Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

23.07.2010 · IWW-Abrufnummer 102324

Sozialgericht Berlin: Urteil vom 01.06.2010 – S 79 KA 7/06

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Sozialgericht Berlin
verkündet am 30. Juni 2010
Az.: S 79 KA 7/06
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit XXX
hat die 79. Kammer des Sozialgerichts Berlin auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2010 durch die Richterin am Sozialgericht B i e n z l e sowie den ehrenamtlichen Richter Sturhahn und den ehrenamtlichen Richter Dr. med. Drossel für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten als Aufsichtsbehörde die Genehmigung einer Änderung ihrer Satzung.
Die Klägerin hat in ihrer Satzung unter Rechte und Pflichten der Mitglieder (§ 9 Abs. 8 b) die Regelung, dass die Teilnahme an Modellvorhaben, Verträgen zur integrierten Versorgung und sonstigen von den Krankenkassen außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung durchgeführten Versorgungsformen schriftlich anzuzeigen ist. Die Vertreterversammlung beschloss am 17. März 2005 die Vorschrift folgendermaßen zu ändern:
…die Teilnahme an Modellvorhaben, Verträgen zur integrierten Versorgung und sonstigen von den Krankenkassen außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung durchgeführten Versorgungsformen unverzüglich schriftlich anzuzeigen und die entsprechenden Verträge mit den Krankenkassen auf Verlangen vorzulegen.
Mit Schreiben vom 21. März 2005 übersandte die Klägerin der Beklagten diesen 8. Nachtrag zur Neufassung der Satzung (Beschluss der Vertreterversammlung vom 17. März 2005) und bat um Genehmigung. Nach Einholung verschiedener Stellungnahmen lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 14. Dezember 2005 die Genehmigung der Satzungsänderung mit der Begründung ab, dass die bestehenden gesetzlichen Vorschriften keine Rechtsgrundlage enthielten, die es erlaube, den Mitgliedern der Klägerin die genannten Pflichten aufzuerlegen, zudem verstoße die Regelung gegen geltendes Recht. Aus der Gesetzesbegründung zu § 140 b Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) ergebe sich, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen in das System der integrierten Versorgung nicht einzubeziehen seien und insbesondere kein Prüfrecht hinsichtlich der Inhalte von IV-Verträgen hätten. Die Vorlage der Verträge durch die Mitglieder der Klägerin sei auch nicht erforderlich. Unrechtmäßige Doppelabrechnungen im Zusammenhang mit Leistungen der integrierten Versorgung seien von den Krankenkassen zu prüfen, die Kassenärztlichen Vereinigungen seien hierüber zu unterrichten. Bei Fragen im Zusammenhang mit der Anschubfinanzierung könne sich die Klägerin an die bei der Bundesgeschäftstelle Qualitätssicherung (BQS) angesiedelte Registrierungsstelle wenden, die Auskünfte erteilen müsse.
