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25.03.2011 · IWW-Abrufnummer 111015

Landgericht Dortmund: Urteil vom 13.01.2011 – 2 O 139/10

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht Dortmund
2 O 139/10
Tenor: Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin, mit Ausnahme der durch die Nebenintervention entstandenen Kosten; diese trägt die Nebenintervenientin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägern kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
T a t b e s t a n d
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung auf Versicherungsprämie für eine Krankenversicherung für den Zeitraum 01.04.2008 bis 30.11.2009 in Anspruch.
Die Beklagte, seinerzeit Pächterin und Betreiberin einer Tankstelle, war freiwillig gesetzlich krankenversichert. Im Dezember 2007 stellte sie über einen Makler, die Nebenintervenientin, bei der Klägerin einen Antrag auf Abschluss einer privaten Krankenversicherung. Am 27.12.2007 erhielt sie von der Verpächterin der Tankstelle, einer Mineralölgesellschaft, die Kündigung des Pachtvertrages mit der Aufforderung, die Tankstelle zum 31.12.2008 zu übergeben. Die Beklagte einigte sich mit der Verpächterin auf eine Übergabe der Tankstelle am 03.04.2008. Wegen dieser bevorstehenden Beendigung der selbständigen Tätigkeit bat die Beklagte die Nebenintervenientin – nach ihrer Behauptung am 07.01.2008 -, dem Vertragsabschluss bei der Klägerin zu widersprechen, was die Nebenintervenientin mit Fax vom 30.01.2008 auch tat. Die Klägerin wies den Widerspruch als verspätet zurück. Zugleich bat sie um Nachweis der nach Mitteilung des Maklers über den 01.04.2008 hinaus bestehenden Pflichtversicherung, um die Beendigung der Krankenversicherung bei ihr prüfen zu können.
Die Klägerin behauptet, mit Schreiben vom 11.03.2008 den Nachweis der C Ersatzkasse und mit Schreiben vom 06.04.2008 ihre Gewerbeanmeldung übersandt zu haben. Die Klägerin bestreitet den Zugang dieser Schreiben.
Im Laufe des Rechtsstreits hat die Beklagte eine Bescheinigung ihrer gesetzlichen Krankenversicherung beigebracht, wonach für sie vom 04.04.2008 bis 14.05.2008 eine Familienversicherung gemäß § 10 SGB V bestand und sie seit dem 15.05.2008 als versicherungspflichtige Beschäftigte gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V angemeldet ist.
Die Beklagte hat der vermittelnden Maklerin den Streit verkündet. Diese ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten. Sie behauptet, dass Versicherungsschein und Verbraucherinformationen der Beklagten unmittelbar von der Klägerin übersandt worden seien, die diese Unterlagen an sie – der Nebenintervenientin – weitergeleitet habe. Den Auftrag, die Krankenversicherung bei der Klägern zu widerrufen, habe die Beklagte erst am 30.01.2008 erteilt.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Widerruf des Krankenversicherungsvertrages verspätet sei, da die Beklagte in der Streitverkündungsschrift vom 15.09.2010 selbst vorgetragen habe, dass ihr Versicherungsschein, Versicherungsbedingungen und Widerrufsbelehrung am 12.01.2008 zugegangen sein. Die spätere Berichtigung dieser Angaben sei unglaubwürdig. Sie will zum Zugangsnachweis § 270 Satz 2 ZPO heranziehen und vertritt hinsichtlich des Zugangs der von der Beklagten angeblich an sie übersandten Schreiben die Auffassung, dass insoweit ein Anscheinsbeweis nicht zulässig sei.