preis für die Fertigteildecke einzukalkulieren gewesen sind, weil für die von der Klägerin gewählte Abrechnung keine Abrechnungsposition vorgesehen gewesen ist. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen in seinem Ergänzungsgutachten konnte die von der Klägerin tatsächlich berechnete Position 05.790 als Regelung für die streitige Bewehrung angesehen werden, so dass aus Sicht des Bieters und damit der Klägerin insoweit keine Regelungslücke vorhanden gewesen ist. Dagegen spricht nicht zwingend, dass die dort angegebene Masse von 192 Tonnen wesentlich geringer gewesen ist als die tatsächlich verbrauchte und berechnete. Denn die Deckenbewehrung war aus der Bietersicht mangels Statik zu diesem Zeitpunkt nicht kalkulierbar, so dass auch eine grobe Abweichung aus Bietersicht nicht den sicheren Schluss darauf zuließ, dass die Position nicht einschlägig sein sollte. Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass diese Pos. 05.790 nur sonstige Fertigteile erfasse, also nicht die Ergänzung der Decke. Denn der Verweis auf sonstige Fertigteile bezieht sich im Zweifel allenfalls auf fertige Lagermatten und fertige Listenmatten, während die genannten Stähle nur Bestandteile eines Fertigteils, aber selbst kein Fertigteil sein konnten.

Hinsichtlich der Querbewehrung ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass diese nach den Darlegungen des Sachverständigen kein Bestandteil der Fertigteildecke ist, sondern erst anlässlich der Ortbetonergänzung vom Auftragnehmer errechnet und eingebaut wird. Es spricht vieles dafür, dass sie schon von der Benennung der Position 05.540 und vom Arbeitsablauf her nicht zur Fertigteildecke gehört, sondern zur Ortbetonergänzung. Für den Ortbeton war jedoch eine gesonderte Vergütung vorgesehen, was für eine gesonderte Vergütung auch der Bewehrung (unter der entsprechenden Stahlposition) spricht.

2.

Auf dieser Basis geht der Senat in Übereinstimmung mit der Bewertung des Sachverständigen davon aus, dass die Ausschreibung zumindest nicht eindeutig gewesen ist. Es kommt deshalb darauf an, wie die Klägerin das Leistungsverzeichnis bei VOB/A-konformer Betrachtung verstehen durfte.

Die DIN 18331 sieht grundsätzlich eine getrennte Ausschreibung von Beton, Schalung und Bewehrung nach Anzahl, Art und Maß der Bauteile vor. Die Hinweise "Beton/Stahlbeton" auf S.19 des Leistungsverzeichnisses haben entsprechend DIN-gerecht im Grundsatz eine getrennte Berechnung von Beton und Bewehrung vorgesehen.

Eine solche getrennte Ausschreibung ist nach der überzeugenden Bewertung des Sachverständigen tatsächlich erfolgt, weil sich in den Positionen 05.700-05.760 sowie 05.780 und 05.790 die erforderlichen Abrechnungspositionen auch für die hier streitige Bewehrung finden lassen. Aus der Sicht des Bieters durften dann die hier streitigen Positionen wie von der DIN vorgesehen als getrennt abrechenbar angesehen werden. Auch der Privatsachverständige W hält diesen Positionen grundsätzlich für einschlägig, wenn keine abweichende Bestimmung - wie allerdings von ihm hier angenommen - getroffen worden ist.

Maßgeblich erscheint jedoch, dass dem Auftragnehmer gemäß § 9 Nr.2 VOB/A kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden darf für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann. Eine solche Überbürdung des Bewehrungsmassen- und Preisrisikos hätte jedoch eine Kalkulation ohne entsprechende Grundlagen bedeutet. Hiervon musste die Klägerin bei VOB/A-konformer Betrachtung nicht ausgehen, weil die Position 05.540 eine Kalkulationspflicht hinsichtlich der Biegezug- und Querbewehrung nicht eindeutig enthalten hat und eine Kalkulation dieser Bewehrung über die von der Klägerin angesetzten Positionen als einschlägig, zumindest aber als möglich erschienen ist.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Klägerin "frivol" kalkuliert habe und deshalb nicht schutzwürdig sei. Dies würde eine erkennbar fehlerhafte Ausschreibung voraussetzen. Diese Feststellung lässt sich wegen der aus sachverständiger Sicht zumindest naheliegenden Möglichkeit anderweitiger Auslegung und des Vorhandenseins einschlägiger Abrechnungspositionen nicht treffen.

Bei dieser Sachlage hat die Klägerin einen Anspruch auf gesonderte Vergütung der dem Grunde nach streitigen Biegezug- und Querbewehrung. Der Höhe nach ist unstreitig, dass die Forderung mit einem Betrag von 2.750.063,10 € besteht.

B.

Der Klägerin stehen auch die ausgeurteilten Zinsen im zuerkannten Umfang zu.

Die Beklagte ist mit ihrem gegenteiligen Vortrag zwar nicht schon gemäß § 531 ZPO ausgeschlossen. Denn der nunmehrige Vortrag zum Zugang der Gewährleistungsbürgschaft ist zwar neu, weil er erstinstanzlich im Rahmen des Bestreitens der Zinsforderung nicht vorgebracht worden ist. Die Tatsachen sind unstreitig und deshalb zu berücksichtigen.

Die Einwendung der Beklagten ist jedoch der Sache nach nicht begründet. Weil die Parteien gem. VI . 2 der BVB einen 3%igen Sicherheitseinbehalt vom Bruttowerklohn vereinbart haben, der durch Bürgschaft abgelöst werden konnte, ist bis zur Gestellung der Bürgschaft Fälligkeit der Hauptforderung in Höhe des Gewährleistungseinbehaltes nicht eingetreten. Denn erst mit der Stellung der Bürgschaft erwächst dem Auftragnehmer ein Anspruch auf Auszahlung des Sicherheitseinbehalts (BGH-Urteil v. 13.09.2001 - VII ZR 467/00 - ). Die Klägerin hat jedoch die Stellung der Bürgschaft wie geschuldet Zug-um-Zug angeboten, und die Beklagte hat die Auszahlung des Einbehalts abgelehnt. Dadurch ist gem. den §§ 293, 298 BGB Annahmeverzug hinsichtlich der Bürgschaft eingetreten und zugleich Fälligkeit des Bareinbehalts, weil die Voraussetzungen des Austausches der Sicherheiten eingetreten sind. Durch das Schreiben vom 02.05.2007 ist Verzug begründet worden, denn die dort in Bezug genommenen Schlussrechnungen enthalten keine Abschläge für Sicherheitseinbehalte, so dass diese mit angemahnt worden sind.

Die Entscheidung des Landgerichts ist deshalb insgesamt nicht zu beanstanden. Die dagegen gerichtete Berufung hat keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr.10, 711, 543 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch keine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert.

RechtsgebietVOB/AVorschriften§ 9 Nr. 2 VOB/A

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