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25.03.2011 · IWW-Abrufnummer 110333

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht: Urteil vom 13.07.2010 – 6 U 26/10

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


In dem Rechtsstreit
...
hat der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig
auf die mündliche Verhandlung vom 22. Juni 2010
für Recht erkannt:

Tenor:
Das Urteil der Kammer für Handelssachen I des Landgerichts Itzehoe vom 29. Dezember 2009 wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise geändert und wie folgt insgesamt neu gefasst:

Dem Beklagten wird aufgegeben, seine gebundenen Versicherungsvertreter aufzufordern, es in Bezug auf nicht zur I. V-gruppe. gehörende Versicherungsunternehmen (sog. Kooperationspartner) zukünftig zu unterlassen, einzelnen Interessenten gleichzeitig solche Versicherungsprodukte anzubieten, die aus dem Angebot verschiedener Kooperationspartner stammen und untereinander in Konkurrenz stehen.

Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Klägerin zu 7/8 und der Beklagte zu 1/8.

Gründe
I.

Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) hält bestimmte geschäftliche Verfahrensweisen des Verfügungsbeklagten für unzulässig und begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung den Erlass verschiedener Verhaltensge- und -verbote für den Verfügungsbeklagten (im Folgenden: Beklagter).

Die Verfügungsklägerin ist eine seit 1994 tätige, nach § 34 d Abs. 1 der Gewerbeordnung (GewO) zugelassene und im zuständigen Versicherungsvermittlerregister eingetragene Versicherungsmaklerin. Der Beklagte ist ein Versicherungsunternehmen mit ca. 450 gemäß § 34 d Abs. 4 GewO zugelassenen, "gebundenen" Versicherungsvermittlern, genannt "Vertrauensleute".

In den mit den Vertrauensleuten geschlossenen Agenturverträgen heißt es u.a.:

"1.3 Der/die Vertrauensmann/-frau wird sich bemühen, alle in seinem/ihrem Bezirk nach der Satzung versicherbaren Personen mit den Leistungen der I. und ihrer Kooperationspartner vertraut zu machen und sie unter Beachtung der Wettbewerbsrichtlinien als Versicherungsnehmer zu gewinnen.

...

3. Wettbewerb

3.1 Der/die Vertrauensmann/-frau verpflichtet sich, während der Dauer des Vertragsverhältnisses Versicherungen nur für die I. und ihre Kooperationspartner zu vermitteln, abzuschließen und zu betreuen. Risiken, die die I. oder ihre Kooperationspartner nicht zeichnen oder ablehnen, dürfen nach Einwilligung der I. an andere Versicherungsunternehmen vermittelt werden.

...

3.2 Der/die Vertrauensmann/-frau verpflichtet sich, die für den Wettbewerb geltenden Grundsätze und Vorschriften zu beachten; der/die Vertrauensmann/-frau hat ein Exemplar der Wettbewerbsrichtlinien der Versicherungswirtschaft und der Richtlinien zum Geldwäschegesetz erhalten."

Der Beklagte hat für Versicherungen, die nicht zu seinem Leistungsspektrum gehören, wie etwa Krankenversicherungen, Kooperationsabkommen mit anderen Versicherungsunternehmen geschlossen, u.a. für Krankenversicherungen mit der HM Krankenversicherung AG und der B. Krankenversicherung a.G. Die Vertrauensleute des Beklagten sind angewiesen, solche Versicherungsverträge über die Firma IHM I. HM. Finanz- und Versicherungsvermittlungs GmbH (im Folgenden: Fa. IHM), einer nach § 34 Abs. 1 GewO zugelassenen, "ungebundenen" Versicherungsvermittlerin, an die jeweiligen Versicherungsunternehmen weiterzuleiten. Der Umfang dieser weitergeleiteten Versicherungsverträge beträgt etwa 3% des Gesamtgeschäftsvolumens des Beklagten.