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 8.549,54 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf einen Teilbetrag von 1.185,94 € ab dem 15.12.2009, auf einen Teilbetrag von 3.313,62 € ab dem 15.12.2009, zuzüglich Säumniszuschlag in Höhe von 1 % pro angefangenem Monat auf einen Teilbetrag von 363,18 € ab dem 02.01.2009, auf einen Teilbetrag von 368,15 e€ ab dem 02.02.2009, auf einen Teilbetrag von 368,18 € ab dem 02.03.2009, auf einen Teilbetrag von 348,18 € ab dem 02.04.2009, auf einen Teilbetrag von 368,18 € ab dem 02.05.2009, auf einen Teilbetrag von 368,18 € ab dem 02.06.2009, auf einen Teilbetrag von 368,18 € ab dem 02.07.2009, auf einen Teilbetrag von 368,18 € ab dem 02.08.2009, auf einen Teilbetrag von 368,18 € ab dem 02.09.2009, auf einen Teilbetrag von 368,18 € ab dem 02.10.2009, auf einen Teilbetrag von 368,18 € ab dem 02.11.2009, darüber hinaus vorgerichtliche Mahnkosten in Höhe von 12,50 € und Rechtsanwaltskosten in Höhe von 780,40 € zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Nebenintervenientin hat keinen Antrag gestellt.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass dem Krankenversicherungsvertrag mit der Klägerin rechtszeitig widersprochen worden sei. Ihre in der Streitverkündung gemachte Angabe einer Zustellung des Versicherungsscheins am 07.01.2008 hat sie bei ihrer Anhörung am 23.09.2010 dahingehend korrigiert, dass ihr der Versicherungsschein überhaupt nicht zugegangen sei. Diese Unterlagen seien von der Klägerin direkt an die Nebenintervenientin übersandt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt, der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin kann von der Beklagten keine Prämien für die abgeschlossene Krankenversicherung verlangen, weil die Beklagte ihre Vertragserklärung rechtzeitig widerrufen hat, § 8 Abs. 1 Satz 1 VVG, jedenfalls aber eine rückwirkende Kündigung der Krankenversicherung nach § 205 Abs. 2 VVG durch die Beklagte erfolgt ist.
I.
Auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien findet das VVG 2008 Anwendung, da der Krankenversicherungsvertrag nach dem 31.12.2007 geschlossen worden ist, Artikel 12 des VVG-Reformgesetzes.
II.
Die Beklagte hat ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen wirksam widerrufen, § 8 Abs. 1 Satz 1 VVG. Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 begann die Widerrufsfrist zu dem Zeitpunkt, zu dem Versicherungsschein und Vertragsbestimmungen mit einer deutlich gestalteten Belehrung über das Widerrufsrecht der Beklagten zugegangen sind. Danach wäre der am 30.01.2008 durch die Nebenintervenientin erklärte Widerruf nur dann verspätet, wenn der Beklagten die genannten Vertragsunterlagen mehr als 14 Tage vorher zugegangen wären. Davon kann das Gericht indes nicht ausgehen.
1. Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 VVG obliegt dem Versicherer der Nachweis über den Zugang der Unterlagen nach Satz 1. Damit ist dem Versicherer nicht nur die Beweislast dafür auferlegt worden, dass dem Antragsteller die erforderlichen Unterlagen überhaupt zugegangen sind. Der Versicherer muss auch beweisen, dass die Unterlagen dem Antragsteller so rechtzeitig zugegangen sind, dass der Widerruf der Vertragserklärung außerhalb der 2-Wochen-Frist des § 8 Abs. 1 Satz 1 VVG liegt. Dieser Auffassung entspricht der schon unter Geltung des alten VVG vorherrschenden Meinung, dass dem Versicherer ohne Zubilligung von Beweiserleichterungen oder Erfahrungssätzen der volle Beweis dafür obliegt, wann ein eine bestimmte Frist in Lauf setzendes Schreiben dem Antragsteller bzw. Versicherungsnehmer zugegangen ist (OLG Hamm, VersR 2007, 1397). Die Absendung des Schriftstückes beweist weder dessen Zugang noch den Zugangszeitpunkt. Insoweit bestehen auch keine Erfahrungssätze, dass und innerhalb welcher Zeit Postsendungen den Empfänger erreichen. Der Versicherer ist insoweit auch nicht schutzwürdig. Er kann z. B. durch Einschreiben mit Rückschein ohne Probleme den Zugang beweisen. Wenn er aus Kostengründen auf eine Versendung mit Nachweismöglichkeit des Zugangs verzichtet, kann dies nicht zu Lasten der anderen Vertragspartei gehen. Der Auffassung des OLG Frankfurt, VersR 2009, 1394, wonach bei einem unstreitigen Zugang eines Schreibens des Versicherers der Zeitpunkt des Zugangs nach § 270 Satz 2 ZPO vermutet werden kann, vermag sich das Gericht deshalb nicht anzuschließen.
