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19.07.2010 · IWW-Abrufnummer 102245

Finanzgericht Münster: Urteil vom 18.05.2010 – 15 K 4411/06

Der gewerbsmäßige Handel mit beweglichen körperlichen Gegenständen im Sinne der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG setzt nicht voraus, dass der Handel mit gebrauchten Gegenständen zum Unternehmen des Wiederverkäufers gehört. Vielmehr kann sich der Handel im Übrigen auch auf neue Gegenstände beziehen, wie etwa beim Kioskbesitzer.


Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger (Kl.) Wiederverkäufer im Sinne des § 25 a Umsatzsteuergesetz (UStG) ist.

Der Kl. betrieb eine Lotto- und Totoannahmestelle, einen Einzelhandel (Kiosk) mit Tabakwaren, Zeitungen, Zeitschriften und Süßwaren sowie eine Reiseagentur. Er erwarb vom Autohaus I in regelmäßigen Abständen einen neuen oder gebrauchten Pkw, den er jeweils seinem Unternehmensvermögen zuordnete und den er im Zusammenhang mit einer Ersatzbeschaffung jeweils regelmäßig in Zahlung gab. Auf die vom Kl. vorgelegten Rechnungen über einzelne An- und Verkäufe von Pkw's wird Bezug genommen. In 2003 veräußerte der Kl. den betrieblich genutzten Pkw Audi A 6, den er von I wegen Anwendung der Differenzbesteuerung gemäß § 25 a UStG ohne Umsatzsteuer (USt) erworben hatte, wieder an I. Auf dieses Veräußerungsgeschäft wandte der Kl. die Differenzbesteuerung gemäß § 25 a UStG an. Da der Verkaufspreis unter dem Einkaufspreis lag, erklärte er insoweit keine USt.

Im Rahmen einer beim Kl. durchgeführten Außenprüfung (Bericht vom 03.05.2005) vertrat die Prüferin die Auffassung, dass die Differenzbesteuerung auf den Weiterverkauf des Audi A 6 nicht anwendbar sei, da der Kl. nicht Wiederverkäufer im Sinne des § 25 a UStG sei. Es handele sich um eine ust-pflichtige Lieferung.

Daraufhin erließ der Beklagte (Bekl.) einen gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten USt-Bescheid vom 31.05.2005, in dem er nunmehr auch eine USt auf den Wiederverkauf des Audi 6 in Höhe von 1.516,80 EUR berücksichtigte. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.

Mit seinem Einspruch machte der Kl. geltend, dass er als Betreiber eines Kiosks Wiederverkäufer sei und er damit auch die Differenzbesteuerung anwenden könne. Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 25.09.2006 wies der Bekl. den Einspruch als unbegründet zurück. Der Kl. sei kein Wiederverkäufer im Sinne des § 25 a UStG. Die Tätigkeit des Kl. sei in mehrere Haupttätigkeiten aufgeteilt. Soweit er eine Lotto- und Totoannahmestelle bzw. eine Reiseagentur betreibe, erbringe er Leistungen, die nicht in der Lieferung von beweglichen körperlichen Gegenständen i. S. d. § 25 a UStG bestehen würden. Die im Rahmen des Einzelhandels umgesetzten Waren seien eindeutig nicht zum Gebrauch, sondern zum Verbrauch bestimmt, so dass der Kl. insoweit nicht zum Wiederverkäufer werde, weil dieser Begriff insbesondere den Handel mit Gebrauchsgegenständen umfasse. Die Veräußerung des Pkw sei zudem ein einmaliger Vorgang ohne Wiederholungsabsicht, der für sich betrachtet nicht das Merkmal der Nachhaltigkeit erfülle, so dass es insoweit auch an der nötigen Gewerbsmäßigkeit des Handelns fehle.

Hiergegen hat der Kl. Klage erhoben, mit der er geltend macht, dass er Wiederverkäufer i. S. d. § 25 a Abs. 1 Nr. 1 UStG sei. Er würde gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handeln, so wie es § 25 a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG erfordere. Als Betreiber eines Handelsgewerbes würden seine Ausgangsleistungen ausschließlich in der Lieferung von beweglichen körperlichen Gegenständen bestehen. Zudem sei der regelmäßige Erwerb von gebrauchten Fahrzeugen mit späterer Weiterveräußerung eine auf Wiederholung angelegte Tätigkeit. Nach Art. 26 a Teil A Buchst. e der 6. EG-RL (nunmehr Art. 311 Abs. 1 Nr. 5 MwStSystRL) sei Wiederverkäufer auch jeder Steuerpflichtige, der im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit Gebrauchtgegenstände kaufe oder zur Deckung seines unternehmerischen Bedarfs verwende. Die Einschränkungen der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) zum Begriff des Wiederverkäufers würden keine gesetzliche oder gemeinschaftsrechtliche Grundlage haben. Weder der Wortlaut des § 25 a UStG noch der Wortlaut des Art. 26 a Teil A Buchst. e der 6. EG-RL (nunmehr Art. 311 Abs. 1 Nr. 5 MwStSystRL) würden voraussetzen, dass gewerbsmäßig mit gebrauchten Gegenständen gehandelt werde. Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift sei der in ihr zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergebe. Auch würde eine nur gelegentliche Veräußerung von Fahrzeugen nicht gegen die Anwendung der Differenzbesteuerung sprechen, wenn ansonsten mit beweglichen körperlichen Gegenständen, wie es hier der Fall sei, gehandelt werde. Das Gesetz würde einen bestimmten Umfang oder eine bestimmte Anzahl von bestimmten Umsätzen nicht voraussetzen. Erfasst würden auch Händler, die grundsätzlich nur mit neuen Gegenständen handeln und nur in Einzel- oder Ausnahmefällen gebrauchte Gegenstände an- und wieder verkaufen würden. Zudem würden §§ 39 Abs. 2, 41 und 42 Abgabenordnung (AO) sicherstellen wollen, dass unabhängig von der rechtlichen Gestaltung wirtschaftlich gleiche Sachverhalte auch steuerlich gleich behandelt würden. Dann dürfe vermeintlich systematischen, letztlich aber willkürlich geschaffenen und wirtschaftlich bedeutungslosen Tatsachen kein entscheidender Einfluss auf die Höhe der Steuer und die Gleichmäßigkeit der Erhebung eingeräumt werden. Die Anwendung des § 25 a UStG sei vorliegend systemgerechter und handhabbarer, wenn man den Vergleich zu einer Besteuerung eines unmittelbar nach einer Entnahme aus dem Unternehmensvermögen anschließenden Verkaufs ziehen würde.

Der Kl. beantragt, den USt-Änderungsbescheid 2003 vom 31.05.2005 in Gestalt der EE vom 25.09.2006 dahingehend zu ändern, dass die USt auf 5.986,37 EUR festgesetzt wird,

hilfsweise, die Revision zuzulassen,

weiter hilfsweise, ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu richten.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist der Bekl. auf die Ausführungen in seiner EE und führt ergänzend aus: Im Streitfall seien keine Wettbewerbsnachteile gegenüber Gebrauchtwagenhändlern zu verhindern, da der Betreiber eines Kiosks sowie einer Lotto- und Totoannahmestelle nicht in Wettbewerb zu Gebrauchtwagenhändlern stehe. Der Verkauf von Pkw's gehöre nicht zum normalen Tätigkeitsfeld des Kl. und der Ausnahmefall des im Anlagevermögen befindlichen Pkw's selbst stelle keine nachhaltige Tätigkeit dar. Auch würde von § 25 a UStG nicht die Veräußerung von Anlagegegenständen erfasst werden, mit denen der Verkäufer nicht gewerbsmäßig handle. Der Kl. handele nicht gewerbsmäßig mit Pkw's. Soweit der Kl. Neufahrzeuge erworben habe, würden die Tatbestandsvoraussetzungen des Wiederverkäufers schon beim Erwerb nicht erfüllt sein, weil gemäß Abschn. 276 a Abs. 2 Satz 2 UStR derjenige Unternehmer als Wiederverkäufer gelte, der üblicherweise Gebrauchtgegenstände erwerbe und sie danach im eigenen Namen wieder verkaufe. Vorliegend würden lediglich zwei der vom Kl. vorgelegten Rechnungen ausweisen, dass der Kl. gebrauchte Fahrzeuge erworben habe. Zudem habe der Kl. selbst in vier der fünf vorgelegten Rechnungen USt gesondert ausgewiesen, wozu er bei Anwendung der Differenzbesteuerung gemäß § 25 a UStG nicht berechtigt wäre. Lediglich für den streitigen Umsatz weise der Kl. die USt nicht gesondert aus. Die Veräußerungsvorgänge der im Anlagevermögen des Kl. befindlichen Fahrzeuge seien als üblicherweise in einem Unternehmen durchgeführte Hilfsgeschäfte, welche der USt unterlägen, anzusehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf die vom Bekl. vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:
Die Klage, über die der Senat im Einvernehmen der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet.

Der USt-Änderungsbescheid 2003 vom 31.05.2005 in Gestalt der EE vom 25.09.2006 ist rechtswidrig und verletzt den Kl. in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Die Inzahlunggabe des Audi A 6 des Kl. bei I in 2003 hat der Kl. zu Recht der Differenzbesteuerung unterworfen, wonach nur auf den Betrag USt anfällt, mit dem der Verkaufspreis den Einkaufspreis für den Gegenstand übersteigt. Die Differenzbesteuerung gemäß § 25 a UStG findet auf Lieferungen i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG von beweglichen körperlichen Gegenständen unter weiteren Voraussetzungen Anwendung, wenn der Unternehmer Wiederverkäufer ist. Der Kl. ist – was im Streitfall allein streitig ist – Wiederverkäufer.

