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02.11.2010 · IWW-Abrufnummer 103767

Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 30.07.2010 – 16 K 55/10

- Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist, schuldet den ausgewiesenen Betrag.


- Das gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag ausweist, obwohl er eine Lieferung oder Leistung nicht ausgeführt hat.


- Eine Rechnung muss nicht unterschrieben sein; die Unterschrift ist keine Voraussetzung i. S. des § 14c UStG.


- Für das „in den wirtschaftlichen Verkehr gelangen” einer Rechnung reicht es, wenn der Aussteller in Kauf nimmt, dass der Adressat von dem Papier als Rechnung Gebrauch macht.


Tatbestand
Die Klägerin war als Einzelhandelsunternehmen im Kraftfahrzeughandel tätig. Sie führte regelmäßig Fahrzeuge in das Zollgebiet der europäischen Union ein, um diese dort weiter zu verkaufen. Im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs erwarb sie u.a. 75 Fahrzeuge Hummer H 3 in der Schweiz und veräußerte diese an die Firma „LA B.V.” in … in Holland. Anschließend verkaufte sie 27 Fahrzeuge Hummer H 3 an von ihr akquirierte Kunden. Nachdem die Kunden feststanden, hatte sie die entsprechenden Fahrzeuge bei der Firma LA B.V. in den Niederlanden eingekauft. Diese Geschäfte wurden ordnungsgemäß abgewickelt und versteuert.
Im September 2008 stellte der hierzu bevollmächtigte Mitarbeiter der Klägerin, Herr C, fünf an die „A- GmbH” (A- GMBH) in B adressierte Rechnungen über 5 Fahrzeuge Hummer H 3 aus und übersandte dieser die Rechnungen. In den Rechnungen war Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 12.025,29 € gesondert ausgewiesen.
Unter dem Datum vom 1. Oktober 2008 stellte Herr C eine Rechnung über netto 459.800 € zzgl. gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer in Höhe von 87.362 € über die Lieferung von 22 Fahrzeuge Hummer H 3 mit dem Rechnungsadressaten „A- GmbH” in B aus. Die Rechnung übersandte er Herrn L von der Firma LA B.V. nach Holland. Die Rechnung mit der Rechnungs-Nr. 218 war nicht unterschrieben. In ihrer Umsatzsteuervoranmeldung Oktober 2008 hatte die Klägerin einen entsprechenden Umsatz nicht erklärt.
Nach einer Fahndungsprüfung wurde auf dem firmeneigenen Rechnersystem der Klägerin im Rahmen von Durchsuchungsmaßnahmen eine Datei der Rechnungs-Nr. 218 vom 1. Oktober 2008 festgestellt. Eine daraufhin vom Beklagte durchgeführte Sonderprüfung bei der A- GMBH ergab, dass in der dortigen Buchhaltung die Rechnung Nr. 218 der Klägerin vorlag und für diese im Voranmeldungsverfahren der Vorsteuerabzug geltend gemacht und gewährt worden war. Der Vorsteuerabzug wurde im Jahre 2009 gegenüber dem „A- GmbH” von der Steuerfahndung nicht anerkannt und rückgängig gemacht, weil in der von der Klägerin ausgestellten Rechnung kein Leistungszeitpunkt angegeben war. Der Beklagte erteilte der Klägerin mit Datum vom 24. August 2009 einen geänderten Bescheid über den Voranmeldungszeitraum Oktober 2008, in dem er die Umsatzsteuer aus der Rechnung vom 1. Oktober 2008 festsetzte. Der dagegen eingelegte Einspruch war erfolglos. Hiergegen richtet sich Klage.