Die Firma J. M. G. Versicherungsmakler GmbH, mit der die Klägerin zusammenarbeitet und deren Geschäftsführer J. J. dem Geschäftsführer der Klägerin seit Jahren bekannt ist, führte ab Anfang September 2009 bei ca. 50 Vertrauensleuten des Beklagten Testanfragen durch. Erbeten wurden zumeist Angebote für Privathaftpflichtversicherungen, aber auch solche für Krankenversicherungen. Die Vertrauensleute gaben daraufhin Angebote für Haftpflichtversicherungen bei dem Beklagten und Krankenversicherungen - zumeist bei der HM. Krankenversicherung AG - ab. In mindestens einem Fall wurden zwei Angebote für Krankenversicherungen übersandt, nämlich eines der HM. Krankenversicherung AG und eines der B. Krankenversicherung a.G.. Die J. M. G. Versicherungsmakler GmbH nahm die eingegangenen Angebote zum Anlass, zahlreiche Abmahnungs- und einstweilige Verfügungsverfahren gegen die jeweiligen Vertrauensleute zu führen wegen angeblich unzulässiger sog. Ventilgeschäfte nach § 34 d Abs. 4 GewO. Über diese Anfrageaktion informierte der Geschäftsführer J. den Geschäftführer der Klägerin.

Die Klägerin ist der Auffassung, nach Inkrafttreten des § 34 d GewO zum 1. September 2009 sei es den Vertrauensleuten des Beklagten untersagt, im Rahmen der "Ventillösungen" den Abschluss von Versicherungsverträgen bei solchen Unternehmen, die nicht zur Gruppe des Beklagten gehören, anzubieten oder zu vermitteln und mit anderen Versicherungsmaklern zusammen zu arbeiten. Vielmehr müsse nunmehr jedes Versicherungsunternehmen, für das der Versicherungsvermittler Verträge vermittle, diesen zum Register anmelden und für ihn die Haftungsübernahme erklären, was - bezogen auf die Vertrauensleute des Beklagten - unstreitig weder für die HM. Krankenversicherung AG noch für die B. Krankenversicherung a.G. geschehen ist. Der Beklagte habe ein derartiges unzulässiges Verhalten seiner Vertrauensleute aufgrund der abgeschlossenen Agenturverträge veranlasst.

Nachdem der Beklagte die Abgabe strafbewehrter Unterlassungserklärungen abgelehnt hatte, hat die Klägerin ihr Unterlassungsbegehren im einstweiligen Verfügungsverfahren weiterverfolgt.

Sie hat beantragt, es dem Beklagten zu verbieten, seine Vertrauensleute anzuweisen oder sonst zu veranlassen, Versicherungsverträge mit den Kooperationspartnern zu vermitteln und den Abschluss solcher Verträge insbesondere durch Weiterleitung an die Fa. IHM zu fördern, sowie es dem Beklagten zu gebieten, seine Vertrauensleute aufzufordern, keine Versicherungsverträge mit Kooperationspartnern des Beklagten zu vermitteln bzw. den Abschluss solcher Verträge insbesondere durch Weiterleitung an die Fa. IHM zu fördern sowie Interessenten von Versicherungsprodukten mitzuteilen, dass sie ausschließlich Versicherungsverträge über Versicherungsprodukte des Beklagten anbieten.

Der Beklagte ist diesem Begehren entgegengetreten. Er hat die Auffassung vertreten, der Antrag sei unzulässig, weil er zu spät gestellt worden sei. Zudem sei das Vorgehen der Klägerin ebenso wie jenes der Firma J. M. G. Versicherungsmakler GmbH rechtsmissbräuchlich. Die von den Vertrauensleuten des Beklagten praktizierte Ventillösung, also die Vermittlung von Versicherungsverträgen dritter Versicherungsunternehmen, die nicht in Konkurrenz zu ihm, dem Beklagten, stünden, sei auch nach der neuen Gesetzeslage zulässig.

Mit dem angegriffenen Urteil hat das Landgericht den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung abgelehnt. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Antrag sei zwar zulässig, weil die Parteien Wettbewerber und die Klägerin damit klagebefugt sei, die Vermutung der Dringlichkeit gem. § 12 Abs. 2 UWG nicht widerlegt sei und auch ein Rechtsmissbrauch durch die Klägerin nicht festgestellt werden könne. Der Antrag sei aber unbegründet, weil der Klägerin die geltend gemachten Unterlassungs- und Gebotsansprüche nicht zustünden. Alle Ansprüche setzten die Unzulässigkeit sog. Ventilgeschäfte voraus. Diese Unzulässigkeit sei indes nicht gegeben. Auf den weiteren Inhalt des Urteils wird Bezug genommen.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt.

