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21.12.2010 · IWW-Abrufnummer 110151

Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 09.03.2010 – 2 Sa 369/09

Eine Filiale eines Filialunternehmens stellt einen eigenständigen Betrieb im kündigungsrechtlichen Sinne dar, wenn der Geschäftsleiter der Filiale die Entscheidung über Einstellung, Abmahnungen und Kündigungen selber trifft und umsetzt. Eine Rücksprache mit der Personalabteilung der örtlich weit entfernten Zentrale ist dann unerheblich, wenn dadurch die o. g. Entscheidungsbefugnis des Geschäftsleiters nicht berührt wird.


In dem Rechtsstreit

- Kläger und Berufungsbeklagter -

Prozessbevollmächtigte:

g e g e n

- Beklagte und Berufungsklägerin -

Prozessbevollmächtigter:

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt auf die mündliche Verhandlung vom 9. März 2010 durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter... und ... als Beisitzer für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten und Berufungsklägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 02. 07. 2009 - 2 Ca 3092/08 - abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten sich über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten, ordentlichen, arbeitgeberseitigen Kündigung vom 26. 11. 2008.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01. 07. 1991 als Hausmeisterassistent und seit dem 28. 09. 2005 als Mitarbeiter der Servicekasse mit einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von zuletzt 2.441,-- € bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt. Er ist am ... geboren, verheiratet und keinen Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Derzeit befindet sich der Kläger in einem Prozessrechtsverhältnis zur Beklagten und arbeitet in der Filiale in D.. Nach § 2 S. 1 des Arbeitsvertrages kann die Beklagte den Kläger auch in eine andere Betriebsabteilung oder Betriebsstätte versetzen, Bl. 5 d. A..

Die Beklagte ist ein Filialunternehmen aus der Modebranche. Sie verkauft in diversen Filialen bundesweit Bekleidung an Endverbraucher. Der Einkauf der in den Filialen zu verkaufenden Bekleidung erfolgt durch die Zentrale der Beklagten in H.. Dort befindet sich auch die Lohnbuchhaltung und die Personalabteilung.

Am 07. 08. 2008 wurde Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten gestellt. Durch Beschluss des Amtsgerichtes H. vom 07. 08. 2009 wurde Rechtsanwalt P. zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Arbeitgeberfunktion bestellt. Seit dem 01. 11. 2008 befand sich die Beklagte nach Eröffnung durch das Amtsgericht H. in einem Insolvenzverfahren. Das Insolvenzverfahren wurde in Eigenverwaltung gemäß § 270 InsO geführt. Sachwalter der Gläubiger ist ebenfalls Rechtsanwalt P.. Zwischenzeitlich wurde das Insolvenzverfahren abgeschlossen. Eines der Filialgeschäfte der Beklagten befindet sich in G. im dortigen Einkaufspark. Hier war der Kläger beschäftigt, der seit dem 04. 11. 2008 in den für diese Filiale gewählten Betriebsrat nachrückte. Ob es sich bei diesem Geschäft in G. um einen eigenständigen Betrieb handelt, steht zwischen den Parteien im Streit.

Die Beklagte und die Gewerkschaft ver.di schlossen unter dem 08. 04. 2008 einen so genannten Anschlusstarifvertrag (SanierungsTV) zum Tarifvertrag zur Sanierung und zur Beschäftigungssicherung vom 19. 03. 2006, vgl. Bl. 96 ff. d. A.. In diesem Tarifvertrag, der bundesweit für alle S. Betriebsstätten gilt (vgl. § 1 Abs. 1 des SanierungsTV), heißt es u. a.:

"§ 8 Beschäftigungssicherung

(1) Der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen ist ab dem 01. 01. 2008 - 31. 12.2009 unzulässig.

Treten Umstände ein, die eine Schließung einer der in der Anlage 1 aufgeführten Standorte nötig machen, um das Unternehmen vor erheblichen zusätzlichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu bewahren, werden die Tarifvertragsparteien unter Mitwirkung des GBR darüber entscheiden, ob und in welchem Umfang Ausnahmen vom Kündigungsverbot zuzulassen sind. Vorher sind jedoch andere Möglichkeiten materieller Entlassung zu prüfen und zu nutzen.

...

§ 9 Standortsicherung

(1) Die in der Anlage 2 aufgeführten Betriebsstätten werden bis zum 31. 12. 2009 nicht geschlossen noch werden sie veräußert.

(2) ..."

In der Anlage 2 zum SanierungsTV ist die Filiale in G. erwähnt. Die Filiale in G. befindet sich im N. Einkaufspark. In der Anlage 1 zum SanierungsTV vom 08. 04. 2008 wird die Filiale in G. nicht erwähnt. Der SanierungsTV wurde durch die Beklagte mit am 28. 11. 2008 bei ver.di eingegangenem Schreiben gekündigt. Hierauf teilte ver.di den Beschäftigten mit Rundschreiben vom 04. 12. 2008 mit, dass die Kündigung erst zum 31. 05. 2009 Wirkung entfalte (Bl. 105 d. A.).

Am 16. 11. 2008 schlossen der Gesamtbetriebsrat der Beklagten mit Zustimmung des Sachwalters der Gläubiger und die Beklagte eine Betriebsvereinbarung über eine Auswahlrichtlinie gemäß § 95 BetrVG, vgl. Bl. 71 ff. d. A.. Unter anderem heißt es in dieser Gesamtbetriebsvereinbarung (vgl. Bl. 72 d. A.):

"§ 4 Grundsätze der Sozialauswahl

1. Betriebsbezogenheit

Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Sozialauswahl betriebsbezogen i. S. d. Kündigungsschutzgesetzes durchzuführen ist.

Eigenständige Betriebe des Unternehmens i. S. d. KSchG stellen die zentrale Verwaltung von S. (...) sowie die jeweils einzelnen Verkaufsfilialen dar.

..."

Am 17. 11. 2008 vereinbarten die Beklagte mit Zustimmung des Sachwalters der Gläubiger und dem Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich, vgl. Bl. 58 ff. d. A., auf den Bezug genommen wird. In § 3 Ziffer 3 dieses Interessenausgleiches (vgl. Bl. 61 d. A.) heißt es u. a.:

"Die Geschäftsführung sowie der vorläufige Insolvenzverwalter und heutige Sachwalter sind zu der Überzeugung gelangt, dass die Arbeitgeberin nur mit einem wesentlich kleineren, aber profitableren Filialportfolio eine langfristige Überlebenschance besitzt. Sie haben deshalb auch unter Berücksichtigung weiterer, standortspezifischer Aspekte, wie der Standortlage, der regionalen Kaufkraft oder des Wettbewerbsumfeldes etc, die unternehmerische Entscheidung getroffen, den Geschäftsbetrieb der in der Anlage 3 aufgeführten Filialen mit Wirkung zum 28. 02. 2009 vollständig einzustellen.

In Folge dieser getroffenen unternehmerischen Entscheidung, die in der Anlage 3 aufgeführten Standorte stillzulegen, entfällt in diesen Filialen der Beschäftigungsbedarf zum 28. 02. 2009 in vollem Umfang.

Die aufgrund der Schließungen von einer betriebsbedingten Kündigung betroffenen Arbeitnehmer/innen sind in der Anlage 4, die dieser Vereinbarung als fester Bestandteil beigefügt ist, aufgeführt. Die Betriebsparteien sind sich einig, dass es sich hierbei um eine Namensliste i. S. v. § 125 InsO handelt. Diese Namensliste ist im Rahmen einer zusammengesetzten Urkunde integraler Bestandteil dieser Vereinbarung und von den Betriebsparteien auf jeder Seite unterzeichnet."

In der o. g. Anlage 3 (vgl. Bl. 69 d. A.) ist die Filiale in G. im Einkaufszentrum N. unter der Nummer ZN 70 aufgeführt. In der Namensliste der o. g. Anlage 4 (vgl. Bl. 70 d. A.) ist der Kläger mit seiner Personalnummer, seinem Geburtsdatum und dem beabsichtigten Kündigungstermin sowie der Kündigungsart (*..., Kü. zum 28. 02. 2009, Betriebsbedingte Kündigung) erwähnt. Die Namensliste der Anlage 4 ist von der Arbeitgeberin und dem Gesamtbetriebsratsvorsitzenden unterzeichnet.

Am selben Tag schlossen die Beklagte mit Zustimmung des Sachwalters der Gläubiger und dem Gesamtbetriebsrat einen Sozialplan, auf den Bezug genommen wird, vgl. Bl. 83 ff. d. A..

Mit Schreiben vom 17. 11. 2008 hörte die Beklagte den örtlichen Betriebsrat der Filiale G. zur beabsichtigten Kündigung des Klägers aus betriebsbedingten Gründen gemäß § 102 BetrVG an, vgl. Bl. 75 ff. d. A.. Diesem Schreiben war der Text des Interessenausgleiches beigefügt sowie die Namensliste gem. § 125 InsO der zukündigenden Mitarbeiter dieser Filiale und eine Übersicht der Sozialdaten der zur Kündigung vorgesehenen Arbeitnehmer aus G..

Das Betriebsratsanhörungsschreiben ging dem örtlichen Betriebsrat am 17. 11. 2008 zu, vgl. Bl. 74 d. A.. Eine Reaktion erfolgte nicht.

