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08.12.2010 · IWW-Abrufnummer 103986

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 31.08.2010 – L 5 KA 18/10

In einer versorgungsbereichsübergreifenden Gemeinschaftspraxis darf der Gesellschaftler, der nur zur hausärztlichen Versorgung zugelassen ist, auch im Vertretungsfall keine Leistungen abrechnen, deren Abrechnung dem fachärztlichen Versorgungsbereich vorbehalten ist.



L 5 KA 18/10

Tenor:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 13.01.2010 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand
Streitig sind sachlich-rechnerische Richtigstellungen des vertragsärztlichen Honorars der Quartale 4/2006 sowie 1 und 3/2007.

Der Klägerin wurde mit Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte im Regierungsbezirk Koblenz vom 27.02.2002 die Führung einer versorgungsbereichsübergreifenden Gemeinschaftspraxis in N genehmigt. Im Beschluss heißt es u.a., die Ärzte seien davon unterrichtet, dass die Genehmigung zur Führung einer Gemeinschaftspraxis die gemeinsame Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit auf gemeinsame Rechnung beinhaltet. Sie seien ferner darüber belehrt, dass der Vertragsarzt seine Tätigkeit - vom Falle erlaubter Vertretung abgesehen - persönlich auszuüben habe und dass dem Wunsche der Patienten nach Behandlung durch einen bestimmten Arzt der Gemeinschaft Rechnung zu tragen ist. Der Gesellschafter Dr. G ist Internist mit Schwerpunkt Gastroenterologie und nimmt an der fachärztlichen Versorgung teil. Der Gesellschafter Dr. S ist Internist ohne Schwerpunktbezeichnung und nimmt an der hausärztlichen Versorgung teil; sein Antrag gemäß § 73 Abs. 1 a Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) auf gleichzeitige Teilnahme an der haus- und fachärztlichen Versorgung blieb erfolglos (Beschluss des Zulassungsausschusses vom 10.12.2006), zwischenzeitlich wurde ihm jedoch mit Beschluss des Zulassungsausschusses vom 16.06.2009 für die Zeit vom 01.07.2009 bis 30.06.2011 die Durchführung von Koloskopien genehmigt. Nachdem die Rechtsvorgängerin der Beklagten auch nach Ablauf der Übergangsbestimmungen des früheren Hausarzt-Vertrages (jeweils Anlage 5 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte - BMV-Ä - bzw. Bundesmantelvertrag Ärzte/Ersatzkassen - EKV-Ä -) zum 31.12.2002 die Abrechnung der vom hausärztlichen Praxispartner erbrachten fachärztlichen Leistungen nicht beanstandet hatte, wies die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 13.12.2005 darauf hin, dass bei praxisinterner Vertretung hinsichtlich der Abrechnungsgenehmigung auf den Status des ausführenden, nicht des vertretenen Arztes abzustellen sei; es werde gebeten, dies ab dem 01.01.2006 zu berücksichtigen. Mit Bescheiden vom 25.01.2007 (Quartal 4/2006), 01.06.2007 (Quartal 1/2007) und 19.10.2007 (Quartal 3/2007) führte die Beklagte eine sachlich-rechnerische Korrektur der Quartalsabrechnungen durch und strich u.a. den Ansatz der Nr. 13400 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) "Zusatzpauschale Ösophago-Gastroduodenoskopie" in insgesamt 31 Behandlungsfällen (ein Ansatz im Quartal 4/2006, drei Ansätze im Quartal 1/2007 sowie 27 Ansätze im Quartal 3/2007), da die jeweiligen Leistungen von dem an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Praxispartner erbracht worden waren. Die Widersprüche der Klägerin, die unter Berufung auf ein Schreiben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 12.06.2007 geltend machte, die Leistungen nach Nr. 13400 EBM-Ä dürften trotz fehlender Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung vom hausärztlichen Praxispartner vertretungshalber für den an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Praxispartner erbracht werden, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 08.05.2008 zurück. Zwar sei eine wechselseitige Vertretung unter Berücksichtigung des Weiterbildungsrechts generell möglich, jedoch müsse bei Erbringung genehmigungspflichtiger Leistungen im Vertretungsfall der Vertreter über die entsprechende Genehmigung verfügen und für die Abrechnung von Leistungen im Vertretungsfall sei der Zulassungsstatus des Vertreters maßgebend. Dieser könne nur Leistungen abrechnen, die nach den Bestimmungen des EBM-Ä seinem Zulassungsstatus zugeordnet seien.