Zur Begründung führt sie im Wesentlichen unter Wiederholung ihrer erstinstanzlich vorgetragenen Argumente aus, das Landgericht habe zu Unrecht die Zulässigkeit der sog. Ventilgeschäfte angenommen. Darüber hinaus trägt sie vor: § 34 d Abs. 4 GewO sei als Ausnahmetatbestand zu § 34 d Abs. 1 GewO eng auszulegen. Weder nach der wörtlichen Auslegung noch nach dem Sinn und Zweck der Norm sei eine Tätigkeit gebundener Versicherungsvertreter im Ventil erlaubt. Das von § 34 d GewO verfolgte Ziel des Verbraucherschutzes erschöpfe sich nicht in der Frage der Haftungsübernahme, sondern umfasse auch den Gesichtspunkt der hinreichenden Ausbildung der Versicherungsvertreter. Zumindest soweit die Vertrauensleute des Beklagten sogar zwei Angebote für Versicherungsprodukte übersandt hätten, die nicht zum Leistungsspektrum des Beklagten gehörten und untereinander in Konkurrenz stünden, sei dieses Verhalten unzulässig. Hier sei bereits die Haftung des Beklagten für die Tätigkeit der Vertrauensleute zweifelhaft, weil es sich um Maklertätigkeit handele. Zudem bilde das Versicherungsunternehmen die gebundenen Versicherungsverträger lediglich hinsichtlich der eigenen Versicherungsprodukte aus, so dass für die Angebote "im Ventil" eine ordnungsgemäße Ausbildung der Vertrauensleute nicht gesichert sei. Wegen des weiteren Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründung der Klägerin vom 1. März 2010 (Bl. 263 ff d.A.) verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Itzehoe vom 29. Dezember 2009 zu dem Aktenzeichen 5 O 123/09

1.
dem Beklagten unter Androhung von Ordnungsgeld bis 250.000 EUR, hilfsweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft zu verbieten,
ihre Versicherungsvertreter, die sie nach § 34 d Abs. 4 GewO als gebundene Versicherungsvertreter zum Versicherungsvermittlerregister angemeldet hat, anzuweisen oder diese in sonstiger Weise zu veranlassen,


a)
Versicherungsverträge mit Versicherungsunternehmen, die nicht zu der I. V-gruppe. gehören (sog. Kooperationspartner des Beklagten), insbesondere mit der HM. Krankenversicherung AG zu vermitteln,
b)
den Abschluss solcher Verträge mittelbar oder unmittelbar zu fördern, insbesondere mündliche oder schriftliche Angebote oder Anfragen an die Firma IHM I.HM. Finanz- und Versicherungsvermittlungs GmbH, weiterzuleiten.
2.
dem Beklagten zu gebieten, seine gebundenen Versicherungsvertreter aufzufordern,

a)
zukünftig zu unterlassen,
Versicherungsverträge mit Versicherungsunternehmen, die nicht zu der I. V-gruppe. gehören (sog. Kooperationspartner der Antragsgegnerin), insbesondere mit der HM Krankenversicherung AG zu vermitteln,

den Abschluss solcher Verträge mittelbar oder unmittelbar zu fördern, insbesondere derartige Angebote oder Anfragen an die Firma IHM I.HM. Finanz- und Versicherungsvermittlungs GmbH, weiterzuleiten,

b)
Interessenten von Versicherungsprodukten mitzuteilen, dass sie ausschließlich Versicherungsverträge mit Versicherungsprodukten der I. V-gruppe. anbieten.
Hilfsweise beantragt die Klägerin,

die zuvor genannten Ge- bzw. Verbote gegen den Beklagten auszusprechen, soweit sie sich auf mehrere Angebote zu Versicherungsprodukten "im Ventil" beziehen, die untereinander in Konkurrenz stehen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er tritt dem Berufungsvorbringen unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags entgegen.

Wegen des weiteren Parteivortrages wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, wie sie sich in der Gerichtsakte befinden, Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist jedoch überwiegend unbegründet. Der Hauptantrag hat keinen Erfolg (1.); der Hilfsantrag ist nur zum geringen Teil begründet (2.).

1.

Das Landgericht hat den Erlass einer einstweiligen Verfügung in Gestalt des Hauptantrags zu Recht abgelehnt, denn es fehlt an einem Verfügungsanspruch. Da sich der Hauptantrag der Klägerin auf jegliche Angebote der Vertrauensleute des Beklagten im "Ventilbereich" bezieht, setzt jeder darauf bezogenen Anspruch der Klägerin voraus, dass Ventilgeschäfte grundsätzlich unzulässig sind. Dies ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht der Fall.

a.