Mit Schreiben vom 24. 11. 2008 (vgl. Bl. 82 d. A.) teilte die Bundesagentur für Arbeit/Agentur für Arbeit M. der Beklagten in H. mit, dass die Anzeige nach § 17 KSchG dort am 21. 11. 2008 eingegangen sei und die nach § 18 Abs. 1 KSchG festgesetzte Sperrfrist von einem Monat am 22.11.2008 beginne und am 21.12.2008 ende.

Mit Schreiben vom 26.11.2008, welches dem Kläger am selben Tage und nochmals am 28.11.2008 zuging, kündigte die Beklagte mit Zustimmung des Sachwalters der Gläubiger das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ordentlich zum Ablauf des 28.02.2009, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin, vgl. Bl. 4 d. A.. Das Schreiben weist als Absender die Filiale in G. auf, ist aber von den in H. dienstansässigen gesetzlichen Vertretern der Beklagten unterzeichnet. Alle anderen Mitarbeiter der Filiale in G. erhielten ebenfalls Kündigungen zum 28. 02. 2009. Insgesamt schloss die Beklagte 24 von 47 Filialen. 23 der 47 Filialen wurden vom vorläufigen Insolvenzverwalter nur noch nach Anpassungsmaßnahmen als überlebensfähig eingestuft. Von den rund 3.700 Mitarbeitern wurden ca. 1/3 entlassen, unter anderem auch in den Filialen in M., D. und J.. Die Bescheinigung nach § 312 SGB III wurde von der Zentrale in H. erstellt, Bl. 186 d. A.. Gleiches trifft u. a. auf die Personalinformation vom Dezember 2008 zu, Bl. 190 d. A..

Geschäftsleiter der Beklagten für die Filiale in G. ist der Zeuge S.. Diesem Zeugen wurde mit Schreiben vom 25. 08. 2008 (vgl. Bl. 149 d. A.) folgende Vollmacht durch den vorläufigen Insolvenzverwalter P. erteilt:

"...

Bislang ist Ihnen eine Vollmacht erteilt worden, nach der Sie berechtigt sind, Arbeitsverträge zu unterschreiben und Kündigungen auszusprechen. Diese Bevollmächtigung bleibt bestehen, d. h., ich bevollmächtige Sie hierdurch in gleicher Weise wie die S. GmbH dies getan hat.

Ich darf Sie darum bitten, diese Bevollmächtigung in betriebsüblicher Art und Weise bekannt zu geben, d. h. im Regelfall also auszuhändigen. Zudem bitte ich Sie, bei Arbeitsverträgen und Kündigungen, die von Ihnen unterschrieben werden, jeweils eine Ausfertigung dieser Vollmachtsurkunde beizufügen. Zu diesem Zweck erhalten Sie diese Schreiben gleich mehrfach. Es bleibt ohnehin dabei, dass die Arbeitsverträge zentral in H. erstellt und Ihnen dann zur Verfügung gestellt werden.

Auch bei der Erstellung von Arbeitszeugnissen, etwaigen Abmahnungen und bei erforderlicher Korrespondenz mit dem Betriebsrat ändert sich nichts gegenüber der bisherigen Regelung.

..."

Unter anderem am 29. 06. 2007, 06. 08. 2007, 17. 08. 2007 sowie am 08. 10. 2008 bzw. am 20. 11. 2008 und am 20. 12. 2008 nahm der Geschäftsleiter Abmahnungen vor, schloss Anstellungsverträge für die Beklagte, erklärte die unbefristete Übernahme eines zuvor befristeten Arbeitsverhältnisses, erteilte Zeugnisse und nahm eine Eigenkündigung eines Mitarbeiters entgegen sowie schloss Auflösungsverträge mit einer Auszubildenden (vgl. Bl. 150 ff. d. A.).

Mit seiner am 15. 12. 2008 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die streitgegenständliche Kündigung.

Er behauptet, die Kündigung sei unwirksam, da keine Kündigungsgründe vorlägen. Die Beklagte müsse die Sozialauswahl offenlegen und hierbei Namen und Sozialdaten von vergleichbaren Arbeitnehmern nennen. Die ordnungsgemäße Anhörung des bei der Beklagten bestehenden Betriebsrates werde mit Nichtwissen bestritten. Darüber hinaus sei dem Kläger als Betriebsratsmitglied nicht ordentlich kündbar. Zu seinen Gunsten greife § 15 Abs. 5 KSchG. Außerdem habe die Beklagte die Weiterbeschäftigung des Klägers nicht geprüft. Er strebe einen Einsatz in J., M. oder D. an.

Bei der Filiale der Beklagten in G. handele es sich nicht um einen eigenständigen Betrieb. Es sei zu bestreiten, dass die Filiale in G., dessen Eintragung in das Handelsregister nicht festgestellt werden könne, über einen eigenständigen und arbeitstechnischen Gesamtzweck verfüge. Am Firmensitz der Beklagten in H. finde unstreitig der Zentraleinkauf statt. Dort werde die Ware für das ganze Unternehmen bestellt und sodann nach Größe der einzelnen Modehäuser auf diese verteilt. Das Modehaus G. verfüge über keinen einheitlichen Leitungsapparat in Form eines Geschäftsleiters, der eine umfangreiche Leitungsmacht in personellen und sozialen Angelegenheiten besitze. Insbesondere sei zu bestreiten, dass der Geschäftsleiter in G. die Entscheidung über Einstellungen und Entlassungen von Personen treffen könne. Dies werde bereits dadurch widerlegt, dass das Kündigungsschreiben für den Kläger vom 26. 11. 2008 unstreitig durch die Geschäftsführer der Beklagten mit Zustimmung des Sachwalters der Gläubiger ausgesprochen worden sei. Darüber hinaus sei die Anhörung des Betriebsrates zur streitgegenständlichen Kündigung unstreitig nicht durch den Geschäftsleiter in G., sondern durch die Teamleitung Personal von der Hauptverwaltung in H. erfolgt. Der Teamleitung Personal obliege auch die Personalhoheit der Beklagten. Zeugnisse würden grundsätzlich von der zentralen Personalstelle in H. erstellt. Auch die Urlaubsplanung der einzelnen Modehäuser sei an die zentrale Personalstelle in H.- insoweit unstreitig - weitergeleitet worden. Dort befinde sich die zentrale Lohnbuchhaltung. Aufgrund des Sonderkündigungsschutzes gemäß § 15 Abs. 1 KSchG könne dem Kläger nicht ordentlich gekündigt werden. Ein Fall einer Betriebsstilllegung nach § 15 Abs. 4 KSchG sei nicht gegeben.

Darüber hinaus verbiete der SanierungsTV vom 08.04.2008 die streitgegenständliche Kündigung in der Zeit vom 01. 01. - 31. 12. 2009. Die erfolgte Kündigung dieses Sanierungstarifvertrages vom 08. 04. 2008 durch die Beklagte am 28. 11. 2008 sei nicht mit sofortiger Wirkung gültig, sondern erst unter Berücksichtigung des vereinbarten Sonderkündigungsrechts von 6 Monaten zum Monatsende mit Wirkung zum 31. 05. 2009.

Der Kläger hat erstinstanzlich nach teilweiser Klagerücknahme beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 26.11.2008 nicht beendet wurde.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die streitgegenständliche Kündigung wirksam sei. Die Kündigung sei betriebsbedingter Art und zur Restrukturierung in Folge Schließung des G. Betriebes unabweislich. In Anwendung von § 125 Abs. 1 InsO i. V. m. § 1 Abs. 5 KSchG werde der Kündigungsgrund sowie die ordnungsgemäße Sozialauswahl vermutet. Diese Indizwirkung habe der Kläger nicht widerlegt. Es sei nicht fehlerhaft, wenn der Gesamtbetriebsrat nach § 50 Abs. 1 S. 1 BetrVG den Interessenausgleich nebst Namensliste abgeschlossen habe. Der SanierungsTV vom 08. 04. 2008 sei vorliegend nicht mehr anzuwenden, da § 113 InsO entgegenstehe. Die dortige Kündigungsfrist von 3 Monaten für die Individualarbeitsverhältnisse sei eingehalten worden.

Die Filiale der Beklagten in G. stelle einen eigenständigen Betrieb dar. Sie verfüge insbesondere über einen einheitlichen Leitungsapparat, der in personellen und sozialen Angelegenheiten zuständig gewesen sei. Jedes Modehaus verfüge über einen eigenständigen Zweck, nach dem für regionale Kundschaft im gehobenen Bereich des Einzelhandels Mode unterschiedlicher Stilrichtungen und Exklusivität zum Kauf angeboten werde. Jede Filiale unterstehe einem Geschäftsleiter. Dieser sei verantwortlich für die Durchführung arbeitsrechtlicher Maßnahmen in Form des Ausspruches von Kündigungen, Versetzungen, Abmahnungen sowie der Wahrung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrates und der Durchführung von Gerichtsverfahren etc.. Der Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 5 KSchG greife nicht, da eine Betriebsstilllegung gegeben sei. Eine Zustimmung des Betriebsrates zur Kündigung des Klägers nach § 103 BetrVG müsse nicht eingeholt werden, da die vorliegende Kündigung in Anwendung von § 15 Abs. 4 KSchG keine außerordentliche sei.

