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27.08.2010 · IWW-Abrufnummer 102734

Amtsgericht Berlin-Schöneberg: Urteil vom 01.06.2010 – 4 C 286/09


4 C 286/09
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand

Die Klägerin ist ein Krankenversicherungsunternehmen. Die Zeugin R. G. unterhält bei der Klägerin eine Versicherung für die Kosten von Zahnbehandlung und Zahnersatz.

Die Zeugin G. war in der Zeit vom 04. bis 15. November 2005 sowie vom 21. bis 22. November 2006 bei dem Beklagten, der unter der Anschrift D.straße in B. eine Zahnarztpraxis betreibt, zunächst gemeinsam mit Dr. M . P., ab 01. Oktober 2005 im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis mit Dr. C. H., H. u. P., in Behandlung.

Am 08. November 2005 unterschrieb der Beklagte für die Zahnarztpraxis S. H. und Dr. M. P. einen Dienstleistungsvertrag mit der Streitverkündeten - einem Abrechnungsunternehmen für medizinische Leistungen - , nach dem der Beklagte und Dr. P. alle in ihrer Praxis aus dem Behandlungsverhältnis gegenüber ihren Patienten künftig erwachsenden Ansprüche an die Streitverkündete veräußerten. Die Abwicklung sollte in der Form erfolgen, dass der Beklagte und Dr. P. bei Fälligkeit durch Weitergabe der Abrechnungsunterlagen an die Streitverkündete die Ansprüche an diese abtraten. Voraussetzung war, dass der Beklagte und Dr. P. den jeweiligen Patienten vor einer kostenpflichtigen Behandlung über die Abtretung informierten und diesen eine schriftliche Erklärung von der Entbindung von der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht und zur Ermächtigung der Weitergabe der Patientendaten veranlassten. Bei Nichterfüllung dieser Verpflichtung sollte die Abtretung nichtig sein. Die Streitverkündete übernahm das Risiko des Ausfalls der Zahlungen. Das an den Beklagten und Dr. P. zu zahlende Honorar verminderte sich um eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 3,6 %. Einen gleich lautenden Vertrag mit der Streitverkündeten unterschrieb der Beklagte in Vollmacht für Dr. C. H., H. und S. am selben Tage.

Die Zeugin G. unterschrieb am 21. Februar 2005 eine Einverständniserklärung mit der Weitergabe ihrer Patientendaten an die DZR sowie am 21. November 2006 eine Einverständniserklärung mit der Weitergabe sämtlicher Daten aus der Patientenkartei zum Zwecke der Abrechnung und Geltendmachung der Forderung einschließlich einer Weiterabtretung an die Sparkasse S. an die Streitverkündete und entband den Beklagten von der ärztlichen Schweigepflicht.

Die Streitverkündete stellte unter dem 27. Dezember 2005 die Behandlung der Zeugin G. vom 04. November bis 15. Dezember 2005 mit 3.774,73 € sowie unter dem 12. Dezember 2006 die Behandlung am 21. und 22. November 2006 mit 4.477,11 € in Rechnung.

Die Klägerin erbrachte auf Grund dieser Rechnungen Versicherungsleistungen in Höhe der Rechnungsbeträge an die Zeugin G., die die berechneten Forderungen der Streitverkündeten beglich.

Unter dem 19. November 2007 unterzeichnete die Zeugin G. eine Erklärung, mit der sie sämtliche Ansprüche gegenüber Dres S. und C. H. aus den genannten Rechnungen an die Klägerin abtrat.

Mit Schreiben vom 17. Juni 2009 wandte sich die Klägerin an die Streitverkündete und beanstandete einen Teil der von dieser in Rechnung gestellten Beträge. Die Streitverkündete lehnte jegliche Rückzahlungsansprüche ab.

Mit der Klage verlangt die Klägerin einen Teil der an die Streitverkündete geleisteten Zahlungen auf die Rechnungen vom 27. Dezember 2005 und 12. Dezember 2006 aus abgetretenem Recht und trägt vor, der Beklagte sei passiv legitimiert, da sein Vermögen durch die Zahlungen der Zeugin G. an die Streitverkündete vermehrt worden sei und auch vermehrt werden sollte. Als Gesellschafter der Gemeinschaftspraxis hafte der Beklagte persönlich für deren sämtliche Verbindlichkeiten, unabhängig davon, ob er selbst Behandler sei oder nicht. Der Dienstleistungsvertrag mit der Streitverkündeten sei erst nach Beginn der ersten Behandlung der Versicherungsnehmerin geschlossen worden. Die Abtretung der Forderung an die Streitverkündete sei unwirksam, da dieser die Weiterabtretung ohne nähere Konkretisierung gestattet worden sei. Die Rechnung vom 27. Dezember 2005 sei um 1.738,98 € überhöht. Dort seien Maßnahmen als selbstständige Leistungen berechnet, die Teil der Hauptleistung seien. Für den beidseitigen Sinuslift sei eine Leistung von 810,16 € richtigerweise zu berechnen gewesen, während die Streitverkündete 2.212,26 € berechnet habe. Die unter der Gebührenziffer 2675 GOÄ berechneten Leistungen seien ebenfalls unselbständige Teilleistungen, so dass weitere 326,88 € zu viel berechnet worden seien. In der Rechnung vom 12. Dezember 2006 sei die mit der Ziffer 521 GOZ analog liquidierte Leistung mit der gesondert berechneten Gebührenziffer 900 GOZ abgegolten. Die Gebührenziffer 2675 GOÄ dürfe neben den Gebührenziffern 901/902,/903 GOZ nicht berechnet werden, da die Grundversorgung ein unselbständiger Teil der Implantation sei. Insgesamt seien 708,78 € aus der Berechnung zu viel berechnet worden.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 2.447,76 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29. Dezember 2009 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, auf Grund der Abtretung habe die Patientin ihre Leistung an die Streitverkündete erbracht und nicht an ihn selbst. Die Streitverkündete sei keine nur zur Abrechnung eingeschaltete Institution. Sämtliche Behandlungen seien nach Abschluss des Dienstleistungsvertrages mit der Streitverkündeten erfolgt. Die von der Klägerin behauptete Unrichtigkeit der Rechnungen sei nicht nachvollziehbar.
Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von 2.447,76 € gegen den Beklagten.