Nach § 34 d Abs. 4 GewO bedarf ein Versicherungsvermittler - als Ausnahme zu der in § 34 d Absatz 1 GewO geregelten Erlaubnisbedürftigkeit - keiner Erlaubnis, wenn er seine Tätigkeit ausschließlich im Auftrag eines oder, wenn die Versicherungsprodukte nicht in Konkurrenz stehen, mehrerer im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Versicherungsunternehmen ausübt und durch das oder die Versicherungsunternehmen für ihn die uneingeschränkte Haftung aus seiner Vermittlertätigkeit übernommen wird. Diese Voraussetzungen sind bei dem Beklagten und seinen Vertrauensleuten grundsätzlich erfüllt. Die Vertrauensleute des Beklagten dürfen die Krankenversicherungen der HM. Krankenversicherung AG oder eines anderen Krankenversicherungsunternehmens anbieten und vermitteln, ohne dass diese Unternehmen neben dem Beklagten zusätzlich die uneingeschränkte Haftung für ihn übernommen haben.

Der Wortlaut des § 34 d Abs. 4 GewO ist nicht eindeutig. Er sähe für den vorliegenden Fall die Notwendigkeit einer weiteren Haftungsübernahme nur dann vor, wenn mit der Formulierung "... die Versicherungsunternehmen ..." nicht nur die Konstellation gemeint ist, dass der Vermittler an mehr als ein Versicherungsunternehmen jeweils vertraglich direkt gebunden ist, sondern auch der Fall, dass er im Wege des "Ventils" nicht nur an sein "Mutter-Unternehmen", sondern auch an deren Kooperationspartner gebunden ist. Gegen eine solche Auslegung sprechen folgende Erwägungen:

Es handelt sich bei der Regelung des § 34 d Abs. 4 GewO um eine Berufsausübungsregelung, die im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG eng ausgelegt werden muss. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung ist die Vorschrift dahin zu verstehen, dass es ausreicht, wenn - wie hier - nur das "Mutter-Versicherungs-Unternehmen", für das der Versicherungsvermittler in erster Linie tätig wird, diesen als "gebundenen Versicherungsvermittler" anmeldet und damit zugleich die uneingeschränkte Haftung für ihn übernimmt. Dadurch wird bei der großen Zahl der Ausschließlichkeitsvertreter das Verfahren vereinfacht und unnötige Bürokratie vermieden. Der Ausschließlichkeitsvertreter hat die Wahl, ob er sich um eine Haftungsübernahme "seines" Versicherungsunternehmens bemüht oder eine Erlaubnis nach § 34 d Abs. 1 GewO beantragt. Wählt er den Weg einer Haftungsübernahme, ist die Erklärung eines Versicherungsunternehmens für den Vermittler entscheidend (BT-Drs. 16/1935, Seite 19 "zu Absatz 4"; EG Richtlinie 2002/92/EG über Versicherungsvermittlung Kap. II Art. 4 I i.V.m. Art. 2 Nr. 7).

Die sog. Ventillösung, also die Befugnis des Vermittlers, Kunden auch Produkte dritter Versicherungsunternehmen anzubieten, die nicht zur Produktpalette des "Mutter-Versicherungs-Unternehmens" gehören, war bereits vor der Gesetzesreform 2007 durchgehend geübte Praxis. Wäre es dem Gesetzgeber um ein generelles Verbot der "Ventillösung" gegangen, hätte er ein solches ausdrücklich und eindeutig im Gesetz zum Ausdruck gebracht und die Abkehr von der bisherigen Praxis auch in die Gesetzesbegründung aufgenommen. Beides ist nicht geschehen.

