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23.07.2010 · IWW-Abrufnummer 102322

Finanzgericht Berlin-Brandenburg – 5 K 7215/06 B

1. Die Eintrittsgelder für ein einmal jährlich am selben Ort veranstaltetes Fest, bei dem es zu Schaustellungen, Musikaufführungen und unterhaltenden Vorstellungen durch die beauftragten Künstler als Subunternehmer kommt, unterliegen dem ermäßigten Steuersatz auch dann, wenn der Veranstalter mit seiner Veranstaltung zwar nicht von Ort zu Ort zieht, der Charakter der Veranstaltung aber demjenigen einer von Ort zu Ort ziehenden Veranstaltung deshalb entspricht, weil nach Beendigung der Veranstaltung der öffentliche Straßenbereich und andere Veranstaltungsflächen wieder freigegeben und die Bühnen sowie sonstige Aufbauten entfernt werden müssen.

2. Die Aufführung von Livemusik erfüllt die Anforderungen, die an ein Konzert i. S. v. § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG gestellt werden.


Tatbestand:
Die Klägerin veranstaltet seit Beginn der 90er Jahre einmal jährlich für ca. 10 Tage das Fest X. Hierzu wird jeweils eine Freifläche im Bereich der A-Straße in M angemietet, die von den Besuchern nur gegen Entgelt betreten werden konnte. Auf der Veranstaltung werden in jedem Jahr etwa die gleichen Leistungen angeboten. Es handelt sich dabei um eine Mischung aus Kunst, Kunsthandwerk und Gastronomie. Es treten Kleinkünstler und Gaukler aller Genres auf, wie etwa Zauberer, Bauchredner, Jongleure, Akrobaten und Puppenspieler. Die Auftritte erfolgen auf einer der vier Bühnen oder an geeigneten wechselnden Orten auf dem gesamten Veranstaltungsgelände. Ferner findet Livemusik auf den Bühnen statt. Wegen Einzelheiten des Veranstaltungsinhalts wird auf den sich in der Gerichtakte befindlichen Veranstaltungsplan für 2008 verwiesen.

Die Klägerin stellt die notwendige Ausstattung der Veranstaltung, die durch ihr Personal auf- und abgebaut wird. Die sich auf dem Veranstaltungsgelände befindlichen Stände, Buden und Bühnen gehören der Klägerin zum Teil selbst und werden im Übrigen angemietet. Die tätigen Künstler werden von der Klägerin engagiert. Von den Besuchern in Anspruch genommene gastronomische Leistungen werden diesen gesondert berechnet und sind nicht im Eintrittsgeld enthalten.

Im Streitjahr nahm die Klägerin Eintrittsgelder in Höhe von insgesamt 218.271,55 DM inklusive Umsatzsteuer ein und unterwarf diese in ihrer Umsatzsteuererklärung 1999 dem Regelsteuersatz. Mit Bescheid vom 6.5.2002 stimmte der Beklagte der Umsatzsteuererklärung zu. Am 1.6.2005 hob der Beklagte den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Mit dem hiergegen eingelegten Einspruch begehrte die Klägerin erstmalig die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung für eine Tätigkeit als Schausteller nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d) Umsatzsteuergesetz – UStG – für die Umsätze aus den Eintrittsgeldern, da die Besucher des Festes die Schaustellerleistungen direkt von ihr, der Klägerin, bezogen hätten.

Durch Einspruchsentscheidung vom 17.5.2006 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück und führte darin aus, dass es an einer für die Qualifikation als Schausteller notwendigen ambulanten Leistung der Klägerin fehle. Da die Klägerin nicht von Ort zu Ort ziehe und die Veranstaltung nur für 10 Tage im Jahr durchführe, sei ihre Leistung eher mit einer ortsfesten Veranstaltung zu vergleichen.

Zur Begründung der hiergegen eingelegten Klage beruft sich die Klägerin zunächst auf den Wortlaut des § 30 UStDV, dessen Definition des Schaustellerbegriffs keine Leistungen an ständig wechselnden Orten erfordere. Sie, die Klägerin, habe von Anfang an die Absicht gehabt, ihre Leistung auch an anderen Orten anzubieten, was ihr jedoch bisher nicht gelungen sei. Auch erfülle sie das Kriterium des ständig wechselnden Ortes mittelbar, da sie die Mehrkosten der dauernden Auf- und Abbauarbeiten zu tragen habe. Eine Abgrenzung zu einem ortsfesten Vergnügungspark könne nicht durch die Häufigkeit der Durchführung einer Veranstaltung getroffen werden.

Weiterhin vertritt die Klägerin die Ansicht, die Eintrittsgelder seien auch nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a) UStG steuerermäßigt.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 1.6.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.5.2006 bei der Umsatzsteuerfestsetzung für 1999 Bruttoumsätze in Höhe von 218.271,55 DM dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen, anstatt dem Regelsteuersatz.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen und

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Er nimmt Bezug auf seine Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, dass die von der Klägerin beschäftigten Subunternehmer unstreitig Schausteller sein könnten, nicht jedoch die Klägerin selbst. Da bei der Klägerin nur einmal im Jahr Kosten für den An- und Abbau anfielen, sei das Fest X nicht mit einer von Ort zu Ort ziehenden Veranstaltung vergleichbar. Das Fest X finde seit 15 Jahren lediglich nur einmal im Jahr statt. Die Klägerin erbringe auch die schaustellerische Leistung nicht selbst, sondern biete lediglich anderen Schaustellern die Möglichkeit, bei ihrer Veranstaltung aufzutreten.

Dem Gericht haben neben der Verfahrensakte ein Band Umsatzsteuerakten bei seiner Entscheidung vorgelegen (Bd. II).



Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet. Der Beklagte hat der Klägerin zu Unrecht die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 UStG hinsichtlich der Umsätze aus dem Verkauf der Eintrittskarten versagt. Zugunsten der Klägerin greift einerseits der Steuerermäßigungstatbestand des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d) UStG ein, soweit auf der Veranstaltung Kleinkünstler aufgetreten sind. Im Übrigen kann sich die Klägerin für die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung auf § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a) UStG stützen, da bei der Veranstaltung Musik aufgeführt worden ist.

Die Klägerin erbringt gegenüber den Besuchern der Veranstaltung eine einheitlich zu betrachtende Gesamtleistung, für die insgesamt ein Eintrittsgeld erhoben wird. Die Zahlung des Eintrittsgeldes steht im unmittelbaren Zusammenhang mit den dargebotenen künstlerischen und musikalischen Aufführungen, da weitere auf dem Veranstaltungsgelände in Anspruch genommene Leistungen gesondert bezahlt werden mussten. Welche Teilleistung der Gesamtveranstaltung letztlich das Gesamtgepräge gibt, muss nicht entschieden werden, da in jedem Fall ein Steuerermäßigungstatbestand des § 12 Abs. 2 Nr. 7 UStG eingreift.

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 % für die Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller. Gemäß § 30 UStDV gelten als Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller im Sinne von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d) UStG Schaustellungen, Musikaufführungen, unterhaltende Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten auf Jahrmärkten, Volksfesten, Schützenfesten oder ähnlichen Veranstaltungen.

Bei dem von der Klägerin durchgeführten Fest X handelt es sich um ein Volksfest oder eine diesem ähnliche Veranstaltung, bei dem es zu Schaustellungen, Musikaufführungen und unterhaltenden Vorstellungen durch die beauftragten Künstler als Subunternehmer kommt. Die Klägerin wurde nach dem Gesamtbild der Veranstaltung selbst als Schausteller im Sinne des Ermäßigungstatbestands tätig.

Schausteller sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, Personen, die mit ihren der Unterhaltung dienenden Unternehmen gewerbsmäßig Jahrmärkte, Volksfeste usw. beschicken, also von Ort zu Ort ziehen (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 25.11.1993, V R 59/91, BStBl 1994 II S. 336 m.w.N.). Die Leistungen müssen dabei nicht in eigener Person erbracht werden; vielmehr reicht es aus, dass diese im eigenen Namen mit Hilfe von Arbeitnehmern oder sonstigen Erfüllungsgehilfen gegenüber den Besuchern der Veranstaltung ausgeführt werden ( BFH-Urteil vom 18.10.2002, V R 89/01 , BStBl II 2004, 88). Die Erbringung der einzelnen künstlerischen bzw. unterhaltenden Leistungen durch Subunternehmer können damit der Klägerin zugerechnet werden.

Der Klägerin ist die Schaustellereigenschaft nicht deshalb zu versagen, weil sie seit Jahren das Fest X nur einmal jährlich am selben Standort veranstaltet. Zwar zieht die Klägerin mit ihrer Veranstaltung nicht von Ort zu Ort. Sie muss jedoch nach Beendigung der Veranstaltung den öffentlichen Straßenbereich und andere Veranstaltungsflächen wieder freigeben und die Bühnen sowie sonstige Aufbauten entfernen. Der Charakter der Veranstaltung entspricht daher nicht einem ortsfesten Unterhaltungs- oder Freizeitpark, sondern einer von Ort zu Ort ziehenden Veranstaltung. Dabei kann es nicht entscheidend darauf ankommen, dass die Veranstaltung tatsächlich nicht den Ort in dem Sinne wechselt, dass sie in unmittelbaren Anschluss woanders wieder aufgebaut wird. Ausreichend ist nach Ansicht des Senats, dass sie überhaupt abgebaut und nicht dauerhaft an einem Ort betrieben wird. Denn die Steuerermäßigungsnorm trägt nach Ansicht des BFH dem Umstand Rechnung, dass dem Schausteller wegen des ständigen Ortswechsels notwendigerweise Reise- und Beförderungskosten sowie durch den Abbau, Aufbau und den schnelleren Verschleiß der Anlagen größere Aufwendungen erwüchsen, die sich gegenüber dem ortsfesten Leistungserbringer als Wettbewerbsnachteil erwiesen. Notwendig sei daher, dass der jeweilige Umsatz auf einer ambulanten, d.h. nicht ortsfest ausgeführten schaustellerischen Leistung des Steuerpflichtigen beruhe (BFH-Urteil vom 25.11.1993, V R 46/91, BFH/NV 1995, 349). Auch die Klägerin unterfällt mit ihrer Veranstaltung diesem Normzweck, da sie sämtliche Bühnen und sonstigen Ausstattungen kurzfristig auf- und wieder abbauen muss, womit höhere Kosten für Beförderung, Transport und Verschleiß im Vergleich zu einer ortsfesten Veranstaltung verbunden sind.

Hinsichtlich der Musikaufführungen kann die Klägerin die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe a) UStG in Anspruch nehmen, soweit diese nicht bereits vom Begriff der Schaustellerei erfasst sind. Nach dieser Vorschrift ermäßigt sich die Steuer auf 7 % u.a. für Eintrittsberechtigungen für Theater und Konzerte sowie damit vergleichbare Darbietungen ausübender Künstler.

Unter Konzerten in diesem Sinne sind Aufführungen von Musikstücken zu verstehen, bei denen Instrumente und/oder die menschliche Stimme eingesetzt werden. Aufführende können einzelne oder mehrere Personen sein. Weitere Voraussetzung ist, dass das Konzert den eigentlichen Zweck der Veranstaltung ausmacht. Auch Pop- und Rockkonzerte, die den Besuchern die Möglichkeit bieten, zu der im Rahmen des Konzerts dargebotenen Musik zu tanzen, können Konzerte sein. Außerdem kann für „Mischformen” von Theateraufführungen und Konzerten die Steuervergünstigung in Anspruch genommen werden, wenn eine Vorführung entweder als theaterähnlich oder als konzertähnlich einzustufen und eine persönlich geistige Schöpfung in der für einen Urheberrechtsschutz geforderten geistigen Höhe ist (BFH-Urteil vom 18.8.2005, V R 50/04, BStBl 2006 II S. 101 m.w.N.).

Die Aufführung von Livemusik erfüllt die Anforderungen, die an ein Konzert gestellt werden. Die Besucher zahlen auch gerade deshalb zumindest einen Teil des Eintrittsgelds. Soweit bestimmte Aufführungen als theaterähnlich eingestuft werden können, fallen sie auch unter diese Ermäßigungsvorschrift.

Die Revision war nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH. Eine Abweichung von Rechtsprechung des BFH liegt nach Ansicht des Senats nicht vor. Lediglich wurde dem Merkmal des ständigen Ortswechsels bei der Bestimmung des Schaustellerbegriffs unter Berücksichtigung des vom BFH festgestellten Sinn und Zweck der Ermächtigungsnorm ein geringeres Gewicht beigemessen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung – ZPO –.

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