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10.11.2010

Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 18.06.2010 – 10 Sa 307/10

1) Das Götz-Zitat ist grundsätzlich als grobe Beleidigung anzusehen, die auch ohne Abmahnung als Kündigungsgrund ausreichen kann.

2) Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung im Einzelfall sind allerdings die die Beleidigung auslösende Konfliktsituation, der dadurch entstandene Erregungszustand, die vor Ausspruch der Kündigung erfolgte Entschuldigung des Arbeitnehmers bei dem Betroffenen - hier dem Geschäftsführer - zugunsten des Arbeitnehmers in Erwägung zu ziehen.


Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 14.01.2010 - 10 Ca 7683/09 - wird zurückgewiesen.

2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 14.01.2010 - 10 Ca 7673/09 - teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 2.470,00 - brutto abzüglich 1.555,72 - netto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszins aus 836,00 - brutto ab 01.10.2009, weiteren 836,00 - ab 02.11.2009 abzüglich 1.031,23 - netto und aus 798,00 - brutto, abzüglich 524,40 - netto ab 01.12.2009 zu zahlen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 3/10 und die Beklagte zu 7/10.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung, um die Weiterbeschäftigung des Klägers und um dessen Verzugslohnansprüche.

Der am 01.01.1988 geborene, ledige Kläger ist seit dem 17.11.2005 als Mitarbeiter Rotationssysteme im Systemgastronomiebetrieb der Beklagten, die regelmäßig mehr als 10 Mitarbeiter beschäftigt, mit 25 Wochenstunden und einem monatlichen Bruttoeinkommen, das nach den unterschiedlichen Angaben der Parteien zwischen 1.100,33 EUR und 1.284,30 EUR liegt, tätig.

Der Kläger erhielt schriftliche Abmahnungen durch die Beklagte vom 11.09.2007 und 12.03.2009 jeweils wegen unentschuldigtem Fehlen sowie vom 25.05.2009 wegen verspätetem Erscheinen am Arbeitsplatz. Zudem erklärt die Beklagte die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit Schreiben vom 22.06.2009 wegen von ihr angenommener nicht ordnungsgemäßer Krankmeldung. Die Kündigung vom 22.06.2009 nahm die Beklagte in der Folgezeit zurück.

Am 05.08.2009 kam es im Restaurant der Beklagten im E in K im Zusammenhang mit der Verbringung einer Warenlieferung in den Keller und die Kühlräume des Restaurants durch den Kläger zu einer Auseinandersetzung des Klägers mit dem Geschäftsführer der Beklagten.

Daraufhin erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 11.08.2009 die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien fristgerecht zum 01.09.2009, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.

Hiergegen richtet sich die Kündigungsschutzklage des Klägers vom 13.08.2009, welche beim Arbeitsgericht in Köln am 17.09.2009 eingegangen ist.

Der Kläger hat gemeint, im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem Geschäftsführer der Beklagten am 05.08.2009 sei es weder zu einer Beleidigung noch zu einer Bedrohung des Geschäftsführers durch den Kläger gekommen. Nach Anlieferung der tiefgefrorenen Ware habe er diese ordnungsgemäß auf die zum Keller führende Rutsche verbracht. Beschädigungen an der Ware seien nicht eingetreten, was er dem Geschäftsführer erklärt habe. Nach der Diskussion mit dem Geschäftsführer vor dem Restaurant, sei er später ins Restaurant gegangen, um sich dort ein Getränk zu holen. Dort habe er den Geschäftsführer angetroffen, der sich bei dem Vater des Klägers, der ebenfalls im Restaurant beschäftigt ist, beschwert habe. Der Kläger habe dann seine Erklärung, dass er beim Ausräumen der Ware nicht beschädigt habe, wiederholt. Der Geschäftsführer habe ihn daraufhin angeschrien, so dass der Kläger erklärt habe, der Geschäftsführer solle den Kläger nicht vor dem Publikum blamieren, man könne ins Büro gehen, um die Sache weiter zu besprechen. Der Kläger hat zudem die Rechtsansicht geäußert, ein etwaiges Fehlverhalten des Klägers bei der Auseinandersetzung vom 05.08.2009 rechtfertige nicht den Ausspruch einer arbeitgeberseitigen ordentlichen Kündigung, da es an vorangegangenen einschlägigen Abmahnungen fehle. Zudem seien die früheren Abmahnungen wie auch die später zurückgenommene ordentliche Kündigung vom 22.06.2009 unberechtigt. Der Kläger hat zudem die Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung vor Ausspruch der Kündigung in Abrede gestellt. Durch die Kündigung vom 11.08.2009 zum 01.09.2009 sei auch die vierwöchige Kündigungsfrist nach dem Manteltarifvertrag Systemgastronomie BdS nicht eingehalten. Erstinstanzlich hat der Kläger Verzugslohn für den Zeitraum September bis November 2009 geltend gemacht.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 11.08.2009 nicht beendet wird;

2. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Mitarbeiter Rotationssystem weiterzubeschäftigen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.470,00 - brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 836,00 - brutto ab dem 01.10.2009, auf weitere 836,00 - brutto ab dem 02.11.2009 und auf 798,00 - brutto ab dem 01.02.2009 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat geltend gemacht, das Verhalten des Klägers beim Vorfall vom 05.08.2009 im Restaurant im E in K rechtfertige die ordentliche Kündigung vom 11.08.2009 aus verhaltensbedingten Gründen. Hierzu hat die Beklagte behauptet, der Kläger habe die angelieferte tiefgefrorene Ware - u. a. 54 Kartons mit Pommes Frites - auf die Rutsche zum Keller aus einer Höhe von ca. 1 m geworfen. Der Beklagtengeschäftsführer habe den Kläger abends am 20.45 Uhr darauf angesprochen. Der Kläger habe daraufhin geantwortet, er verfahre immer so und wolle alles bezahlen, wenn etwa kaputt gehe. Der Beklagtengeschäftsführer habe dem Kläger daraufhin gegenüber klargestellt, dass ein solcher Umgang mit der Ware nicht akzeptabel und dem Kläger nicht gestattet sei. Der Kläger sei daraufhin dem Beklagtengeschäftsführer in die Küche gefolgt und habe dort eine lautstarke Diskussion begonnen. Er habe sich dabei dem Geschäftsführer genähert und wild gestikuliert. Der Kläger habe den Beklagtengeschäftsführer geduzt und geäußert, dieser solle nicht herumpalavern und diesem die Frage gestellt: "Wer bist Du denn?". Zudem habe der Kläger geäußert: "Du kannst mich mal…". Der Vater des Klägers habe den Kläger von weiterem abgehalten. Der Geschäftsführer habe sich bedroht und beleidigt gefühlt. Erst nach der vierten Aufforderung und der Drohung, ansonsten die Polizei zu holen, habe der Kläger das Restaurant verlassen. Die Beleidigung und Bedrohung durch den Kläger gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten sei als ordentlicher Kündigungsgrund ausreichend. Eine vorangegangene Abmahnung sei nicht erforderlich. Spätestens mit Rücknahme der ordentlichen Kündigung vom 22.06.2009 sei der Kläger ausreichend gewarnt worden, da ihm verdeutlicht worden sei, dass er nunmehr eine letzte Chance für den Verbleib im Arbeitsverhältnis erhalte. Die Auseinandersetzung am 05.09.2009 habe allein der Kläger hervorgerufen. Eine Interessenabwägung gehe zu Lasten des Klägers, dessen Arbeitsverhältnis zu Recht mit Ausspruch der ordentlichen Kündigung vom 11.08.2009 beendet worden sei. Der Betriebsrat sei hinreichend mit Schreiben vom 07.08.2009 angehört worden, woraufhin die abschließende Stellungnahme des Betriebsrates mit dessen Schreiben vom 10.08.2009 erfolgt sei.

Durch Urteil vom 14.01.2009 hat das Arbeitsgericht Köln die Klage teilweise für begründet gehalten und dabei die Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 11.08.2009 festgestellt und die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt, während der Verzugslohnanspruch des Klägers mit Rücksicht auf seinen Arbeitslosengeldbezug ab 01.09.2009 wegen ungeklärter Aktivlegitimation abgewiesen wurde. Die ordentliche Kündigung vom 11.08.2009 sei unwirksam, da das Verhalten des Klägers nach dem Vortrag der Beklagten eine ordentliche Kündigung nicht rechtfertige. Eine vorangegangene Abmahnung sei nur entbehrlich, wenn eine besonders schwere und kränkende Beleidigung gegeben sei. Hierbei sei der erregte Zustand des Klägers wegen der vorangegangenen verbalen Auseinandersetzung mit dem Beklagtengeschäftsführer zu berücksichtigen. Die Wortwahl des Klägers sei nach dem Vortrag der Beklagten zwar unangemessen gewesen, aber nicht derart schwerwiegend, dass eine Abmahnung als entbehrlich anzusehen sei.