Auch der Gesichtspunkt des Schutzes der Versicherungsnehmer gebietet keine andere Auslegung des § 34 d Abs. 4 GewO. Den Versicherungsnehmern gegenüber wird auch so eine uneingeschränkte Haftung für den Fall einer Falsch- oder Schlechtberatung gewährleistet. Während der Versicherungsmakler nach § 34 d Abs. 1 GewO den Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung nachzuweisen hat, reicht es beim "gebundenen Versicherungsvermittler" nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich aus, dass dasjenige Unternehmen, das ihn angemeldet hat, für ihn die uneingeschränkte Haftung übernimmt. Die Übernahme der uneingeschränkten Haftung erfolgt nach § 34 d Abs. 7 GewO mit der Anmeldung zum Versicherungsvermittlerregister automatisch. Eine Einschränkung der mit dieser Anmeldung per Gesetz übernommenen Haftung auf Vermittlungstätigkeiten nur für diejenigen Produkte, die das anmeldende Unternehmen anbietet, sieht diese Regelung nicht vor. Entsprechend gibt es keine Erklärung des anmeldenden Versicherungsunternehmens, nur für unternehmensspezifische Bereiche eingeschränkt die Haftung zu übernehmen. Mithin haftet jedes einen Versicherungsvermittler anmeldende Versicherungsunternehmen für die gesamte Vermittlertätigkeit des Vertreters, d.h. auch für die Vermittlung von Produkten anderer Versicherungsunternehmen (vgl. Adjemian u.a., GewArch 2009, S. 186, 187; Schönleiter in Landmann/Rohmer, GewO, § 34 d Rd-Nr. 121). Die uneingeschränkte Haftung des Beklagten erstreckte sich sogar auf Vermittlungsgeschäfte, die die Vertrauensleute unter Verletzung des Agenturvertrags tätigten, weil auch mit einem Agenturvertrag keine Haftungseinschränkung erreicht wird.

Der Klägerin ist zuzugeben, dass sich der Schutz der Versicherungsnehmer nicht in der Haftungsübernahme erschöpft, sondern auch die von der notwendigen Sachkunde geprägte Beratung durch den Versicherungsvermittler umfasst. Aber auch dafür hat nach der Gesetzeslage das "Mutter-Versicherungs-Unternehmen" einzustehen (BT-Drs. 16/1935, Seite 19 "zu Absatz 4"). Nach dem Vortrag des Beklagten verläuft das regelmäßige Vermittlungsgeschäft zudem so, dass in der überwiegenden Mehrzahl eigene Produkte vermittelt werden; nur rund 3% beträgt der Umfang der "Ventilgeschäfte" am Gesamtgeschäftsvolumen. Der Ausnahmeregelung der Ventilgeschäfte wird damit entsprochen.

Danach ist es nicht erforderlich, dass im Falle der Vermittlung von nicht in Konkurrenz stehenden Produkten nicht nur das anmeldende Versicherungsunternehmen, sondern zusätzlich auch noch das andere Unternehmen denselben gebundenen Versicherungsvermittler zum Versicherungsvermittlerregister erneut anmeldet (so auch Schönleiter a.a.O., Rd-Nr. 115).

b.

Ein Verstoß gegen § 34 d Abs. 4 GewO ist nicht darin zu sehen, dass die Vertrauensleute des Beklagten die vermittelten Verträge mit der HM. Krankenversicherung AG nicht direkt bei dieser einreichen, sondern über die Fa. IHM dorthin weiterleiten. Auch bei dieser Weiterleitung eines vermittelten Vertrags bleibt die HM. Krankenversicherung AG bzw. der betreffende Kooperationspartner das jeweils maßgebliche Versicherungsunternehmen. Dem Versicherungsvermittler ist es allein verboten, im Bereich der "Ventilgeschäfte" im Rahmen eines Strukturvertriebs mit einem Versicherungsmakler, einem Makler- oder Vermittlerpool zusammen zu arbeiten, ohne von einem Versicherungsunternehmen im Versicherungsvermittlerregister angemeldet zu sein (BT-Drs. 16/1935, Seite 19 "zu Absatz 4"; Schönleiter a.a.O., Rd-Nr. 119; Adjemian, GewArch 2009, S. 187). Hier sind die Vertrauensleute durch die Anmeldung des Beklagten unmittelbar an ihn gebunden.

Sind die sog. Ventilgeschäfte daher grundsätzlich zulässig, kann der Hauptantrag der Klägerin keinen Erfolg haben.

2.

Dagegen hat der Hilfsantrag der Klägerin zu einem Teil Erfolg, denn dieser ist beschränkt auf die Vorgänge, in denen die Vertrauensleute des Beklagten "im Ventilbereich" nicht nur ein Angebot zusenden, sondern mehrere, in Konkurrenz zueinander stehende Verträge offerieren.

a.