Hiergegen hat die Klägerin am 12. Januar 2006 Klage erhoben. Sie ist der Meinung, dass sich dem Bescheid nicht entnehmen lasse, gegen welche Bestimmung die Satzungsänderung verstoße. Zur Wahrnehmung der ihr gesetzlich übertragenen Aufgaben sei sie auf Informationen über die in ihrem Bezirk geschlossenen Verträge zur integrierten Versorgung angewiesen. Die Krankenkassen seien nicht bereit, die erforderlichen Informationen zu erteilen. Aufgrund der bei der Registrierungsstelle vorhandenen Daten könne noch nicht einmal festgestellt werden, ob überhaupt ein IV-Vertrag, der den gesetzlichen Vorgaben entspricht, vorliege. Sowohl zur Prüfung der sachlich- rechnerischen Richtigkeit der vertragsärztlichen Leistungen als auch zur Durchführung von Plausibilitätsprüfungen sei die Kenntnis über die im Rahmen der IV-Verträge erbrachten Leistungen erforderlich. Außerdem müsse geprüft werden, ob der einzelne Vertragsarzt in ausreichendem Maß für die vertragärztliche Versorgung zur Verfügung stehe. Die Kenntnis des Inhalts der Verträge sei auch im Hinblick auf zu erteilende Ermächtigungen und Sonderbedarfszulassungen erforderlich. Auch bei der Honorarverteilung sei zu prüfen, ob eine Kürzung der Gesamtvergütung zur Anschubfinanzierung durch die Krankenkassen berechtigt sei. Die streitgegenständliche Satzungsänderung habe dadurch weitere Aktualität erhalten, dass die Zahlung von Entgelten für die Einweisung von Patienten in bestimmte Krankenhäuser in die öffentliche Kritik geraten sei. Es bestehe Grund zur Annahme, dass die Ärzte im Zusammenhang mit den geschlossenen IV-Verträgen ein Mehrfaches dessen enthielten, was Ärzte für die vor- und nachstationäre Versorgung normalerweise erhielten. Dies sei ein Indiz dafür, dass in den IV-Honoraren verdeckte Zuweisungspauschalen enthalten seien.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Dezember 2005 zu verpflichten, den von der Vertreterversammlung vom 17. März 2005 beschlossenen 8. Satzungsnachtrag der Klägerin zu genehmigen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides. Der Gesetzgeber habe mit der integrierten Versorgung ein vom Sicherstellungsauftrag losgelöstes Versorgungssystem ohne Möglichkeit der Einflussnahme durch die Kassenärztlichen Vereinigungen geschaffen. Die von der Klägerin begehrte Vorlagepflicht der Verträge widerspreche dem Regelungsgehalt der §§ 140 a f SGB V und verstoße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen. Die Einsichtnahme in IV-Verträge durch die Kassenärztlichen Vereinigungen könne dem Aufbau eines einzelvertraglichen Versorgungszweigs mit einer gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen gewollten Wettbewerbsituation nicht zuträglich sein. Sollten die bei der Registrierungsstelle vorhandenen Daten im Einzelfall nicht ausreichend sein, könne sich die Klägerin direkt an Krankenkasse wenden. Die Vorlage der Verträge sei auch nicht zur Kontrolle der von den Vertragsärzten eingereichten Abrechnungen erforderlich. Das Landesschiedsamt habe mit Beschluss vom 19. Juni 2007 § 10 (Vermeidung von Doppelabrechnungen) in die Plausibilitätsvereinbarung aufgenommen. Danach sei es Sache der Krankenkassen, eventuelle Doppelabrechnungen im Zusammenhang mit IV-Leistungen zu prüfen. Im Übrigen ließen die Vertragsinhalte keine Schlussfolgerungen darüber zu, wie die Umsetzung und Abrechnung von Leistungen im Rahmen der integrierten Versorgung durch den einzelnen Arzt erfolge. Über diese Informationen verfügten nur die Krankenkassen. Auch für die Honorarverteilung sei es nicht erforderlich, die Verträge vorzulegen. Bis zur Grenze der Anschubfinanzierung bestehe ohnehin kein direkter Zusammenhang zwischen Honorarverteilung und den IV-Verträgen. Probleme im Zusammenhang mit der Anschubfinanzierung seien nicht über die Mitglieder der Klägerin zu lösen, sondern müssten mit den Kassen gelöst werden. Für die Erteilung von Ermächtigungen bzw. Sonderbedarfsermächtigungen sei die Klägerin nicht zuständig. Bei der Tätigkeit der Vertragsärzte auf der Grundlage von IV-Verträgen handele es sich nicht um ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne der Ärzte-Zulassungsverordnung. Auch die Möglichkeit zur Bereinigung des Ausgabenvolumens bei Arznei- und Hilfsmittel führe nicht zu einer Verpflichtung zur Offenlegung der Verträge.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, die vorlag und Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe
Die Kammer entscheidet in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus dem Kreis der Vertragsärzte/Psychotherapeuten, weil es bei der Genehmigung zur Änderung der Satzung um eine Angelegenheit der Vertragsärzte geht, § 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) handelt. In aufsichtsrechtlichen Streitigkeiten ist wesentlich, ob die Maßnahme bzw. Entscheidung, die von der Aufsichtsbehörde beanstandet wird, von einem Gremium, das nur mit Ärzten besetzt ist oder aber von Ärzten und Krankenkassen gemeinsam bzw. durch ein mit Vertretern beider Seiten besetztes Gremium getroffen worden ist. An der Entscheidung über die Änderung der Satzung der Klägerin haben nur Vertragsärzte mitgewirkt, weil nur diese Mitglieder der Vertreterversammlung der Klägerin sein können (§ 80 Abs. 1 SGB V).
