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08.09.2010 · IWW-Abrufnummer 102357

Finanzgericht Hamburg: Beschluss vom 19.02.2010 – 6 K 228/09

1. Linienbusfahrer beginnen und beenden ihren Fahrdienst regelmäßig an einem Busdepot.



2. Das Busdepot stellt den Tätigkeitsmittelpunkt der Linienbusfahrer dar.



3. Linienbusfahrer üben deshalb keine Fahrtätigkeit i. S. d. § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 3 EStG aus.



4. Maßgeblich für die Anerkennung von Verpflegungsmehraufwendungen von Linienbusfahrern ist deshalb deren arbeitstägliche Abwesenheitsdauer von der Wohnung und dem Tätigkeitsmittelpunkt.


FG Hamburg 6. Senat
Gerichtsbescheid vom 19.02.2010
6 K 228/09
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung von Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit.
Der Kläger war im Streitjahr 2006 als Linienbusfahrer beim A (...) tätig. Das jeweils zu führende Fahrzeug hat er arbeitstäglich an einem bestimmten Busdepot des A übernommen und wieder abgestellt. In seiner Einkommensteuererklärung für 2006 machte der Kläger Aufwendungen für die Wege zwischen seiner Wohnung und dem Busdepot für 228 Tage geltend. Darüber hinaus beantragte er die Anerkennung von Verpflegungsmehraufwendungen für eine mindestens achtstündige Abwesenheit bei Fahrtätigkeit an 228 Tagen in Höhe von pauschal 1.368 € (228 Tage x 6 €). Der Beklagte versagte den Abzug der Verpflegungsmehraufwendungen mit Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 15.05.2008. Den hiergegen eingelegten Einspruch vom 11.06.2008 (Eingang beim Beklagten) wies der Beklagte --nach zwischenzeitlicher Änderung der Steuerfestsetzung aus anderen, hier nicht interessierenden Gründen unter dem 18.09.2008-- mit Einspruchsentscheidung vom 26.08.2009 zurück.
Der Kläger hat am 24.09.2009 (Eingang bei Gericht) Klage erhoben.
Der Kläger trägt vor: Die geltend gemachten Mehraufwendungen für Verpflegung seien anzuerkennen. Er --der Kläger-- übe eine Fahrtätigkeit i. S. d. § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 3 EStG aus und er sei arbeitstäglich zwar weniger als 14 Stunden, aber mindestens 8 Stunden von seiner Wohnung abwesend.
Der Kläger beantragt,
die Einspruchsentscheidung vom 26.08.2009 aufzuheben und den Bescheid für 2006 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 18.09.2009 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von 1.368 € anerkannt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor: Das Busdepot, das der Kläger arbeitstäglich bei Beginn und Ende seiner Tätigkeit aufgesucht habe, stelle für den Kläger einen Tätigkeitsmittelpunkt i. S. e. regelmäßigen Arbeitsstätte dar. Die für die Anerkennung von Verpflegungsmehraufwendungen relevanten Abwesenheitsstunden seien deshalb auf die Abwesenheit von dem Busdepot und nicht von der Wohnung zu bemessen.
Dem Gericht hat 1 Bd. Rechtsbehelfsakten und 1 Einkommensteuer-Hefter 2006 vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Kläger hat keine Fahrtätigkeit i. S. d. §§ 9 Abs. 5, 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 3 EStG ausgeübt. Maßgebend für die Anerkennung von Verpflegungsmehraufwendungen ist deshalb gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 2 EStG die Dauer der Abwesenheit von der Wohnung und dem Tätigkeitsmittelpunkt.
1.
a. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 EStG, der für die Ermittlung der Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit sinngemäß gilt (§ 9 Abs. 5 EStG), sind Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen grundsätzlich nicht als Werbungskosten abziehbar. Davon nehmen die nachfolgenden Sätze der Vorschrift --soweit hier einschlägig-- zum einen den Fall aus, dass der Steuerpflichtige vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit entfernt beruflich tätig wird (Satz 2). Daneben gilt eine weitere Ausnahme für den Fall, dass der Steuerpflichtige bei seiner individuellen beruflichen Tätigkeit typischerweise nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten oder auf einem Fahrzeug tätig wird (Satz 3). Die in beiden Fallgruppen abziehbaren Pauschbeträge bestimmen sich in den erstgenannten Fällen des Satzes 2 nach der tätigkeitsbedingten Abwesenheitsdauer von Wohnung und Tätigkeitsmittelpunkt, während in den Fällen des Satzes 3 allein die Dauer der Abwesenheit von der Wohnung maßgebend ist.
b. Der für Fragen des Lohnsteuerrechts zuständige 6. Senat des Bundesfinanzhofs hat im Jahre 2005 grundlegende Entscheidungen zu dem Recht der Verpflegungsmehraufwendungen getroffen (vgl. BFH-Urteile vom 11. Mai und 16. November 2005 in BStBl II 2005, 788 und 789 sowie in BStBl II 2006, 267). Aus der Zusammenschau dieser --nach Auffassung des erkennenden Gerichts zutreffenden-- Entscheidungen ergibt sich, dass eine "Fahrtätigkeit" i. S. d. Regelungen zu den Verpflegungsmehraufwendungen nur dann vorliegt, wenn der Steuerpflichtige die Fahrten nicht von einem Tätigkeitsmittelpunkt i. S. e. regelmäßigen Arbeitsstätte antritt. So führt der BFH in seinem Urteil vom 11. Mai 2005 (VI R 16/04, BStBl II 2005, 789) aus:
"... b) § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 3 EStG erstreckt die Rechtsfolge des vorangehenden Satzes 2 auf die Fälle, in denen der Arbeitnehmer über einen dauerhaft angelegten Bezugspunkt seiner beruflichen Tätigkeit nicht verfügt, also den Betrieb des Arbeitgebers nicht berührt, weil er von seinem Arbeitgeber ausschließlich an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten eingesetzt wird (vgl. Senatsurteil vom 27. Juli 2004 VI R 43/03, BFHE 207, 196, BStBl II 2005, 357). Hier beginnt die Auswärtstätigkeit des Arbeitnehmers bereits zu dem Zeitpunkt, an dem er seine Wohnung mit dem Ziel der auswärtigen Arbeitsaufnahme verlässt; die Auswärtstätigkeit endet mit der Rückkehr zur Wohnung. Die zusätzliche Voraussetzung einer Abwesenheit vom Tätigkeitsmittelpunkt (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG) kann ein solcher Arbeitnehmer schon aufgrund seiner beruflichen Situation nicht erfüllen. Die Berechnung der maßgeblichen Abwesenheitsdauer allein von der Wohnung ist daher folgerichtig und sachlich gerechtfertigt.
c) Anders verhält es sich indessen, wenn der Arbeitnehmer nicht ausschließlich auswärtig tätig wird, sondern daneben zu Beginn, im Verlaufe oder am Ende seiner Auswärtstätigkeit den Betrieb seines Arbeitgebers aufsucht. Wäre in diesen Fällen ebenfalls allein die Abwesenheit von der Wohnung maßgebend, könnte der Arbeitnehmer Verpflegungsmehraufwendungen auch für die Dauer des Aufenthalts im Betrieb des Arbeitgebers sowie für die Zeit der Wege zwischen seiner Wohnung und dieser Arbeitsstätte geltend machen. Anderen Steuerpflichtigen, die am gleichen Ort einer dauerhaften Beschäftigung nachgehen und daneben im Zuge einer Dienstreise nur vorübergehend auswärtig eingesetzt werden, wäre dies hingegen verwehrt. Eine solche Differenzierung hat der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 18. Februar 1994 VI R 65/92 (BFHE 174, 69, BStBl II 1994, 532) --dort noch zur Pauschalierung des Verpflegungsmehraufwands durch Verwaltungsanweisungen-- als nicht sachgerecht und mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbar angesehen. Daran ist auch für die Bestimmung des Anwendungsbereichs von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Sätze 2 und 3 EStG festzuhalten.
d) Es kommt hinzu, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung des Verpflegungsmehraufwands in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG durch das Jahressteuergesetz 1996 (JStG 1996) vom 11. Oktober 1995 (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) erklärtermaßen das Ziel verfolgte, allen Arbeitnehmern mit Auswärtstätigkeit die gleichen Pauschalen zuzumessen, dadurch zur steuerlichen Gleichbehandlung beizutragen und zuvor bestehende Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den einzelnen Erscheinungsformen der Auswärtstätigkeit gegenstandslos werden zu lassen (BTDrucks 13/1558, 143). Die der Änderung zugrunde liegende Gesetzesinitiative nahm dabei ausdrücklich auf die genannte Rechtsprechung des BFH in BFHE 173, 166, BStBl II 1994, 418, und in BFHE 174, 69, BStBl II 1994, 532 Bezug (BTDrucks 13/901, 129). Eine Abziehbarkeit von Verpflegungsmehraufwendungen für das Aufsuchen der regelmäßigen