Die Abgabe konkurrierender Angebote "im Ventil" durch die Vertrauensleute des Beklagten ist nach Auffassung des Senats unzulässig, denn sie stellt gemäß § 4 Ziffer 11 UWG eine unzulässige geschäftliche Handlung dar.

Dass solche Angebote als eine geschäftliche Handlung anzusehen sind, ist ebenso unproblematisch wie der Umstand, dass § 34 d GewO eine Marktverhaltensregel im Sinne des § 4 Ziffer 11 UWG darstellt (Böckmann/Ostendorf VersR 2009, S. 154, 156; LG Wiesbaden, GRUR 2008, S. 359).

Konkurrierende Angebote "im Ventilbereich" durch gebundene Versicherungsvertreter sind wegen Verstoßes gegen § 34 d GewO unzulässig.

Diese Auffassung wird in der ganz überwiegenden Literatur vertreten. Schönleiter (a.a.O., Rd-Nr. 116) führt dazu aus:

"Zu weitgehend und damit unzulässig ist ein Angebot im Ventilbereich von Versicherungsprodukten verschiedener Versicherungen, z.B. von Lebensversicherungen dreier Anbieter. Damit wäre nämlich ein Konkurrenzverhältnis begründet, das mit Abs. 4 Nr. 1 gerade ausgeschlossen werden soll. Diese Unzulässigkeit von konkurrierenden Produkten bezieht sich nicht nur auf die Angebotspalette des bindenden Mutter-VU zu anderen VU, sondern auch für den Bereich der Angebote im Ventilgeschäft."

Auch Böckmann/Ostendorf (in VersR 2009, S. 154) sehen dies entsprechend: Auch "im Ventil" könne makelnde Tätigkeit bei der Vermittlung von Versicherungsprodukten entfaltet werden; solche makelnde Tätigkeit sei gemäß § 34 d Abs. 4 GewO für unzulässig (a.a.O., S. 156).

Adjemian/Dening/Klopp/Kürn/Moraht/Neuhäuser (in GewArch 2009, S. 137) schließen sich dieser Auffassung an: Ab-und-Zu-Makler verstießen gegen die Vorschrift des § 34 d GewO, weil eine solche Tätigkeit dem Wortlaut und dem Willen des Gesetzgebers widerspreche, der strikt zwischen den Tätigkeitsarten "Vermittler" und "Makler" habe trennen wollen (a.a.O., S. 139).

Der Senat folgt dieser Auffassung. Für sie sprechen folgende Gesichtspunkte:

Mit der Reform des Versicherungsrechts im Jahre 2007 wollte der Gesetzgeber eine strikte Trennung zwischen den Tätigkeitsarten "Vermitteln" und "Maklen" erreichen. Wenn aber dem gebundenen Versicherungsvertreter - wie im vorliegenden Fall - über eine Vielzahl von Kooperationspartnern die Möglichkeit gegeben wird, dem jeweiligen Kunden in Konkurrenz stehende Produkte verschiedener Versicherungsunternehmen anzubieten, kommt dies einer makelnden Tätigkeit nahe. Die strikte Trennung zwischen "Vermitteln" und "Makeln" wäre nicht mehr gewährleistet.

Die Befreiung von der Erlaubnispflicht gem. § 34 Abs. 4 GewO stellt eine Ausnahme von dem in Absatz 1 geregelten Grundsatz dar. Bereits mit der Anerkennung der grundsätzlichen Zulässigkeit des "Ventils" wird diese Ausnahmeregelung in ihrer Anwendung auf Sachverhalte ausgedehnt, die über die Vermittlung von Produkten aus der Palette des Mutter-Versicherungsunter-nehmens hinausgehen. Für die Zulässigkeit einer weiteren Ausdehnung geben weder der Wortlaut noch Sinn und Zweck des Gesetzes und auch nicht der Wille des Gesetzgebers etwas her. Im Übrigen gilt auch hier, dass der Gesetzgeber, hätte er im "Ventil" konkurrierende Produkte von der Erlaubnispflicht ausnehmen wollen, dies ausdrücklich, jedenfalls in die Begründung zum Gesetzentwurf aufgenommen hätte.