Eine Sozialauswahl habe nicht getroffen werden müssen, da sämtlichen Mitarbeitern der Filiale in G. - einem eigenständigen Betrieb - zum 28. 02. 2009 gekündigt worden sei. Außerdem wäre diese nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüfbar.

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben.

Es hat im Wesentlichen ausgeführt (vgl. Bl. 108 ff. d. A.), dass die Beklagte nicht ausreichend dargelegt habe, dass es sich bei der Filiale in G. um einen eigenen Betrieb gehandelt habe. Insbesondere habe sie es versäumt vorzutragen, dass es zu den Aufgaben des Geschäftsleiters in G. gehört habe, eigenständige Entscheidungen über die Einstellung und Entlassung von Personal, die Erstellung von Zeugnissen und den Ausspruch von Abmahnungen vorzunehmen. Demnach sei ein Anwendungsfall von § 15 Abs. 5 S. 1 KSchG gegeben, wonach es der Beklagten oblegen habe, den Kläger mit allen Mitteln in einer anderen Betriebsabteilung weiterzubeschäftigen.

Das streitgegenständliche Urteil ist der Beklagten zu Händen ihres Prozessbevollmächtigten am 14. 09. 2009 (vgl. Bl. 129 d. A.) zugestellt worden. Hiergegen hat diese mit am 29. 09. 2009 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, vgl. Bl. 133 f. d. A.. Diese Berufung hat sie mit weiterem Schriftsatz, der am 13. 11. 2009 bei dem Landesarbeitsgericht einging (vgl. Bl. 141 ff. d. A.), begründet.

Die Beklagte verfolgt ihr erstinstanzliches Ansinnen fort.

Bei der Filiale in G. handelt es sich um einen eigenständigen Betrieb. Der dortigen Geschäftsleitung in Person des Geschäftsleiters hätten sämtliche personalrechtlichen Befugnisse zugestanden. Dieser habe Abmahnungen und Kündigungen ausgesprochen, habe Einstellungsgespräche geführt, Anstellungsverträge abgeschlossen und die unbefristete Übernahme von zuvor befristeten Arbeitsverträgen erklärt, Zwischen- und Endzeugnisse erteilt und Kündigungserklärungen entgegengenommen sowie Aufhebungsverträge abgeschlossen, und zwar ohne eine vorherige Genehmigung einholen zu müssen.

Der Eigenständigkeit des Betriebes in G. stehe auch nicht entgegen, dass die Teamleitung Personal der Zentrale in H. die Anhörungsunterlagen für die Betriebsratsanhörung zur Kündigung des Klägers vorbereitet habe. Dies stehe vor dem Hintergrund der Gleichartigkeit der Kündigungssachverhalte in weiteren Zweigniederlassungen der Beklagten. Gleiches gelte für die Ausfertigung der Arbeitsbescheinigungen, die zudem kurz vor der endgültigen Schließung der Filialen - nämlich am 26. 02. 2009 - erfolgt seien. Soweit der Kläger den Schreiben der Geschäftsführung (Danksagung vom 20. 02. 2009, Einladung/Information zur Road-Show vom 13. 03. 2007, Personalinformationen vom Dezember 2008, Bl. 188 ff. d. A.) Bedeutung für eine Hauptleitungsmacht am Firmensitz in H. ableite, erscheine dies unzutreffend.

Der Kläger habe auch zweitinstanzlich die grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl nicht dargelegt.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 02. 07. 2009, Az.: 2 Ca 3092/08 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Der Kläger genieße Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 KSchG. Die Sozialauswahl habe nicht auf den Betriebsteil bzw. die Betriebsabteilung in G. beschränkt werden dürfen. Auch ein Hauptbetrieb und eine räumlich weit entfernte Betriebsstätte i. S. v. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG könnten einen gemeinsamen Betrieb i. S. d. § 23 KSchG bilden. Eine mögliche betriebsverfassungsrechtliche Eigenständigkeit einzelner Betriebsteile stehe einer betriebsteilübergreifenden Sozialauswahl nicht im Wege. Bei der Zweigniederlassung der Beklagten in G. handele es sich nicht um einen eigenständigen Betrieb im kündigungsrechtlichen Sinne. Der Geschäftsleiter habe nicht sämtliche maßgebliche Arbeitgeberfunktionen i. S. einer eigenständigen Leitungsmacht gehabt. Es werde bestritten, dass der Geschäftsleiter die von der Beklagten vorgelegten Dokumente ohne Absprache mit dem Hauptsitz der Beklagten in H. habe unterzeichnen dürfen. Außerdem sei die Bescheinigung nach § 312 SGB III und u. a. die Personalinformation vom Dezember 2008 sowie das Dankesschreiben vom 20.02.2009 (Bl. 187 d. A.) unstreitig in H. erstellt worden. Für die fehlende Selbständigkeit der Betriebsstätte in G. spreche, dass die Gesamtbetriebsvereinbarung über die Auswahlrichtlinie vom 16. 11. 2008 in H. abgeschlossen worden sei. Auch die Kündigung des Klägers sei durch die Geschäftsleitung der Beklagten in H. unterzeichnet worden. Gleiches treffe für eine E-Mail vom 27. 08. 2005 (vgl. Bl. 182 d. A.) sowie u. a. die Erstellung der Arbeitsbescheinigungen nach § 312 SGB III zu. Somit dürften die Namensliste und die dort enthaltene Sozialauswahl wegen grober Fehlerhaftigkeit unwirksam sein, da die Sozialauswahl und der Betrieb zu gezogen worden sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen S. über seine personalrechtlichen Befugnisse. Auf die Beweisaufnahme zu Protokoll vom 09. 03. 2010 wird verwiesen, Bl. 219 ff. d. A..

Entscheidungsgründe

I. 1. Die Berufung der Beklagten und Berufungsklägerin (im Folgenden: Beklagten) gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Halle vom 02. 07. 2009 - 2 Ca 3092/08 - ist statthaft und zulässig, vgl. § 8 Abs. 2 i. V. m. § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG. Die Berufung wurde rechtzeitig eingelegt und ordnungsgemäß begründet, §§ 64 Abs. 1, 2 und 6 sowie 66 Abs. 1, 519, 520 Abs. 2 und 3 ZPO.

II. Die Berufung der Beklagten ist im vollen Umfang begründet. Dementsprechend war das Urteil des Arbeitsgerichtes Halle vom 02. 07. 2009 abzuändern und die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Die Kündigung der Beklagten vom 26. 11. 2008 hat das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Ablauf des 28. 02. 2009 beendet.

1. Es ist vorliegend nicht zu beanstanden, dass sich die Klage trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten weiterhin gegen diese richtet. Das Insolvenzverfahren wurde in Eigenverwaltung nach § 270 InsO betrieben. In diesem Fall hat der Schuldner die Kompetenzen eines Insolvenzverwalters. Der Schuldner - also die Beklagte - ist Amtswalter. Er führt die Prozesse in Prozessstandschaft, vgl. Uhlenbrock, InsO, § 270 Rz. 18. Im Übrigen ist das Insolvenzverfahren zwischenzeitlich abgeschlossen.

2. Gemäß § 1 Abs. 1 KSchG ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb ohne Unterbrechung länger als 6 Monate bestanden hat, rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Gemäß § 1 Abs. 2 KSchG ist eine Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist.

a) Der Kläger genießt Kündigungsschutz. Er ist seit dem 01. 07. 1991 und somit länger als 6 Monate bei der Beklagten beschäftigt, die - und hiervon gehen die Parteien aus - im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ausweislich der Namensliste nach § 125 InsO (Anlage 4 zum Interessenausgleich, Bl. 70 d. A.) regelmäßig mehr als 10 Vollzeitarbeitnehmer i. S. d. § 23 Abs. 1 beschäftigte.

b) Dringende betriebliche Erfordernisse für die streitgegenständliche Kündigung liegen vor.

Sie werden nach § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO i. V. m. § 1 Abs. 5 KSchG vorliegend vermutet. Diese Vermutung hat der Kläger nicht widerlegt.

Grundsätzlich gilt für betriebsbedingte Kündigungen Folgendes:

Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung i. S. d. Vorschrift des § 1 Abs. 2 KSchG können sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben. Eine Kündigung ist aus innerbetrieblichen Gründen gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber im Unternehmensbereich zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren innerbetrieblicher Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt (vgl. u. a. BAG, Urteil vom 26. 09. 1996, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 86 sowie vom 30. 05. 1985, aaO., Nr. 36; Urteil vom 29. 03. 1990 - 2 AZR 369/89 -). Unter innerbetrieblichen Gründen sind alle betrieblichen Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet zu verstehen, durch die der Arbeitgeber seine Entscheidung über die der Geschäftsführung zu Grunde liegende Unternehmenspolitik im Hinblick auf den Markt oder hinsichtlich der unternehmensinternen Organisation des Betriebes und der Produktion verwirklicht und die sich auf die Beschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb auswirkt. Der Arbeitnehmer trifft hier eine Unternehmerentscheidung, die zur Folge hat, dass ein Überhang an Arbeitskräften herbeigeführt wird und damit das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Mitarbeiter entfällt (vgl. BAG, Urteil vom 26. 09. 1996, EzA § 1 KSchG, Betriebsbedingte Kündigung Nr. 86). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber durch eine entsprechende unternehmerische Gestaltung seines Betriebes oder seines Unternehmens (z. B. durch die Einführung von organisatorischen Rationalisierungsmaßnahmen, durch die Einführung von neuen Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren, durch die Einschränkung und Stilllegung des Betriebes oder von Betriebsteilen, durch die Verlegung von Betriebsteilen oder Verlagerung von Produktionen, durch den Zusammenschluss mit anderen Betrieben, durch Änderung der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen) den Personalbedarf und damit auch die Notwendigkeit eines etwaigen Personalabbaus weitgehend selbst bestimmen kann.

Das BAG geht in ständiger Rechtsprechung von dem Grundsatz der freien Unternehmerentscheidung aus. Danach sind die Gerichte für Arbeitssachen nicht befugt, unternehmerische Entscheidungen auf ihre Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit hin zu überprüfen. Eine gerichtliche Überprüfung kann sich nur darauf erstrecken, ob die Unternehmerentscheidung offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (sog. Missbrauchskontrolle; vgl. BAG, Urteil vom 26. 09. 1996, aaO.). Offenbar unsachlich ist die Unternehmerentscheidung z. B., wenn sie gesetzeswidrig ist oder unmittelbar zu Gesetzes- und/oder Vertragsverstößen führt oder einer Gesetzesumgehung dient. Offenbar unvernünftig ist die Unternehmerentscheidung, wenn sie keinen erkennbaren Sinn hat. Offenbar willkürlich ist sie, wenn ihr keinerlei sachliche Erwägung zu Grunde liegt (vgl. Etzel in: KR, Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften (im Folgenden: KR), 7. Aufl., § 1 Rz. 523). Im vollen Umfange gerichtlich nachprüfbar ist jedoch die Frage, ob die vom Arbeitgeber geltend gemachten Faktoren tatsächlich vorliegen und sich im innerbetrieblichen Bereich dahingehend auswirken, dass für die Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers kein Bedürfnis mehr besteht (vgl. BAG, Urteil vom 07. 12. 1978 und 24. 10. 1979, EzA § 1 KSchG, Betriebsbedingte Kündigung Nr. 10 und 13, Etzel in: KR, aaO., Rz. 534). Darüber hinaus ist voll nachprüfbar, ob überhaupt eine unternehmerische Entscheidung getroffen wurde. Der Vortrag des Arbeitgebers muss erkennen lassen, ob durch eine innerbetriebliche Maßnahme oder durch einen außerbetrieblichen Anlass das Bedürfnis einer Tätigkeit des gekündigten Arbeitnehmers wegfällt (vgl. Urteil des BAG vom 17. 06. 1999, 2 AZR 141/99). Der zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat entschieden (vgl. Urteil vom 24. 04. 1997 - 2 AZR 352/96 -, APNr. 42 zu § 2 KSchG 1969), dass die Unternehmerentscheidung auch darin liegen kann, künftig auf Dauer mit weniger Personal zu arbeiten. Soweit dadurch eine Leistungsverdichtung eintrete, werde sie als Konzept gewollt und dadurch notwendig werdende Änderungen seien in Kauf genommen. Der rationale Einfluss des Personals sei Sache des Unternehmers. In diesem Zusammenhang hat der Senat ferner angenommen (vgl. Entscheidung in: BAGE 73, 151, 161 f.), dass es der unternehmerischen Entscheidung unterliege, zu entscheiden, mit welcher Anzahl von Arbeitskräften der Arbeitgeber nach Durchführung eines innerbetrieblichen Organisationsaktes die verbleibende Arbeitsmenge durchführen lassen wolle. Das Landesarbeitsgericht Bremen hat in seiner Entscheidung vom 03. Mai 1996 (4 Sa 259/95 LAGE Nr. 16 zu § 1 KSchG Soziale Auswahl) festgestellt, dass eine unternehmerische Entscheidung, eine bestimmte Filiale mit weniger Personal zu führen, nicht zu beanstanden sei. Dem entspricht die Entscheidung des LAG Köln vom 07. 11. 1997 (11 Sa 1110/96). Auch das Landesarbeitsgericht Berlin hat in seiner Entscheidung vom 04. 04. 1997 (Az: 6 Sa 140/96) geurteilt, dass es nur eine eingeschränkt überprüfbare unternehmerische Entscheidung darstelle, wenn sich der Arbeitgeber aus Anlass nicht unerheblichen Auftragsrückgangs entschließe, aus Kostengründen einen Arbeitsplatz dauerhaft einzusparen und die restlichen Aufträge auf die verbleibenden Mitarbeiter zu verteilen. In den Urteilen vom 17. 06. 1999 (2 AZR 141/99 bzw. 2 AZR 522/98) hat das Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass die Entscheidung des Arbeitgebers, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, eine Entscheidung sei, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führe und damit einen entsprechenden Beschäftigungsbedarf entfallen lassen könne. Die Unternehmerentscheidung, auf die sich der Arbeitgeber berufen könne, sei allerdings hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und hinsichtlich des Begriffes "Dauer" zu verdeutlichen, damit das Gericht überhaupt prüfen könne, ob sie - i. S. d. dargestellten Rechtsprechung - nicht offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sei. Die Dauerhaftigkeit sei schon deshalb klarzustellen, um dem Gericht eine Prüfung zu ermöglichen, ob nicht nur eine vorübergehende Personalmaßnahme geplant sei, die an sich eine Überbrückung des Zustandes unter Beibehaltung der Beschäftigungssituation zulasse. Reduziere sich die Organisationsentscheidung zur Personalreduzierung praktisch auf den Kündigungsentschluss, seien diese beiden Unternehmerentscheidungen ohne nähere Konkretisierung nicht voneinander zu unterscheiden. Vielmehr könne dann, wenn die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss ohne nähere Konkretisierung praktisch deckungsgleich sein, die vom Bundesarbeitsgericht bisher angenommene Vermutung (vgl. u. a. Urteil des BAG vom 30. 04. 1987 - 2 AZR 184/86 -, BAGE 55, 262, 269 f. und vom 24. 10. 1979 - 2 AZR 940/77 -, BAGE 32, 150, 155 f.), die Unternehmerentscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht von vornherein greifen. In diesen Fällen muss der Arbeitgeber substantiiert dartun, wie sich die Umsetzung seiner unternehmerischen Entscheidung auf die Beschäftigungsmöglichkeiten auswirkt und wie die anfallenden Aufgaben auf Dauer mit dem geringeren Personalbestand erledigt werden können.

Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben ist die streitgegenständliche Kündigung vom 26. 11. 2008 durch betriebliche Erfordernisse bedingt, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb der Beklagten entgegenstehen (§ 1 Abs. 2 KSchG). Betrieblicher Anlass ist die unternehmerische Entscheidung der Beklagten, wie sie im Interessenausgleich vom 17. 11. 2008 niedergelegt ist, nämlich die Stilllegung der Filiale in G. mit Ablauf des 28. 02. 2009.

Insoweit wird vorliegend vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist. Denn nach § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO wird vermutet, dass die Kündigung der Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb oder einer Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen entgegenstehen, bedingt ist, wenn eine Betriebsänderung i. S. d. § 111 BetrVG geplant ist und zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Betriebsrat ein Interessenausgleich zu Stande kommt und ferner die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, namentlich in dem Interessenausgleich bezeichnet werden.

§ 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO findet vorliegend über § 270 InsO Anwendung, so dass die Unterzeichnung des Interessenausgleichs und der Namensliste durch die Beklagte selber der Anwendbarkeit von § 125 InvO nicht entgegensteht.

Sofern die Voraussetzungen der §§ 125 Abs. 1 Nr. 1, 270 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. § 1 Abs. 5 KSchG vorliegen, ist in der Rechtsfolge in Abänderung der oben festgestellten Darlegungs-/Beweislasten (II. 2. b)) bei einer betriebsbedingten Kündigung von einer Beweislastumkehr auszugehen. Das heißt, der klagende Arbeitnehmer hat darzulegen und zu beweisen, dass die Vermutungswirkung im vorliegenden Einzelfall nicht gegeben ist.

Die Vermutungsbasis, dass eine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG vorliegt und für die Kündigung des Arbeitnehmers kausal ist und der Arbeitnehmer ordnungsgemäß in einem Interessenausgleich benannt ist, hat allerdings weiterhin der Arbeitgeber substantiiert darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, vgl. BAG, Urteil vom 03. 04. 2008 - 2 AZR 879/06 -, juris, Urteil vom 31. 05. 2007 - 2 AZR 254/06 - APNr. BetrVG 1972, § 111 Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 12, Urteil vom 22. 01. 2004 - 2 AZR 111/02 - AP BetrVG 1972, § 112 Namensliste Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 11, zu C II der Gründe.

aa) Vorliegend ist ein Interessenausgleich i. S. d. o .g. Vorschriften abgeschlossen worden. Hierbei handelt es sich um den Interessenausgleich vom 17. 11. 2008.

Für den Abschluss dieses Interessenausgleiches war gemäß § 50 Abs. 1 S. 1 BetrVG der Gesamtbetriebsrat zuständig.

Zwar ist nach der Kompetenzzuweisung des BetrVG grundsätzlich der von den Arbeitnehmern gewählte (örtliche) Betriebsrat für die Ausübung der gesetzlichen Mitbestimmungsrechte zuständig. Er hat die Interessen der Belegschaft des einzelnen Betriebes gegenüber dem Unternehmer wahrzunehmen. Hierzu hat das BAG in seiner Entscheidung vom 11. 12. 2001 - 1 AZR 193/01 - ausgeführt:

"Diese Aufgabe weist § 50 Abs. 1 BetrVG dem Gesamtbetriebsrat nur für den Fall zu, dass die zu regelnde Angelegenheit nicht auf den einzelnen Betrieb beschränkt ist und deshalb die Interessen der Arbeitnehmer nicht mehr auf der betrieblichen Ebene gewahrt werden können (Kreutz in: GK-BetrVG, 6. Aufl., § 50 Rdnr. 21 ff.; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 21. Aufl., § 50 Rdnr. 8 ff.; DKK-Trittin, BetrVG, 7 Aufl., § 50 Rdnr. 21; Richardi, BetrVG, 7. Aufl., § 50 Rdnr. 5 ff.). Dazu muss ein zwingendes Erfordernis nach einer betriebsübergreifenden Regelung vorliegen. Deren bloße Zweckmäßigkeit kann in den Angelegenheiten der zwingenden Mitbestimmung die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nicht begründen (vgl. BAG, Urteil vom 14. 12. 2009 - 1 ABR 27/98 -; ...).

Demnach war der Gesamtbetriebsrat für die nach § 111 Abs. 1 S. 2 BetrVG zu treffende Vereinbarung über einen Interessenausgleich zuständig. Nach § 50 Abs. 1 BetrVG i. V. m. § 111 Abs. 1 S. 1 BetrVG ist eine mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung mit dem Gesamtbetriebsrat zu vereinbaren, wenn sich die geplante Betriebsmaßnahme auf alle oder mehrere Betriebe auswirkt und deshalb einer einheitlichen Regelung bedarf. Das kann der Fall sein bei der Stilllegung aller oder mehrerer Betriebe oder der Zusammenlegung von Betrieben. Der betriebsübergreifende Regelungsinhalt bestimmt sich jedoch nicht nach dem Inhalt des erst auszuhandelnden Interessenausgleiches, sondern nach der von dem Arbeitgeber geplanten Maßnahme. Liegt ein unternehmensbezogenes Konzept zu Grunde, ist der Interessenausgleich mit dem Gesamtbetriebsrat zu vereinbaren (vgl. BAG, Urteil vom 20. 04. 1994 - 10 AZR 186/93 - juris).

Die von der Beklagten geplante Betriebsänderung betraf die mit dem unternehmensweiten Abbau von über tausend Arbeitsplätzen verbundene Umstrukturierung des Unternehmens, mit der eine grundlegende Änderung der gesamten Organisation angestrebt werden sollte. Damit verbunden waren Entscheidungen über die Standorte der künftig noch fortzuführenden 23 Filialen und der im Gegenzug zu schließenden 24 Betriebe sowie über die zukünftige Zusammensetzung der Belegschaft der verbleibenden Betriebe. Diese unternehmensweite Maßnahme war über die Grenzen der einzelnen Betriebe hinaus mitzubeurteilen und mitzugestalten. Die Wahrnehmung einer solchen Aufgabe wird von § 50 Abs. 1 BetrVG dem Gesamtbetriebsrat zugewiesen. Dies ergibt sich auch aus dem Interessenausgleich vom 17. 11. 2008 - dort II. - selber. Dort heißt es, dass die Arbeitgeberin beabsichtigt, die Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens in Eigenverantwortung mit dem Ziel, das Unternehmen dauerhaft zu sanieren, einzuleiten. Die Prüfung aller Einnahme- und Kostenstrukturen des Unternehmens durch den vorläufigen Insolvenzverwalter und die Geschäftsführung habe insoweit ergeben, dass die Neugestaltung des Filialportfolios der entscheidende Faktor für eine profitable, aber auch nachhaltige Weiterführung darstelle. In Ausführung des Interessenausgleiches sollen 24 Standorte geschlossen und 23 Standorte nach personellen Anpassungsmaßnahmen, Reduzierung der Belegschaft, fortgeführt werden.

Insgesamt waren von diesen Maßnahmen ist 1/3 der etwa 3.700 Beschäftigten der Beklagten betroffen.

Dies stellt nicht nur eine Umstrukturierung einzelner Filialen dar, sondern die Umstrukturierung des gesamten Unternehmens. Die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates zum Abschluss des Interessenausgleiches war daher gegeben.

bb) Die Beklagte kann sich auch darauf berufen, es habe eine Betriebsänderung in Form der Stilllegung eines ganzen Betriebes vorgelegen (§ 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG).

Der Betrieb wird im KSchG nicht definiert.

Betrieb im kündigungsrechtlichen Sinne ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber zusammen mit den von ihm beschäftigen Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Dazu müssen die in der Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt und die menschliche Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden (BAG, Urteil vom 29. 05. 1991 - 7 ABR 54/90 zu B II 1. der Gründe, Urteil vom 29. 02. 2002 - 1 ABR 26/01 - AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 13 = EzA BetrVG 1972 § 4 Nr. 8, zu B II 1. a der Gründe). Ein Betriebsteil ist dagegen auf den Zweck des Hauptbetriebes ausgerichtet und in dessen Organisation eingegliedert, ihm gegenüber aber auch organisatorisch abgrenzbar und relativ verselbständigt (BAG, Entscheidung vom 19. Februar 2002 - 1 ABR 26/01 - aaO. m. w. N.).

Für die Abgrenzung von Betrieb und Betriebsteil ist daher der Grad der Verselbständigung entscheidend, der im Umfang der Leitungsmacht zum Ausdruck kommt. Erstreckt sich die in der organisatorischen Entscheidung ausgeübte Leitungsmacht auf alle wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten, handelt es sich um einen eigenständigen Betrieb i. S. v. § 1 BetrVG (BAG, Entscheidung vom 31. 05. 2007 - 2 AZR 254/06). Dabei können auch ein Hauptbetrieb und eine räumlich weit entfernte Betriebsstätte i. S. v. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG einen Betrieb i. S. d. § 23 Abs. 1 KSchG bilden, denn § 23 Abs. 1 KSchG differenziert nicht zwischen Betrieben und räumlich weit entfernten Betriebsteilen, die als selbständige Betriebe i. S. d. Betriebsverfassungsgesetzes gelten, vgl. BAG, Urteil vom 03. 06. 2004 - 2 AZR 577/03. § 23 KSchG stellt also nicht auf die räumliche, sondern vielmehr auf die organisatorische Einheit ab.

Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben ist die Filiale der Beklagten in G. ein eigenständiger Betrieb. Insoweit ist allerdings nicht auf die Auffassung der Betriebspartner aus § 4 Nr. 1 der Gesamtbetriebsvereinbarung über eine Auswahlrichtlinie gemäß § 95 BetrVG vom 16. 11. 2008 abzustellen. Zwar haben die Betriebspartner dort Einigkeit darüber erzielt, dass die jeweiligen Filialen der Beklagten neben der zentralen Verwaltung eigenständige Betriebe des Unternehmens i. S. d. KSchG seien. Allerdings steht der Begriff des Betriebes nicht zur Disposition der Betriebspartner, vgl. KR-Griebeling, § 1 KSchG, Rz. 139.

Im Streitfall ergibt sich die Annahme, dass die Filiale der Beklagten in G. ein eigenständiger Betrieb ist, aber aus folgenden Überlegungen:

Vorliegend kann es dahinstehen, wie der Verkauf als solcher organisiert wurde und ob und inwieweit hier Vorgaben durch die Zentrale in H. hinsichtlich des Sortimentes, der Sonderaktionen oder der Preisgestaltung getroffen wurden. Auch kommt es nicht auf die Art und Weise des Einkaufs und die Weiterleitung der Urlaubsplanung der einzelnen Filialen an die Zentrale an. Entscheidend ist, dass der Geschäftsführer vor Ort - der Zeuge S. - die Arbeitgeberfunktion/Leitungsfunktion ausgeübt hat. Unbestritten hat er Einstellungsgespräche geführt, Arbeitsverträge abgeschlossen, Kündigungen ausgesprochen, Abmahnungen erteilt und Zeugnisse verantwortet sowie befristete Arbeitsverträge in unbefristete umgewandelt. Insoweit ist ihm unter dem 28. 05. 2008 die entsprechende Vollmacht durch den Sachwalter der Gläubiger, die auch vorher schon im selben Umfange bestand, erteilt worden. Diese entsprechenden Vollmachten hat der Zeuge S. in der Beweisaufnahme vom 09.ß03.2010 nochmals bekräftigt. Er hat ferner angegeben, dass er auch für die Personalkostenplanung zuständig war. So habe er im Rahmen seiner Personalplanung stets auf den Umsatz achten müssen. Der Zeuge hat bekundet, dass er bei steigendem Umsatz mehr Mittel für den Personaleinsatz zur Verfügung gehabt habe; bei fallendem Umsatz habe er entsprechende Kürzungen vornehmen müssen. Außerdem hat der Zeuge überzeugend angegeben, dass er für die wesentlichen personalrechtlichen Befugnisse - z. B. hinsichtlich des Abschlusses von Arbeitsverträgen, der Änderung von Arbeitsverträgen, des Ausspruches von Kündigungen oder des Abschlusses von Aufhebungsverträgen, des Ausspruches von Abmahnungen und der Erteilung von Zeugnissen - zuständig war.

Wenn es insoweit Vordrucke seitens der Zentrale gegeben hat, steht dies den personalrechtlichen Befugnissen des Geschäftsleiters vor Ort in G. nicht entgegen, denn die Entscheidung über bestimmte personalrechtliche Maßnahmen hat der Zeuge getroffen. Die Muster dienten insoweit nur der Unterstützung.

Auch seine Rücksprachen mit der Zentrale in H. lassen nicht den Schluss zu, dass der Geschäftsleiter der Filiale in G. keine personalrechtlichen Befugnisse hatte. Der Zeuge hat auch insoweit nachvollziehbar und widerspruchsfrei erklärt, dass die Zentrale der Beklagten die Funktion einer Servicedienstleisterin/Beraterin hatte und er auch bei einer entgegengesetzten Auffassung der Zentrale weiterhin in seiner Entscheidungsbefugnis frei gewesen sei. Dies spricht für die Wahrnehmung von personalrechtlichen Befugnissen durch den Geschäftsleiter vor Ort. Darüber hinaus hat der Zeuge mitgeteilt, dass er auch ohne Rücksprache mit der Zentrale die zuvor geschilderten personalrechtlichen Befugnisse innehatte.

Dass die personalrechtlichen Befugnisse vor Ausspruch der hier streitgegenständlichen Kündigung bzw. der Kündigung der anderen Mitarbeiter zum 28. 02. 2009 nicht mehr vor Ort ausgeübt wurden - d. h. die Kündigungen von der Geschäftsleitung in H. mit Zustimmung des Sachwalters der Gläubiger unterzeichnet wurden - und auch die Personalratsanhörungsverfahren von der Zentrale vorgenommen wurden, steht der Ausübung der personalrechtlichen Befugnisse durch den Geschäftsleiter und damit der Eigenschaft der Filiale in G. als eigenständiger Betrieb im Unternehmen der Beklagten nicht entgegen. In der Endphase der Auflösung/Schließung des Standortes in G. hat der Geschäftsleiter seine personalrechtlichen Befugnisse neben der Zentrale ausgeübt, denn die Vollmacht vom 28. 05. 2008 ist zu keinem Zeitpunkt widerrufen worden. Dass die Zentrale die personalrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Schließung der Filialen zentral steuerte, ist der Praktikabilität geschuldet, da sichergestellt werden sollte, dass sämtliche Filialen auf gleiche Art und Weise geschlossen werden. Dies trifft allerdings lediglich auf den Ausspruch der Kündigung und die Betriebsratsanhörung zu. Zu keinem Zeitpunkt war zwischen den Parteien streitig, dass der Geschäftsleiter vor Ort in anderen personalrechtlichen Fragen, wie die Erteilung von Abmahnungen oder Zeugnissen, Einschränkungen durch die Stilllegungsabsicht hinnehmen musste. Die Erteilung der Bescheinigung nach § 312 SGB III durch die Zentrale ist ebenfalls kein Indiz für die Einschränkung der durch den Geschäftsleiter vor Ort ausgeübten personalrechtlichen Befugnisse. Denn der Geschäftsleiter hat auch noch am 20. 12. 2008 - als nach Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung vom 26. 11. 2008 - das Zeugnis vom 20. 12. 2008 verfasst. Das Gleiche gilt für die von der Zentrale erstellten Einladungen vom 07. 02. 2007 und Hinweise auf die Roadshowveranstaltungen vom 23. 02. 2007 (Bl. 188 f. d. A.). Denn auch insoweit hat der Zeuge in seiner Funktion als Geschäftsleiter vor Ort Hinweise und Anregungen gegeben und ist damit seiner Funktion als Vorgesetzter nachgekommen.

cc) Damit steht für die Kammer fest, dass es sich bei der Filiale in G. im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung um einen eigenständigen Betrieb handelte. Hinzutritt auch, dass zwar die Bestellungen für das Sortiment der jeweiligen Filiale von der Zentrale vorgenommen wurden, jedoch die jeweiligen Geschäftsleiter hinsichtlich des Sortimentes insoweit die Gegebenheiten vor Ort berücksichtigten und Vorschläge machten.

Damit ist die Filiale in G. ein eigenständiger Betrieb des Unternehmens der Beklagten, da der Filialleiter die personalrechtlichen Befugnisse innehatte und darüber hinaus im Hinblick auf die Regionalität der jeweiligen Verkaufsstätte Entscheidungen hinsichtlich des Sortimentes zu treffen hatte.

Ferner stellt auch die Tatsache, dass in G. ein eigener Betriebsrat gewählt wurde, ein starkes Indiz für das Vorliegen eines Betriebes dar. Dies gilt auch für die weite räumliche Entfernung zu anderen Filialen und zur zentralen Verwaltung. Darüber hinaus hat auch der Kläger einen übergreifenden Personaleinsatz nicht behauptet. Dies ergibt sich auch aus den Feststellungen des Urteils des Arbeitsgerichts Halle vom 25. 09. 2009 in einer vergleichbaren Sache, das die Beklagte vorlegt hat, und dem der Kläger insoweit nicht entgegengetreten ist.

c) Dem Interessenausgleich vom 17. 11. 2008 war eine Namensliste beigefügt, die von den Betriebspartnern unterzeichnet wurde, Bl. 70 d. A. = Anl. 4. In dieser Namensliste ist der Kläger als zu kündigender Mitarbeiter zum 28. 02. 2009 aufgeführt.

d) Damit liegen die Voraussetzungen des § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO i. V. m. § 1 Abs 5 KSchG vor. Es gilt die Vermutung, dass die Kündigung betriebsbedingt war.

Diese Vermutung hat der Kläger nicht widerlegt. Dies ist angesichts der eindeutigen Zeugenaussage des Zeugen, die oben dargestellt und bewertet wurde, auch kaum denkbar. Auf die Zeugenaussage wird Bezug genommen. Die vom Kläger in Bezug genommenen Dokumente, die die personalrechtliche Zuständigkeit der Zentrale beweisen sollten, überzeugen - wie gezeigt - dagegen nicht.

2. Die streitgegenständliche Kündigung ist nicht wegen fehlerhafter Sozialauswahl unwirksam. Die Kündigung verstöß insbesondere nicht gegen § 1 Abs. 3 KSchG. Vorliegend greift die gesetzliche Vermutung gem. § 125 Abs. 1 Nr. 2 InsO, dass die Sozialauswahl ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Eine grobe Fehlerhaftigkeit hat der insoweit beweispflichtige Kläger nicht bewiesen.

Grundsätzlich gilt:

Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen i. S. d. § 1 Abs. 2 KSchG gekündigt worden, so ist die Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Nach § 1 Abs. 3 S. 3 KSchG ist der Arbeitnehmer beweispflichtig für die Tatsachen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt i. o. g. S. erscheinen lassen.

Dabei ist die Sozialauswahl betriebsbedingt durchzuführen. Dabei hat die Sozialauswahl grundsätzlich auch dann betriebsbezogen zu erfolgen, wenn sich der Arbeitgeber ein betriebsübergreifendes Versetzungsrecht vorbehalten hat, vgl. BAG, Urteil vom 02. 06. 2005 - 2 AZR 158/04.

a) Vorliegend hat der Kläger die Sozialauswahl zwar gerügt und insbesondere moniert, dass diese unstreitig nicht auch andere Filialen einbezogen habe. Zum Erfolg führt dieser Einwand jedoch nicht.

Vorliegend gilt nämlich, dass die Sozialauswahl nach § 125 Abs. 1 Nr. 2 InsO i. V. m. § 1 Abs. 5 KSchG in den Fällen der Betriebsänderung und des Vorliegens eines Interessenausgleiches mit entsprechender Namensliste nur im Hinblick auf die Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und die Unterhaltspflichten auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden kann. Hierzu hat das BAG in seiner Entscheidung vom 17. 1. 2005 - 6 AZR 107/05 - ausgeführt:

"Wegen des gerade im Insolvenzfall bestehenden Bedürfnisses nach einer zügigen Durchführung einer Betriebsänderung und eines größeren Personalabbaus, um die erfolgreiche Sanierung zu fördern, erscheint es nach der Rechtsprechung des 2. Senates des Bundesarbeitsgerichtes demnach gerechtfertigt, die soziale Rechtfertigung einer vom Insolvenzverwalter in Anwendung einer Namensliste ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung nur noch in Ausnahmefällen in Frage zu stellen. Die Beschränkung der Prüfung erstreckt sich dabei auch auf die Frage, inwieweit Arbeitnehmer gemäß § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG nicht in die soziale Auswahl einzubeziehen sind. Die zu § 1 Abs. 5 KSchG a. F. vom Bundesarbeitsgericht noch ausdrücklich offen gelassene Frage (BAG, Urteil vom 07. 05. 1998 - 2 AZR 536/97 - BAGE 88, 363) ist nach zutreffender Ansicht nach § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO dahingehend zu beantworten, dass hiermit die gesamte Sozialauswahl in jeder Hinsicht, also insbesondere auch die Bildung der auswahlrelevanten Gruppen erfasst wird.... Überdies entspricht es den Intensionen der Insolvenzordnung, im Rahmen marktwirtschaftlicher Sanierungen Kündigungsverfahren für den Insolvenzverwalter und den betroffenen Arbeitnehmer besser berechenbar zu machen. Die Tätigkeit des Arbeitsgerichts soll erleichtert und die Kündigungsschutzverfahren sollen beschleunigt werden (KR-Weigandt, 7. Aufl., § 125 InsO Rdnr. 22). Die Festlegung des Kreises der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer ist demnach Teil der sozialen Auswahl i. S. d. § 125 Abs. 1 S. 2 InsO, deren Bestimmung nur auf grobe Fehler überprüft werden kann."

Allerdings gilt zugunsten des betroffenen Arbeitnehmers: Auch wenn ein Arbeitnehmer in eine Namensliste aufgenommen worden ist, ist der Arbeitgeber nach § 1 Abs. 3 S. 3 HS, 2 KSchG verpflichtet, dem Arbeitnehmer auf dessen Verlangen die Gründe mitzuteilen, die zu der getroffenen Sozialauswahl geführt haben. Insoweit besteht eine abgestufte Darlegungslast (BAG, Urteil vom 21. 02. 2002 - 2 AZR 581/00 - EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 1ß0, zu § 1 Abs. 5 KSchG a F). Erst nach Erfüllung der Auskunftspflicht trägt der Arbeitnehmer die volle Darlegungs- und Beweislast für die (grobe) Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl. Es reicht dabei nicht aus, dass er die gesetzliche Vermutung erschüttert, er muss vielmehr das Gegenteil beweisen. Der Prüfungsmaßstab der groben Fehlerhaftigkeit ändert an der Verteilung der Darlegungslast nichts. Grob fehlerhaft i. S. d. § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO ist eine soziale Auswahl nur, wenn ein evidenter, ins Auge springender schwerer Fehler vorliegt und der Interessenausgleich jede Ausgewogenheit vermissen lässt (vgl. BAG, Urteil vom 28. August 2003 - 2 AZR 368/02 -) bzw. tragende Gesichtspunkte nicht in diese Wertung einbezogen worden sind (Ascheid in: Erfurter Kommentar, 5. Aufl., § 1 KSchG Rdnr. 514). Die Bewertung ist deshalb auch dann grob fehlerhaft, wenn bei der Bestimmung des Kreises vergleichbarer Arbeitnehmer die Austauschbarkeit offensichtlich verkannt worden ist und bei der Anwendbarkeit des Ausnahmetatbestandes des § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG die betrieblichen Interessen auffällig überdehnt worden sind.

b) Da es sich bei der Filiale in G. um einen eigenständigen Betrieb i. S. d. Kündigungsschutzgesetzes handelt - insoweit ist auf das Beweisergebnis vom 09 03. 2010, wie es zuvor gewürdigt wurde (vgl. II. 2.), Bezug zu nehmen - erstreckt sich die Sozialauswahl auch nur auf die Mitarbeiter der Filiale in G.. Diese sind jedoch umfassend gekündigt worden. Eine Sozialauswahl erübrigte sich insoweit, da die Sozialauswahl nicht unternehmensbezogen ist. Im Übrigen hat der Kläger auch die gesetzliche Vermutungswirkung aus § 125 Abs. 1 Nr. 2 InsO i. V. m. § 1 Abs. 5 KSchG nicht erschüttert. Sein Hinweis auf die arbeitsvertragliche weite Versetzungsmöglichkeit greift nicht. Denn Arbeitnehmer anderer Betriebe eines Unternehmens oder eines Konzerns sind grundsätzlich nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen. Eine Sozialauswahl, die vergleichbare Arbeitnehmer mehrerer möglicherweise weit auseinander liegender Betriebe des Unternehmens einbezöge, würde die Vorbereitung des Kündigungsentschlusses durch den Arbeitgeber und dessen Nachprüfung durch die Gerichte ohne ausreichende gesetzliche Grundlage über Gebühr erschweren und darüber hinaus nur zu schwer lösbaren Problemen im Rahmen der Beteiligung des Betriebsrates bei derartigen Maßnahmen führen.

3. Der Betriebsrat der Beklagten der Filiale in G. ist ordnungsgemäß im Rahmen des § 102 Abs. 1 BetrVG beteiligt worden.

Der Betriebsrat hat das Anhörungsschreiben vom 17. 11. 2008 zur beabsichtigten Kündigung des Klägers erhalten. Die dort unter II. vorgenommene Darstellung der unternehmerischen Entscheidung für die geplante Kündigung ist ausreichend. Dem Schreiben war auch eine Anlage aller betroffenen Arbeitnehmer nebst sämtlicher Sozialdaten und Beendigungszeitpunkte (Bl. 79 ff. d. A.) beigefügt. Darüber hinaus ist dem örtlichen Betriebsrat der Kündigungszeitpunkt mitgeteilt worden. Zugleich ist angegeben worden, dass aufgrund der nicht mehr bestehenden Beschäftigungsmöglichkeit für alle Arbeitnehmer infolge der endgültigen Schließung des Hauses in G. eine Sozialauswahl entbehrlich sei. Dieser umfassenden Information, dessen Zugang durch das Empfangsbekenntnis des Betriebsrates dokumentiert wird (Bl. 74 d. A.), ist der Kläger nicht ernsthaft entgegengetreten. Er hat nicht mitgeteilt, welche Umstände nach Vorlage dieser Unterlagen noch zur Unwirksamkeit der Betriebsratsanhörung führen sollen.

4. Obgleich der Kläger Mitglied des Betriebsrates ist, genießt der vorliegend keinen Sonderkündigungsschutz. Eine Übernahme des Klägers in eine andere Betriebsabteilung der Beklagten war gem. § 15 Abs. 5 KSchG nicht geschuldet. Ein Anwendungsfall von § 15 Abs. 5 KSchG ist nämlich - wie bereits dargelegt - nicht gegeben. Die Filiale in Günthersdorf war keine Betriebsabteilung der Beklagten, sondern ein eigenständiger Betrieb, so dass § 15 Abs. 4 KSchG zum Tragen kommt.

§ 15 Abs. 4 KSchG bestimmt im Falle der Betriebsstilllegung, dass die Kündigung von Betriebsratsmitgliedern frühestens zum Zeitpunkt der Stilllegung zulässig ist, es sei denn, dass ihre Kündigung durch einen früheren Zeitpunkt und dringende, zwingende Erfordernisse bedingt ist.

Da vorliegend von einer Betriebsstilllegung auszugehen ist, die zum 28. 02. 2009 vollzogen wurde, konnte dem Kläger auch als Betriebsratsmitglied zu diesem Zeitpunkt ordentlich gekündigt werden. Insoweit hat der Arbeitgeber den Betriebsrat nur gemäß § 102 BetrVG anzuhören. Da es sich bei der Kündigung nach § 15 Abs. 4 KSchG nicht um eine außerordentliche Kündigung handelt - denn nach Sinn und Zweck des § 15 Abs. 4 KSchG kann damit nur eine ordentliche Kündigung gemeint sein, vgl. Etzel in: KR, 9. Aufl., § 15 KSchG Rz. 73 - war eine Zustimmung des Betriebsrates nach § 103 BetrVG nicht erforderlich, vgl. BAG, Urteil vom 18. 09. 1997, EzA § 15 KSchG n. F. Nr. 46. Eine analoge Anwendung des § 103 BetrVG auf die ordentliche Kündigung i.S.v. § 15 Abs. 4 KSchG ist abzulehnen. Wollte man das Wort "Kündigung" in § 15 Abs. 4 KSchG auf die in den vorangegangenen drei Absätzen geregelte außerordentliche Kündigung beziehen, käme man zu einem ungereimten Ergebnis. Entweder müsste man in § 15 Abs. 4 KSchG eine Regelung darüber sehen, wann im Falle einer Betriebsstilllegung die außerordentliche Kündigung frühestens zulässig wäre, ohne dass im Übrigen die Anforderungen an die Zulässigkeit einer außerordentlichen Kündigung verändert würden. Dann wäre aber bei einer Betriebsstilllegung eine Kündigung vor Ablauf des nachwirkenden Kündigungsschutzes kaum noch möglich, da Betriebsstilllegungen allgemein keinen wichtigen Grund zur Kündigung darstellten. Dieses Ergebnis wäre jedoch sinnwidrig, weil Amtsträger i. S. d. § 15 KSchG in einem stillgelegten Betrieb keine Amtsaufgaben mehr zu erfüllen haben und auch nicht beschäftigt werden können, vgl. Etzel in: KR, aaO. Oder § 15 Abs. 4 KSchG müsste so ausgelegt werden, dass er stets die außerordentliche Kündigung zu den dort genannten Kündigungsterminen zulässt. Dies würde aber zu einer sachlich nicht mehr gerechtfertigten Benachteiligung gegenüber den übrigen Arbeitnehmern führen, denen bei einer Betriebsstilllegung nur ordentlich gekündigt werden könnte.

5. Die Kündigungsfrist ist von der Beklagten richtig berechnet worden. Sie beträgt laut § 113 Abs. 1 S. 2 InsO 3 Monate, es sei denn dass eine kürzere Kündigungsfrist maßgeblich ist. Mit einer Frist von 3 Monaten ist vorliegend dem Kläger gekündigt worden. Das Kündigungsschreiben ist ihm noch im November 2007 zugegangen, die Kündigung sollte zum 28. 02. 2009 greifen.