Die Klage ist zulässig. Der Durchführung eines Vorverfahrens bedurfte es nicht, weil die Versagung der Genehmigung von einer obersten Landesbehörde iSd § 78 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGG vorgenommen wurde.
Die Klage hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Genehmigung der Satzungsänderung durch den Beklagten.
Die Beklagte übt nach § 78 Abs. 1 SGB V die Aufsicht über die Klägerin aus. Ihre Entscheidung, ob die Genehmigung der Satzungsänderung nach § 81 Abs. 1 Satz 2 SGB V zu erteilen ist, ist an dem Maßstab des § 78 Abs. 3 Satz 1 SGB V auszurichten. Danach erstreckt sich die Aufsicht über die Kassenärztlichen Vereinigungen auf die Beachtung von Recht und Gesetz und sonstigem Recht. Der Verweis auf sonstiges Recht verlangt, dass von den Kassenärztlichen Vereinigungen die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und hier insbesondere die für die vertragsärztliche Versorgung relevanten Vorschriften des SGB zu beachten sind (vgl. Hess in: KassKomm § 78 RdNr. 5). Ausgehend hiervon hat die Beklagte die Satzungsänderung zu Recht nicht genehmigt. Denn für die von der Vertreterversammlung beschlossene Fassung des § 9 der Satzung, wonach die Mitglieder der Klägerin, bei Teilnahme an Modellvorhaben, Verträgen zur integrierten Versorgung und sonstigen von den Krankenkassen außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung durchgeführten Versorgungsformen die entsprechenden Verträge mit den Krankenkassen vorzulegen haben, gibt es weder eine Ermächtigungsgrundlage, noch steht eine solche Pflicht im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen. Sie verstöß gegen die §§ 140 a ff SGB V.
Die Klägerin nach § 81 SGB V verliehene Satzungsgewalt bezieht sich auch auf die Regelung der „Rechte und Pflichten der Mitglieder“ (§ 81 Abs. 1 Nr. 4). Insoweit besteht jedoch nur eine Regelungsbefugnis im Zusammenhang mit der der Klägerin als Körperschaft öffentlichen Rechts (§ 77 Abs. 5 SGB V) gesetzlich zugewiesenen Aufgabe und in dem vom Gesetzgeber näher konkretisierten Rahmen. Die Aufgaben der Kassenärztlichen Vereinigungen sind alle auf die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung ausgerichtet, die sie gegenüber den Krankenkassen zu gewährleisten hat (§ 75 Abs. 1 iVm § 73 Abs. 3 SGB V). Nur in diesem Zusammenhang kann sie ihren Mitgliedern Pflichten auferlegen und diese ggf. mit Mitteln den Mitteln des Disziplinarrechts durchsetzen. Es ist zu unterscheiden zwischen Rechten und Pflichten des Vertragsarztes, die sich aus den gesetzlichen Vorschriften bzw. abgeschlossen Verträgen ergeben und solchen, die originär in der Satzung festgelegt sind. Hierzu gehören die Mitgliederpflichten im engeren Sinne, die sich insbesondere auf das aktive und passive Wahlrecht und die Pflicht zur Beitragszahlung beziehen und solche, die die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung betreffen (vgl. Hess a.a.O. RdNr. 10).
Die durch die Satzungsänderung vom 17. März 2005 den Mitgliedern der Klägerin auferlegten Pflichten stehen nicht im Zusammenhang mit der Wahrnehmung des Sicherstellungsauftrages durch die Klägerin. Zwar werden die im Rahmen der integrierten Versorgung erbrachten Leistungen weiterhin der vertragsärztlichen Versorgung zugerechnet, jedoch umfasst der Sicherstellungsauftrag der Klägerin nicht die integrierte Versorgung nach den §§ 140 a ff SGB V. Daher kann den Mitgliedern der Klägerin auch keine Pflicht auferlegt werden, die sie zur Vorlage von den mit den Krankenkassen in diesem Zusammenhang geschlossen Verträgen zwingt. Dass die von der Vertreterversammlung beschlossene Satzungsänderung über die der Beklagten im Rahmen der Satzungsautonomie eröffneten Möglichkeiten zur Regelung von Rechten und Pflichten hinausgeht, erschließt sich insbesondere bei Beachtung der Gesetzesbegründung zu den §§ 140 a ff SGB V. Bereits bei Einführung der integrierten Versorgung durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz ab dem Jahr 2000 waren die Einflussmöglichkeiten der Kassenärztlichen Vereinigungen bzw. der Kassenärztlichen Bundesvereinigung nur eingeschränkt möglich. Die zunächst im Gesetzentwurf vorgesehene Bestimmung, dass Verträge nach § 140 b SGB V, wenn sie die vertragsärztliche Versorgung einschließen und die Kassenärztlichen Vereinigungen nicht Vertragspartner des Vertrags waren, der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung vor Abschluss des Vertrages zur Prüfung zuzuleiten sind, sowie die vorgesehene Zustimmung der Kassenärztlichen Vereinigungen wurden nicht in das Gesetz übernommen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen konnten nach altem Recht eine Beratungs- und Verteilungsfunktion wahrnehmen und in diesem Zusammenhang auch an Vertragsverhandlungen teilnehmen. Diese Einflussmöglichkeiten der Kassenärztlichen Vereinigungen sind ab dem Jahr 2004 durch das GKV-Modernisierungsgesetzes vollständig beseitigt worden. Die Berücksichtigung der nach altem Recht durch § 140 d vorgeschriebenen Rahmenvereinbarungen ist entfallen. Auch besteht für die Vertragsärzte nicht mehr die Möglichkeit, sich in den Vertragsverhandlungen mit den Krankenkassen durch die Kassenärztliche Vereinigung beraten zu lassen bzw. diese mit der Verteilung der Vergütungen zu beauftragen (vgl. Änderung des § 140 b Abs. 1 SGB V). Dies wird mit der Ablösung der Integrationsversorgung vom Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen begründet (vgl. FraktE-GMB, BT-Drucks. 15/1525 S 130 u § 140 B = M 015 S. 124). Die Kassenärztlichen Vereinigungen sollten sich auf Erfüllung des verbleibenden Sicherstellungsauftrages konzentrieren und sich nicht mit den Hilfsfunktionen zugunsten einzelner Mitglieder bei der Erledigung von deren Aufgaben außerhalb des Sicherstellungsauftrages belasten. Seit dem 1. Januar 2004 sind die Kassenärztlichen Vereinigungen auch nicht mehr als potentielle Vertragspartner vorgesehen. Dies wird damit begründet, dass sie in das System einer einzelvertraglichen Vereinbarung über die Durchführung der Versorgung ohne Veränderung ihrer eigentlichen Aufgabe, der Erfüllung des Sicherstellungsauftrages, nicht einzupassen seien (FraktE-GMG, BT-Drucks. 15/1525 S. 130 zu § 140 b; vgl. Engelhard in Hauck/Noftz, Komm. SGB V § 140 b RdNrn. 31 f). Der Gesetzgeber sieht die integrierte Versorgung als Wettbewerbsinstrument an und gesteht den Akteuren „Freiheit zur Gestaltung in Eigenverantwortung“ zu (vgl. BT-Drucks. 15/1525 S. 129). Ausgehend hiervon widerspricht eine generelle Vorlagepflicht von IV-Verträgen dem Willen Gesetzgebers und dient nicht dazu, den Wettbewerb mit den alten Versorgungsformen zu stärken. Gegen Eingriffe, die sich nicht im Wirkungskreis legitimer öffentlicher Aufgaben halten oder bei deren Wahrnehmung nicht dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entsprochen wird, steht dem einzelnen Mitglied ein Abwehrrecht zu. Unabhängig hiervon ist auch die Staatsaufsicht verpflichtet, auf die Einhaltung der der Körperschaft gesetzten Grenzen zu achten und ggf. die Mitglieder der Klägerin vor unverhältnismäßigen Eingriffen zu schützen.
