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18.03.2011 · IWW-Abrufnummer 110976

Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 14.06.2000 – 3 U 202/99

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 10. Juni 1999 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,00 DM abwenden, falls nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Beide Parteien können Sicherheit auch durch eine unbedingte und unbefristete Bürgschaft einer deutschen Großbank, Genossenschaftsbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbringen.
Tatbestand
Die 1948 geborene Klägerin ist Krankenschwester bei der C. Sie befand sich in gynäkologischer Behandlung bei dem Streitverkündungsempfänger H, der die Klägerin in den Jahren 1988, 1989, 1990 und 1992 an den Beklagten überwies. Dieser führte am 29.08.1988, am 06.12.1989, am 01.10.1990 und am 11.12.1992 Röntgenrastermammographien durch und erkannte darauf keine karzinomverdächtigen Strukturen. Hierüber und über eine am 06.12.1989 durchgeführte Sonographie berichtete der Beklagte jeweils dem Gynäkologen H. Im Bericht vom 14.12.1992 empfahl der Beklagte gegenüber H, weiter regelmäßige Kontrolluntersuchungen durchführen zu lassen. Nach Überweisung des Gynäkologen H stellte der Beklagte am 06.12.1994 eine kinderfaustgroße Verhärtung im oberen, äußeren Quadranten der linken Brust fest. Aufgrund des dringenden Verdachts auf ein Malignom empfahl er eine operative Entfernung des Tumors. Am 09.12.1994 wurde der Klägerin die linke Brust abgenommen. Der Krebs hatte mittlerweile in das Lymphsystem metastasiert. In der rechten Brust befanden sich keine tumorverdächtigen Veränderungen. Die Klägerin hat den Beklagten auf Zahlung materieller Schäden in Höhe von 29.750,35 DM, auf Zahlung eines Schmerzensgeldes - Vorstellung: 100.000,00 DM – und Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz weiterer materieller und immaterieller Schäden in Anspruch genommen. Sie hat behauptet, daß der Beklagte die pathologischen Veränderungen an der linken Brust übersehen habe. Der Beklagte hat behauptet, daß sich kein Verdacht auf ein malignes Geschehen ergeben habe. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, daß dem Beklagten weder ein Diagnoseirrtum noch vorzuwerfen sei, daß er keine weiteren Befunde erhoben habe.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung und beantragt,
das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 10.06.1999 abzuändern und
I.
den Beklagten zu verurteilen,
1.an sie 29.750,35 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 19.06.1998 sowie
2.ein in das Ermessen des Senats gestelltes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen;
3.festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden aus den Behandlungen des Beklagten seit dem 11.12.1992 zu ersetzen, soweit nicht öffentlich-rechtlicher Forderungsübergang vorliegt;
II.
hilfsweise im Falle einer revisionsfähigen Entscheidung für sie die Schutzanordnungen der ZPO zu treffen.
Der Beklagte beantragt,
1.die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen;
2.ihm notfalls nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden und diese durch Bankbürgschaft erbringen zu können.
Die Parteien wiederholen, vertiefen und ergänzen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die in dieser Instanz gewechselten Schriftsätze mit ihren Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat die Parteien und den Privatgutachter B angehört sowie den Sachverständigen N sein schriftliches Gutachten erläutern lassen. Insoweit wird auf den Vermerk des Berichterstatters zum Senatstermin vom 14. Juni 2000 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung bleibt ohne Erfolg.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keine Schadensersatzansprüche aus den §§ 847, 823 BGB oder aus einer schuldhaften Verletzung von Sorgfaltspflichten des Behandlungsvertrages. Fehler des Beklagten bei der Behandlung der Klägerin lassen sich nicht feststellen.
Auch die erneute Beweisaufnahme durch den Senat hat nicht ergeben, daß die Klägerin durch den Beklagten fehlerhaft behandelt worden ist. In der Beurteilung des Behandlungsgeschehens macht sich der Senat die Feststellungen des Sachverständigen N, der sein Gutachten überzeugend erläutert hat, zu eigen. Danach sind die erstellten Mammographien, insbesondere die Mammographien vom 11.12.1992 von dem Beklagten regelrecht befundet worden. Im Senatstermin sind die Originale der gefertigten Mammographien in Augenschein genommen worden. Dabei hat der Sachverständige N augenscheinlich erläutert, daß die Aufnahmen vom 11.12.1992 gegenüber den Aufnahmen aus den Jahren 1989 und 1990 zeigen, daß es zu einer Aufhellung in weiten Teilen der linken Brust gekommen ist. Diese Aufhellungen deuten auf eine gleichmäßige Zunahme der Verdichtung des Brustdrüsengewebes hin. Diese gleichmäßige Zunahme der Aufhellungen sei auch auf den von der rechten Brust am 11.12.1992 gefertigten Mammographien zu erkennen. Daß diese Aufhellungen und die daraus zu schlußfolgernde Gewebeverdichtungen sich über nahezu alle Teile beider Brüste erstrecken, hat auch der Privatgutachter B bestätigt. Die gleichmäßigen Aufhellungen im Bereich beider Brustaufnahmen waren auch für den Senat deutlich zu erkennen.
Aufgrund dieser Aufnahmen, insbesondere der Aufnahmen vom 11.12.1992 bestand für den Beklagten kein Anlaß, einen Tumorverdacht zu äußern. Der Senat folgt nicht der Auffassung des Privatgutachters B, daß der Beklagte im Dezember 1992 eine weitere Abklärung dringend hätte empfehlen müssen. Der Privatgutachter geht hierbei von der Prämisse aus, daß ein Karzinomverdacht aufgrund der Mammographieaufnahmen vom 11.12.1992 bestanden hat. Diese Prämisse aber ist aus den vorgenannten Gründen nicht zutreffend.
Der Beklagte hat es auch nicht unterlassen, weitere gebotene Befunde zu erheben. Dabei geht der Senat aufgrund der Anhörung des Beklagten davon aus, daß er stets vor Durchführung der Mammographien einen Tastbefund durchführt und daß er Auffälligkeiten dokumentiert hätte. Daß der Beklagte auch bei ihr einen solchen Tastbefund am 11.12.1992 erhoben hat, ist von der Klägerin nicht bestritten worden. Entscheidend ist danach, daß der Beklagte keinen auffälligen Befund ertastet hat, mögen auch die Klägerin oder ihr früherer Lebensgefährte von einem "deutlichen Tastbefund" ausgegangen sein. Dem Senat ist aus einer Vielzahl von vergleichbaren Verfahren bekannt, daß ein von einer Patientin getasteter Knoten in der Brust von einem behandelnden Gynäkologen oder Radiologen nicht zwingend getastet werden muß.
Es war auch für den Beklagten insbesondere 1992 nicht geboten, eine Biopsie oder eine Ultraschalluntersuchung durchzuführen. Eine Biopsie wäre nur bei einem Verdacht auf ein malignes Geschehen indiziert gewesen. Dieser Verdacht aber lag aus den zuvor genannten Gründen nicht vor. Zudem wäre, wenn man dem Privatgutachter B folgen würde, die Biopsie im Bezirk der unteren linken Brust durchgeführt worden, weil dort die Aufhellung am deutlichsten auf den Mammographien vom 11.12.1992 zu sehen war. Hierbei aber hätte sich mit Sicherheit nicht der Verdacht auf ein Malignom bestätigt.
Angesichts der Mammographieaufnahmen vom 11.12.1992 war der Beklagte im Dezember 1992 nicht gehalten, eine weitere Ultraschalluntersuchung durchzuführen, weil die Mammographien keinen Verdacht auf ein malignes Geschehen ergeben hatten. Selbst wenn man die Durchführung einer Sonographie für geboten halten würde, dann bliebe das Ergebnis - bei der Auflösungsmöglichkeit der im Jahr 1992 vorhandenen Sonographiegeräte – rein spekulativ.
Schließlich genügte auch die Empfehlung des Beklagten, Kontrolluntersuchungen regelmäßig durchführen zu lassen. Einer zeitlichen Eingrenzung bedurfte es hier nicht, weil die Empfehlung gegenüber dem überweisenden Gynäkologen im Arztbericht vom 14.12.1992 mitgeteilt und es dem Gynäkologen überlassen bleiben mußte, die Frequenz weiterer radiologischen Untersuchungen zu bestimmen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 108, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Das Urteil beschwert die Klägerin mit mehr als 60.000,00 DM.

RechtsgebietBGBVorschriften§ 276 BGB, § 823 Abs 1 BGB

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