6. Der Kündigungsbefugnis der Beklagten steht § 8 Abs. 1 des SanierungsTV vom 08. 04. 2008 i. V. m. Anlage 1 nicht entgegen. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass der Ausschluss von Kündigungen nach § 113 S. 1 InsO, auch wenn er auf der Grundlage eines Tarifvertrages vereinbart worden ist, nicht mehr goutiert wird. Ist dies zutreffend, führt auch ein zeitlich befristetes Verbot der Schließung von Filialen - wie es in § 9 Abs. 1 SanierungsTV i. V. m. Anlage 2 vereinbart wurde - zu keinem Kündigungsausschluss. Insoweit ist auf die Entscheidung des BAG vom 17. 11. 2005 - 6 AZR 107/05 -, der sich die erkennende Kammer anschließt, zu verweisen. Dies gilt auch dann, wenn die Arbeitnehmer zuvor den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen durch einen Verzicht auf eigene Rechte erkauft haben sollten.

7. Der Kündigungseinspruch des Klägers nach § 3 KSchG ist vorliegend irrelevant. Da sich § 3 KSchG an den Betriebsrat wendet, hat er keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Kündigung.

8. Auf Fehler bei der Massenentlassungsanzeige nach §§ 17, 18 KSchG kommt es vorliegend nicht an.

Solche Fehler hat der Kläger bereits nicht gerügt. Die Kündigung verstößt damit nicht gegen §§ 17, 18 KSchG.

Darüber hinaus wäre die Kündigung auch nicht wegen Verstoßes gegen § 18 KSchG unwirksam. Zwar war die vorliegende Kündigung im Hinblick auf die Entlassung aller wahlberechtigten 34 Mitarbeiter des Betriebes der Beklagten in G. zum 28. 02. 2009 nach § 17 KSchG anzeigepflichtig. Diese Anzeige hat die Beklagte am 21. 11. 2008 vorgenommen, wie die Agentur für Arbeit M. bestätigte.

Nach § 18 Abs. 1 KSchG werden Entlassungen, die nach § 17 KSchG anzuzeigen sind, vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige nur mit Zustimmung der Agentur für Arbeit wirksam. Bis zum Ablauf der gesetzlichen Frist kann eine vom Arbeitgeber erklärte Kündigung keine Wirkung entfalten. Die Kündigung nach Anzeigeerstattung bleibt aber als Rechtsgeschäft grundsätzlich wirksam; sie beendet das Arbeitsverhältnis, sofern dieses Ende vor dem Ende der Sperrfrist liegen sollte, nur nicht zu dem in der Kündigungserklärung genannten Zeit (vgl. BAG, Urteil vom 13. 04. 2000 - 2 AZR 215/99, Urteil vom 18. September 2003 - 2 AZR 79/02; Urteil vom 06. 11. 2008 - 2 AZR 935/07). Nach der gesetzlichen Formulierung des § 18 Abs. 1 KSchG kann eine Kündigung schon unmittelbar nach Erstattung (Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit) ausgesprochen werden. Die Gesetzesfassung verbietet den Ausspruch der Kündigung vor dem Ablauf der Sperrfrist nicht, auch wenn man unter "Entlassung" i. S. d. Norm die Kündigung versteht (vgl. BAG, Urteil vom 23. 03. 2006 - 2 AZR 343/05; Urteil vom 21. 09. 2006 - 2 AZR 284/06). Aus dem Gesetzeswortlaut lässt sich lediglich entnehmen, dass die Entlassung - auch bei ordnungsgemäßer Anzeige - grundsätzlich nicht ohne Einhaltung einer Monatsfrist von einem Monat vollzogen werden kann. Geregelt wird insoweit der Vollzug der Entlassung. Das Wirksamwerden i. S. v. § 18 KSchG bezieht sich damit auf den Eintritt der Rechtsfolgen der Kündigung. Diese treten mit Ablauf der Kündigungsfrist ein. Der Gesetzeswortlaut umschreibt nur einen "Mindestzeitraum", der zwischen der Anzeigeerstattung und der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses liegen muss. Etabliert demnach § 18 Abs. 1 KSchG lediglich einen Mindestzeitraum bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, so verlängert die gesetzliche Regelung die Kündigungsfrist nicht über diesen Mindestzeitraum hinaus oder verschiebt gar den Beginn der Kündigungsfrist, vgl. BAG, Urteil vom 06. 11. 2008, aaO. Die erkennende Kammer schließt sich somit der Entscheidung des BAG vom 06. 11. 2008 - dort Rzn. 27 - 29 der Gründe - an.

Da vorliegend die Mindestfrist der festgesetzten Sperrfrist eingehalten wurde, verstößt die Kündigung auch nicht gegen die Vorschriften der §§ 17, 18 KSchG.

Da aber der Kläger diese Problematik gar nicht rügt, ist sie auch für den vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich.

9. Die Kündigung ist nicht wegen bestehender Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des Klägers auf einem freien vergleichbaren Arbeitsplatz unwirksam.

Der Arbeitgeber muss nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor jeder ordentlichen Beendigungskündigung von sich aus dem Arbeitnehmer eine beide Parteien zumutbare Weiterbeschäftigung auf einem freien vergleichbaren Arbeitsplatz im Unternehmen zuweisen, falls eine solche Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht, vgl. BAG, Urteil vom 29.03.1990, EZR, § 1 KSchG soziale Auswahl Nr. 29 sowie vom 21.04.2005, EZR, § 2 KSchG Nr. 53 sowie vom 29.03.2007, EZR, § 2 KSchG Nr. 66. Dabei ist die Weiterbeschäftigungspflicht auch dann unternehmensbezogen und nicht nur auf den Betrieb beschränkt, wenn der Betriebsrat der Kündigung nicht widersprochen hat, vgl. Griebeling in: KR, aaO., Rz. 218. Frei sind Arbeitsplätze, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt sind. Eine Verpflichtung zur Freikündigung der Arbeitsplätze nicht vergleichbarer Arbeitnehmer besteht nicht. Darüber hinaus ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, zur Ermöglichung der Weiterbeschäftigung einen neuen Arbeitsplatz zu schaffen. Hinsichtlich der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit gilt im vorliegenden Fall nicht die Vermutung, dass freie Arbeitsplätze nicht vorhanden sind, obwohl der Kläger in einer Namenliste nach § 125 Abs. 1 InsO i. V. m. § 1 Abs. 5 KSchG aufgeführt ist. Diese Vermutungswirkung betrifft lediglich den Betrieb der Beklagten in G.. Andere Betriebe z. B. in J., M. oder D. sind von dieser Vermutungswirkung nicht erfasst.

Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast für die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit gilt die gesetzliche Beweisregelung des § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG. Danach hat der Arbeitnehmer zunächst konkret aufzuzeigen, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt. Dann ist es Aufgabe des Arbeitgebers darzulegen, dass dies nicht möglich ist.

Vorliegend hat der Kläger noch nicht einmal dargelegt, dass ein Arbeitsplatz in den Filialen J., M. oder D. oder anderweitig frei ist. Seine derzeitige Tätigkeit im Rahmen eines Prozessrechtsverhältnisses indifiziert dies nicht. Denn Inhalt des Prozessrechtsarbeitsverhältnisses ist gerade, dass die Beschäftigung auch ohne freien Arbeitsplatz zunächst fortgesetzt wird. Darüber hinaus hat die Beklagte unwidersprochen behauptet, dass auch in dem vom Kläger favorisierten Filialen Personal abgebaut werden muss. Dies beinhaltet zugleich den umstrittenen Vortrag, dass dort kein freier Arbeitsplatz für den Kläger vorhanden ist. Auch wenn der Kläger in der Berufungskammerverhandlung behauptet hat, er werde in D. gebraucht, ist dies kein Indiz für das Vorhandensein eines freien Arbeitsplatzes. Denn gerade in Umstrukturierungssituationen - wie der vorliegenden - bei der ca. 1/3 der rund 3.700 Beschäftigten ihren Arbeitsplatz verlieren - ist es sehr unwahrscheinlich, dass freie Stellen, die zur Besetzung anstehen, vorhanden sind. In derartigen Situation, die die Beklagte an den Rand der Insolvenz gebracht hat, spricht daher der Vortrag der Beklagten, dass freie Arbeitsplätze nicht vorhanden seien und auch in den von dem Kläger favorisierten Filialen Arbeitnehmer abgebaut werden müssten, für sich. In einer derartigen Situation wird jeder Arbeitgeber froh sein, vorhandene Arbeitsplätze - sofern sie denn frei wären - nicht wieder besetzen zu müssen. Dies muss sich auch der Kläger entgegenhalten.

10. Damit ist die fristgemäße Kündigung vom 26. 11. 2008 wirksam. Sie hat das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 28. 02. 2009 beendet.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 ArbGG und trifft den Kläger, da er unterliegt.

IV. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen hierfür sind nicht ersichtlich. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weicht nicht von anderen obergerichtlichen Entscheidung i. S. d. § 72 Abs. 2 ArbGG ab.

VorschriftenKSchG § 1, KSchG § 15, InsO § 125

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