Soweit die Klägerin geltend macht, auf die Informationen über die in ihrem Bezirk geschlossenen Verträge zur integrierten Versorgung zur Wahrnehmung der ihr gesetzlich übertragenen Aufgaben angewiesen zu sein, so mag dies in bestimmten Fällen zutreffend sein. Im Ergebnis kann es jedoch grundsätzlich nicht sein, dass sich eine an den Verträgen zwischen Leistungserbringer und Krankenkasse nicht beteiligte KV auf dem Umweg über ihre Mitglieder die Möglichkeit zur Einsicht in diejenigen Unterlagen verschafft, die sie ohne berechtigten Grund sonst nicht einsehen darf und die auch in diesem Umfang nicht erforderlich ist. Bei Streitigkeiten über das Vorliegen von Verträgen der integrierten Versorgung sowie Streitigkeiten über die Anschubfinanzierung nach § 140 d Abs. 1 Satz 1 SGB V ist die Einschaltung von Vertragsärzten nicht erforderlich und unverhältnismäßig. Es gibt keine Grundlage dafür, den Mitgliedern der Klägerin in diesem Zusammenhang Pflichten aufzuerlegen, die sie in eine Konfliktsituation zwischen Krankenkasse und Kassenärztlicher Vereinigung bringen können und bei deren Nichtbeachtung sie disziplinarisch herangezogen werden können. Denn die Klägerin kann sich in berechtigten Fällen auf andere Weise die notwendigen Informationen beschaffen.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Spitzenverbände der Krankenkassen (jetzt Spitzenverband Bund) haben die Einrichtung einer gemeinsamen Registrierungsstelle vereinbart. Die bei der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH (BQS) eingerichtete Stelle hat die Aufgabe, die Meldungen der Krankenkassen über Verträge nach § 140 a SGB V entgegenzunehmen und den Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenhäusern entsprechend Auskünfte zu erteilen. Nach der Rspr. ist es bei einem Streit darüber, ob überhaupt ein Vertrag zur integrierten Versorgung vorliegt bzw. bei Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Einbehalts der Gesamtvergütung als Anschubfinanzierung in einem ersten Schritt ausreichend, das Bestehen von Verträgen im Sinne der §§ 140 a ff SGB V durch Vorlage von Meldebestätigungen der Registrierungsstelle nachzuweisen. Sind derartige Meldebestätigungen nicht ausreichend, sind in einem zweiten Schritt, die geschlossenen Verträge vorzulegen, wenn das Vorliegen von Verträgen integrierter Versorgung substantiiert bestritten wird oder sich aus den Meldebestätigungen der Registrierungsstelle selbst Zweifel an der rechten Qualität der Verträge ergeben (vgl. Urteile des LSG Berlin Brandenburg vom 9. September 2009 – L 9 KR 470/08 – und des Sächsischen LSG vom 24. Juni 2009 – L 1 KR 76/08 - ). Die Frage, ob ein relevanter Vertrag der integrierten Versorgung vorliegt, der den Einbehalt von bis zu einem Prozent der Gesamtvergütung nach § 140 d Abs. 1 Satz 1 SGB V rechtfertigt, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, wie sich aus den Entscheidungen des BSG vom 6. Februar 2008 ergibt (B 6 KA 5/07 R und B 6 KA 27/07 R). In diesen Verfahren hat das BSG eine inhaltliche Prüfung der dort umstrittenen Verträge vorgenommen und ist in dem einen Fall zu dem Ergebnis gelangt, dass trotz entsprechender Bezeichnung die Voraussetzungen eines Vertrages der integrierten Versorgung nicht vorlagen.
