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02.11.2010 · IWW-Abrufnummer 110636

Finanzgericht des Saarlandes: Urteil vom 20.05.2010 – 2 K 1047/09

1. Fahrten einer Auszubildenden im Krankenpflegeberuf zwischen der Wohnung und einer nicht im räumlichen Bereich ihrer regelmäßigen Arbeitsstätte liegenden Krankenpflegeschule, in der die theoretischen Grundlagen des Berufs vermittelt werden, stellen Dienstreisen dar, so dass die Beschränkung in § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG nicht zur Anwendung kommt.



2. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die theoretischen Kenntnisse in einer Berufsschule oder in einer Krankenpflegeschule absolviert werden. Entscheidend ist alleine die Fahrsituation.


IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat der 2. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes in Saarbrücken durch den Vizepräsidenten des Finanzgerichts … als Berichterstatter
am 20. Mai 2010 ohne mündliche Verhandlung
für Recht erkannt:
Der Bescheid vom 10. Dezember 2008 in Form der Einspruchsentscheidung vom 12. Januar 2009 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Kindergeld für den Zeitraum April bis Dezember 2007 zu bewilligen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, sofern nicht der Kläger zuvor Sicherheit leistet.
Tatbestand
Der Kläger streitet mit der Beklagten um die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, mit dem die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für die Zeit von April bis Dezember 2007 aufgehoben hat.
Der Kläger ist der Vater der am 27. Juni 1986 geborenen Tochter C. C absolvierte seit Oktober 200 eine Ausbildung als Gesundheits- und Krankenpflegerin. Träger der Ausbildung ist das St. Josef-Krankenhaus in X (KiG, Bl. 4). Der theoretische Unterricht erfolgt in zeitlichen Blöcken von mehreren Wochen an der Krankenpflegeschule in Y (Y-Straße 1a).
Am 14. Mai 2007 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Kindergeld (KiG, Bl. 1). Mit Bescheid vom 17. Juli 2007 (KiG, Bl. 22 f.) setzte die Beklagte Kindergeld für C ab April 2007 fest. Nachdem der Kläger auf die Aufforderung der Beklagten vom 8. Juli 2008 (KiG, Bl. 24), diverse Nachweise vorzulegen, nicht reagiert hatte, hob die Beklagte mit Bescheid vom 10. Dezember 2008 (KiG, Bl. 26) die Festsetzung des Kindergeldes für C ab April 2007 auf und forderte vom Kläger das für den Zeitraum April bis Dezember 2007 gezahlte Kindergeld zurück.
Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein (KiG, Bl. 30), den die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 12. Januar 2009 als unbegründet zurückwies (KiG, Bl. 32 ff.).
Am 13. Februar 2009 hat der Kläger Klage erhoben (Bl. 1).
Der Kläger beantragt sinngemäß (Bl. 1),
den Bescheid vom 10. Dezember 2008 in Form der Einspruchsentscheidung vom 12. Januar 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm Kindergeld für den Zeitraum April bis Dezember 2007 zu bewilligen
Der Kläger macht geltend, die Einkünfte von C lägen unter dem Grenzbetrag. Die Berechnung der Beklagten sei fehlerhaft, weil u.a. die Fahrten zur Krankenpflegeschule in Y nicht als Dienstreise anerkannt worden seien.
Die Beklagte beantragt (Bl. 33),
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Fahrten von C zwischen ihrem Wohnort und der Krankenpflegschule in Y seien keine Dienstreisen. Mithin könne auch kein Verpflegungsmehraufwand berücksichtigt werden.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Streitentscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und auch begründet. Die Einkünfte der Tochter des Klägers liegen unter dem für die Gewährung von Kindergeld maßgeblichen Grenzbetrag.
1. Rechtsgrundlagen
Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG wird ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, berücksichtigt, wenn es noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet wird. Nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG wird ein Kind, das unter § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG fällt, indessen nur berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 7.680 Euro im Kalenderjahr hat.