Der Klägerin ist zuzugeben, dass sie den Beweis des Zugangs eines Schriftstückes auch mit Indizien führen kann. Dazu weist die Klägerin darauf hin, dass der Vortrag der Beklagten durchaus widersprüchlich gewesen ist. So hat die Klägerin mit der Streitverkündungsschrift vortragen lassen, dass ihr die Vertragsunterlagen am 12.01.2008 zugegangen seien. Diesen Vortrag hat die Beklagte jedoch bei ihrer Anhörung im Termin vom 23.09.2010 dahingehend korrigiert, dass sie nunmehr behauptet, die Vertragsunterlagen seien ihr überhaupt nicht, sondern wohl nur der Nebenintervenientin zugegangen. Aus diesem Widerspruch im Vortrag der Beklagten folgt indes zur Überzeugung des Gerichts nicht, dass die für die Klägerin günstige Sachverhaltsdarstellung mit einem Zugangszeitpunkt 12.01.2008 richtig wäre, da nicht auszuschließen ist, dass ein Informationsversehen beim Prozessbevollmächtigten der Beklagten vorliegt.
2. Mit dem Vorbringen der Streitverkündungsschrift hat die Beklagte den Zugangszeitpunkt auch nicht mit Geständniswirkung zugestanden, § 288 ZPO. Ein gerichtliches Geständnis kann sich nur auf Behauptungen beziehen, welche die Gegenpartei vorgetragen hat (BGH NJW 1978, 884). Die Beklagte war daher nicht schon an den eigenen Vortrag in der Streitverkündungsschrift gebunden, wonach ihr die Vertragsunterlagen am 12.01.2008 zugegangen sind, da die Klägerin solches zuvor nicht vorgetragen hatte. Geständniswirkung hätte das Vorbringen der Beklagten erst dann entfalten können, wenn es sich die Klägerin zu eigen gemacht hätte und wenn alsdann darüber vorbehaltlos verhandelt worden wäre. Eine solche Übernahme des Beklagtenvortrags durch die Klägerin wäre erforderlich gewesen, um zu Lasten der Beklagten eine Bindungswirkung als (vorweggenommenes) Geständnis zu erzeugen (BGH NJW 2004, 513). Bloßes Nichtbestreiten begründet regelmäßig noch keine Bindungswirkung in diesem Sinne. Die Klägerin hat sich indes die in der Streitverkündungsschrift aufgestellte Behauptung der Beklagten vor deren Widerruf nicht zu eigen gemacht. Sie hat sich vielmehr auf die Zustellungsfiktion des § 270 Abs. 2 ZPO zurückgezogen, die in ihrer Anwendung keine Zustellung zum 12.01.2008 ergeben würde, da die Klägerin Versendung an die Beklagten am 09.01.2008 vorgetragen hat, so dass nach der Zustellungsfiktion von einem Zugang am 10. bzw. 11.01.2008 auszugehen wäre.