Der Beklagte ist nicht Empfänger der von seiner Patientin R. G. geleisteten Zahlung auf die Rechnungen vom 27. Dezember 2005 und 12. Dezember 2006 für zahnärztliche Behandlungen. Die Leistungen sind an die Streitverkündete, die Inhaber der Forderungen sein sollte und die die Rechnungen aus eigener Verantwortung, lediglich auf Grund der Behandlungsunterlagen des Beklagten erstellt hat, erfolgt. Die Patientin hat nicht - wie in den überwiegenden Fällen der Drittleistungskondition - auf Anweisung des Beklagten an die Streitverkündete geleistet, sondern auf Grund der ihr vorab mitgeteilten Abtretung der Forderung und der ausschließlich von der Streitverkündeten erstellten Berechnung der zahnärztlichen Leistungen.

Die Abtretung der Forderung durch den Beklagten an die Streitverkündete unterscheidet sich vom üblichen, der Finanzierung dienenden Factoring-Vertrag dadurch, dass der Zweck wesentlich auch der Reduzierung des Verwaltungsaufwandes der Zahnarztpraxis dient, indem die Forderung bereits vor Erstellung der Rechnung übertragen wird, und die Forderung zum Zeitpunkt der Abtretung in ihrer konkreten Höhe noch nicht im Einzelnen fest steht, da die Ermittlung und Zusammenstellung der zu Grunde zu legenden Gebührenpositionen Aufgabe der Streitverkündeten als Zessionarin ist. Insbesondere in Fällen wie dem vorliegenden, in denen es um die Berechtigung der von der Streitverkündeten ermittelten Ziffern der Gebührenordnung als Grundlage der Berechnung geht, ist eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass die Abwicklung zwischen dem Schuldner und dem Zedenten - hier also zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu erfolgen hat- gerechtfertigt (BGH NJW 2005, 1369 ff.; BGH NJW 1989, 161 ff.).

Das muss auch für die Fälle gelten, in denen die zu Grunde liegende Abtretung nicht wirksam ist. Denn in diesen Fällen hat die Patientin ebenfalls eine Leistung an die vermeintliche Gläubigerin, die Streitverkündete, erbracht.

Eine wirksame Abtretung ist schon deshalb zweifelhaft, weil die Behandlung, die unter dem 27. Dezember 2005 in Rechnung gestellt worden ist, bereits am 05. November 2005 begann, also vor dem Abschluss des Dienstleistungsvertrages mit der Streitverkündeten, der nur künftige Forderungen umfassen sollte. Darüber hinaus liegt eine wirksame Einwilligung der Patientin zur Weitergabe der Patientendaten nicht vor. Voraussetzung für eine wirksame Einverständniserklärung ist, dass die Patientin weiß, an wen der Beklagte Daten, die der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen, weiter geben wird (OLG Karlsruhe in OLGR Karlsruhe 1999, 85 f., zitiert nach juris). Die Erklärung, die die Patientin am 21. Februar 2005 abgegeben hat, bezog sich nicht auf die Streitverkündete, sondern auf ein anderes Abrechnungsunternehmen. Die mit der Weitergabe der der Verschwiegenheitspflicht unterliegenden Daten verbundene Abtretung ist deshalb gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB nichtig (BGH NJW 1991, 2955 ff.).

Das Recht der Streitverkündeten zur Weiterabtretung der Forderung, die einhergeht mit der Verpflichtung, gegenüber eventuellen Zessionaren Auskünfte über die Forderung und damit über der Verschwiegenheitspflicht unterliegende Daten zu erteilen, geht über die Einverständniserklärung der Patientin hinaus, die die Weitergabe auf die Sparkasse S. begrenzt. Es bestehen deshalb Zweifel auch an der Wirksamkeit der Abtretung der Forderungen aus der Rechnung vom 12. Dezember 2006, für die grundsätzlich eine wirksame Einwilligungserklärung der Patientin vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

RechtsgebietBGBVorschriften§ 134 BGB

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