Die Klägerin ist der Auffassung, aufgrund der Rechnung vom 1. Oktober 2008 sei keine Umsatzsteuer festzusetzen. Entsprechende Lieferungen hätten nicht stattgefunden. Sie seien vielmehr zu ihrem Nachteil von dem Geschäftsführer der „A- GmbH”, Herrn … L, vorgetäuscht worden. Der Inhaber der LA B.V., Herr L, habe zunächst ihrem Mitarbeiter, Herrn C, mitgeteilt, dass er 5 Hummer H 3 an eine Firma A- GmbH in B veräußert habe. Er habe die Fahrzeuge jedoch nicht direkt an diese verkaufen, sondern über die Klägerin veräußern wollen. Deshalb habe er Herrn C gebeten, einen entsprechenden Vertrag mit der von ihm benannten A- GmbH zu schließen und die Fahrzeuge nach dort zu fakturieren. Herr C habe sich im Namen der Klägerin damit einverstanden erklärt und im September 2008 eine Rechnung über 5 Hummer H 3 an die A- GmbH in B ausgestellt und versandt. Kurze Zeit später habe Herr L Herrn C erneut angesprochen, dass er weitere 22 Hummer H 3 an die A- GmbH in B veräußern werde und ihn um die Ausstellung einer entsprechenden Rechnung gebeten. Da Herr C von der A- GmbH bis dahin weder etwas gehört, noch auf die vorherige Rechnung für September 2008 eine Reaktion erhalten habe, habe er lediglich den Entwurf einer entsprechenden Rechnung über 22 weitere Hummer H 3 übersandt. Diese Rechnung habe er nicht unterschrieben und auch nicht an den ihm mitgeteilten Rechnungsempfänger, die A- GmbH, sondern auf Bitten von Herrn L an die LA B.V. übersandt. Erst später habe sich durch die Auskünfte des Zollamtes herausgestellt, dass Herr L offensichtlich eine Lieferung an sie und die Geschäfte mit der A- GmbH vorgetäuscht gehabt habe. Tatsächlich seien die Fahrzeuge bei ihr nie angeliefert worden, offenbar aber von der LA B.V. nach Deutschland verbracht worden. Die LA B.V. habe eine T 1 zum Verbringen der Fahrzeuge von ihrem Zolllager auf das Zolllager der Klägerin in O eröffnet, die Fahrzeuge jedoch nicht zu ihr, der Klägerin gesandt, sondern diese vielmehr, ohne bei ihr zu erscheinen oder sich sonst mit ihr in Verbindung zu setzen, direkt zum Zollamt in V gefahren. Dort hätten die Fahrer die T 1 wieder geschlossen, ohne dass das Zollamt V eine Empfangsbestätigung von Seiten der Klägerin gehabt hätte. Das entsprechende Formular ” vorübergehende Verwahrung gestellter Waren”, welches bei der Gelegenheit der Schließung der T 1 an sich von einer empfangsberechtigten Person zu unterzeichnen sei, sei von ihr, der Klägerin oder eine durch sie bevollmächtigte Person nicht unterzeichnet worden. Soweit ein entsprechendes Exemplar vorliege, sei dies von einer von ihr nicht autorisierten Person unterschrieben worden. Da sie tatsächlich kein Umsatzgeschäft abgewickelt habe, sei gegen sie auch keine Umsatzsteuer festzusetzen.
Sie schulde die Umsatzsteuer auch nicht gemäß § 14 c Abs. 2 Satz 2 UStG, da sie keine Rechnung, sondern nur einen Rechnungsentwurf ausgestellt und diesen auch nicht an den Adressaten, sondern an die holländische Firma übersandt gehabt habe. Damit habe sie willentlich keine Rechnung in Umlauf gebracht. Außerdem läge keine Rechnung im Sinne des § 14 c UStG vor, da in dem Rechnungsentwurf kein Leistungszeitpunkt angegeben sei. Da aus dem Rechnungsentwurf kein Vorsteuerabzug möglich sei, habe auch keine Gefährdung des Steueraufkommens eintreten können.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid Oktober 2008 vom 24. August 2009 um 87.326 € herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, es sei nicht glaubhaft, dass die Klägerin im Oktober 2008 nicht um die Zusammenhänge zwischen L und der A- GMBH gewusst habe. Selbst wenn die Lieferung der 22 Fahrzeuge nicht von der Klägerin erfolgt sei, habe sie mit der Rechnungs-Nr. 218 eine Rechnung unter gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer erteilt. Diese Umsatzsteuer schulde sie zumindest nach § 14 c Abs. 2 UStG. Eine Rechnung im Sinne des § 14 c UStG liege vor.
Gründe
Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin schuldet die festgesetzte Umsatzsteuer gemäß § 14 c Abs. 2 Satz 2 UStG.
Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag ausweist, obwohl er eine Lieferung oder Leistung nicht ausgeführt hat (§ 14 c Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Alt. 2 UStG).