Mit der am 28.05.2008 zum Sozialgericht Mainz (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und geltend gemacht, auch wenn der hausärztliche Praxispartner nicht über eine Abrechnungsgenehmigung nach § 73 Abs. 1 a SGB V zur Erbringung der Leistungen nach Nr. 13400 EBM-Ä verfüge, verbiete das Gesetz gemäß § 32 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) die vertretungsweise Erbringung der Leistungen nicht. Aus der Präambel Nr. 4 zu Nr. 13.1 EBM-Ä ergebe sich, dass Internisten ohne Schwerpunkt die Leistungen nach Nr. 13400 EBM-Ä berechnen dürften. Das Vorgehen der Beklagten laufe darauf hinaus, dass die Partner der Gemeinschaftspraxis bei der Abrechnung wie zwei Einzelpraxen behandelt würden. Richtigerweise umfasse die Zulassung als die Versorgungsbereiche übergreifende Gemeinschaftspraxis auch die wechselseitige Vertretung der Praxisinhaber bei spezialinternistischen Leistungen.

Durch Urteil vom 13.01.2010 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die von der Klägerin beanstandeten sachlich-rechnerischen Richtigstellungen seien zu Recht erfolgt. Gemäß § 106 a Abs. 1 SGB V prüften die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen die Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnungen in der vertragsärztlichen Versorgung. Die Kassenärztliche Vereinigung stelle die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest (§ 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 BMV-Ä bzw. § 34 Abs. 4 Satz 2 EKV-Ä sei die Kassenärztliche Vereinigung zur Berichtigung einer fehlerhaften Honorarabrechnung berechtigt. Dies gelte insbesondere für die Anwendung des Regelwerks (§ 45 Abs. 1 Satz 2 BMV-Ä bzw. § 34 Abs. 4 Satz 1 EKV-Ä). Die streitigen Ansätze der Nr. 13400 EBM-Ä seien von der Klägerin entgegen den Vorschriften des seit dem 01.04.2005 geltenden EBM-Ä erfolgt. Nach Nr. 13.1.1 der Präambel zu Kapitel 13 EBM-Ä könnten die in diesem Kapitel aufgeführten Leistungen ausschließlich von Fachärzten der Inneren Medizin, die nicht an der hausärztlichen Versorgung gemäß § 73 Abs. 1 a SGB V teilnehmen, berechnet werden. Die Gliederung der vertragsärztlichen Leistungen in die Bereiche der hausärztlichen oder fachärztlichen Versorgung mit der Maßgabe, dass die Leistungen nur noch von Vertragsärzten des einen oder des anderen Versorgungsbereichs erbracht und abgerechnet werden können, beruhe auf § 87 a Abs. 2 Satz 1 SGB V und sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zu beanstanden. Da der Gesellschafter der Klägerin Dr. S als Internist die Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung gewählt habe, sei er nicht berechtigt, die Leistungen nach Nr. 13400 EBM-Ä zu erbringen und abzurechnen. Ohne Belang sei, dass er über die berufsrechtliche Qualifikation eines Facharztes für Innere Medizin verfüge. Auch der Umstand, dass die Gesellschafter der Klägerin in einer die Versorgungsbereiche übergreifenden Gemeinschaftspraxis tätig seien, ändere hieran nichts. Die gemeinsame Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit im Sinne des § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV erweitere nicht den persönlichen Zulassungsstatus der Partner der Gemeinschaftspraxis. Dies könne auch der Genehmigungsbescheid des Zulassungsausschusses für Ärzte nicht bewirken. Soweit darin die "Vertretung" des einen durch den anderen Partner der Gemeinschaftspraxis erlaubt wird, gelte dies nur im Rahmen der vertragsarztrechtlichen Bindungen. Diese fänden auch für den Fall der Vertretung eines Vertragsarztes gemäß § 32 Abs. 1 Satz 2 und 5 Ärzte-ZV Anwendung. Die Zuordnung der Leistungen zu den Versorgungsbereichen ergebe sich aus dem gesetzlichen Versorgungsauftrag der jeweiligen Arztgruppe im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung (§ 87 Abs. 2 a Satz 2 i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Eine Berechtigung des einzelnen Vertragsarztes, einen anderen Vertragsarzt durch die Bestellung als Vertreter von der Bindung an seinen Versorgungsbereich zu dispensieren, käme einer Aufhebung der gesetzlich angeordneten Trennung der Versorgungsbereiche gleich und würde zudem die Kompetenz des Zulassungsausschusses, gemäß § 73 Abs. 1 a Satz 3 SGB V im Einzelfall über befristete und sachlich beschränkte Ausnahmen von der Beschränkung des jeweiligen Versorgungsbereichs zu entscheiden, außer Kraft setzen. Auf die Frage, ob innerhalb einer Gemeinschaftspraxis der eine Partner den anderen im Sinne des § 32 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV vertreten könne, komme es somit nicht an. Auch wenn man zu Gunsten der Klägerin unterstelle, dass bei Abwesenheit des einen Praxispartners eine Vertretung durch den anderen stattfinde, berechtige dies nicht den vertretenden Arzt, Leistungen zu erbringen und abzurechnen, die nicht dem Versorgungsbereich zugeordnet seien, für den er zugelassen sei. Der davon abweichenden Rechtsauffassung des Vorstandes der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, wie sie in dem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 12.06.2007 ohne nähere Begründung geäußert werde, sei demgegenüber nicht zu folgen. Aus der Duldung der Abrechnungsweise der Klägerin durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten bis zum 13.12.2005 könne die Klägerin keinen Anspruch ableiten, auch in Zukunft entgegen der geltenden Rechtslage die Leistungen abrechnen zu dürfen.