Gegen das beiden Parteien jeweils am 05.02.2010 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Köln hat die Beklagte am 23.02.2010 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 05.05.2010 am 04.05.2010 beim Landesarbeitsgericht schriftlich begründet. Der Kläger hat gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln am 01.03.2010 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 06.05.2010 am 28.04.2010 begründet.

Die Beklagte verbleibt bei ihrer Rechtsauffassung, die ordentliche Kündigung vom 11.08.2009 sei aus verhaltensbedingten Gründen hinreichend sozial gerechtfertigt und damit wirksam. Zu berücksichtigen sei, dass zwischen den Parteien ein schwer belastetes Arbeitsverhältnis vorgelegen habe. Der Kläger habe am 05.08.2009 mit seinem provokanten Verhalten auf die korrekte Weisung des Geschäftsführers hinsichtlich der Verladung der Kartons reagiert. Anknüpfend sei es dann in der Folge zu der Beleidigung und der Bedrohung des Klägers gegenüber dem Geschäftsführer gekommen. Entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln liege eine grobe Beleidigung durch den Kläger vor, in dem er das trotz verkürzter Form eindeutig erkennbare Götz-Zitat verwendet habe. Zudem habe er seine Geringschätzung gegenüber dem Beklagtengeschäftsführer durch die Verwendung der Duzform gesteigert. Durch dieses Verhalten sei die Autorität des Geschäftsführers als Vorgesetzten untergraben worden. Zudem habe der Kläger durch sein Agieren und dem unangemessenen Herandrängen an den Geschäftsführer diesen auch bedroht. Die Restaurantleiterin Frau F habe befürchtet, der Kläger werde gleich zuschlagen. Ein Erregungszustand könne nicht entlastend für den Kläger gewertet werden, da der Kläger selbst diesen provoziert habe. Eine Abmahnung sei vor Ausspruch der Kündigung wegen der Schwere der Pflichtverletzung nicht als erforderlich anzusehen. Die Interessenabwägung gehe mit Rücksicht auf das nachhaltig belastete Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zu Lasten des Klägers, wobei die halbherzige Entschuldigung des Klägers vom 06.08.2009 nicht entscheidend zu seinen Gunsten wirke.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 14.01.2010, Aktenzeichen 10 Ca 7683/09, abzuändern und nach den Schlussanträgen in erster Instanz zu erkennen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt zudem,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 14.01.2010 - Az.: 10 Ca 7683/09 - die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.470,00 - brutto abzüglich 1.555,72 - netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszins aus 836,00 - brutto ab 01.10.2009, weiteren 836,00 - ab 02.11.2009, abzüglich 1.031,23 - netto und aus 798,00 - brutto, abzüglich 524,40 - netto ab 01.12.2009 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger verbleibt bei seiner Meinung, sein Verhalten im Rahmen der Auseinandersetzung vom 05.08.2009 stelle keine Pflichtverletzung und damit keinen verhaltensbedingten Kündigungsgrund für die Beklagte dar. Eine Provokation durch den Kläger gegenüber dem Geschäftsführer sei nicht erfolgt, der Kläger habe während des Gesprächs anlässlich des Verladevorgangs lediglich geäußert, er und die übrigen Mitarbeiter machten das immer so.

Im Rahmen seiner Berufung macht der Kläger unter Rücknahme der Klage im Übrigen letztlich offene Verzugslohnansprüche für den Zeitraum von September bis November 2009 in Höhe von 2.470,00 - brutto abzüglich für September und Oktober 2009 erhaltenes Arbeitslosengeld in Höhe von 1.031,32 - und für November 2009 bezogenes Arbeitslosengeld in Höhe von weiteren 524,40 - geltend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst den zu den Akten gereichten Anlagen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

I. Beide Berufungen der Parteien sind jeweils zulässig, weil sie statthaft (§§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden sind (§§ 66 Abs. 1 S. 1, 64 Abs. 6 S. 1, 519, 520 ZPO).

II. In der Sache hat das Rechtsmittel der Beklagten jedoch keinen Erfolg, da sich die ordentliche Kündigung vom 11.08.2009 nicht als sozial gerechtfertigt gemäß § 1 Abs. 2 KSchG erweist. Ein ausreichender verhaltensbedingter Kündigungsgrund ist gegenüber dem Kläger nicht gegeben.

1. Zunächst ist davon auszugehen, dass grobe Beleidigungen und Bedrohungen gegenüber dem Arbeitgeber einen erheblichen Vertragsverstoß des Arbeitnehmers darstellen und daher an sich als ausreichender Kündigungsgrund geeignet sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Beleidigungen durch den Arbeitnehmer, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den betroffenen Arbeitgeber bedeuten, als Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis an sich zur Rechtfertigung sogar einer außerordentlichen Kündigung geeignet; der Arbeitnehmer kann sich dann nicht erfolgreich auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung (Artikel 5 Abs. 1 GG) berufen. Kündigungsrechtlich ist dabei nicht ausschlaggebend die strafrechtliche Beurteilung. Eine einmalige Ehrverletzung ist kündigungsrechtlich umso schwerwiegender, je unverhältnismäßiger und je überlegter sie ausgeführt wurde (vgl. BAG, Urteil vom 10.10.2002 - 2 AZR 418/01 - in DB 2003, Seite 1797 f.; Urteil vom 17.02.2000 - 2 AZR 927/98 - , zitiert nach Juris m. w. N.). Im groben Maße unsachliche Angriffe, die u. a. zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber nicht hinnehmen (BAG, Urteil vom 10.10.2002 - 2 AZR 418/01 - a.a.O.).

Vorliegend hat die Beklagte eine Bedrohung des Beklagtengeschäftsführers durch den Kläger nicht hinreichend vorgetragen. Das Heranrücken des Klägers auf eine nicht zu duldende körperliche Nähe ist hierfür nicht aussagekräftig genug. Der Vortrag der Beklagten, die Restaurantleiterin F habe angesichts des Verhaltens des Klägers befürchtet, der Kläger werde gleich zuschlagen, gibt lediglich deren subjektiven Eindruck wieder, ohne eine substantiierte Tatsachengrundlage hierfür zu schildern. Daher erweist sich auch der diesbezügliche Sachvortrag der Beklagten nicht als hinreichend konkret, um eine ausschlaggebende Indizwirkung zu entfalten. Eine Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin F hierzu war daher nicht geboten.

Die von der Beklagten behauptete und vom Kläger bestrittene Äußerung des Klägers zum Ende der verbalen Auseinandersetzung mit dem Geschäftsführer im Restaurant mit den Worten "du kannst mich mal…" ist aufgrund der Gesprächsentwicklung durchaus als Kurzform des Götz-Zitats zu werten, da auch der Kläger eine anderweitige Erklärung für diese von der Beklagten behauptete Formulierung nicht geliefert, sondern sich auf das Bestreiten einer solchen Äußerung beschränkt hat. Dieses Götz-Zitat verbunden mit der von der Beklagten weiter behaupteten Verwendung der Duzform gegenüber dem Geschäftsführer sowie den weiteren behaupteten Erklärungen des Klägers, der Geschäftsführer solle nicht herumpalavern und die Frage an diesen "Wer bist Du denn?" stellen grundsätzlich eine erhebliche Missachtung der Person und Funktion des Geschäftsführers insbesondere in Anwesenheit der sonstigen Belegschaft des Restaurants dar.

2. Im Rahmen einer groben Beleidigung ist auch eine vorangegangene einschlägige Abmahnung als entbehrlich anzusehen. Dies gilt dann, wenn es um schwere Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne Weiteres erkennbar ist und bei dem eine Hinnahme des Verhaltens offensichtlich ausgeschlossen ist. (vgl. Erfurter Kommentar - Bearbeiter Müller-Glöge, § 626 BGB, Rdnr. 29 m. w. N.).

3. Allerdings erweist sich die ordentliche Kündigung vom 11.08.2009 aufgrund einer Interessenabwägung im Einzelfall als unwirksam.

Bei der Interessenabwägung sind einerseits die Schwere der Verfehlung, deren Folge für den Arbeitgeber, die Betriebsordnung und den Betriebsfrieden, ein eventuell eingetretener Vertrauensverlust sowie die Größe des Verschuldens und der Grad einer bestehenden Wiederholungsgefahr zu berücksichtigen. Andererseits sind die Dauer des Arbeitsverhältnisses, Lebensalter und die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung von Bedeutung.

Hierbei sind zugunsten des Klägers die vorangegangene Konfliktsituation bei Verladen der angelieferten Ware und der aufgrund der Diskussion mit dem Beklagtengeschäftsführer eingetretene Erregungszustand des Klägers zu berücksichtigen. Von daher sind die von der Beklagten behaupteten Äußerungen des Klägers gegenüber dem Beklagtengeschäftsführer nicht als überlegte Handlungen des Klägers zu werten. Das Merkmal einer überlegten Ehrverletzung, das vom Bundesarbeitsgericht für das kündigungsrechtliche Schwergewicht herangezogen wird (vgl. Urteil vom 10.10.2002 - 2 AZR 418/01 - a.a.O.; Urteil vom 17.02.2000 - 2 AZR 927/98 - a.a.O.), ist vorliegend folglich nicht gegeben. Dies ist im Rahmen der Interessenabwägung zugunsten des Klägers zu berücksichtigen.

Zudem ist festzuhalten, dass der Kläger sich unstreitig am 06.08.2009 - also noch vor Ausspruch der Kündigung - telefonisch beim Beklagtengeschäftsführer entschuldigt hat (vgl. hierzu LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.12.2009 - 11 Sa 263/09 - , zitiert nach Juris). In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass nach eigenem Vortrag der Beklagten der Kläger sich in der Konfliktsituation vom 05.08.2009 dem mäßigenden Einfluss seines ebenfalls im Restaurant im E in K beschäftigten Vaters gefügt und seine von der Beklagten behaupteten Verbalentgleisungen eingestellt hat.

Zugunsten des Klägers hat die Kammer zudem berücksichtigt, dass die Beklagte dem Kläger eine vorangegangene ähnliche oder gleichgelagerte Entgleisung nicht vorwirft. Die von der Beklagten zur Begründung der vorangegangenen Abmahnungen und der Kündigung vom 22.06.2008 vorgetragenen Pflichtverletzungen des Klägers sind sämtlich in anderen, nicht einschlägigen Pflichtenbereichen angesiedelt und betreffen den Bereich des unentschuldigten Fehlens, des verspäteten Erscheinens am Arbeitsplatz und der nicht ordnungsgemäßen Krankmeldung.

Vor diesem Hintergrund ist es aufgrund der Einzelfallumstände der Beklagten zuzumuten, trotz der durch die von ihr vorgetragene Beleidigung des Geschäftsführers durch den Kläger eingetretene Infragestellung der Position des Vorgesetzten und der betrieblichen Ordnung zuzumuten, an dem Arbeitsverhältnis mit dem Kläger festzuhalten. Hinsichtlich einer nicht auszuschließenden Wiederholungsgefahr für eine ähnliches zukünftiges Fehlverhalten des Klägers erscheint die Vorbeugung durch den Ausspruch einer Abmahnung ausreichend.

III. Die Berufung des Klägers erweist sich im zuletzt gestellten Umfang als begründet, so dass die Beklagte unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils vom 14.01.2010 zur Zahlung von 2.470,00 - brutto abzüglich 1.555,72 - netto nebst Zinsen zu verurteilen war.

Durch den Ausspruch der ordentlichen Kündigung vom 11.08.2009 zum 01.09.2009 und die sich daran anschließende Nichtbeschäftigung des Klägers in der Folgezeit liegen die Voraussetzungen für einen Vergütungsanspruch des Klägers wegen Annahmeverzug gemäß den §§ 293 ff. BGB für den Zeitraum vom September bis November 2009 in Höhe von 2.470,00 - brutto vor. Hierauf hat sich der Kläger gemäß seinem zuletzt gestellten Berufungsantrag das für diesen Zeitraum erhaltene Arbeitslosengeld in Höhe von 1.555,72 - netto gemäß § 11 Nr. 3 KSchG anrechnen lassen.

IV. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte zu 7/10 und der Kläger zu 3/10. Die Kostenlast für den Kläger ergibt sich aus der im Laufe des Berufungsverfahrens eingetretenen Reduzierung seines Zahlungsantrages und damit aus Rücksicht auf die diesbezügliche teilweise Klagerücknahme aus § 269 Abs. 3 BGB.

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 genannten Kriterien keine Veranlassung, da die angewandten Rechtsfragen bereits höchstrichterlich entschieden sind und sich die Entscheidung auf die Umstände des Einzelfalles stützt.

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