Diese Voraussetzungen liegen vor, weil die Klägerin unter der Nummer 218 eine Rechnung mit gesondertem Ausweis von Umsatzsteuer im Sinne des § 14 c UStG ausgestellt hat, obwohl sie die darin bezeichneten Lieferungen nicht ausgeführt hat. Das Abrechnungspapier ist mit Rechnung überschrieben und wurde von einem bei ihr tätigen Mitarbeiter, der zur Ausstellung von Rechnungen befugt war, ausgestellt. Anhaltspunkte, wonach es sich nicht um eine Rechnung handelt, ergeben sich aus dem Rechnungspapier nicht. Insbesondere findet sich auch kein Hinweis darauf, dass es sich um einen „Entwurf” handelt. Unerheblich ist, dass die Rechnung nicht unterschrieben ist, da die Unterschrift keine Voraussetzung für eine Rechnung im Sinne des § 14 c UStG ist.
Die Rechnung ist mit dem Willen der Klägerin in den wirtschaftlichen Verkehr gelangt (vgl. BFH, Urteil vom 28.12.2004 V B 154-156/04, V S 19/04, V B 154/04, V B 155/04, V B 156/04, V S 19/04, BFH/NV 2005, 727; vom 21.02.1980 V R 146/73, BStBl II 1980, 283). Ausreichend hierfür ist, dass der Aussteller in Kauf nimmt, dass der Adressat von dem Papier als Rechnung Gebrauch macht (BFH, Urteil vom 16.03.1993 XI R 103/90, BFHE 171, 125BStBl II 1993, 531). Nach eigener Darstellung der Klägerin wurde die Rechnung bewusst von ihrem Mitarbeiter an L übermittelt. Dieser war generell im allgemeinen wirtschaftlichen Geschäftsverkehr und konkret im abgerechneten Autogeschäft sowohl als Inhaber der Firma L B. V. in Holland wie auch als Geschäftsführer der A- GMBH in B tätig. Mit der Übersendung an ihn ist die Rechnung in den wirtschaftlichen Verkehr gelangt. Unerheblich ist, dass die Rechnung nicht an den Rechnungsadressaten versandt wurde, da für § 14 c UStG das Inverkehrbringen ausreichend ist. Außerdem konnte die Klägerin aufgrund der vorangegangenen Geschäfte damit rechnen, dass L die Rechnung an die A- GMBH übermitteln oder sogar selbst an diese versenden würde, unabhängig davon, ob die Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits wusste, dass L auch Geschäftsführer der A- GMBH in B war. Tatsächlich hat die Rechnung letztlich auch zum Vorsteuerabzug beim Rechnungsadressaten geführt.
Es kann dahingestellt bleiben, welcher Rechnungsbegriff dem § 14 c UStG zugrunde liegt, da unabhängig davon aus dem Wortlaut heraus die Festsetzung der Steuer nach § 14 c Abs. 2 UStG begründet ist. Denn in dem hier vorliegenden Fall, in dem jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er die Lieferung nicht ausführt, verweist § 14 c Abs. 2 Satz 2 UStG mit der Formulierung „gleiches gilt” ohne Bezugnahme auf eine Rechnung allein auf die Rechtsfolge des § 14 c Abs. 2 Satz 2 UStG, dass dieser die Steuer schuldet. Mit der Rechnung vom 1. Oktober 2008 rechnete die Klägerin gegenüber der „A- GmbH” über die Lieferung von 22 Fahrzeuge Hummer H 3 ab. Die Formulierung „abrechnet” beinhaltet nicht den Begriff „Rechnung”, wie er in § 14 Abs. 4 UStG n.F. definiert ist. Auf den fehlenden Leistungszeitpunkt kommt es daher nicht an.
Unabhängig davon handelt es sich bei dem von der Klägerin in den wirtschaftlichen Verkehr gebrachten Papier vom 1. Oktober 2008 um eine Rechnung i. S. d. § 14 c UStG, obwohl die Angabe des Lieferzeitpunkts (§ 14 Abs. 4 Nr. 6 UStG) fehlt und sie damit nicht sämtliche in § 14 Abs. 4 UStG aufgezählten Merkmale einer Rechnung enthält.