Nach der Legaldefinition des § 25 a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG gilt als Wiederverkäufer, wer gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handelt oder solche Gegenstände im eigenen Namen öffentlich versteigert. Für den Begriff des gewerbsmäßigen Handelns gibt es keine steuergesetzliche Definition. Vielmehr wird von anderen Vorschriften nur das Wort „gewerblich” verwandt. Nach dem Wortlaut des Gesetzes bezieht sich die Gewerbsmäßigkeit auf den Handel mit beweglichen körperlichen Gegenständen, so dass hiermit entgegen der Auffassung des Bekl. nicht vorgegeben ist, dass der An- und Verkauf von gebrauchten Gegenständen den eigentlichen Gegenstand des Unternehmens oder eines abgrenzbaren Teilbereichs des Unternehmens bilden muss (so auch Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, § 25 a UStG, Rz. 48, 59; Stadie in Rau/Dürrwächter, § 25 a UStG, Rz. 23; Radeisen in Hartmann/Metzenmacher, § 25 a UStG, Rz. 36, 39). Die Auslegung der Finanzverwaltung in Abschn. 276 a Abs. 2 UStR, nach der als Wiederverkäufer nur der Unternehmer gilt, der im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit üblicherweise Gebrauchtgegenstände erwirbt und verkauft, findet nach Auffassung des Senats keine Grundlage im Gesetz. Eine richtlinienkonforme Auslegung des § 25 a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG führt ebenfalls dazu, dass nicht nur diejenigen Unternehmer unter den Begriff des Wiederverkäufers fallen, die „üblicherweise” mit Gebrauchtgegenständen handeln, sondern auch diejenigen, die „gewerbsmäßig” mit neuen Gegenständen handeln. Nach Art. 26 a Teil A Buchst. e der 6. EG-RL (nunmehr Art. 311 Abs. 1 Nr. 5 MwStSystRL) gilt als „steuerpflichtiger Wiederverkäufer” jeder Steuerpflichtige, der im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit Gebrauchtgegenstände etc. kauft. Damit schränkt das Gemeinschaftsrecht die Anwendbarkeit der Differenzbesteuerung nur auf den Wiederverkauf von Gebrauchtgegenständen ein, gibt aber nicht zugleich auch vor, dass der Handel mit Gebrauchtgegenständen den eigentlichen Gegenstand der gewerblichen Tätigkeit ausmachen muss, da die Art der gewerblichen Tätigkeit nicht vorgegeben ist (so auch Mößlang in Sölch/Ringleb, § 25 a UStG, Rz. 20; Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, § 25 a UStG, Rz. 41; Radeisen in Hartmann/Metzenmacher, § 25 a UStG, Rz. 39; Stadie in Rau/Dürrwächter, § 25 a UStG, Rz. 23). Im Lichte des Gemeinschaftsrechts können gemäß § 25 a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG auch diejenigen Unternehmer Wiederverkäufer sein, die mit neuen Gegenständen handeln, wobei die Differenzbesteuerung nur insoweit Anwendung findet, wie Gebrauchtgegenstände etc. wiederverkauft werden.

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Kl. Wiederverkäufer i. S. d. § 25 a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG. Er handelt mit (neuen) beweglichen körperlichen Gegenständen und ist bereits hierdurch Wiederverkäufer i. S. d. § 25 a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG. Dem steht nicht entgegen, dass der Kl. nicht mit Pkw's, sondern mit Tabakwaren, Zeitungen, Zeitschriften und Süßwaren handelt. Zwar erkannte der BFH eine Steuerberatungsgesellschaft nicht als Wiederverkäufer an, weil diese nicht gewerbsmäßig mit Pkw's handelte (Urteil vom 02.03.2006 V R 35/04, BStBl II 2006, 675). Für den Kl., der bereits mit Tabakwaren, Zeitungen, Zeitschriften und Süßwaren, mithin mit neuen Gegenständen handelt, begründet sich die Person des Wiederverkäufers aber bereits durch diesen Handel. Dass der Kl. üblicherweise mit Gebrauchtgegenständen handelt, ist hierbei nicht erforderlich. Schließlich ist die Anwendbarkeit der Differenzbesteuerung auf den Verkauf des gebrauchten Pkw Audi A 6 auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Kl. bislang nur selten gebrauchte Pkw und diese zudem ausschließlich an I verkauft hat.

Der Kl. konnte die Differenzbesteuerung auch anwenden, obwohl er keine Rechnung mit Hinweis auf die Anwendung des § 25 a UStG erstellt hat, I aber einen zivilrechtlichen Anspruch auf die Erstellung einer ordnungsgemäßen Rechnung hat, die auch die zusätzlichen Pflichten des § 14 a Abs. 6 UStG zu beachten hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis aus §§ 151, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Die Revision war zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).

VorschriftenRL 77/388/EWG Art 26 Teil A Buchst e MwStSystRL Art 311 Abs 1 Nr 5 UStR Abschn 276a Abs 2 Satz 2 UStG § 25a Abs 1 Nr 1 Satz 2

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