Da die Klägerin somit einen Zugangszeitpunkt der Vertragsunterlagen bei der Beklagten bzw. der sie vertretenden Nebenintervenientin nicht beweisen kann, jedenfalls keinen solchen, der mehr als 14 Tage vor dem Widerruf der Vertragserklärung der Beklagten liegt, hat das Gericht davon auszugehen, dass die Beklagte ihre Vertragserklärung durch die Nebenintervenientin rechtzeitig innerhalb der Frist des § 8 Abs. 1 Satz 1 VVG widerrufen hat, so dass ein Krankenversicherungsvertrag zwischen den Parteien letztlich nicht zustande gekommen ist, weshalb der Klägerin aus einem solchen Vertrag auch keine Prämienansprüche zustehen können.
III.
Im Übrigen ist auch von einer rückwirkenden Kündigung der Krankenversicherung nach § 205 Abs. 2 VVG auszugehen. § 205 Abs. 2 Satz 1 VVG bestimmt, dass eine versicherte Person, die kraft Gesetzes krankenversicherungspflichtig wird, binnen drei Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht eine Krankheitskostenversicherung rückwirkend zum Eintritt der Versicherungspflicht kündigen kann. Eine solche Kündigung ist durch die Nebenintervenientin erfolgt. Denn die Nebenintervenientin hat mit Schreiben vom 30.01.2008 der Klägerin mitgeteilt, dass der Krankenversicherungsvertrag mit der Beklagten nicht zustande kommen wird, weil die Beklagte weiterhin gesetzlich pflichtversichert bleibt. Allerdings wird gemäß § 205 Abs. 2 Satz 2 VVG die auf Satz 1 gestützte Kündigung unwirksam, wenn der Versicherungsnehmer dem Versicherer den Eintritt der Versicherungspflicht nicht innerhalb von zwei Monaten nachweist, nachdem der Versicherer ihn hierzu in Textform aufgefordert hat, es sei denn, der Versicherungsnehmer hat die Versäumung dieser Frist nicht zu vertreten. Dazu hat die Beklagte behauptet, dass sie den erforderlichen Nachweis innerhalb der 2-Monats-Frist an die Klägerin gesandt hat, nachdem diese eine Aufforderung dazu in Textform abgegeben hatte. Allerdings kann die Beklagte den Zugang nicht beweisen, da dieser von der Klägerin bestritten wird. Auch der Beklagten kommen keine Beweiserleichterungen zu, dass ein zur Post gegebenes Schriftstück den Empfänger auch erreicht haben muss. Die Beklagte hat dem Gericht bei ihrer Anhörung versichert, dass sie die zwei Schreiben selbst zur Post aufgegeben hat. Das Gericht hat keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln. Diese Angaben zugrundelegend ist davon auszugehen, dass die Beklagte es nicht zu vertreten hat, dass die Unterlagen nicht innerhalb der zweimonatigen Frist bei der Klägerin eingegangen sind. Nach der eindeutigen Regelung des § 205 Abs. 2 Satz 2 VVG ist damit die Überschreitung der 2-Monats-Frist unschädlich. Da der Klägerin die erforderlichen Unterlagen jedenfalls im Laufe des Rechtsstreites zugegangen sind, ist die Kündigung des Vertrages wirksam geblieben und hat ihre Wirkung nicht nach § 205 Abs. 2 Satz 2 VVG verloren. Dem Gesetz lässt sich nicht entnehmen, dass bei Versäumung der Nachweisfrist ein unverzügliches Nachholen geboten ist, um die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung zu erhalten, so dass der im Laufe des Rechtsstreites erbrachte Nachweis ausreicht, um die Folgen einer unentschuldigten Fristversäumung zu verhindern.
IV.
Die Klage musste mit der Kostenfolge aus §§ 91, 101 ZPO abgewiesen werden.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und deren Abwendung beruht auf §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.

RechtsgebieteVVG, ZPOVorschriften§ 8 Abs. 1 S. 1 VVG § 8 Abs. 2 S. 3 VVG § 205 Abs. 2 VVG § 270 S. 2 ZPO

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