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27.08.2010 · IWW-Abrufnummer 102617

Oberlandesgericht Köln: Beschluss vom 26.03.2010 – 2 Ws 129/10

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Oberlandesgericht Köln

2 Ws 129/10

Tenor:

Auf die Beschwerde wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen der Beschluss der 4. großen Strafkammer des Landgerichts Bonn vom 09.10.2009 aufgehoben und der Kostenfestsetzungsbeschluß der Rechtspflegerin des Landgerichts Bonn vom 11.03.2008 - 4 Ks 46/07 - wie folgt abgeändert:

Zugunsten des Beschwerdeführers wird eine Vergütung von weiteren 157,08 € festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

G r ü n d e:
I.
Dem früheren Angeklagten I. war in dem Verfahren StA Bonn 900 Js 1426/04 Rechtsanwalt Breuer als Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Im Hauptverhandlungstermin vor dem Landgericht Bonn am 28.02.2008 erschien Rechtsanwalt C. nicht. Rechtsanwalt Dr. L. wurde auf seinen Antrag mit Beschluß des Vorsitzenden "für den heutigen Verhandlungstag dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet". Mit Schriftsatz vom selben Tage beantragte Rechtsanwalt Dr. L. die Festsetzung seiner Pflichtverteidigergebühren auf den Betrag von 942,48 €, der sich zusammensetzt aus der Terminsgebühr für den 28.02.2008, der Grundgebühr nach VV 4100 (132 €) sowie der Verfahrensgebühr nach VV 4118 (264 €). Die Rechtspflegerin hat mit Beschluß vom 11.03.2008 die Kosten auf 447,44 € festgesetzt; die Grundgebühr und die Verfahrensgebühr sind mit der Begründung abgesetzt worden, Rechtsanwalt Dr. L. sei nur für den ansonsten tätigen, am Verhandlungstag verhinderten Pflichtverteidiger tätig gewesen und habe sonstige Tätigkeiten nicht entfaltet. Dieser Auffassung hat sich der Kammervorsitzende angeschlossen und als Einzelrichter die gegen den Beschluß vom 11.03.2008 eingelegte Erinnerung mit Beschluß vom 09.10.2009 zurückgewiesen. Dagegen hat Rechtsanwalt Dr. L. mit Schriftsatz vom 13.10.2009 Beschwerde eingelegt, zu deren Begründung er ausführt, der für einen Verhandlungstag bestellte Pflichtverteidiger sei ebenso Verteidiger wie der im übrigen und durchgängig beigeordnete Verteidiger. Die zeitliche Beschränkung seiner Beiordnung führe daher nicht zum Wegfall der Grund- und Verfahrensgebühr, von deren Entstehung beim Anfall der Terminsgebühr vielmehr zwangsläufig auszugehen sei. Er habe sich in den Fall eingearbeitet und mit dem Angeklagten eine Besprechung geführt, u.a. zur Abklärung, ob dieser mit seiner vertretungsweisen Beiordnung einverstanden sei; anschließend habe er in einer weiteren Besprechung Rechtsanwalt C. und den als Wahlverteidiger tätigen Rechtsanwalt S. über das Terminsergebnis informiert.
Der Bezirksrevisor als Vertreter der Staatskasse hat rechtliches Gehör erhalten und in seiner Stellungnahme vom 19.03.2010 die angefochtene Entscheidung verteidigt.
Der Einzelrichter des Senats hat die Sache mit Beschluß vom 05.03.2010 wegen grundsätzlicher Bedeutung nach §§ 56 Abs. 2 S.1, 33 Abs. 8 S. 2 RVG dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
II.
Die Beschwerde ist nach §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 6 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache führt sie zu einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie zu einer teilweisen Abänderung des Festsetzungsbeschlusses der Rechtspflegerin. Dem Beschwerdeführer steht über die bereits festgesetzte Terminsgebühr hinaus auch die Grundgebühr nach VV 4100 in Höhe von 132 € zu.
Die vom Senat bisher nicht entschiedene Frage, wie die Tätigkeit des für einen Verhandlungstag als sog. "Terminsvertreter" beigeordneten Pflichtverteidigers abzurechnen ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Die Problemstellung geht im wesentlichen dahin, ob dem "Terminsvertreter" lediglich die Terminsgebühr zusteht ( so - sämtlich zitiert bei juris - : OLG Hamm 28.11.2006 - 3 Ws 569/06 -; KG 29.06.2005 – 5 Ws 164/05 – = NStZ-RR 05,327 und 08.12.2006 – 3 Ws 353/06 -; OLG Celle 25.08.2006 – 1 Ws 423/06-; 10.10.2006 – 2 Ws 258/06 - = StraFo 06,471; 19.12.2008 – 2 Ws 365/08 - = NStZ-RR 09,158; LG Düsseldorf 04.10.2007 – 14 Qs 106/07-; im Schrifttum : Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl., VV 4100, 4101 Randnr. 2; Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., VV 4100,4101 Randnr. 10)