Der Begriff der Einkünfte in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entspricht der Legaldefinition in § 2 Abs. 2 EStG (BFH vom 4. November 2003 VIII R 59/03, BStBl II 2004, 584 m.w.N.). Einkünfte i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sind danach bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Überschuss der Einnahmen aus dem Dienstverhältnis über die Werbungskosten (§§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 2; 8 bis 9a; 19, 19a EStG).
Zu den Werbungskosten rechnen auch Fahrtaufwendungen. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sowie für Aufwendungen im Rahmen einer Auswärtstätigkeit. Erstgenannte Aufwendungen unterliegen gewissen Einschränkungen (vgl. § 9 Abs. 2 EStG), wobei hierbei für das Streitjahr 2007 das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Entfernungspauschale vom 9. Dezember 2008 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 und 2 BvL 2/08, DStR 2008, 2460 zu beachten ist. Danach ist die frühere, bis einschließlich 2006 geltende Rechtslage bis zu einer gesetzlichen Neuregelung weiterhin anwendbar, d.h. dass die tatbestandliche Beschränkung auf „erhöhte” Aufwendungen „ab dem 21. Entfernungskilometer” entfällt (vgl. das BMF-Schreiben vom 15. Dezember 2008, IV A 3 – S 0338/07/10010-02, DStR 2009, 46). Liegt eine Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte vor, kommt demnach eine Entfernungspauschale von 0,30 Euro für jeden vollen Kilometer der Entfernung zur Anwendung (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG a.F.).
Letzterwähnte Beschränkung greift für die Arbeit an der regelmäßigen Arbeitsstätte. Hierbei ist die neuere Rechtsprechung des BFH zur Auswärtstätigkeit zu beachten (dazu Drenseck, in: Schmidt, EStG, Komm., 27. Aufl., 2008, § 19, Anm. 60 „Reisekosten (Auswärtstätigkeit”). Eine regelmäßige Arbeitsstätte ist jede ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, welcher der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nachhaltig, fortdauernd und immer wieder aufsucht (BFH vom 18. Mai 2004 VI R 70/98, BStBl II 2004, 962). Ein Arbeitnehmer kann mehrere solche regelmäßigen Arbeitsstätten haben (BFH vom 18. Mai 2004 VI R 70/98, BStBl II 2004, 962).
Dem gegenüber gilt für Dienstreisen keine derartige Abzugsbeschränkung, obwohl auch in solchen Fällen die außerhalb der regelmäßigen Arbeitsstätte liegenden Tätigkeitsstätten begrifflich als „Arbeitsstätten” angesehen werden können. Bei ständig wechselnden Tätigkeitsstätten liegen Dienstreisen vor (BFH vom 11. Mai 2005 VI R 70/03, BStBl II 2005, 785).
2. Anwendung im Streitfall
Im Streitfall geht der Senat davon aus, dass für die Fahrten von C nach Y zur Krankenpflegeschule die Beschränkung in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG nicht zur Anwendung kommt. Denn (alleine) in X im dortigen Krankenhaus unterhält C ihre regelmäßige Arbeitsstätte.
Die Situation ist grundsätzlich anders, was die Tätigkeit in Y in der dortigen Verbundschule für Gesundheits- und Pflegeberufe betrifft. Diese Einsatzstätte liegt nicht in räumlicher Nähe zu der regelmäßigen Arbeitsstätte und wurde von C nur zeitweilig aufgesucht. Insoweit ist von einer Dienstreise auszugehen. Anders als dies die Beklagte annimmt, kommt es nicht darauf an, ob die theoretischen Kenntnisse in einer Berufsschule oder in einer Krankenpflegeschule absolviert wird. Entscheidend ist alleine die Fahrsituation.
Die Situation ist grundlegend von derjenigen zu unterscheiden, in der die theoretische Ausbildung im Ausbildungskrankenhaus selbst oder in räumlicher Nähe hierzu absolviert wird. Denn in diesem Fall könnte C, wenn sie allein diese Tätigkeitsstelle(n) hätte, auf öffentliche Verkehrsmittel zurückgreifen, um sie aufzusuchen.
Hinsichtlich der aus dieser Betrachtung sich ergebenden Berechnung verweist der Senat auf die in der Verwaltungsakte befindliche Ermittlung (KiG, Bl. 39), nach der Grenzbetrag nicht überschritten worden ist.
3. Nach alledem war der Klage stattzugeben. Die Kosten trägt nach § 135 Abs. 1 FGO die Beklagte. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 FGO i.V. mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Entscheidung ergeht im Einvernehmen der Beteiligten nach §§ 79 a Abs. 3,4; 90 Abs. 2 FGO durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung.
Zur Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO sah der Senat keine Veranlassung.

VorschriftenEStG § 32 Abs. 4 S. 2

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