Die Vorlage der Verträge, die die Mitglieder der Klägerin mit den Krankenkassen geschlossen haben, ist auch im Zusammenhang mit der Honorarverteilung durch die Klägerin bzw. mit der von den Krankenkassen zu leistenden Anschubfinanzierung, die durch entsprechende Einbehalte von der Gesamtvergütung vorgenommen werden kann, sowie im Zusammenhang mit der Bereinigung der Gesamtvergütungen nicht vorgesehen und unverhältnismäßig. Denn die Klägerin kann sich direkt an die Krankenkasse wenden. Der Einschaltung ihrer Mitglieder bedarf es nicht. Nach § 140 d Abs. 1 Satz 1 HS 2 SGB V ist ein Einbehalt nur dann zulässig, soweit die einbehaltenen Mittel zur Umsetzung von nach § 140 b geschlossenen Verträgen erforderlich sind. Nach § 140 d Abs. 1 Satz 4 n. F. sind die Krankenkassen verpflichtet, gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen die Verwendung der einbehaltenen Mittel darzulegen. Dabei muss nachvollziehbar dargelegt werden, zu welchem Zweck die Mittel verwendet werden (FraktE GKV-WSG, BT-Drucks. 16/3100 S. 153 = M 016, S. 147). Das LSG Berlin-Brandenburg hat in Urteil vom 9. September 2009 – L 9 KR 470/08 - ausgeführt, dass derjenige, der Einbehalte von der Gesamtvergütung vornimmt, nach den allgemeinen Beweisregeln beweispflichtig ist und zwar im Hinblick auf das Vorliegen von Verträgen nach § 140 a bis c SGB V sowie der Erforderlichkeit des Einbehalts. Nach § 140 d Abs. 2 Satz 4 n F. sind die Krankenkassen verpflichtet, den zuständigen Gesamtvertragsparteien – d. h. auch der jeweiligen KV - die für das Bereinigungsverfahren bzw. für die Bestimmung des Bereinigungsvertrages erforderlichen arzt- und versichertenbezogenen Daten zu übermitteln. Hier sind insbesondere Informationen über die Einzelverträge, deren Leistungsinhalt und deren Teilnehmer zu übermitteln, da entsprechende Daten den für das Bereinigungsverfahren zuständigen Vertragspartnern nicht vorliegen (FraktE GKV-WSG, BT 16/31000 S. 153 = M 016 S. 147).