Die entgegenstehenden Ausführungen des Beklagten überzeugen den Senat nicht:

Zwar ist es richtig, dass in der Gesetzesbegründung für die Privilegierung des Ausschließlichkeitsvertreters entscheidend auf die uneingeschränkte Haftungsübernahme eines Versicherungsunternehmens abgestellt wird. Die Haftungsübernahme ist jedoch nur eine der zwei Voraussetzungen des § 34 d Abs. 4 GewO. Zunächst muss zur Rechtfertigung der Privilegierung das Tatbestandsmerkmal "nicht in Konkurrenz stehen" erfüllt sein, erst dann kommt es auf die Haftungsübernahme an. Letztere entscheidet also nicht über das Vorliegen eines etwaigen Konkurrenzverhältnisses, sondern über dessen Bestehen oder Nichtbestehen ist vor Prüfung der Haftungsübernahme zu befinden. Mit anderen Worten: Selbst wenn sich die Haftungsübernahme des Beklagten auch auf die Vermittlung von konkurrierenden Fremdprodukten im "Ventil" erstreckte, vermag eine solche Erklärung den gesetzgeberischen Willen nicht dahin zu verkehren, dass sie im Ergebnis auch im Falle der Vermittlung von in Konkurrenz stehenden Produkten von der Erlaubnispflicht befreit. Auf den Umfang des "Ventilgeschäfts" im Verhältnis zum Gesamtgeschäftsvolumen kommt es nicht an. Auch wenn der gebundene Vermittler nur "ab und zu" ein im "Ventil" konkurrierendes Produkt vermittelt, stellt das Gesetz die Erlaubnispflicht nicht in das Belieben des Mutterunternehmens.

b.

Der Antrag zu Ziffer 1 ist indes dennoch unbegründet. Mit diesem Antrag begehrt die Klägerin das an den Beklagten gerichtete Verbot, die Vertrauensleute anzuweisen oder sonst zu veranlassen, "im Ventilbereich" konkurrierende Versicherungsverträge zu vermitteln bzw. solche Verträge an die Fa. IHM weiterzuleiten.

Voraussetzung für die Begründetheit dieses Antrages ist, dass der Beklagte die zu verbietenden Tätigkeiten vorgenommen hat, oder dass dafür aus den Umständen zumindest eine Erstbegehungsgefahr anzunehmen ist (Hefermehl/ Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 8 Rd.-Nr. 1.52).

Dies ist nicht der Fall. Dem Vortrag der Klägerin ist nicht zu entnehmen, dass der Beklagte seine Vertrauensleute angewiesen oder sonst veranlasst hat, im "Ventil" konkurrierende Versicherungsprodukte anzubieten. Die Agenturverträge geben lediglich einen Hinweis darauf, dass "Ventilgeschäfte" grundsätzlich vorgenommen werden dürfen und sollen. Daneben werden die Vertrauensleute angewiesen, die Wettbewerbsregeln einzuhalten. Der Beklagte hat durch die Ziffern 1.3 und 3.3 der Agenturverträge seine Vertrauensleute gerade darauf hingewiesen, dass unzulässige Angebote zu unterlassen sind. Dass einzelne Vertrauensleute diesem Hinweis nicht Folge leisten, lässt ohne weiteren konkreten Vortrag keinen Rückschluss darauf zu, dass der Beklagte diese entsprechend angewiesen oder sonst entsprechend veranlasst hat.

c.

Ebenso ist der Antrag zu Ziffer 2 b. unbegründet. Eine Grundlage für den Anspruch der Klägerin darauf, dass der Beklagte seinen Vertrauensleuten aufgeben soll, Interessenten stets mitzuteilen, dass "im Ventilbereich" keine konkurrierenden Angebote abgegeben werden können, ist nicht ersichtlich, denn eine solche Mitteilung geht über das Verhindern unzulässiger Angebote hinaus.

d.

Lediglich der Hilfsantrag zu Ziffer 2 a. ist teilweise begründet, denn die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass der Beklagte seine Vertrauensleute auffordert, künftig konkurrierende Angebote "im Ventilbereich" zu unterlassen (aa.). Einen Anspruch auf Unterlassung der Weiterleitung solcher Verträge über die Fa. IHM hat die Klägerin indes nicht (bb.).

aa.