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 23.03.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13.04.2010 Berufung eingelegt. Sie verweist darauf, dass es in K mit seinem großen Bundeswehrzentralkrankenhaus üblich sei, dass dort abhängig tätige Internisten (also ohne jedwede vertragsärztliche Zulassung) als Vertreter tätig werden und dies in Praxen mit fachärztlicher Zulassung. Hieran knüpfe sich die Frage an, ob tatsächlich der Partner einer Gemeinschaftspraxis (mit derselben Qualifikation) nicht ebenso vertreten könne wie ein von außen geholter Vertreter. Nach § 32 Ärzte-ZV könne zwar der Vertreter Vertragsarzt sein, müsse es aber nicht. Es reiche aus, dass er die fachlichen Voraussetzungen nachweisen könne, um im Versorgungsbereich des Vertretenen tätig zu werden. Diese Voraussetzungen erfülle der Gesellschafter der Klägerin Dr. S im Verhältnis zu dem fachärztlichen Gesellschafter der Klägerin Dr. G .

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 13.01.2010 aufzuheben und die Bescheide der Beklagten vom 25.01.2007, 01.06.2007 und 19.10.2007 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 08.05.2008 aufzuheben, soweit die vom Gesellschafter der Klägerin Dr. S erbrachten Leistungen nach Nr. 13400 EBM-Ä gekürzt worden sind.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Der Akteninhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung.

Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten über die sachlich-rechnerische Richtigstellung der vom hausärztlichen Praxispartner Dr. S der Klägerin angesetzten Leistungen nach Nr. 13400 EBM-Ä sind rechtlich nicht zu beanstanden. Dies hat das SG im Einzelnen zutreffend ausgeführt, der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe Bezug (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Das Bundessozialgericht (BSG) hat im Rahmen der grundlegenden Entscheidung zur Rechtmäßigkeit der Gliederung des vertragsarztrechtlichen Systems in die hausärztliche und fachärztliche Versorgung die Vereinbarkeit der mit dieser Regelung einhergehenden Zuordnung bestimmter Arztgruppen zu den genannten Versorgungsbereichen mit dem Grundgesetz bestätigt (vgl. BSG 18.06.1997 - 6 RKa 58/96, juris). Innerhalb einer Gemeinschaftspraxis ist demnach jeder Arzt nur aus dem mit der Zulassung erworbenen Versorgungsauftrag zur vertragsärztlichen Behandlung berechtigt. Gemäß § 73 Abs. 1 a Nr. 3 SGB V nehmen Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung, die die Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung gewählt haben, an der hausärztlichen Versorgung teil. Etwas anderes wäre nur möglich, wenn dem Arzt von dem Zulassungsausschuss gemäß § 73 Abs. 1 a Nr. 5 Satz 3 SGB V die Berechtigung zuerkannt worden wäre, sowohl im hausärztlichen als auch im fachärztlichen Bereich tätig zu werden. Eine solche Berechtigung hat der Zulassungsausschuss dem Gesellschafter der Klägerin Dr. S mit Beschluss vom 19.12.2006 gerade versagt. Daher kann dieser, nachdem er sich für die Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung entschieden hat, Leistungen aus dem fachärztlichen Bereich des EBM-Ä nicht erbringen und abrechnen. Hieran ändert die vom Zulassungsausschuss für Ärzte mit Beschluss vom 27.02.2002 der Klägerin erteilte Genehmigung zur Führung einer versorgungsbereichsübergreifenden Gemeinschaftspraxis nichts. Soweit in diesem Bescheid davon die Rede ist, dass eine Vertretung durch den jeweils anderen Partner gestattet sei, betrifft dies ausdrücklich nur den Fall einer "erlaubten" Vertretung. Eine konstitutive Erweiterung der Abrechnungsbefugnisse der Klägerin wird hierdurch nicht bewirkt. Entgegen der mit der Berufung weiter verfolgten Rechtsauffassung der Klägerin ergibt sich aus der Vertretungsregelung des § 32 Ärzte-ZV nichts anderes. Gemäß § 32 Abs. 1 Satz 5 Ärzte-ZV darf sich der Vertragsarzt grundsätzlich nur durch einen anderen Vertragsarzt oder durch einen Arzt, der die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Ärzte-ZV erfüllt, vertreten lassen. Erfolgt die Vertretung - wie hier - durch einen anderen Vertragsarzt, so kann sie indes nur im Rahmen des ihm erlaubten Spektrums erfolgen. Anders als ein "externer" Vertreter rückt der vertretende Vertragsarzt nicht an die Stelle des Vertretenen, sondern nimmt die Vertretung im Rahmen seiner vertragsärztlichen Zulassung wahr und bleibt damit an seinen Versorgungsbereich gebunden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. einer entsprechenden Anwendung des § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

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