Auch ohne die von der Vertreterversammlung beschlossene Satzungsänderung ist die Klägerin nicht gehindert, weiterhin die sachlich- rechnerische Richtigkeit der (vertragsärztlichen) Abrechnungen zu überprüfen und Plausibilitätsprüfungen vorzunehmen. Sollten Anhaltspunkte dafür gefunden werden, dass es im Einzelfall zu Doppel- bzw. Falschabrechnungen im Zusammenhang mit der Teilnahme an IV-Verträgen gekommen ist, besteht auch hier die Möglichkeit, die Krankenkasse zu informieren, die dann - wie es in § 10 der Plausibilitätsvereinbarung vorgesehen ist – für die Plausibilitätsprüfung im Zusammenhang mit Leistungen der integrierten Versorgung zuständig sind. Die Klägerin kann gemäß § 106 a Abs. 4 Satz 2 SGB V, sofern dazu Veranlassung besteht, Prüfungen durch die Krankenkassen nach § 106 a Abs. 3 SGB V beantragen. Die Vorlage der IV-Verträge hilft der Klägerin in derartigen Fällen nicht weiter, da die Vertragsinhalte keinen Aufschluss über das tatsächliche Abrechnungsverhalten des einzelnen Arztes geben. Auch für die Prüfung, ob der einzelne an den IV-Verträgen teilnehmende Arzt für die vertragsärztliche Versorgung in dem erforderlichen Maß zur Verfügung steht, hilft die Vorlage der Verträge nicht weiter, da sich aus den Vertragsinhalten nicht entnehmen lässt, in welchem tatsächlichen Umfang der Arzt als Vertragsarzt arbeitet. § 81 Abs. 1 Nr. 10 SGB V bestimmt, dass die Satzung auch Bestimmungen enthalten muss über die vertragsärztlichen Pflichten zur Ausfüllung des Sicherstellungsauftrages. Hintergrund dieser Satzungsermächtigung ist die Beobachtung, dass Vertragärzte vor Ende eines Abrechnungszeitraums ihre Praxis schließen, weil das individuelle Abrechnungsvolumen ihrer Praxis erschöpft ist. Mit einem derartigen Verhalten setzen sich die Vertragsärzte in Widerspruch zu den aus der Zulassung resultierenden Verpflichtungen, der vertragsärztlichen Versorgung in vollem Umfang zur Verfügung zu stehen und nicht aus betriebswirtschaftlichen Gründen ihre Praxis zu schließen. Die Klägerin hat in ihrer Satzung geregelt, dass die Mitglieder entsprechend den Bestimmungen der Bundesmantelverträge und der Gesamtverträge Sprechstunden abzuhalten haben (vgl. § 9 Abs. 7 der Satzung). Somit sind die Vertragsärzte verpflichtet, dem nachzukommen. In Fällen, in denen der Vertragsarzt seine ohnehin gegenüber der Klägerin bestehenden Pflichten nicht beachtet, hilft auch die Vorlage der IV-Verträge nicht weiter. Auch für die Aufgaben der Klägerin im Zusammenhang mit der Erteilung von Ermächtigungen und Sonderbedarfsermächtigen durch die Zulassungsgremien bzw. mit der Bedarfsplanung ist es nach Ansicht der Kammer unverhältnismäßig, den Vertragärzten im Sinne der Satzungsänderung Pflichten aufzuerlegen. Wie sich aus dem Gesetz ergibt, wirken die Klägerin, die Leistungserbringer und Krankenkassen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zusammen (§ 72 Abs. 1 SGB V). Die Krankenkassen sind ihren Versicherten gegenüber verpflichtet, dass diese die gesetzlichen Leistungen der Krankenversicherung erhalten. Es ist daher davon auszugehen, dass auch die Krankenkassen an der Sicherstellung der vertragärztlichen Versorgung interessiert sind.
Schließlich ist es nicht Aufgabe der Klägerin, Maßnahmen gegenüber ihren Mitgliedern im Zusammenhang mit rechtswidrigen „Zuweiserpauschalen“ zu ergreifen. Dies ist Sache der Ärztekammer, die nach § 24 ihrer Berufsordnung vom 30. Mai 2005 in der Fassung vom 23. September 2009 (ABl. 2010 S. 317) befugt ist, sich auf Anfrage alle Verträge über die ärztliche Tätigkeit des einzelnen Arztes vorzulegen zu lassen. Sie allein hat zu prüfen, ob die beruflichen Belange gewahrt sind und auch § 31 Berufsordnung eingehalten wird, wonach es dem Arzt nicht gestattet ist, für die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ein Entgelt oder andere Vorteile sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt dem Ergebnis der Hauptsache und beruht auf § 193 a SGG iVm § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr