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17.02.2011 · IWW-Abrufnummer 110621

Verwaltungsgericht Düsseldorf: Urteil vom 15.06.2010 – 26 K 2402/09

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Verwaltungsgericht Düsseldorf

26 K 2402/09

Tenor: Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Be-klagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:
Der Kläger ist Finanzbeamter im Dienst des beklagten Landes und beihilfeberechtigt. Dem Grunde nach beihilfeberechtigt ist der Kläger auch in Bezug auf krankheitsbedingte Aufwendungen seiner im Jahr 1997 geborenen Tochter G.
Die Tochter des Klägers unterzog sich einer kieferorthopädischen Behandlung. Für den Behandlungszeitraum vom 04.08.2008 bis zum 19.08.2008 stellte der behandelnde Kieferorthopäde Dr. T aus U dem Kläger am 26.09.2008 ein Betrag von 1.306,62 € in Rechnung. In der Rechnung ist u.a. 28 mal die GOZ-Nr. 200 aufgeführt und die diesbezüglich erbrachte Leistung als "Versiegelg. v. kariesfreien Zähnen mit aushärt. Kunstst." beschrieben.
Auf einen Beihilfeantrag des Klägers, mit dem u.a. die Aufwendungen aus der genannten Rechnung geltend gemacht wurden, gewährte das Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen (LBV) dem Kläger durch Beihilfebescheid vom 21.10.2008 eine Beihilfe, wobei aus der Rechnung des Dr. T Aufwendungen in Höhe von 980,98 € als beihilfefähig anerkannt wurden. Soweit Dr. T Gebühren nach der Gebührennummer GOZ 200 veranschlagt hatte, versagte das LBV die Anerkennung als beihilfefähige Aufwendungen mit der Begründung, es handele sich um keine selbständigen Leistungen, sondern um unselbständige Nebenleistungen, die von der Gebührenposition der Bracketversorgung erfasst würden.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 12.11.2008 und führte unter Vorlage einer Bescheinigung des Dr. T aus, bei der in Rechnung gestellten Ziff. 200 GOZ handele es sich um eine selbständige Leistung. Da bei seiner Tochter ein extrem hohes Kariesrisiko bestehe, sei vor Aufkleben der Brackets in einer selbständigen Leistung die gesamte Labialfläche der Zähne mit einem lichthärtenden 2 Komponenten Kunststoffversiegeler versiegelt worden. Dann erst sei in einer eigenständigen Klebemaßnahme das entsprechende Bracket geklebt worden.
Durch Widerspruchsbescheid vom 11.03.2009 wies das LBV den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück und verwies zur Begründung seiner Entscheidung auf die Vorschrift des § 6 Abs. 2 GOZ, wonach nur solche selbständigen zahnärztlichen Leistungen entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses für zahnärztliche Leistungen berechnet werden könnten, die erst nach Inkrafttreten der GOZ aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse entwickelt worden seien. Bei der Versiegelung von Labialflächen handele es sich um eine analoge Bewertung, da der Leistungstext der GOZ Nr. 200 ausdrücklich nur die Versiegelung von Zahnfissuren betreffe. Bei diesen Leistungen handele es sich nicht um eine Neuentwicklung im o.g. Sinne, sodass eine gesonderte Berechnung dieser Maßnahmen durch den Zahnarzt im Wege einer Analogbewertung vom Verordnungsgeber nicht gewollt sei. Der Aufwand einer Labialflächenversiegelung entspreche auch nicht dem Aufwand einer Fissurenversiegelung. Der analoge Ansatz der GOZ-Nr. 200 könne daher nicht berücksichtigt werden.
Der Kläger hat am 06.04.2009 Klage erhoben, mit der er die Gewährung weitere Beihilfe für die Glattflächenversiegelung derjenigen Zähne begehrt, auf die im Zuge der kieferorthopädischen Behandlung Brackets geklebt worden sind.
Unter Vorlage einer weiteren schriftlichen Stellungnahme des Kieferorthopäden Dr. T vom 04.06.2009 trägt er im Wesentlichen vor: Bei Erstellung der GOZ sei eine Labialflächenversiegelung im Rahmen einer kieferorthopädischen Behandlung nicht beachtet bzw. berücksichtigt worden. Diese Leistung habe sich erst im Laufe der letzten Jahrzehnte entwickelt. Die Notwendigkeit ihrer Durchführung sei inzwischen wissenschaftlich erkannt worden und werde grundsätzlich bejaht. Das Risiko einer Karieserkrankung sei seit langem bekannt, zunächst aber nur auf Fissuren bezogen abrechnungstechnisch berücksichtigt worden. Inzwischen sei wissenschafltich erkannt, dass eine Versiegelung der Labialflächen kariesbedingte Erkrankungen vermeiden könne. Der Aufwand für die Versiegelung aus kariespräventiven Gründen sei erheblich geringer als der Aufwand für Maßnahmen, die bei entsprechenden Folgeschäden erforderlich würden, wenn die Schutzmaßnahme nicht durchgeführt würde. Medizinisch sei die Leistung unverzichtbar. Abrechnungstechnisch entspreche sie der Fissurenversiegelung mit dem gleichen Leistungsinhalt. Dass eine analoge Bewertung durchaus zulässig sei, habe jüngst erst das Verwaltungsgericht Stuttgart in einer Entscheidung vom 21.09.2009 bejaht.
Der Kläger beantragt,
das beklagte Land unter Abänderung des Beihilfebescheides vom 21. Oktober 2008 des Landesamtes für Besoldung und Versorgung in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. März 2009 zu verpflichten, ihm für die Kieferorthopädische Behandlung seiner Tochter G auf die Rechnung von Dr. T vom 26. September 2008 eine weitere Beihilfe in Höhe von 223,30 Euro zu gewähren.
Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es macht unter Bezugnahme auf die angefochtenen Bescheide geltend: Eine analoge Anwendung der GOZ-Nr. 200 bei der hier durchgeführten Labialflächenversiegelung komme nicht in Betracht, da diese zahnärztliche Leistung nicht erst nach Inkrafttreten der GOZ aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse entwickelt worden sei. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass nach Aussage des Direktors der Poliklinik für Kieferorthopädie an der Westdeutschen Kieferklinik der Universität Düsseldorf, Prof. Dr. E, sich die Wirksamkeit von Glattflächenversiegelung nicht nachweisen lasse.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die ablehnende Entscheidung des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung weiterer Beihilfe zu den Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung seiner Tochter gemäß Rechnung vom 26.09.2008.
Notwendig und angemessen und daher beihilfefähig im Sinne von § 3 Abs. 1 BVO NRW sind nach gefestigter Rechtsprechung nur solche Aufwendungen, die nach der hier einschlägigen Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) zutreffend in Rechnung gestellt worden sind. Die noch streitigen Honorarpositionen sind nach der GOZ nicht berechtigt und von der Klägerin daher dem Behandler nicht geschuldet.
Der Ansatz der GOZ-Nr. 200 für die Versiegelung glatter Zahnflächen vor der Befestigung sog. Brackets ist nicht berechtigt. Eine Abrechnung unmittelbar nach GOZ-Nr. 200 scheidet aus, weil die Versiegelung glatter Zahnflächen ausweislich der Leistungsbeschreibung von dieser Gebührenziffer nicht erfasst wird.
Eine Abrechnung analog Nr. 200 GOZ dürfte schon deshalb ausscheiden, weil der Behandler die Analogie in der Rechnung nicht ausdrücklich kenntlich gemacht hat,
so bereits Urteil der Kammer vom 20.04.2010 – 26 K 7833/09 – (n.v.)
Denn gemäß § 10 Abs. 4 GOZ ist die entsprechend bewertete Leistung für den Zahlungspflichtigen verständlich zu beschreiben und mit dem Hinweis ”entsprechend” sowie der Nummer und der Bezeichnung der als gleichwertig erachteten Leistung zu versehen.
Eine Abrechnung analog der GOZ-Nr. 200 kommt aber auch der Sache nach nicht in Betracht. Festzuhalten ist zunächst, dass in dem von der Bundeszahnärztekammer erstellten "GOZ-Beschlusskatalog" die hier streitigen Leistungen nicht genannt sind, sodass eine allgemeine Prüfung der Zulässigkeit der Analogbewertung noch nicht stattgefunden hat.
Gemäß § 6 Abs. 2 GOZ können selbständige zahnärztliche Leistungen, die erst nach Inkrafttreten dieser Gebührenordnung auf Grund wissenschaftlicher Erkenntnisse entwickelt werden, entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses für zahnärztliche Leistungen berechnet werden. Der Regelung des § 6 GOZ liegt die Absicht des Verordnungsgebers zugrunde, mit den im Gebührenverzeichnis enthaltenen und nach § 6 Abs. 1 GOZ für abrechnungsfähig erklärten Leistungen das Spektrum der wissenschaftlich allgemein anerkannten zahnärztlichen Leistungen zum damaligen Zeitpunkt vollständig abzudecken. Dazu gehörten auch Leistungen, die bis dahin analog abgerechnet, aber nicht in das Gebührenverzeichnis aufgenommen wurden (vgl. BR-Drucks. 276/87, S. 71). Dementsprechend ist eine analoge Anwendung von Leistungen des Gebührenverzeichnisses nur für solche selbständigen zahnärztlichen Leistungen zulässig, die nach dem Inkrafttreten der Gebührenordnung zur Praxisreife gelangt sind. Leistungen, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis sind, dürfen nicht im Wege der Analogie berechnet werden,
BGH, Urteil vom 23.01.2003 - III ZR 161/02 - NJW-RR 2003, 636-637; vgl. auch Meurer, Gebührenordnung für Zahnärzte, 2. Aufl. 1991, § 6 Anm. 4 und 5).
Nicht entscheidend ist, ob eine neue Leistung bereits wissenschaftlich anerkannt ist, denn eine gewisse Praxisreife genügt. Die Leistung mag wissenschaftlich noch umstritten sein, sie muss von der zahnmedizinischen Wissenschaft jedoch zumindest registriert sein,
vgl. Liebold/Raff/Wissing, GOZ-Kommentar, § 6 Anm. 10-11.
Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die Voraussetzungen für eine Analogbewertung vorliegend nicht erfüllt. Das Gericht verkennt nicht, dass die Versiegelung glatter Zahnflächen (Labial- und Bukkalflächen) als präventive Maßnahme bei der Eingliederung festsitzender Apparaturen dazu beitragen kann, Demineralisationen vorzubeugen bzw. zu vermindern, auch wenn immer noch kontroverse Diskussionen geführt werden, soweit es um die Versiegelung im Rahmen einer Multibracketapparatur geht,
vgl. etwa Göz, Untersuchung zur Effektivität eines Sealer (Light Bond®) als Schutz vor Entkalkungen während Multibrackettherapie, Inaugural-Dissertation, vorgelegt von Amely Gundula Hartmann, (http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/volltexte/2008/3542/pdf/Promotion_Amely_Hartmann.pdf).
Bei der Versiegelung von Zahnflächen handelt es sich aber - ungeachtet der Frage, ob sich eine Analogiebewertung schon deshalb verbietet, weil die Versiegelung glatter Zahnflächen als eine unselbständige Maßnahme im Zuge der Eingliederung eines Klebebrackets anzusehen sein könnte - nicht um eine zahnärztliche Leistung, die erst nach Inkrafttreten dieser Gebührenordnung auf Grund wissenschaftlicher Erkenntnisse entwickelt wurde. Vielmehr war das Verfahren der Versiegelung bei Schaffung der GOZ bereits bekannt – was sich an der Aufnahme der Nr. 200 (Versiegelung von kariesfreien Zahnfissuren mit aushärtenden Kunststoffen) in die GOZ zeigt. Auch das Leistungsziel, nämlich der Schutz vor Demineralisierung und vor Karies, ist derselbe geblieben. Schon in den 60er Jahren wurden sog. Fluoridlacke mit dem Ziel langer Verweildauer auf dem Zahn entwickelt,
vgl. die Nachweise bei Göz, Protektive Wirkung von Bracketumfeldversieglungs-Lacken gegen Initialkaries und Entkalkungen in vivo, Inaugural-Dissertation, vorgelegt von Alexander Sobiegalla, (http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/volltexte/2009/3756/pdf/Fertig_Komplett_UeBERARBEITET.pdf)
Dass dieses Verfahren der Versiegelung über die Versiegelung von Zahnrillen (Fissuren) hinaus - heute in die kieferorthopädische Behandlung in den Fällen Eingang gefunden hat, in denen bei Eingliederung einer festsitzenden kieferorthopädischen Apparatur (Multibracket) wegen der Gefahr von Entkalkungen und der Entstehung von Karies ein erhöhter Prophylaxebedarf gesehen wird, kann eine Analogbewertung nicht rechtfertigen. § 6 Abs. 2 GOZ erfasst nicht solche Verfahren, die bei Inkrafttreten der Gebührenordnung bereits entwickelt und bekannt waren, nunmehr aber ein weiteres Anwendungsfeld gefunden haben.
Aber selbst wenn man annehmen wollte, die Glattflächenversiegelung sei eine selbständige, nach Inkrafttreten der GOZ entwickelte Leistung, so haben weder Dr. T als Rechnungsaussteller noch der Kläger schlüssig dargetan, dass es sich bei den erbrachten Leistungen um nach Art, Kosten- und Zeitaufwand mit den in Ziffer 200 GOZ geregelten Leistungen gleichwertige Leistungen handelt. Gegen eine Gleichwertigkeit der Leistungen spricht insbesondere, dass in dem Vorschlag der Bundeszahnärztekammer für eine Novellierung der GOZ,
vgl. den Entwurf einer Honorarordnung für Zahnärzte – Autonome Honorarrichtlinie – Stand November 2009 - (HOZ),abrufbar auf http://www.bzaek.de/fileadmin/PDFs/goz/HOZ_2010.pdf,
der nach den Ausführungen der Bundeszahnärztekammer den aktuellen Stand einer nachhaltigen, präventiven Zahnmedizin widerspiegelt und einen verlässlichen betriebswirtschaftlichen Leitfaden für die Kostenkalkulation einer Zahnarztpraxis darstellen soll, die Fissurenversiegelung je Zahn (vgl. Nr. 340 HOZ) mit 21,14 €, die Glattflächenversiegelung je Zahn (vgl. Nr. 342 HOZ) hingegen mit 9,68 € bemessen wird.
Soweit sich der Kläger auf das Urteil des VG Stuttgart vom 21.09.2009 – 12 K 6383/07 – (veröffentlicht in juris) beruft, vermag sich der Einzelrichter dieser Entscheidung nicht anzuschließen. Die Begründung für die genannte Entscheidung des VG Stuttgart erschöpft sich in der These, der analoge Ansatz biete sich für die durchgeführte Maßnahme an; der Ansatz neben der Nr. 610 GOZ sei möglich, weil diese Nummer nicht die Versorgung der Zahnoberfläche einschließe. Damit ist aber das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Analogbewertung nicht dargetan.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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