Der Anspruch ergibt sich aus § 8 Abs. 1 UWG. Danach kann derjenige auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, der eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vorgenommen hat, bzw. derjenige, dessen unzulässige Handlung erstmals droht. Der Hilfsantrag der Klägerin zu Ziffer 2 a. stellt sich trotz der positiv ausgedrückten Formulierung als Unterlassungsantrag dar. Ein Unterlassungsanspruch zielt auf die Abwehr künftiger Verletzungen, während ein Beseitigungsanspruch der Abwehr einer bereits eingetretenen, aber fortwirkenden Beeinträchtigung dient. Hier geht es nicht um die Abwehr der durch die bereits erfolgten unzulässigen Angebote, sondern um das Verhindern zukünftiger.

(1)

Die Klägerin ist gemäß § 8 Abs. 3 Ziff. 1 UWG aktivlegitimiert, denn sie ist Mitbewerberin des Beklagten.

Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Ziff. 3 UWG ist Mitbewerber jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis setzt voraus, dass sich die beteiligten Unternehmen auf demselben sachlich, räumlich und zeitlich relevanten Markt betätigen (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 2 Rd-Nr. 100).

Das ist hier der Fall. Die Klägerin hat ihren Geschäftssitz in N., mithin im Einzugsbereich des Beklagten. Es geht um das derzeitige Geschäft im Bereich der Versicherungen. Unerheblich ist, dass die Klägerin Maklerin ist und der Beklagte ein Versicherungsunternehmen, sich die Parteien somit auf verschiedenen Wirtschaftsstufen befinden. Maßgeblich ist insoweit nur, dass sie sich im Ergebnis an den gleichen Abnehmerkreis wenden (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., Rd-Nr. 105). Dies ist hier ersichtlich der Fall, denn beide Parteien haben die Versicherungsnehmer als Kunden.

(2)

Wie oben unter Ziffer 2 a. bereits dargelegt, handelt es sich bei konkurrierenden Angeboten "im Ventilbereich" um eine gemäß § 4 Ziffer 11 UWG unzulässige geschäftliche Handlung.

(3)

Für diese ist der Beklagte auch gemäß § 8 Abs. 2 UWG verantwortlich. Danach begründen in einem Unternehmen auch Zuwiderhandlungen, die durch einen Mitarbeiter oder Beauftragten begangen werden, einen Beseitigungsanspruch gegen das Unternehmen. Versicherungsvertreter sind idR Handelsvertreter und als solche Mitarbeiter im Sinne dieser Vorschrift (vgl. Hefermehl/Köhler/Born-kamm, a.a.O., Rd-Nr. 2.45; Blankenburg, VersR 2010, S. 581, 584; BGH VersR 2003, S. 1414 - für einen Handelsvertreter). Die Zuwiderhandlung ist auch "in einem Untenehmen" begangen worden. Das ist nicht räumlich, sondern funktional zu verstehen. Maßgebend ist, dass die Handlung durch den Mitarbeiter in dieser Eigenschaft begangen wurde, die Handlung also in den Geschäftskreis des Unternehmens fiel und diesem zugute kommen sollte (Hefermehl/Köhler/ Bornkamm, a.a.O., Rd-Nr. 2.47). Das ist hier der Fall.

(4)

Der Senat sieht entgegen der Auffassung des Beklagten auch keine Anhaltspunkte für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs gemäß § 8 Abs. 4 UWG.

(5)

Der Verfügungsgrund wird gemäß § 12 UWG vermutet. Umstände zur Widerlegung dieser Vermutung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

bb.

Dagegen hat die Klägerin keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte seine Vertrauensleute auffordert, im "Ventil" mehrere konkurrierende Verträge eines Interessenten über die Fa. IHM weiterzuleiten. Dafür dass die Vertrauensleute des Beklagten so verfahren, ist nichts ersichtlich. Selbst wenn in nach Auffassung des Senats unzulässiger Weise mehrere solcher Angebote an einen Interessenten gesandt werden, wird sich dieser nur für eines von ihnen entscheiden. Nur dieses Angebot wird dann über die Fa. IHM in zulässiger Weise an den jeweiligen Kooperationspartner des Beklagten weitergeleitet. Etwas Abweichendes hat die Klägerin auch nicht vorgetragen und wäre auch nicht plausibel.

3.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 92 Abs. 1 ZPO. Einer Entscheidung zur Vollstreckbarkeit bedarf es wegen § 542 ZPO nicht.

RechtsgebieteGewO, UWG, GGVorschriften§ 34d Abs. 4 GewO § 2 Abs. 1 Ziff. 3 UWG § 4 Ziff. 11 UWG § 12 Abs. 2 UWG Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG

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