Arbeitsstätte bei nur vorangehender oder nachfolgender Auswärtstätigkeit entspräche mithin nicht dem Willen des Gesetzgebers (ablehnend auch Blümich/Thürmer, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 15. Aufl., § 9 EStG Rz. 567a; a.A.: von Bornhaupt in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 9 Rdnr. B 433b; Küttner/Thomas, Personalbuch 2005, Stichwort "Fahrtätigkeit", Rz. 14; Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 9 EStG Anm. 293 und § 4 EStG Anm. 1374; Koenig, Die Steuerberatung --Stbg-- 1996, 97, 98). Sie würde die vor In-Kraft-Treten der Neuregelung bestehenden Abgrenzungsfragen nicht beseitigen, sondern lediglich an anderer Stelle neu aufwerfen (Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 24. Aufl., § 19 Rz. 60 "Reisekosten ab VZ 1996")."
Die Entscheidung ist zwar zu der Frage des Vorliegens "ständig wechselnder Tätigkeitsstätten" i. S. d. § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 3 EStG ergangen; doch gibt es nach den zitierten Entscheidungsgründen keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Urteilsgrundsätze nicht auch für das ebenfalls in Satz 3 genannte Merkmal der "Fahrtätigkeit" gelten.
c. Da der BFH zudem in seiner weiteren Entscheidung vom 11. Mai 2005 (VI R 15/04, BStBl II 2005, 788) mit der nachfolgend zitierten Begründung --zutreffend-- erkannt hat, dass Busdepots regelmäßige Arbeitsstätten für Linienbusfahrer darstellen, war die vorliegende Klage abzuweisen. Denn der Kläger hat den danach für die Anerkennung der von ihm geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen erforderlichen Nachweis einer --auch-- mindestens achtstündigen Abwesenheit von seinem Tätigkeitsmittelpunkt "Busdepot" nicht erbracht:
"... a) Arbeitsstätte i. S. dieser Vorschrift ist nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats (nur) die regelmäßige Arbeitsstätte. Dies ist der (ortsgebundene) Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers (vgl. auch R 37 Abs. 2 Satz 1 der Lohnsteuer-Richtlinien --LStR--). Eine entsprechende Regelung gleichen Inhalts zur Anerkennung von Verpflegungsmehraufwendungen enthält nunmehr auch § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG (seit Neufassung der Vorschrift durch das Jahressteuergesetz 1996 --JStG 1996-- vom 11. Oktober 1995, BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG. Auch dort wird gefordert, dass der Steuerpflichtige vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit entfernt tätig wird.
b) Regelmäßige Arbeitsstätte i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ist im Regelfall der Betrieb oder eine ortsfeste Betriebsstätte des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nachhaltig aufsucht. Dabei ist es nicht von Belang, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer an dieser Arbeitsstätte beruflich tätig wird. Der Betrieb oder eine ortsfeste Betriebsstätte des Arbeitgebers stellt auch dann eine regelmäßige Arbeitsstätte dar, wenn der Arbeitnehmer diesen Ort stets nur aufsucht, um dort die täglichen Aufträge entgegenzunehmen, abzurechnen und Bericht zu erstatten, oder wenn er dort ein Dienstfahrzeug übernimmt, um damit anschließend von der Arbeitsstätte aus eine Auswärtstätigkeit (Fahr- oder Einsatzwechseltätigkeit) anzutreten (BFH-Urteil in BFHE 173, 179, BStBl II 1994, 422; vgl. auch Senatsurteile vom heutigen Tage VI R 25/04, BFHE 209, 523, sowie vom 5. August 2004 VI R 40/03, BFHE 207, 225, BStBl II 2004, 1074 --für den Heimatflughafen einer Flugbegleiterin--). Ein Arbeitnehmer kann daher auch mehrere Arbeitsstätten innehaben, wenn er sie nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit aufsucht (Senatsurteile vom 9. Dezember 1988 VI R 199/84, BFHE 155, 362, BStBl II 1989, 296; vom 7. Juni 2002 VI R 53/01, BFHE 199, 329, BStBl II 2002, 878)."
2.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Der Berichterstatter entscheidet gemäß § 79 a Abs. 2 i. V. m. Abs. 4 FGO durch Gerichtsbescheid ohne Möglichkeit einer Revisionszulassung.

RechtsgebietEStG 2002Vorschriften§ 9 Abs 5 EStG 2002, § 4 Abs 5 Nr 5 EStG 2002

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