Welche Anforderungen an eine Rechnung i. S. d. § 14 c Abs. 2 UStG in der ab 01.01.2004 geltenden Fassung zu stellen sind, ist ungeklärt. § 14 c UStG verwendet den Begriff der Rechnung ohne eigene Definition. Eine Entscheidung des BFH zur gesetzlichen Neuregelung liegt nicht vor.
Das Finanzgericht Thüringen (Urteil vom 23.07.2009 2 K 184/07, EFG 2009, 1684, Revision eingelegt, Az. des BFH: V R 39/09) ist der Auffassung, dass eine Rechnung i. S. d. § 14 c UStG sämtliche Anforderungen enthalten muss, die § 14 Abs. 4 UStG an eine Rechnung stellt. Da § 14 c UStG keine eigene Definition der Rechnung enthalte, müsse der allgemeine Rechnungsbegriff des § 14 Abs. 1 bis 4 UStG gelten. Das Gericht begründet seine Auffassung mit dem aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz folgenden Bestimmtheitsgebot, das vom Gesetzgeber verlange, Vorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich sei. Soweit die praktische Bedeutung einer Regelung vom Zusammenspiel der Normen unterschiedlicher Regelungsbereiche abhänge, müssten die Klarheit des Normeninhalts und die Vorhersehbarkeit der Ergebnisse der Normanwendung (Gebot der Normenklarheit) auch im Hinblick auf dieses Zusammenwirken gesichert sein (BFH, Vorlagebeschluss vom 06.09.2006 XI R 26/04, BStBl II 2007, 167). Dies gelte für belastende Normen des Steuerrechts als Eingriffsrecht (BVerfG, Entscheidung vom 20.12.1966 1 BvR 320/57, 1 BvR 70/63, BVerfGE 21, 12, 27, BStBl III 1967, 7) in besonderem Maße. Hieraus folge für die Auslegung des § 14 c UStG, dass auf den allgemeinen Rechnungsbegriff des § 14 Abs. 4 UStG n.F. abzustellen sei. Wenn der Gesetzgeber in § 14 c Abs. 2 UStG einen vom allgemeinen abweichenden besonderen Rechnungsbegriff etablieren wolle, um dem mit der Norm verfolgten Zweck der Gefährdung des Steueraufkommens zu begegnen, so sei er gehalten, dies durch eine entsprechende Definition zu tun, was ihm auch ohne weiteres möglich sei. Da er von dieser Möglichkeit – trotz der Tatsache, dass der BFH hinsichtlich des § 14 Abs. 3 UStG a. F. regelmäßig von einer identischen Anwendung des allgemeinen Rechnungsbegriffs für Vorsteuerabzug und unberechtigten Steuerausweis ausgegangen sei – keinen Gebrauch gemacht habe, sei nach dem Bestimmtheitsgebot an dem allgemeinen Rechnungsbegriff festzuhalten. Für eine zweckorientierte Auslegung des § 14 c UStG ist kein Raum.
Diese Rechtsauffassung steht im Einklang mit einem wesentlichen Teil der Literatur, wonach eine Rechnung i. S. d. § 14 c UStG nur dann vorliege, wenn sie sämtliche für den Vorsteuerabzug erforderlichen, in § 14 Abs. 4 UStG (und ggf. in § 14 a UStG) enthaltenen Angaben enthalte (Wagner, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 14 c, Rn. 142 ff.; derselbe, DStR 2004, 477, 478 f.; Schlosser-Zeuner, in: Bunjes/Geist, UStG, 9. Auflage, § 14 c Rz. 5; Kraeusel/Schmidt in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 14 c, Rn. 68; Hundt-Eßwein in: Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 14 c, Rn. 3). Begründet wird dies damit, dass eine Gefährdung des Steueraufkommens nur durch Rechnungen ausgelöst werde, die aufgrund aller in § 14 Abs. 4 UStG genannten Merkmale zum Vorsteuerabzug berechtigen (Kraeusel/Schmidt in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 14 c, Rn. 68).
Nach der gegenteiligen Auffassung müsse die Rechnung i. S. d. § 14 c UStG kein Dokument sein, das alle für den Vorsteuerabzug erforderlichen Angaben enthalte. Dies gebiete der Zweck der Regelung, einer Gefährdung des Steueraufkommens durch unberechtigten Vorsteuerabzug zu begegnen. Demnach komme entsprechend der Rechnungsdefinition des § 14 Abs. 1 Satz 1 UStG jedes Dokument als Rechnung i. S. d. § 14 c UStG in Betracht, mit dem über eine vorgebliche Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet werde (Abschn. 190 d Abs. 1 Satz 3 UStR 2008; Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 168, Rn. 22 f.; Radeisen in: Vogel/Schwarz, UStG, § 14 c, Rn. 18; Stadie, UStG, § 14 c, Rn. 12 ff.; derselbe in Rau/Dürrwächter, UStG, § 14 c, Rn. 58).
Zur alten Rechtslage und insbesondere zum Rechnungsbegriff des § 14 Abs. 3 UStG a.F. hatte der BFH in seiner Entscheidung vom 27.01.1994 (V R 113/91, BStBl II 1994, 342) Stellung genommen und unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des BFH vom 9. September 1993 (V R 45/91, BFHE 172, 237, BStBl II 1994, 131) und 8. Dezember 1988 (V R 28/84, BFHE 155, 427, BStBl II 1989, 250) sowie des Berichts des Finanzausschusses über den Entwurf eines Umsatzsteuergesetzes (BT-Drucks 5/1581, S.15) für die Bestimmung des Rechnungsbegriffs an den Zweck der Regelung des § 14 Abs. 3 UStG 1973 angeknüpft, Missbräuche durch das Ausstellen von Rechnungen mit offenem Steuerausweis in Bezug auf den Vorsteuerabzug zu verhindern. Vor diesem Hintergrund führte der BFH aus, dass wegen der fehlenden eigenständigen Definition des Rechnungsbegriffs in § 14 Abs.3 UStG 1973 der allgemeine Rechnungsbegriff maßgeblich sei, wie er aufgrund von § 14 Abs.4 UStG 1973 in § 1 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Umsatzsteuergesetzes (1.UStDV) vom 26. Juli 1967 (BGBl I 1967, 801, BStBl I 1967, 292) definiert sei, wonach als Rechnung jede Urkunde anerkannt werde, mit der ein Unternehmer oder in seinem Auftrag ein Dritter über eine Lieferung oder sonstige Leistung abrechne, gleichgültig, wie diese Urkunde im Geschäftsverkehr bezeichnet werde (vgl. BFH, Urteil vom 16. März 1988 X R 7/80, BFH/NV 1989, 197 m.w.N.). Diese Rechtsauffassung bestätigte der BFH mit Urteil vom 30.03.2006 (V R 46/03, BFH/NV 2006, 1365), indem er hinsichtlich des Rechnungsbegriffs auf § 14 Abs. 4 UStG a.F. (vgl. Ziffer II.1.a) Bezug nahm. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass der BFH seinerzeit in seinen einschlägigen Entscheidungen regelmäßig von einer identischen Anwendung des allgemeinen Rechnungsbegriffs für den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers und für die Steuerschuld des unberechtigten Rechnungsausstellers ausging (z. B. BFH-Urteil vom 30.01.2003 V R 98/01, BStBl II 2003, 498 m. w. N.) und § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG a.F. für das Recht auf Vorsteuerabzug hinsichtlich des Rechnungsbegriffs nicht auf die Voraussetzungen der Rechnungsbestandteile in § 14 Abs. 1 a.F. UStG abstellte, sondern an den allgemeinen Rechnungsbegriff in § 14 Abs. 4 a.F. UStG anknüpfte, der weitgehend dem jetzigen § 14 Abs. 1 UStG entsprach (vgl. BFH, Urteile vom 16.04.1997 XI R 63/93, BFHE 182, 440, BStBl II 1997, 582; vom 27.01.1994 V R 113/91, BFHE 173, 466, BStBl II 1994, 342). In seiner Entscheidung vom 27.01.1994 (a.a.O.) forderte der BFH daher nur, dass eine „Rechnung” i.S. des § 14 Abs.3 2. Alternative UStG 1973 neben den allgemeinen Rechnungsvoraussetzungen das umsatzsteuerrechtliche Entgelt als Grundlage für den gesondert ausgewiesenen Steuerbetrag (§ 14 Abs.1 Satz 2 Nr.6 UStG 1973) enthalten müsse (zur seinerzeitigen Rechtsauffassung vgl. ferner auch Weiß, Umsatzsteuer-Rundschau – UR – 1985, 25, 28 f.; Wagner in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz, § 14 Bem.59; derselbe in Steuer und Wirtschaft 1993, 260; vgl. ferner Abschn.202 Abs. 4 Satz 1 der Umsatzsteuer-Richtlinien).
Das Gericht schließt sich der Rechtsauffassung an, die zur Begründung auf den Zweck der Regelung abstellt. Das Recht auf Vorsteuerabzug und die Gefährdungstatbestände des § 14c UStG unterliegen unterschiedlichen Anforderungen und rechtfertigen unterschiedliche Begriffsbestimmungen des Rechnungsbegriffs.
§ 14 c Abs. 2 UStG ist die Nachfolgeregelung zu § 14 Abs. 3 a.F. UStG. Zweck des § 14 Abs. 3 UStG war es, Missbräuche durch Ausstellung von Rechnungen mit offenem Steuerausweis zu verhindern (vgl. den Bericht des Finanzausschusses über den Entwurf eines Umsatzsteuergesetzes – Nettoumsatzsteuer –, BT-Drs. 5/1581, S.15). Dementsprechend war die Vorschrift als Gefährdungstatbestand ausgestaltet. Derjenige, der mit einer Rechnung (§ 14 Abs.4 UStG) oder einer anderen Urkunde das Umsatzsteueraufkommen gefährdete oder schädigte, musste hierfür einstehen. An diesem Gesetzeszweck hat sich dem Grundsatz nach durch die Neufassung nichts geändert. Dies steht mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang. Ein von der MwStSystRL (6. EG-Richtlinie) anerkanntes Ziel ist die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen und etwaigen Missbräuchen (vgl. EuGH, Urteil vom 21.02.2006 C-255/02 – Halifax –, Slg. 2006 Seite I-01609). Aus der Sicht des Gemeinschaftsrechts geht es vor allem auch darum, Steuerhinterziehungen zu verhindern, wenn die Mitgliedstaaten ihre Befugnis zur Verwaltung ihrer nationalen Mehrwertsteuersysteme wahrnehmen, deren Gegenstand auch die Regelung des § 14 c UStG ist (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Fennelly vom 13. April 2000 in der Rechtssache Schmeink & Cofreth AG & Co. KG gegen Finanzamt Borken und Manfred Strobel gegen Finanzamt Esslingen C-454/98 Slg. 2000 Seite I-06973).
Demgegenüber wurde die Korrespondenz des Rechnungsbegriffs nach § 14 Abs. 4 UStG n.F. mit dem das Recht auf Vorsteuerabzug begründenden Rechnungsbegriff in § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG n.F. aus dem Zweck der 6. EG-Richtlinie begründet, einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlagen zu schaffen, die die Neutralität des Systems gewährleisten und, wie es in ihrer zwölften Begründungserwägung heißt, die Steuerabzugsregelung insoweit harmonisieren soll, als sie tatsächlich die Höhe der Besteuerung beeinflusst`; außerdem soll mit der Richtlinie erreicht werden, dass die Pro-rata-Sätze des Steuerabzugs…in allen Mitgliedstaaten auf gleiche Weise berechnet werden`”, was insbesondere auch für Rechnungen gelten soll. In seinem Urteil Jeunehomme hat der Gerichtshof bestätigt, dass die Mitgliedstaaten zusätzlich zu den in Artikel 22 Absatz 3 Buchstabe b der 6. EG- Richtlinie vorgeschriebenen Mindestangaben die Informationen näher bestimmen können, die in Rechnungen, aus denen sich das Recht auf Vorsteuerabzug ergibt, enthalten sein müssen. Vor diesem Hintergrund und aus der ausdrücklichen Bestimmung in Artikel 21 Absatz 1 Buchstabe d der 6. EG-Richtlinie, dass diejenigen, die Mehrwertsteuer auf Rechnungen ausweisen, diese auch schulden, kommt z.B. Generalstaatsanwalt Fennelly in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache C-454/98 (a.a.O.) zu dem Schluss, „dass ein Mitgliedstaat legitimerweise den Standpunkt einnehmen kann, dass ein nachträgliches Erstattungssystem einen angemessenen Schutz gegen die Gefährdung des Steueraufkommens darstellt, die durch unrichtige oder Pro-forma-Rechnungen entsteht, besonders wenn die entsprechende Vorsteuer abgezogen wurde. Ein rückwirkendes Berichtigungssystem kann auch eine Abschreckung vom Missbrauch von Rechnungen darstellen.”
Zwar hat der Gerichtshof im Urteil Genius Holding (Urteil vom 13. Dezember 1989 Rs. C-342/87, Slg. 1989, I-4227; BFH, Urteil vom 2. April 1998 V R 34/97, BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695 unter Aufgabe seiner früheren Rechtsauffassung) einen Anspruch auf Vorsteuerabzug abgelehnt, wenn die in der Rechnung ausgewiesene Steuer nicht mit der Lieferung von Gegenständen und der Erbringung von Dienstleistungen in Zusammenhang steht, sodass grundsätzlich davon auszugehen ist, dass das Steueraufkommen dann nicht gefährdet ist, wenn eine Rechnung nicht alle Rechnungsmerkmale des § 14 Abs. 4 UStG n.F. enthält. Es ist jedoch angesichts der Vielzahl der täglich im Rechtsverkehr anfallenden Rechnungen nicht immer gewährleistet, dass die Steuerbehörden Kenntnis von Umständen erlangen, die wegen Fehlen einzelner Rechnungsmerkmale des § 14 Abs. 4 UStG n.F. einen Vorsteuerabzug nicht rechtfertigen. Dieses Argument ist auch für die Generalanwältin Kokott in ihren Schlussanträgen vom 12. März 2009 in der Rechtssache Staatssecretaris van Financiën gegen Stadeco BV (C-566/07 Slg . 2009 Seite I-05295) tragend, wobei sie (zu Art. 21 Nr. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie) ergänzend ausführt, dass der Aussteller der Rechnung für die Entrichtung der ausgewiesenen Steuer einstehen müsse, solange die Rechnung nicht berichtigt und die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist.
Das vom FG Thüringen in Bezug genommene aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Bestimmtheitsgebot ist nach Auffassung des Gerichts kein tragendes Argument, da dies dem Zweck der Regelung geradezu entgegensteht. Würde man dem FG Thüringen folgen, würde man der Steuergefährdung freien Raum lassen, da gerade Steuerpflichtige, die bewusst auf eine Steuerhinterziehung hinwirken, die Möglichkeit nutzen könnten, durch eher unbedeutende Auslassungen formaler Rechnungsanforderungen nach § 14 Abs. 4 UStG n.F. unvollständige, aber Rechnungen ähnliche Papiere auszustellen, die angesichts des Massengeschäfts des täglichen Vorsteuerabzugs praktisch einen Vorsteuerabzug ermöglichen und im Fall der Entdeckung sich darauf zurückziehen könnten, dass die formalen Rechnungsanforderungen des § 14 Abs. 4 UStG n.F. nicht erfüllt sind, sodass sie aus § 14 c UStG nicht in Anspruch genommen werden könnten. Diese Möglichkeit wird gerade im Streitfall offensichtlich. Eine solche Möglichkeit würde im weitesten Sinne auch dem im Urteil des EuGH vom 21.02.2006 (C-255/02 – Halifax u.a. -, Rdn. 69, Slg. 2006 Seite I-01609) aufgestellten Grundsatz des Gemeinschaftsrechts widersprechen, wonach die Anwendung des Gemeinschaftsrechts nicht so weit gehen kann, dass missbräuchliche Praktiken von Wirtschaftsteilnehmern gedeckt werden.
Ein Antrag auf Berichtigung der nach dieser Rechnung geschuldeten Steuer im Sinne des § 14 c Abs. 2 Sätze 3 - 5 UStG ist beim Beklagten nicht eingegangen. Ein von der Klägerin angekündigtes Stornierungsschreiben liegt ebenfalls nicht vor. Soweit die Klägerin die Rechnung zulässigerweise gegenüber dem Rechnungsadressaten berichtigen könnte, wäre dies erst im Zeitpunkt möglich, in dem die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt ist. Dies war im Streitzeitraum nicht der Fall.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache gem. § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen.

VorschriftenUStG § 14c Abs. 2

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