oder sämtliche im Einzelfall verwirklichten Gebührentatbestände des Teils 4 Abschnitt 1 VV ( so sämtlich zitiert bei juris : OLG Düsseldorf 29.10.2008 – III-1 Ws 318/08 -; OLG Hamm 23.03.2006 – 3 Ws 586/05 -; OLG München 23.10.2008 – 4 Ws 140/08 = NStZ-RR 09,32; OLG Karlsruhe 16.07.2008 – 3 Ws 281/08 -; im Schrifttum : Gerold/Schmidt- Burhoff RVG, 18. Aufl., VV 4100, 4101 Randnr. 9; Burhoff, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, 2. Aufl., Nr. 4100 VV Randnr. 6 ff; Schneider, Anwaltskommentar zum RVG, 4. Aufl., VV 4100-4101 Randnr. 15; P.Kotz, StraFo 2008, 412 ff und NStZ-RR 2010 S. 36,38).
Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an. Die Begründung der gegenteiligen Auffassung, dass der Verteidiger in derartigen Fällen lediglich als Vertreter des ansonsten bestellten Pflichtverteidigers beigeordnet werde mit der gebührenrechtlichen Folge, dass die Gebühren nur einmal abgerechnet werden könnten, vermag nicht zu überzeugen. Es greift zu kurz, maßgeblich auf den Aspekt der Vertretung abzustellen. Das wird der Eigenständigkeit des Beiordnungsverhältnisses nicht gerecht und nimmt die Rechte des Angeklagten auf effektive, rechtsstaatlichen Grundsätzen genügende Verteidigung nicht ausreichend in den Blick. Auch im vorliegenden Verfahren ist die Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. L. ohne inhaltliche Beschränkung vorgenommen, ihm ist ein voller Verteidigungsauftrag erteilt worden.
Die Bestellung zum Pflichtverteidiger für nur einen Verhandlungstag begründet ein eigenständiges Beiordnungsverhältnis, aufgrund dessen der bestellte Verteidiger für die Dauer der Bestellung die Verteidiger des Angeklagten umfassend und eigenverantwortlich wahrzunehmen hat.
Daraus folgt, dass die anwaltlichen Tätigkeiten des jeweiligen Pflichtverteidigers gesondert zu bewerten und zu vergüten sind; der Vergütungsanspruch des "Terminvertreters" umfaßt alle im Einzelfall verwirklichten Gebührentatbestände (so zutreffend OLG Düsseldorf und OLG München a.a.O.)
Dieses Ergebnis liegt auf der Linie der Rechtsprechung des Senats zur Vergütung des Zeugenbeistands. Hierzu hat der Senat entschieden, dass sich die Vergütung eines Zeugenbeistands wie die eines Verteidigers nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG richtet und die Gleichstellung des Zeugenbeistands mit einem Verteidiger bedingt, dass dieser je nach der entfalteten Tätigkeit die unter den entsprechenden Gebührentatbestand fallende Gebühr – das mag im Einzelfall die Grundgebühr wie auch die Verfahrensgebühr sein – beanspruchen kann ( Senat 07.05.2008 – 2 Ws 220/08 – = AGS 2008,388).
Die Grundgebühr nach VV 4100 ist vorliegend durch die Einarbeitung in den Fall entstanden. Weiterer Darlegungen des Beschwerdeführers bedurfte es hierzu nicht.
Die Verfahrensgebühr nach VV 4118 entsteht nach dem Vorhergesagten entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht "zwangsläufig", sondern erfordert eine in den Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr fallende Tätigkeit. Daran fehlt es. Die zur Wahrnehmung des Termins am 28.02.2008 erforderliche Vorbereitung einschließlich der Besprechung mit dem Angeklagten fällt mit der ersten Einarbeitung in den Fall zusammen und wird durch die Grundgebühr abgegolten. Von Grund- und Terminsgebühr wird als Nachbereitung des Termins auch die Information des ansonsten beigeordneten Pflichtverteidigers über den Verlauf des Termins miterfaßt (Gerold/Schmidt-Burhoff a.a.O., Randnr. 11)
Unter Berücksichtigung der Mehrwertsteuer steht dem Beschwerdeführer daher über den festgesetzten Betrag hinaus eine weitere Vergütung von 157,08 € zu ( Grundgebühr nach VV 4100).
Eine Kosten- und Auslagenentscheidung ist nicht veranlaßt ( § 56 Abs. 2 S .2 und 3 RVG )

RechtsgebietRVGVorschriftenNr. 4100 VV RVG

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