Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

21.12.2010 · IWW-Abrufnummer 104210

Landgericht Mainz: Urteil vom 23.06.2010 – 9 O 2/10

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


9 O 2/10

In dem Rechtsstreit

....

hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts Mainz durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. Friedrich, die Richterin am Landgericht Gast und den Richter am Landgericht Steinhauer auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19.05.2010 für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Rückzahlung überzahlten Architektenhonorars in Anspruch.

Die Beklagten unterzeichneten unter dem 1.7.2005 einen von Klägerseite ausgearbeiteten "Vertrag Gebäudeplanung" betreffend Erweiterung, Umbau und Modernisierung des Staatsbades in Bad Bergzabern und sandten die unterschriebene Urkunde wunschgemäß an die Klägerseite zurück. Unter § 6.8 des Schriftstückes war vorgesehen, dass die Vergütung der Fahrtkosten und der Fahrtzeit gemäß einer Aufstellung der Beklagten zum Nachweis entsprechend der Anlage 3 - Honorarangebot der Beklagten vom 19.10.2004 erfolgen sollte (vgl. Bl. 22 Rs, 27 Rs, 33 f. GA).

Auf der Grundlage der einseitig unterzeichneten Vertragsurkunde erbrachten die Beklagten Leistungen zur Planung und Objektüberwachung des Bauvorhabens und forderten die Klägerin mit Schreiben vom 11.3., 2.8. und 19.9.2005 (Bl. 35 bis 37 GA) auf, ihnen ein gegengezeichnetes Vertragsexemplar zukommen zu lassen. Die Klägerin reagierte hierauf zunächst unter dem 16.3.2005 (Bl. 36 GA) und erklärte, man werde sich den notwendigen Formalitäten widmen, zu denen auch die schriftliche Abfassung der Ingenieurverträge zähle; bis zur Unterschrift werde es sicherlich noch bis Ende April 2005 dauern. Mit E-Mails vom 23.9. und 27.9.2005 (Bl. 39 f. GA) teilte die Klägerin sodann mit, es sei noch die Einarbeitung von Korrekturen bzw. Ergänzungen zu besprechen. Eine Gegenzeichnung der Vertragsurkunde durch die Klägerin fand nicht statt.

Mit einer Honorarermittlung vom 12.3.2007 (Bl. 6 GA) machten die Kläger u. a. eine Vergütung von Fahrtkosten in Höhe von 902,5 Stunden zu je 65,-- € netto (68.048,50 € brutto) geltend, die die Klägerin bezahlte.

Die Klägerin trägt vor:

In Ermangelung eines schriftlichen Architektenvertrages sowie wegen Fehlens einer gesonderten Vereinbarung hinsichtlich einer Vergütung der Fahrzeiten seien die Beklagten nicht berechtigt gewesen, diese gesondert geltend zu machen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 68.048,50 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 14.01.2010 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten tragen vor:
Die Berufung auf den Formmangel verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Der Beklagte zu 2) habe aus Anlass von gemeinsamen Planbesprechungen beispielsweise am 31.3., 27.4. und 8.6.2005 ausdrücklich die noch ausstehende Unterschrift angesprochen; jedes Mal sei von Seiten der Klägerin zugesagt worden, dass der schriftliche, unterschriebene Vertrag alsbald zugesandt werde (Beweis: Zeugenvernehmung).

Wegen des Sach- und Streitstands in seinen weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten kein durchsetzbarer Anspruch auf Rückzahlung von 68.048,50 € gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Fall BGB zu. Zwar haben die Beklagten die Vergütung für die Fahrzeit rechtsgrundlos aufgrund einer mangels Einhaltung der Schriftform des § 126 BGB unwirksamen Regelung in der nur einseitig unterschriebenen Vertragsurkunde erhalten (vgl. §§ 125 BGB, 7 Abs. 2 Nr. 6 HOAI a. F.), doch verstößt die Berufung auf den Formmangel gegen Treu und Glauben, § 242 BGB.

Auch wenn eine Durchbrechung der Formnichtigkeit im Interesse der Rechtssicherheit nicht aus bloßen Billigkeitserwägungen und nur ausnahmsweise in Betracht kommt, wäre es nach den Beziehungen der Parteien und den Gesamtumständen im vorliegenden Fall mit den Grundsätzen von Treu und Glauben völlig unvereinbar, die konkludent getroffene vertragliche Abrede am Formmangel scheitern zu lassen, weil die Folgen für die Beklagten nicht nur hart, sondern schlechthin untragbar erscheinen (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 12. Aufl., Rn. 739 m.w.N.; OLG Koblenz, BauR 2001, 828). Die Beklagten haben einen von der Klägerseite ausgearbeiteten Vertragsentwurf unterschrieben, der ihnen mit der Bitte um Unterzeichnung und Rücksendung überlassen worden war und im Hinblick auf die Vergütung für Fahrtzeiten eine Regelung enthielt, die dem Angebot der Beklagten vom 19.10.2004 entsprach. Dieser Bitte sind die Beklagten nachgekommen und haben damit ihrerseits alles Notwendige zur Schriftformwahrung beigetragen, wodurch zunächst ein schutzwürdiges Vertrauen darauf begründet wurde, die Klägerin werde den Vertrag gegenzeichnen.

Dieses Vertrauen ist nicht durch die späteren -erfolglosen- Aufforderungen zur Rücksendung eines gegengezeichneten Vertragsexemplars erschüttert worden. Vielmehr hat die Klägerin unter dem 19.3.2005 eine Unterschriftsleistung bis Ende April 2005 in Aussicht gestellt, die lediglich als Formalität bezeichnet wurde (vgl. Bl. 36 GA). Auch wenn in den späteren E-Mails vom 23. und 27.9.2005 (Bl. 39 f. GA) allgemein von zu besprechenden Änderungen bzw. Ergänzungen die Rede ist, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass diese die Regelung über die Vergütung von Fahrzeiten betreffen sollten. Vielmehr hat die Klägerseite in einem Schriftstück unbeanstandet die von den Beklagten im Honorarangebot vom 19.10.2004 insoweit vorgesehene Regelung übernommen. Unter diesen Umständen ist die Klägerin jedenfalls an diesen Teil der vorgesehenen Vergütungsvereinbarung gebunden (vgl. OLG Düsseldorf, IBR 2000, 610; KG BauR 1998, 818).

Dem steht der Schutzzweck der in §§ 4, 7 Abs. 2 Nr. 6 HOAI a. F. geregelten Schriftform nicht entgegen. Diese dient zum einen —vorrangig- dem Schutz der Klägerin, die als Auftraggeber vor nicht kalkulierbaren Kostenrisiken geschützt werden soll. Da der Klägerin die beabsichtigte Kostenregelung durch Übernahme des Honorarangebotes vom 19.10.2004 in den von ihrer Seite aus erarbeiteten Vertragstext von vornherein bekannt war, erscheint die Klägerin nicht schutzwürdig. Soweit zum anderen das Schriftformerfordernis auch dem Schutz der Beklagten dient, die als Auftragnehmer ein berechtigtes Interesse an jedenfalls den Aufwand deckenden Mindesthonoraren haben (vgl. Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 7. Aufl., § 4, Rdnr. 22), erscheint es sogar geboten, im vorliegenden Fall eine Ausnahme vom Schriftformerfordernis zuzulassen.

Nachdem die Beklagten in der Folge ihre Leistungen erbracht haben und die Klägerin das entsprechend der vorgesehenen Vergütungsvereinbarung in Rechnung gestellte Honorar beanstandungslos beglichen hat, erscheint es als schlechthin untragbares Ergebnis, wenn die Klägerin, deren Unterschriftsleistung trotz mehrfacher Aufforderung durch die Beklagten ohne plausible Gründe unterblieben ist, nunmehr berechtigt sein soll, aus diesem Verhalten einen Vorteil in der Form zu ziehen, dass ein nicht unerheblicher Teil des Honorars zurückgefordert werden kann.

Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob die Klägerin den Beklagten auch mündlich ausdrücklich zugesagt hat, den gegengezeichneten Vertrag alsbald zu übersenden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

RechtsgebieteBGB, HOAIVorschriftenBGB § 242; HOAI a.F. §§ 4, 7 Abs. 2 Nr. 6

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr